Eigene Forschungen

Freitag, 29. Mai 2015

NINJA CONDORS


NINJA CONDORS
Hongkong, USA 1987

Regie:
James Wu

Darsteller:
Alexander Lou,
Stuart Hugh,
Timothy Johnson,
Richard Phillips,
Edward Douglas,
Mary Johnson,
Mick Murray,
Jay Forster



Der Vorspann läuft gerade mal acht Sekunden und schon schwant einem Übles: 'Filmark International' steht da in weißer Schrift auf überwiegend weißem Grund, gefolgt von 'A Tomas Tang Production'. Trash-Freunde vom Fach wissen natürlich, was diese Drohung zu bedeuten hat: Tangs Studio 'Filmark' produzierte überwiegend hochgradig schundige Flickwerke, die aus dem Material von meistens zwei anderen Billigheimern zusammengeschustert waren. Durch neugedrehte Szenen (in denen zwecks besserer Vermarktungsmöglichkeiten meistens Ninjas vorkamen) versuchte man, die unterschiedlichen Handlungsstränge miteinander zu verbinden und per Nachsynchronisation dem Ergebnis dann irgendwie Sinn und Verstand einzuhauchen. Meistens geschah das unter der Federführung von Regisseur Godfrey Ho, der auf diese Weise – fast ohne jeden Aufwand – ganze Wagenladungen an Action-Ramsch fabrizierte und die Videotheken damit regelrecht überflutete.

Doch die Überraschung ist groß: NINJA CONDORS entpuppt sich tatsächlich als eigenständiges Produkt, das ausnahmsweise mal nicht aus fremden Quellen zusammengeklaubt wurde. Für Freunde tiefergelegten Schrott-Entertainments ist das jedoch kein größerer Grund zur Trauer, denn obwohl hier in Sachen Qualität schon fast die Speerspitze der unerschütterlichen Schuster-Schmiede erreicht wurde, geht es doch schäbig zu wie eh und je. Vorhang auf für 90 Minuten kurzweiligen Krawall-Käse vom Feinsten!


Inhalt:

Vorspann. Ninjas springen mit lautem Geschrei durchs Bild, machen Gymnastik, fuchteln mit Schwertern und schleudern Wurfsterne und Handgranaten auf Schaufensterpuppen. Ein schönes Hobby! Als Titel wird dazu übrigens „NINJA, CONDORS“ eingeblendet. Zeichensetzung, komisch.

Schnitt. Ein Auto pest durch karge Landschaften. Drinnen sitzt ein Mann am Steuer, neben ihm sein Sohn, der sich immer wieder sorgenvoll umblickt. Ein Schuss kracht, der Wagen bleibt liegen, Vater und Sohn flüchten zu Fuß weiter. Nützt aber nichts: Unholde auf Motorrädern greifen an, fangen Vati mit dem Lasso ein und schleppen ihn unsanft ab. Der Sohn steht da und guckt doof. Und als hätte das nicht schon gereicht, wird der Abgeschleppte nun auch noch zwischen vier Maschinen gespannt und fachgerecht zerlegt. Plötzlich stolpern ein paar Polizisten um die Ecke, was den Bikern eine Heidenangst einzujagen scheint, da sie umgehend die Kurve kratzen. Für den frisch Geteilten kommt das natürlich alles ein paar Augenblicke zu spät. Während die Uniformierten die flüchtenden Täter zu Fuß verfolgen, gesellt sich der Einsatzleiter zu dem Jungen und fragt sorgenvoll: „Junge, geht es dir gut?“ Das ist zweifellos eine ziemlich blöde Frage, wenn man gerade die Filettierung seines eigenen Erzeugers miterleben musste.
 
Schnitt. Ein junger und ein älterer Mann in schlecht sitzendem Anzug stehen auf einem Felsplateau. Der ältere deutet bedeutungsschwanger nach unten und erklärt: „Diese Männer dort unten, die haben deinen Vater getötet.“ Was? Moment mal! Wurde etwa noch ein Vater getötet? Oder ist der junge Mann womöglich der große Bruder von dem kleinen Jungen? Es dauert ein wenig, bis man begreift, dass zwischen dieser Szene und der letzten so ungefähr 20 Jahre liegen sollen und der junge Mann identisch ist mit dem kleinen Kind von eben. Ist aber auch nicht einfach zu begreifen, denn die schicksalsträchtige Hintergrundmusik läuft stur weiter, als sei nichts geschehen, es gibt keine Einblendung, keine Überleitung, kein Garnichts.

Nachdem der nun gar nicht mehr so kleine Junge (Brian mit Namen) erfahren hat, wem er seine Vaterlosigkeit (wo ist eigentlich die Mutter?) verdankt, tut er das, was jeder an seiner Stelle tun würde: Er zieht sich seine (weißen) Ninja-Klamotten an und lauert den Bösewichtern auf, die es anscheinend inzwischen zu einigem Reichtum gebracht haben: Die Motorräder wurden gegen eine Limousine getauscht und als Behausung dient eine dicke Villa, die natürlich streng bewacht wird. Aber so etwas hält doch einen Ninja nicht auf: Im Handumdrehen sind die Widersacher, unter Zuhilfenahme solch nützlicher Utensilien wie Schlinge, Schwert und Blasrohr, beseitigt.

Ein Erfolg, der gefeiert werden muss! Brians Boss (eben jener, der kurz zuvor noch neben ihm auf dem Felsen stand und den wenig subtilen Namen 'Lucifer' trägt) lädt ihn und jede Menge weiterer Wurstgesichter zum großen Champagnerschlabbern ein. Dabei ist er für seinen Schützling voll des Lobes: „White Eagle", - so Brians Ninja-Name - , „das hast du gut gemacht! Ich möchte, dass ihr alle seinem Beispiel folgt. Wir haben in den letzten Jahren hart gearbeitet. Meine Organisation ist klein, aber unser Einfluss ist groß – und wird immer größer. Wir werden gefürchtet. Auf diesen Erfolg müssen wir anstoßen.“ Die anderen heben zustimmend ihr Glas, würgen den Champagner runter und machen dabei Geräusche, als käme ihnen gerade die Kotze hoch. Doch bevor es so weit kommt, erinnert Lucifer daran, dass es noch einen großen Feind zu besiegen gilt: Tissiano (oder so ähnlich).

Von einer Sekunde auf die nächste befindet man sich plötzlich in einem unbekannten Parkhaus, um sich mit besagtem Herren zu treffen. Dieser schält sich gerade aus seinem protzigen Herrenbeschleuniger und ist eine wahrlich impotente Erscheinung, mehr Hackbraten als Mensch, mit von Bud Spencer geklauter Gesichtsmatratze, dicker Havanna zwischen den Schwulstlippen und so böse, dass er seine Pornobrille sogar unter Tage aufbehält. Er und Lucifer tauschen ein paar Höflichkeiten aus, wobei letzterer durchblicken lässt, dass Pissiano den nächsten Bus gefälligst nicht verpassen und ihm die Stadt überlassen soll. Als dieser sich weigert, räumen Lucifers Mannen unter seinen Leibwächtern auf (wobei White Eagle mal wieder die höchste Trefferquote erzielt), bevor Schissiano am Ende selbst die Segel streichen muss. Ende Gelände, aus die Maus!

Schnitt. Ein paar Nulpen hocken im Klassenzimmer und spielen BREAKFAST CLUB. So sieht es zumindest aus. Aber schnell wird klar, dass die Männer nicht nachsitzen, sondern die Veranstaltung eine polizeiliche Einsatzbesprechung darstellen soll. Unter den Beamten befindet sich auch der Typ, der am Beginn den armen kleinen Brian angesichts seines vor ihm liegenden zerfetzten Vaters gefragt hat, ob es ihm denn auch gut ginge (seltsamerweise ist er seitdem keinen Tag gealtert, obwohl Brian mittlerweile schon Alkohol kaufen darf). Der Einsatzleiter (man erkennt ihn an dem Telefon auf seinem Tisch) wundert sich über die vielen Leichen im Parkhaus und fragt seine Männer, ob sie vielleicht nen Dunst hätten, wer dafür verantwortlich sein könnte. Niemand weiß Rat, nur besagter Jungbrunnenbesitzer hat seine Hausaufgaben gemacht und ist sich sicher, dass es eine „Killer-Maschine“ sein muss. Der Telefonmann beschließt, dass eine Spezialeinheit von Nöten ist. Das jedoch findet Mr. Forever-Young nicht so gut, denn eigentlich sei die Sache sein Fall und er hätte bereits irgendwie und irgendwo einen Informanten eingeschleust. Der Chief tobt, gibt ihm aber noch drei Tage.

Zurück zu Brian: Den plagen inzwischen Gewissensbisse, denn sein Boss, das fällt ihm jetzt plötzlich auf, ist doch sehr gemein und lässt manchmal sogar Kinder töten. Als Brian sich deswegen dezent beschwert, klärt Cheffe ihn auf: „Brian, du bist ein Ninja. Lass nicht zu, dass deine Gefühle über deine Loyalität triumphieren.“ Dennoch kommt Eagle nicht zur Ruhe. Quartzend liegt er im Bett und macht sich Sorgen, seine Herzdame im Arm. Diese ist nicht dumm, errät seinen Kummer und schlägt vor, zu fliehen und eine Familie zu gründen. Doch Brian wigelt ab: Unmöglich, meint er, und murmelt in sich hinein: „Meister!“ Hoppla, nen Meister gibt’s auch noch? Gut, kam zwar bisher nie vor, aber das muss ja nichts Schlechtes sein.


Das Telefon klingelt. Brians Freundin hebt ab. Der Mann am anderen Ende verlangt White Eagle. „Für dich“, meint sie und reicht Brian den Hörer. Schon irgendwie witzig, dass sie seinen Ninja-Namen kennt. Nennt sie ihn privat auch so? Geben sich die beiden auch noch andere Tiernamen? Jedenfalls hat der Anrufer eine neuen Auftrag für den Weißkopfseeadler und befielt ihn ins Hauptquartier. „OK“, meint dieser. Schnitt. Brian springt durch irgendein Fenster. Offenbar ist das sein Auftrag. Mehr darüber erfährt man allerdings nicht. Folgend verbringt er die Zeit damit, Pistolenkugeln auszuweichen und den Schützen Wurfsterne in die Stirn zu massieren. Dabei wendet er auch den berühmten Verschwindibus-Trick an, den nur Ninjas beherrschen: In die Luft springen und durch einen geschickt gesetzten Cut vom Mann am Schneidetisch plötzlich weg sein. Allerdings begeht Brian einen Fehler: Er bringt es nicht übers Herz, den letzten Überlebenden zu töten (nachdem er zuvor alle anderen kaltblütig über den Jordan gepustet hat).

Lucifer ist deswegen reichlich angesäuert.

Lucifer: „Was ist los? Was stimmt nicht mit dir?“
Brian: „Mir gingen Dinge durch den Kopf.“
Lucifer: „Verdammt noch mal, Brian! Ich hab's dir schon mal gesagt: Du bist ein Ninja.“

Stimmt, das hat er tatsächlich. Aber da White Eagle das ab und zu mal zu vergessen scheint, muss er nun auf die Probe gestellt werden. Dazu überfallen des Schurkens Vasallen den armen Polizisten, der Little Brian einst fragte, ob alles gut sei, oder ob der brutale Tod seines Vaters ihn irgendwie verunsichert habe. Was nun folgt, ist hammerharter Stoff: Der Cop wird per Messer an einen Pfosten gepinnt, und Brian soll ihn töten. Dieser bringt das erwartungsgemäß nicht fertig. Aber für den Fall der Fälle haben die Schergen bereits vorgesorgt: Als Überraschungsgast schleppen sie die schwangere Freundin des Polizisten an und bedrohen sie und das Ungeborene mit einer Kettensäge. Als Brian sich trotz dieser schlagenden Argumente immer noch nicht so recht überwinden kann, wird den Anwesenden auf recht anschauliche Weise demonstriert, wie ein Kaiserschnitt funktioniert. Mutter stirbt, Kind stirbt, Polizist stirbt dann auch. Merkwürdigerweise lässt Lucifer den White Eagle allerdings laufen.

Dieser packt nun zur altbekannten Trauermusik seine Siebensachen und wird dabei von seiner Freundin überrascht. Auf die Frage, wohin er denn so plötzlich möchte, erklärt er, es müsse seinen Meister aufsuchen (warum er dafür seine Koffer packt, wird vermutlich in Teil 2 erklärt). Liebchen will mit, aber er weigert sich zunächst – viel zu gefährlich, meint er (warum? Beißt der Meister?). Aber sie lässt nicht locker und Brian lässt sich überzeugen. Sie solle doch schon mal den Wagen starten. Tut sie auch, und da die Kamera dabei in Großaufnahme zeigt, wie sie den Schlüssel ins Schloss steckt und herumdreht, ist klar, was nun passiert: Puff! Peng! Feuerball! Schade, war ein echter Volkswagen! Brian rennt nach draußen und wird von ein paar Schlägern überrascht, die er aber routiniert niedermäht. Schnitt. Brian vor Grabstein, Trauermusik, das volle Programm.

Während Lucifer mit seinen Männern schimpft, weil sie ihn haben entkommen lassen, besäuft sich Brian in einer Bar und bekommt Gesellschaft von einem verhinderten Aushilfs-Eddie-Murphy, der dem frischgebackenen Witwer erstmal ne Wendeltreppe ans Bein labert: „Du trinkst hier ganz allein und draußen sind die ganzen Bräute. Was hältst du davon, wenn wir rausgehen und ein bisschen auf die Pauke hauen?“ Aber Brian hat gar keine Lust, eine Neue flachzulegen, während seine Alte noch nicht mal richtig kalt ist, und verneint, indem er schweigt. Aushilfs-Eddie quatscht trotzdem weiter - vorzugsweise über Weiber und zwar in einem Stil, der ein wenig an die „Pussy“-Rede von Cheech Marin in FROM DUSK TILL DAWN erinnert. Als Brian immer noch nicht reagiert, geht Eddie an einen Tisch und nervt dort die Leute so dermaßen penetrant, dass das in einer großen Schlägerei mündet. Statt Trauerprozess steht für Brian nun Kneipenkeile auf der Tagesordnung. Als die Bullen anrücken, geben er und Eddie hurtig Fersengeld. Doch auch nach geglückter Flucht will die maximalpigmentierte Nervensäge dem Ex-Ninja nicht mehr von der Seite weichen. Um das Eis zu brechen, stellt er sich ihm erstmal vor: „Mein Name ist Eddie.“ Wer hätte das gedacht?

Plötzlich raschelt es unheilvoll im Gesträuch. Natürlich: Ninjas (dieses Mal in schwarz, wie sich das ja eigentlich auch gehört)! Natürlich ist Brian sofort alarmiert, da er genau weiß, dass die Jungs hinter ihm her sind. Eiligst springt er auf den nächstbesten Baum, um sich in Sicherheit zu bringen. Merkwürdigerweise trägt er jetzt urplötzlich sein weißes Ninja-Kostüm. Wo er das die ganze Zeit versteckt hat, möchte man gar nicht wissen. Es folgt das Übliche: Hau und Stech und Puff! Komischerweise scheint der Weiße Adler dieses Mal zu unterliegen (wo sind seine tollen Fähigkeiten hin?) und kann den Kampf nur durch die Hilfe seines neues Freundes gewinnen (nein, er labert die Gegner nicht zu Tode; er bindet die Seile los, an denen sie sich entlanghangeln - klingt komisch, is aber so!).

Das schweißt natürlich zusammen. Abends sitzen Brian und Eddie zusammen auf der Veranda und sinnieren.

Eddie: „Was waren das für Kerle?“
Brian (stets bemüht, auch komplexe Sachverhalte ausführlich zu erläutern): „Das waren Killer.“
Eddie: „Was meinst du damit – Killer?“
Eddie: „Was ich schon sagte: Killer. Ohne jedes Gefühl.“

Eddie und Brian parlieren noch ein bisschen miteinander und schlafen dann am offenen Feuer ein. Das Erwachen am nächsten Morgen ist böse: Die Cops haben sie aufgespürt und bereits in Ketten gelegt. Beide wandern schnurstracks in den Bau. Eddie schimpft wie ein Rohrspatz, während Brian wie immer nachdenklich aus der Wäsche guckt, da es für seine Feinde nun ein Leichtes ist, sie aufzuspüren. Und tatsächlich: Ein Beamter schließt plötzlich die Zelle auf und verkündet Freiheit, da die Rechnung bezahlt wurde. Auf dem Weg nach draußen bewahrheiten sich die schlimmsten Befürchtungen: Lucifers Männer stehen vor dem Ausgang bereit, um zu tun, was getan werden muss. Nun ist guter Rat teuer. Spontan fängt Brian eine weitere Schlägerei mit Eddie an, was die Bullen überzeugt, die beiden Streithähne nun doch in der Zelle zu behalten. Clever, diese Ninjas!

Aber der Feind gibt nicht auf. Nach dem Motto 'Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, muss der Berg eben zum Propheten kommen' steigt einer der Bös-Ninjas heimlich in das Revier ein, schnappt sich den nächstbesten Polizeibeamten und klaut dessen Uniform (das Umziehen dauert übrigens ganze vier Sekunden, und die Uniform sitzt wie angegossen, obwohl der Beklaute eine ganz andere Statur hatte). So getarnt schnappt sich der Eindringling die Schlüssel vom Schreibtisch und fängt an, am Schloss zum Zellentrakt herumzufummeln. Da kommt ein echter Cop vorbei und ist etwas verdattert.

Cop: „Wer sind Sie denn?“
Ninja: „Ich bin neu hier.“
Cop: „Was ist mit Fred? Der hat doch heute Dienst.“
Ninja: „Der ist krank geworden.“
Cop: „Aaaaah... Dann ist ja gut.“ (geht aus dem Bild)
 
Der Spitzbube gelangt unbehelligt in die Zelle und versucht, den scheinbar schlafenden Brian per Messer zu massakrieren. Der hat sich jedoch nur schlafend gestellt und der verhinderte Attentäter ist in Windeseile schachmatt gesetzt. Und da er dankenswerterweise die Tür hat offen stehen lassen, nutzen Brian und Eddie die Gelegenheit zum Türmen. Dabei kommt es dann zu einer überraschenden Wendung, von der sich selbst THE SIXTH SENSE noch eine Scheibe abschneiden könnte: Als die Beamten Eddie mit vorgehaltener Waffe zum Bleiben zu überreden versuchen, zückt dieser plötzlich einen Ausweis und die beiden Cops stehen stramm und salutieren. Eddie ist also Polizist (und damit ist auch klar, wer der eingeschleuste Informant ist, von dem eingangs mal die Rede war). Brian hat von dieser Sache allerdings nichts mitbekommen.

Doch kaum wieder auf freiem Fuße und sich gerade am Hafen bei einer Aussprache befindend, stehen auch schon die nächsten Schlägervisagen parat (eine davon sieht aus wie 'Borat'). Eddie verspricht, das zu übernehmen, bekommt aber ganz schön die Fresse poliert. Also muss sein Ninja-Freund wieder aushelfen, was zu einem zünftigen Hand- und Fußgemenge neben, auf und zwischen diversen Frachtschiffen führt. Logisch, dass trotz plötzlicher Ninja-Schwemme die beiden Helden abermals triumphieren, denn ansonsten wäre NINJA CONDORS ja jetzt zu Ende, und es fehlen noch 40 Minuten. Die müssen natürlich noch überbrückt werden, weswegen sich Brian nun auf einen Felsvorsprung stellt und einen pathetischen Redeschwall aufs Meer hinausschickt: „Für all meine Sünden und meine ermordete Freundin werde ich alle meine Untaten wieder gutmachen. Für Tyler, meine Freundin, und meinen Meister, der mich gelehrt hat, was es wirklich bedeutet, ein Ninja zu sein.“

Eddie ist schwer beeindruckt von dieser Ansprache und verabschiedet sich. Brian hingegen rennt wie besessen zu dem Schrein am Hang, wo sein Meister wohnt. Dort wird er bereits erwartet. Allerdings nicht vom Meister, sondern von – man ahnt es bereits! - bösen Ninjas. Dieses Mal jedoch erwischt es Brian hart. Halbtot bleibt er liegen, während seine Angreifer sich aus unerfindlichen Gründen wieder aus dem Staube machen. Halbtot hin oder her, Brian findet noch genug Kraft, die Balustrade einer (vermutlich) nahgelegenen Villa emporzuklettern, um eine im Pool dösende Bikini-Mieze um Hilfe zu bitten (nach über 50 Minuten ist es ja schließlich an der Zeit, mal wieder eine neue Figur einzuführen). Diese hat nichts gegen halbtote Ninjas und schleppt den Angeschlagenen ins Haus, der sich erstmal ne Mütze Schlaf gönnt. Als er wieder zu sich kommt, staunt er allerdings nicht schlecht: Vor ihm im Sessel sitzt Lucifer, die Pool-Maus im Arm, und feixt sich eins. Eigentlich dürfte das Spiel jetzt aus sein – aber die Gangsterbraut möchte nicht, dass man Brian in ihrer schönen Wohnung umlegt. Das sieht Lucifer ein und lässt ihn deshalb nach draußen schleppen. Dort allerdings wartet bereits Eddie auf seinen Einsatz (woher kommt der jetzt wieder?) und ballert mit einem gezielten Schuss Brians Fesseln durch. Das Ende vom Lied: Brian entkommt, dafür befindet sich nun Eddie in Schurkenhand.

Nun wird es ein bisschen verwirrend: Brian lauert Lucifers Freundin auf (als sie aus der Dusche steigt – so ein Schelm!), die sich plötzlich als doch gar nicht so übel entpuppt und ihm etwas zeigen möchte. Sie öffnet eine Tür und dahinter befindet sich... nein, keine Truppe böser Ninjas... Brians Meister! 
 Und er sieht auch genau so aus, wie man sich nen Meister im Allgemeinen so vorstellt. Brian ist völlig von den Socken, während der Meister voll des Lobes für das Ganovenliebchen ist: „Sie ist ein sehr nettes Mädchen.“ Diese freut sich darüber nen Wolf und schlägt vor, sich ins obere Stockwerk zu begeben. Dort wird es Zeit für eine Lagebesprechung (die allerdings nicht erklärt, was der Meister im Haus der Freundin des Feindes macht, aber irgendwie interessiert das zu diesem Zeitpunkt auch eh nicht mehr so richtig). Als der Meister erfährt, dass Eddie von Lucifer gefangengehalten wird, ist für ihn klar, dass man etwas dagegen tun muss. Ja, der Meister ist schon weise... 

Auf seinem Anwesen verkloppt Lucifer zu Trainingszwecken gerade ein paar seiner Angestellten, als sein Telefon klingelt. Es ist White Eagle, der ihm klarmacht, dass er Eddie wiederhaben möchte. Sein Tauschobjekt: Sarah (die Freundin des Schurken). Als Lucifer ihm erklärt, dass er inzwischen herausgefunden hat, dass sein Freund ein Bulle ist, staunt er zwar nicht schlecht, besteht aber trotzdem auf die Herausgabe. Zeit und Ort wird festgelegt, das Ding scheint zu laufen. Zeit für ein klärendes Gespräch zwischen Ninja und Meister. Nun endlich rückt der alte Mann mit seinem Geheimnis raus: Er war nicht nur Brians Lehrer, sondern auch der von Lucifer. Doch dieser wandte sich von ihm ab, ignorierte seine Lektionen in Sachen Gerechtigkeit und verschrieb sich der dunklen Seite. „Du weißt, White Eagle, dass wir die wahren Ninjas sind. Lucifer hat Jiu-Jitsu verraten.“ Ja, da kann man schon mal ins Grübeln kommen...

Endlich! Der Tag der Übergabe ist da. Wie nicht anders zu erwarten, kommt es zu einem großen Schlachtfest, bei dem auch der Meister tüchtig mit auf die Pauke haut – und sich dabei ziemlich unmeisterlich anstellt und seine Hand verliert. Brian, Eddie, Meister und die inzwischen übergelaufene Sarah flüchten und bringen sich in einer Höhle in Sicherheit. Während der Meister sich erholt, streiten sich Brian und Eddie ein bisschen, weil letzterer ersterem seinen Cop-Job verheimlichte, werden aber von Sarahs Rufen unterbrochen: Der Meister stirbt (obwohl es ihm eben eigentlich noch ganz gut ging). Der Meister wiederholt noch mal ein paar Dinge, die schon Jeder weiß, und spricht dann seinen letzten Wunsch aus: Brian soll Lucifer kaltmachen (eine gute Idee, darauf hätte man ja auch selbst kommen können). Kaum zuende gesprochen, gehen bei dem Mann die Lichter aus.

Schnitt. Sarah macht einen auf Anita Ekberg und gönnt sich ein verführerisches Bad im See. Plötzlich schleicht sich ein Schwarz-Ninja an, augenscheinlich, um die Badenixe einzufangen. Aber Glück gehabt! Die Sache war nur ein Trick, denn urplötzlich greift der Weiß-Ninja (also Brian) von hinten an und schaltet den Widersacher aus. Natürlich bleibt es nicht bei dem einen, denn plötzlich kommt wieder eine ganze Horde von den Fieslingen angeschissen. White Eagle hat alle Hände voll zu tun; der Kampf verlagert sich auf eine Schwebebahn, ein Kettenkarussell und schließlich per Schlittschuh auf eine Eisfläche (warum das da alles rumsteht, ist nebensächlich). Nachdem die ganzen Ninjas plattgemacht sind, bringt Brian es auf den Punkt.

Brian: „Es wird jetzt Zeit, sich Lucifer zu stellen.“
Sarah: „Ich komme mit dir.“
Brian: „Ich darf kein Risiko eingehen. Ich muss allein dorthin gehen.“
Sarah: „Gut, das versteh ich.“

Zeit für den großen Showdown! Mit voller Ninja-Kampf-Ausrüstung (z. B. Seil und Blasrohr) entert White Eagle die Villa Lucifers und veranstaltet ein richtig dickes Feuerwerk. Da wird alles abgeschossen und in die Luft gesprengt, was nicht bei Drei auf dem Baum hockt. Und um die Party komplett zu machen, steht auch plötzlich noch Eddie auf der Matte – und ist vom Polizisten offenbar zum Söldner mutiert. Mit Indiana Jones' Hut auf der Rübe, Rambos Patronengürtel um der Schulter und zwei Maschinenpistolen im Anschlag mischt er die Mischpoke gründlich auf und pulverisiert alles, was ihm vor die Linse läuft. Doch Lucifer ist gar nicht so doof, wie er aussieht, und hat sich inzwischen Sarah als Geisel geschnappt. Zwar versucht er zu fliehen, wird auf offenem Felde jedoch von Brian abgefangen, der jetzt einen auf Bruce Lee macht und einen Kung-Fu-Fight auf Leben und Tod liefert. Mittendrin macht's dann plötzlich Knallpuff und beide befinden sich im Ninja-Kostüm auf einer Hängebrücke (das muss auch so ein spezieller Ninja-Trick sein). Und nun geht’s noch mal richtig rund: Die Kontrahenten hauen sich Shuriken, Schwerter, Armbrüste und China-Böller um die Ohren, teleportieren sich von hier nach dort, fliegen wie die Bekloppten durch die Baumkronen und lassen es dabei so richtig krachen. Wie wird der Kampf ausgehen? Wer wird obsiegen? Und warum nennt sich das Ganze NINJA CONDORS, obwohl die Hauptfigur Adler heißt? Fragen über Fragen ...

Kritik: 

So, Butter bei die Fische! Für eine Tang-Produktion ist das hier schon ziemlich großer Sport. Natürlich vom Olymp immer noch himmelunendlich weit entfernt, aber immerhin schon bessere Amateur-Liga. Der Regisseur nennt sich zwar offiziell James Wu, aber wenn man es nicht besser wüsste, würde man behaupten, Godfrey Ho hätte hier mal wieder die Fäden in der Hand gehabt. Manche Regisseure erkennt man einfach blind an ihrem Stil. Jean Luc-Godard. Alfred Hitchcock. Sergio Leone. Und eben Godfrey Ho. Aber ob nun Ho oder Wu oder Peng: NINJA CONDORS ist verglichen mit so manch anderem Auswurf der Filmark-Quark-Fabrik ein recht ordentlich gefertigter Rache-Radau ohne viel Leerlauf und mit erfreulich viel launigem Rambazamba.

Vor allem die letzte Viertelstunde holt dabei ordentlich die Kohlen aus dem Feuer und macht richtig Laune: Das von John Woos A BETTER TOMORROW 2 inspirierte Massen-Massaker kommt in bester Heroic-Bloodshed-Manier daher und serviert in Zeitlupe zuckende Körper im infernalen Kugelhagel. Schöne Kamerawinkel und rasant gesetzte Schnitte sorgen dafür, dass NINJA CONDORS in manchen Momenten schon gar nicht mehr nach ramschiger Videotheken-Ware aussieht, sondern nach einem richtig sauberen Baller-Knaller aus zweiter Reihe. Wäre es auch, gäbe es da nicht noch die ganzen für das Studio üblichen Defizite, die das Resultat quasi aus dem Stand heraus wieder ein paar Reihen weiter nach hinten katapultieren.

Die Darsteller scheinen streng nach größtmöglicher Hässlichkeit ausgewählt worden zu sein. Wer beim Casting nicht mindestens den Eindruck erwecken konnte, dass seine Eltern Geschwister seien, schien hier keine Chance gehabt zu haben. Das Resultat ist eine unglaubliche Hackfressen-Parade, die man sich nicht mal schönsaufen könnte, denn so viel Alkohol gäbe es auf der ganzen Welt nicht. Lediglich Hauptdarsteller Alexander Lou verfügt zumindest im Ansatz über so etwas wie Charisma (wobei die grausige Vokuhila-Frisur in der Mitte auch niemals hätte passieren dürfen). Und dass keiner der Belegschaft ein solch abwegiges Luxusgut wie schauspielerisches Talent mit ans Set brachte, versteht sich quasi von selbst.

Dazu jammert die ganze Zeit über ein wahrlich scheußlicher Synthie-Soundtrack, der NINJA CONDORS zu einer endlosen akustischen Strapaze macht. Selbstverständlich machte man sich auch keinerlei Mühe, so etwas wie musikalische Homogenität zu erzeugen: Wenn etwas traurig sein soll, dann heult die Musik zuverlässig mit, damit auch der Letzte versteht, was das Stündlein geschlagen hat, wenn die Szene vorbei ist, bricht sie abrupt ab und geht pflichtbewusst zum nächsten Klangbrei über. Auch der Dialog ist in seiner stupiden Banalität oft nur schwer zu ertragen – ein Eindruck, der allerdings auf Grundlage der grauenhaften englischen Synchronfassung entstand. Das Original dürfte allerdings wohl auch kaum mit Shakespeare verwechselt werden.

Der Schnitt ist in den Kampfszenen ziemlich kompetent gesetzt, beim Rest allerdings stellenweise katastrophal, was vermuten lässt, dass die Action von jemand anderem zusammenmontiert wurde. Auch sind die Schauplätze ziemlich gut ausgewählt; Hafen, Sägewerk und Schlittschuhbahn geben eine hübsche Kulisse für die zahlreichen Kämpfe ab. Dabei geht es nicht gerade zimperlich zu, auch wenn das Abtrennen von Gliedmaßen natürlich stets auf Anhieb als Trick zu entlarven ist. Der Umstand jedoch, dass hier z. B. auch Kinder umgenietet werden, sowie wirklich harte Momente wie die Abtreibung per Kettensäge machen das Geschehen schon ziemlich brutal und schieben NINJA CONDORS deutlich in die Exploitation-Ecke. Das Drehbuch wirft natürlich – besonders gegen Ende – ziemlich viele Fragen auf und nach Nachvollziehbarkeit für die Handlungen der Figuren sollte man besser nicht suchen. Dennoch ist das Geschehen einigermaßen rund und baut aufeinander auf, ohne dass man alle fünf Minuten den Eindruck haben muss, versehentlich den Kanal gewechselt zu haben. Wer die zahlreichen visuellen und akustischen Verbrechen wegstecken kann, der erlebt hier ein sogar recht ansprechendes und abwechslungsreiches Action-Programm, bei dem vor allem das Finale überzeugt und so einiges wieder wettmachen kann.


Vor allem aber lehrt einem NINJA CONDORS Folgendes: Wenn man aus irgendwelchen Gründen mal in ein Polizeirevier einbrechen möchte, reicht es völlig, sich eine Uniform anzuziehen und zu behaupten, man sei der Neue. Klappt garantiert!

Laufzeit: 91 Min. / Freigabe: ungeprüft

Dienstag, 26. Mai 2015

DER CLAN DER NINJA


SUI SI SAN CHUEN
Taiwan 1981

Regie:
Philip Kwok

Darsteller:
Lu Feng,
Chiang Sheng,
Philip Kwok,
Ti Lung,
Cho Boon Feng,
Yasuaki Kurata,
Cheung Paang,
Wong Yeuk-Ping



Inhalt:

China, Ming-Dynastie: Das Land wird von den Japanern überfallen. Der Feind schickt seine besten Kämpfer, die Ninja, um den unliebsamen General Chi Chi-Kwong [Ti Lung] einen Kopf kürzer zu machen. Das erste Attentat misslingt zwar, aber es wird klar, dass etwas getan werden muss. Daher sucht der Sohn des Generals den 'Meister der drei Künste' auf, einen weisen Kung-Fu-Kämpfer, der längere Zeit in Japan lebte und darum um die geheimen Kampftechniken der Ninja Bescheid weiß. Der alte Mann erzählt, dass er sein Können an seine drei besten Schüler weitergegeben hat, die jedoch nichts voneinander wissen und nur in Kombination unschlagbar sind, da jeder nur einen Teil des Wissens in sich trägt. Nun begibt sich der Sohn auf die Sache nach den Schülern, um die Männer zu vereinen und den Angriffen der Ninja gewachsen zu sein.

Kritik:

Ninjas! Keine Videothek der 80er Jahre war vo
r ihnen sicher. Die japanischen Schattenkrieger mit den schier übermenschlichen Fähigkeiten zogen die Actionfreunde an wie das Licht die Motten und ließen selbst bei geringen Produktionskosten artig die Kassen klingeln. Mal waren sie die Guten, mal die Bösen, aber stets passend gekleidet, blitzschnell und mit tödlichen Überraschungen gespickt. Mit den originalen Kämpfern des vorindustriellen Japan hatten die dunkelberobten Hampelmänner natürlich kaum noch etwas zu tun, aber das war dem Publikum – wenig überraschend – so ziemlich egal. Noch bevor der Boom im Westen mit Kloppern wie ENTER THE NINJA [1981] und AMERICAN NINJA [1985] begann, lies Regisseur Philip Kwok (der eigentlich eher als Darsteller bekannt und unter anderem auch in dem Shaw Brothers-Klassiker DER TEMPEL DER SHAOLIN zu sehen war) die Ninja das geplagte China überfallen und ihre todbringenden Wurfsterne zwecks Eroberung in Richtung mehr oder weniger wichtiger Militärs schleudern.

Zumindest zu Beginn geht es dabei zusätzlich auch noch (wie originell!) um ein Buch, das die geheimen Kampfkünste der Ninja enthält und immerhin wichtig genug war, um dem Vorspann als Hintergrundmotiv zu dienen, aber das fällt im Laufe der Handlung dann doch irgendwie der Vergessenheit anheim (bis man sich kurz vor Schluss aus heiterem Himmel wieder daran erinnert). Ohnehin ist die Story ziemlich zerfahren, verliert sich häufiger in Nebenschauplätze und hat auch so manche Ungereimtheit in petto. Warum der 'Meister der drei Künste' sein Fachwissen auf drei Personen verteilt (die noch zudem nichts voneinander wissen), erscheint ein wenig seltsam – hätte er jedem gleich alles gelehrt, hätte man sich eine Menge Mühe und Zeit ersparen können. Zudem fragt man sich, welchen Sinn es für die Japaner eigentlich hat, ständig ein paar Ninjas aus dem Gesträuch springen zu lassen, um wahllos irgendwelche Leute anzugreifen – zumal die angeblich so unbezwingbaren Supermänner hier auch keinen Fuß auf den Boden bekommen und bei so ziemlich jedem Attentatsversuch kollektiv ins Gras beißen müssen.

Im Vergleich zu den konfusen Konstrukten, die unter dem „Ninja“-Label in späteren Jahren noch so auf die Kundschaft losgelassen wurden (Gruß an Flickwerker Godfrey Ho und Konsorten), geht es hier allerdings noch durchaus nachvollziehbar zu. Letztendlich benötigte man ja ohnehin nur ein Alibi, um möglichst schlüssig möglichst viel Kampfgetümmel unterbringen zu können, und als solches funktioniert das zusammengezimmerte Gerüst in ausreichendem Maße. Denn obwohl nicht immer so ganz ersichtlich ist, worum es eigentlich gerade geht, ist trotzdem irgendwie immer irgendwas los und wirkliche Langeweile kommt in den 90 Minuten auch nicht auf. Die Ninjas sind zwar insgesamt eher selten im Einsatz, aber wenn, dann liefern sie das volle Programm: plötzliches Auf- und Abtauchen, fliegende Wurfgeschosse, Rauch- und Brandbomben und gleißende Alu-Gewänder, um ihre Gegner mit Sonnenlicht zu blenden. Entweder hocken sie im Baum und warten darauf, dass endlich mal jemand vorbeikommt, den sie überfallen können, oder sie wühlen sich vorschriftsmäßig durch das Erdreich. Und sollte dennoch mal ein Angriff misslingen (was, wie erwähnt, ziemlich häufig vorkommt), gibt es aus eigener Hand eine Ladung Säure ins Gesicht, um sich für den Gegner unkenntlich zu machen (bringt aber leider nichts, denn Ninjas erkennt man auch ohne Gesicht).

Auch die weibliche Belegschaft ist nicht untätig und kämpft mit den Waffen der Frauen, die da wären: vergifteter Tee, tödliche Haarnadeln und spitze Metall-Fingernägel, die sich sogar durch Holz bohren. Teilweise geht es dabei auch recht brutal zu und nicht unbedeutende Gliedmaßen wie Arme, Beine oder Köpfe verlassen ihren angestammten Platz. Das Kunstblut, das man dazu spendabel über die vermeintlichen Verstümmelungen schüttete, sieht jedoch dermaßen nach Kunst aus, dass selbst Kleinkinder danach noch gelassen nächtigen können. Die zahlreichen Schlagabtausche sind nicht schlecht gemacht, wirken teilweise allerdings etwas steif und einstudiert und gleichen somit mehr den Auftritten einer Performance-Gruppe als tatsächlichen Kämpfen auf Leben und Tod. Besonders abenteuerlich gerieten auch die Kostüme, die überwiegend einen sehr schrillen Eindruck hinterlassen und in ihrem quietschbunten Design mit lauter Schleifchen, Bändchen und Bommeln alles andere als authentisch wirken. Viel eher scheint es, als habe man einfach den nächstbesten Theaterfundus geplündert und sich wahllos auf alles gestürzt, was irgendwie auch nur im Entferntesten historisch aussah.

Dass DER CLAN DER NINJA in der Herstellung nicht allzu teuer gewesen sein kann, ist ohnehin nicht zu übersehen – dazu muss man nicht mal die ungleich aufwändigeren Kulissen und Kostüme der Shaw Brothers als Vergleichsobjekt bemühen. Hier wirkt alles eher billig: viel Feld, viel Wald, viel Wiese, dazu die übliche Dorfkulisse, die einen eher schäbigen Eindruck hinterlässt. Produziert wurde auch nicht vor Ort in China, sondern im günstigeren Taiwan. Dafür holte man sich zum Ausgleich einen ganz großen Namen ins Boot: Ti Lung war in den 70ern einer der bekanntesten Stars des Hongkong-Kinos, spielte in grandiosen Action-Granaten wie DUELL OHNE GNADE oder DAS SCHWERT DES GELBEN TIGERS, blieb jedoch auch später noch Dauergast auf der Leinwand, wirkte in John Woos Meilenstein A BETTER TOMORROW mit und ließ sich auch im hohen Alter noch in Schlachtepen wie THREE KINGDOMS oder SEVEN ASSASSINS blicken. In der Rolle des bedrohten Generals Chi Chik Kuang ist er hier zwar massiv unterfordert und bleibt trotz seiner Kampfkünste bis zum Schluss passiver Beobachter, aber allein seine bloße Präsenz veredelt sogar Ninja-Jokus wie diesen.

Ti mag zwar der bekannteste Name auf der Besetzungsliste sein, der Eastern-Freund jedoch erkennt auch in weiteren Rollen bekannte Genre-Gesichter, beispielsweise Yasuaki Kurata [→ KARATO – FÜNF TÖDLICHE FINGER] als böser Ninja-Führer oder Regisseur Philip Kwok persönlich. Fans freuen sich darüber, und alle anderen schauen sich so etwas ohnehin nicht an. DER CLAN DER NINJA ist für Einsteiger eher ungeeignet und bietet nicht genügend Potential, um Neulinge überzeugen zu können. Zudem merkt man, dass das ganze Getöse noch vor der eigentlichen großen Ninja-Welle entstanden ist; die Titelgeber treten insgesamt eher selten in Erscheinung und haben noch längst nicht solch verrückte Tricks auf Lager wie in den Jahren danach. Auch der Trash-Gehalt liegt, obwohl fraglos vorhanden, noch deutlich unter späteren Auswüchsen, was je nach persönlicher Fasson als gut oder schlecht bewertet werden darf. Unverbesserliche Groupies, die von den schwarzbetuchten Meuchlern einfach nie genug bekommen können, dürfen gern ein Auge auf das Geschehen werfen. Wen sie dabei allerdings nicht erblicken werden, ist Sonny Chiba – auch, wenn das deutsche Video-Cover das steif und fest behauptet und dem japanischen Weltstar sogar die Hauptrolle angedichtet hatte. Ob diese fehlerhafte Angabe aus Versehen erfolgte oder hier tatsächlich mutwillig Kunden getäuscht werden sollten, darüber darf gern spekuliert werden. 

Laufzeit: 91 Min. / Freigabe: ungeprüft

Sonntag, 24. Mai 2015

WIE TOLLWÜTIGE HUNDE


COME CANI ARRABBIATI
Italien 1976

Regie:
Mario Imperoli

Darsteller:
Jean-Pierre Sabagh,
Anna Rita Grapputo,
Paola Senatore,
Cesare Barro,
Luis La Torre,
Gloria Piedimonte,
Paolo Carlini,
Mario Novelli



„Wenn ein Mörder stirbt, ist keine Zeit für Tränen.“


Inhalt:

Tony [Cesare Barro], Rico [Luis La Torre] und Silvia [Annarita Grapputo] sind Kinder reicher Eltern. Ihr Leben ist finanziell abgesichert, Sorgen um die Zukunft brauchen sie sich nicht zu machen. Ihre Flucht aus dem privilegierten Alltag besteht aus gewalttätigen Raubzügen oder sadistischen Misshandlungen Unschuldiger bis hin zu deren Tötung. Als sie während eines Fußballspiels die Kasse plündern, erschießen sie auf der Flucht einen Polizisten, woraufhin sich dessen Witwe das Leben nimmt. Der frustrierte Kommissar Muzi [Jean-Pierre Sabagh] setzt sich daraufhin auf ihre Fersen, stellt aber bald fest, dass dem Trio mit rechtsstaatlichen Mitteln nicht beizukommen ist. So greift er schließlich zu unkonventionelleren Methoden ...

Kritik:

Für die Italienische Republik waren die 70er Jahre ein unruhiges, von Spannungen und Gewalt geprägtes Jahrzehnt. Linke und rechte Terror-Organisationen überzogen, teilweise gar auf Initiative korrupter Staatsbeamter, das Land mit Angst und Schrecken; Überfälle, Entführungen und Attentate beherrschten die Schlagzeilen; das Volk lebte in ständiger Furcht vor dem nächsten Anschlag. Die ansässige Filmindustrie reagierte auf diese katastrophalen Verhältnisse auf ihre Weise, schickte beschnauzbarte Rache-Bullen auf wenig zimperliche Verbrecherjagden und füllte so den Wunsch der Bevölkerung nach mehr Sicherheit aus - und sich selbst die Kassen. In diese Phase gesellschaftlicher Zerrüttung fiel auch Wenigfilmer Mario Imperolis grobschlächtiges Zeitbild WIE TOLLWÜTIGE HUNDE über eine jugendliche Dreierbande, die quasi grundlos und aus keiner zwingenden Motivation heraus eine Serie von Verbrechen begeht und dabei peinigt, quält und mordet. Raubzüge, Vergewaltigungen und in Eiseskälte durchgeführte Erschießungen gehören für sie zum Alltag, menschliches Leben hat für sie keinen Wert mehr.

Die Täter sind jedoch nicht etwa Angehörige einer ungebildeten Unterschicht, sondern entwurzelte Sprösslinge aus reichem Hause, die von ihren Eltern ideologisch verblendet wurden. Exemplarisch dafür steht der Charakter des Tony, der zwar in der Schule nur durchschnittliche Prüfungsleistungen erbringt, dessen volle Punktzahl durch einen Anruf seines einflussreichen Vaters trotzdem regelmäßig gesichert ist – was ihm freilich den Strich geht: „Ich will nur, was ich mir verdient hab.“ Die Erkenntnisse, die ihm sein Vater ansonsten noch mit auf dem Weg gibt, sind auch nicht gerade subtiler Natur: „Das ultimative Ziel im Leben ist der Sieg. Der ganze andere Unfug wie Moral, Kultur, soziales Bewusstsein und Religion sind nützliche Werkzeuge, die man bei denen einsetzen muss, die man kontrollieren will.“ Als Folge dieses weisen Rats entlädt sich Tonys Perspektivlosigkeit und die seiner Freunde, in Kombination mit dem Drang nach Aufbegehren gegen Gesellschaft und Obrigkeit, in sadistischen Machtspielchen, die manch Unbeteiligtem zum furchtbaren Verhängnis wird.

Dem gegenüber steht der ermittelnde Kommissar Muzi, der, genervt vom unfähigen System und dessen komplizierten Reglementierungen, den Verbrechen des Mörder-Trios quasi machtlos zusehen muss und infolgedessen schließlich selbst die gesetzlich festgesetzten Limitierungen übertritt. Dabei wird er allerdings nicht etwa zum gnadenlosen Rächer vom Schlage eines Maurizio Merli, der zu dieser Zeit regelmäßig zum italienischen DIRTY HARRY mutierte und den Gaunerbanden mit massivem Schießprügel- und Backpfeifeneinsatz das Fürchten lehrte. Muzi ist kein cooler Killer-Cop, dem man begeistert zujubelt; er bleibt trotz allem eher passiv und will, obwohl er der Einzige ist, der zumindest im Ansatz so etwas wie eine Identifikation ermöglicht, nicht so recht als Heldenfigur taugen. Das geht freilich einher mit dem realistischen Ansatz, den Mario Imperoli und sein Co-Autor Piero Regnoli hier verfolgen: WIE TOLLWÜTIGE HUNDE ist keine überzogene Selbstjustiz-Mär, sondern ein bodenständig-kritischer, manchmal fast schon resignierter Blick auf den zerfahrenen Zustand eines von Terror und Tristesse gebeutelten Landes.

Das zeigt sich bereits zu Beginn, wenn ein paar für die Handlung unwichtige Nebencharaktere beiläufig tadelnde Töne zu politischen und sozialen Missständen erklingen lassen. „Du bist der Einzige in Italien, der sich noch Fleisch leisten kann“, meint ein von Muzi befragter Zoowärter zum gerade gefütterten Raubtier. Und ein Besucher gemerkt beim Anblick einer Giraffe: „Wenn die Regierung uns weiterhin so die Hälse strecken lässt, um was zu essen zu haben, sehen wir bald alle aus wie Giraffen.“ Unterstützt wird das von einer naturalistischen und nur selten filmisch eingesetzten Kamera, die den Akteuren oft sehr nahe auf den Leib rückt und auf diese Weise für eine fast schon dokumentarisch anmutende Stimmung sorgt. Das führt auch dazu, dass die Gewaltakte des Trios einen erschreckend realen Duktus bekommen. Dadurch unterscheidet sich WIE TOLLWÜTIGE HUNDE grundsätzlich von einem Großteil seiner Konkurrenz: Sex und Gewalt wird hier nicht ausschließlich voyeuristisch ausgeschlachtet, sondern wird durch die erzwungene Nähe zu den Protagonisten und den schroffen wirklichkeitsnahen Look auch für das Publikum zur fast schmerzhaften Erfahrung.

Besonders zeigt sich das bei einer Sequenz, die wahrlich unter die Haut geht: Eine junge Frau, die als Geisel dient, versucht aus dem Haus, in welchem sie gefangengehalten wird, zu entkommen, schleicht sich, noch immer geknebelt und mit auf den Rücken gefesselten Händen, die Treppe hinunter, streunt durch die ihr unbekannten Gänge, öffnet leise die Türen, blickt schließlich von einem Fenster hinaus auf die Stadt, auf die Freiheit. Die Kamera beobachtet sie dabei, folgt ihr minutenlang, rückt ihr auf die Pelle, zeigt ihr tränenüberströmtes Gesicht, macht den Zuschauer zum Verbündeten, lässt ihn mit ihr hoffen. Und doch ist es vergebens: Die drei Unholde haben nur darauf gewartet, sie abzufangen, mit ihr gespielt wie die Katze mit der Maus. In abscheulicher Seelenruhe unterziehen sie ihr Opfer einer erniedrigenden Prozedur, rauben ihm erst die Kleidung, dann die Würde, dann das Leben. Die eiskalte Konsequenz dieser Tat und ihrer Präsentation schockiert und verdeutlicht den Unterschied zu den zahlreichen Exploitern, die sich an einem Schauspiel wie diesem in erster Linie ergötzt hätten: WIE TOLLWÜTIGE HUNDE ist nicht frei von spekulativen Elementen, in seiner Gesamtheit jedoch sehr unbequem und dürfte geifernden Gaffern auf der Suche nach misanthropischen Sensationen eher die Schamesröte ins Gesicht treiben.

Etwas Futter für die Fraktion der Schaulustigen gibt es allerdings dennoch. Das Frauenbild, das hier entworfen wird, ist eher zweifelhaft und dürfte den Härtetest im Club der Dorf-Emanzen wohl kaum bestehen. Keine der hier anwesenden Damen bleibt vollständig bekleidet, Paola Senatore darf als Freundin des Kommissars gar minutenlang im Eva-Kostüm durch die Wohnung wandern. Muzi selbst hat dann auch keine größeren Probleme damit, sie als Lockvöglerin auf den Strich zu schicken, um ihr dann, als die absehbare Vergewaltigung schon so gut wie vollzogen ist, erst in letzter Sekunde und damit eigentlich viel zu spät zur Rettung zu eilen. Als sie sich später nicht ganz zu Unrecht bei ihm darüber beschwert, reagiert er mit: „Sei doch nicht so. Ich fühle mich ja ganz schuldig.“ - als habe sie sich lediglich darüber beschwert, dass er ihre Zahnbürste benutzt hat. Da sie gegen Ende des folgenden Gesprächs jedoch durchblicken lässt, dass ihr die Erfahrung einer beinahen Zwangspenetrierung gar nicht so fürchterlich missfiel, wie sie anfangs behauptete, verzeiht sie ihm am Ende doch und belohnt seinen selbstlosen Einsatz schließlich mit körperlicher Hingabe.

Geschmackliche Entgleisungen wie diese passen so gar nicht zu dem ansonsten doch sehr klugen und durchdachten Skript, das mittig allerdings – so viel sei zugegeben - auch ein paar inhaltliche Hänger hat und zu einer recht banalen Nummernrevue verkommt, welche die Gewaltakte des teuflischen Trios einfach nur wiederkehrend aneinanderreiht. Zwischen ihren Taten – und das darf man nun wiederum ohne Reue als genialen dramaturgischen Kniff bezeichnen - schenkte man der Mörderbande ein paar wunderbar harmonische Szenen, die man von Stimmung und Ästhetik her eher in einem Liebesfilm vermutet hätte. Die ansonsten schändlich agierenden Schwerkriminellen toben ausgelassen am Strand, genießen den Sonnenuntergang und sinnieren darüber, warum es nicht immer so friedlich sein kann. Fast vergisst man in diesem Moment für ein paar Sekunden, mit wem man es hier eigentlich zu tun hat, fühlt sich den Dreien sogar verbunden. Das ändert sich freilich, als die Truppe nachfolgend in eine Privatwohnung eindringt und den Besitzer mit Waffengewalt dazu zwingt, seine eigene Freundin zu vergewaltigen.

Es sind nicht nur solch harte Kontraste wie dieser, mit denen WIE TOLLWÜTIGE HUNDE irritiert, auch generell ist es nicht einfach, das Werk passend einzuordnen, zumal - anders als bei der Mehrheit der Polizeifilme - hier nicht der Ermittler im Mittelpunkt steht, sondern der Fokus auf den Tätern liegt. Zumindest in Teilen erinnert das an Stanley Kubricks Klassiker UHRWERK ORANGE, wenn auch abzüglich dessen ausgeflippter Extravaganz – eine Assoziation, die paradoxerweise an ehesten in einer Szene greift, die völlig gewaltfrei daherkommt: Die Jugendlichen spielen in ihrer Wohnung eine Szene aus OTHELLO nach – ein schön schräger, wie aus dem Zusammenhang gerissener Augenblick, der zudem verdeutlicht, dass die Jungs sich das Mädchen nicht nur auf freundschaftlicher, sondern auch auf sexueller Ebene teilen. Während die Killer aufgrund solcher Szenen trotz ihrer schrecklicher Taten interessant erscheinen, bleibt Kommissar Muzi, eigentlich die positive Figur, konturenlos und aufgrund seiner bis zum Schluss vorherrschenden Ohnmacht sogar weitestgehend unsympathisch. Bezeichnenderweise trägt er am Ende dann auch nichts Nennenswertes dazu bei, die Mörder ans Messer zu liefern. Das übernimmt stattdessen eine höhere Gewalt in einer Pointe, die dermaßen plötzlich hereinbricht, dass man sich von ihrer Schlagkraft erst einmal erholen muss.

Nicht nur, aber auch aufgrund seines knalligen Finales ist WIE TOLLWÜTIGE HUNDE ein unerwartet großartiges Stück Kino, ein süffisanter Kommentar zur prekären Lage einer geplagten Nation im Mantel einer rüpeligen Räuberpistole, die ihre Botschaft jedoch nicht, wie viele zeitgleiche Vertreter, im politisch rechten Spektrum verortet, sondern stattdessen eine deutlich differenziertere Sichtweise offeriert. In Deutschland lief das Werk seinerzeit nicht in den Lichtspielhäusern (daher existiert auch keine entsprechende Synchronfassung), was vermutlich auch damit zusammenhängt, dass man sich keinen der damals zugkräftigen Namen auf das Plakat schreiben konnte. Tatsächlich sind die Darsteller eher unbekannt, was ihre ausgezeichneten Leistungen jedoch nicht schmälert und der angestrebten Authentizität zudem überaus zugänglich ist.
Zwischen rüder Härte und geerdetem Realismus findet Imperolis genuines Gesellschafts-Portrait dabei trotz aller Ruppigkeit auch immer noch Augenblicke großer cineastischer Poesie. Diese Hunde gehören losgelassen.

Laufzeit: 94 Min. / Freigabe: ungeprüft

Mittwoch, 20. Mai 2015

THE KILLER RESERVED NINE SEATS


L'ASSASSINO HA RISERVATO NOVE POLTRONE
Italien 1974

Regie:
Giuseppe Bennati

Darsteller:
Rosanna Schiaffino,
Janet Agren,
Paola Senatore,
Howard Ross,
Chris Avram,
Eva Czemerys,
Lucretia Love,
Gaetano Russo



Inhalt:

Der wohlhabende Patrick Davenant [Chris Avram] kommt in der Nacht seines Geburtstags auf die Idee, mit seinen Gästen ein uraltes Theater aufzusuchen, das sich seit Ewigkeiten in Familienbesitz befindet. Doch als sie dort ankommen, wird die ausgelassene Feier schnell zum Alptraum: Erst taucht ein mysteriöser zehnter Gast auf, den niemand zu kennen scheint und der unverständliche Dinge sagt. Und als auf Patrick ein Mordanschlag verübt wird, stellt die nun gar nicht mehr so fröhliche Party-Gesellschaft fest, dass nicht nur die Türen des Gebäudes verriegelt sind, sondern auch die Telefonleitungen gekappt. Nun beginnt ein blutiges Spiel, denn der geheimnisvolle Mörder hat noch viel vor in dieser Nacht …

Kritik:

Als der Killer 1974 auf die Idee kam, neun Plätze zu reservieren, war er damit für die Hauptvorstellung im Prinzip ein paar Jährchen zu spät dran. Der Giallo, die große italienische Mordschau, hatte seine Hochphase bereits hinter sich und die wegweisenden Stücke längst auf den Weg gebracht. Was danach folgte, waren in erster Linie nur noch Abwandlungen der immergleichen Muster und Motive, die keine großartigen Innovationen mehr versprachen, im Idealfalle aber durch Schick und Geschick immer noch höchst gefällige Unterhaltung offerieren konnten. In diese Kategorie gehört auch THE KILLER RESERVED NINE SEATS, dessen Prämisse zwar altbekannt erscheint, dessen Mangel an inhaltlichem Genie jedoch durch gekonnte Modifikation, atmosphärische Dichte und vor allem seinen attraktiven Schauplatz spielend übertüncht wird. Immerhin drei Autoren verschliss sie dennoch, diese weitere Variation des Zehn kleine Negerlein-Prinzips, das, seit Agatha Christie es 1939 erdachte, seinen Siegeszug durch das Krimi-Genre antrat und in zahllosen Adaptionen und Abarten immer wieder die Leinwand heimsuchte.

So wird auch hier eine Handvoll Leute (wie zufällig tatsächlich erneut zehn an der Zahl) erst von der Außenwelt abgeschlossen und dann zur Zielscheibe eines mysteriösen Meuchlers, der nach und nach, Mann für Mann, Frau für Frau, die Reihen lichtet und somit den Kreis der potentiell Verdächtigen immer weiter schrumpfen lässt. Ein jahrhundertealtes Theatergebäude wird den Opfern dieses Mal zum mondänen Luxus-Gefängnis, sein verwinkeltes Konstrukt aus Fluren und Räumen zum eleganten Todes-Labyrinth. Tatsächlich entpuppt sich dieser hermetisch abgeriegelte Dauer-Tatort bald als heimlicher Hauptdarsteller, lässt er THE KILLER RESERVED NINE SEATS doch dieses im besten Sinne antiquierte Bühnenflair atmen, das ihn so herrlich altmodisch wirken lässt und ihm diesen wunderbar-melancholischen Unterton der Vergänglichkeit verleiht, den alte Häuser oftmals versprühen: Einst illustrer Treffpunkt für die kulturell interessierte Gesellschaft, ist das prunkvoll ausstaffierte Bauwerk nun leerstehend und nutzlos und verkommt langsam zur Ruine. Und ebenso, wie der protzige Prachtbau sein Leben aushauchen muss, geht es nun auch seinen unfreiwilligen Insassen an den Kragen.

Die Dinge entwickeln sich dabei altbekannt, doch auch altbekannt kurzweilig: Die reichlich versnobt gezeichnete Belegschaft entert in übermütiger Partylaune die rustikalen Räumlichkeiten und gibt sich wenig überraschend zuallererst diversen frivolen Spielchen hin. Schnell wird deutlich, dass die feinen Herr- und Damschaften sich zwar elitär und erhaben geben, letztendlich aber doch nichts anderes sind als triebgesteuerte Tiere. Dem noch Harmonie suggerierenden, in die lässig-jazzigen Klänge Carlo Savinas [→ DER PATE] gehüllten Vorspann, bei welchem die in diskreter Distanz positionierte Kamera die anreisenden Protagonisten in ihren Autos bei friedlich anmutenden Zwiegesprächen beobachtet, stehen alsbald deren erotische Eskapaden gegenüber, die keinen Halt vor unmoralischen oder gar inzestuösen Grenzen machen. Rasch schält sich die Erkenntnis heraus, dass die Figuren sich eigentlich spinnefeind sind und es unter der netten Oberfläche reichlich brodelt. Diese Konstellation erinnert stark an Fernando Baldis nicht nur im Titel ähnlichen NEUN GÄSTE FÜR DEN TOD, welcher freilich erst drei Jahre später entstand, weshalb es natürlich eigentlich umgekehrt ist. Während dort eine einsame Insel für ein dekadentes, sich verbündet gebendes, doch innerlich verabscheuendes und äußerlich wild kopulierendes Kollektiv zur tödlichen Falle wird, übernimmt diese Rolle hier der verschlossene Gebäudekomplex, und ebenso wie in Bennatis Theater keimt schließlich auch auf Baldis Eiland der Verdacht einer übernatürlichen Ursache für die Ereignisse auf.

Und dennoch sind beide Versionen trotz ihrer Gemeinsamkeiten am Ende doch völlig verschieden, wobei Bennatis Version der Geschichte die Nase eindeutig vorn hat – und das, obwohl er als Regisseur im Gegensatz zu Massenfabrikant Baldi ein eher unbeschriebenes Blatt war. Aber womöglich lag es ja auch gerade daran, dass er etwas mehr Mühe investierte und der Fließband-Routine eines alten Hasen eine konzentrierte Fingerübung mit Gespür für Atmosphäre und Ästhetik entgegensetzte. So wirkt auch die Zurschaustellung nackter weiblicher Reize hier weitaus weniger plump und selbstzweckhaft als bei seinem Kollegen, auch wenn einer der Hauptgründe dafür wohl dennoch eher der Appell an niedere Publikumsinstinkte gewesen sein dürfte. Auch die Präsentation der malträtierten Opfer geschieht nicht völlig frei von heischender Sensationslust, dafür jedoch in zum Teil morbider Schönheit, mit vom Nagel durchschlagener Hand in christlicher Symbolik skulptural arrangiert oder mit von schwerer Schiebetür zertrümmertem Torso.

Der relativ hohe Aufwand, den der Mörder betreibt, sowie die eigentlich unnötige Ritualisierung seiner Taten bleiben auch nach der Auflösung eher rätselhaft – überhaupt wand sich das Drehbuch durch einen zwar überraschenden, doch prinzipiell reichlich billigen Kniff aus allzu großer Erklärungsnot heraus. Doch Realitätsnähe war ohnehin noch nie das Steckenpferd, geschweige denn überhaupt die Intention des Genres. Wie so viele andere Vertreter seiner Zunft legt auch THE KILLER RESERVED NINE SEATS seinen Fokus auf den Weg und weniger auf das Ziel. Und dieser Weg, mit düsterer Märchenatmosphäre gepflastert und stets in manierlicher Nähe zur makabren Schauergeschichte, führt durch urige Kulissen, scheußlich-schöne Meucheleien und anarchisch gesetzte Winkel und streift schließlich, wenn er im Finale die endlosen Gänge des Theaters verlässt, um stattdessen durch unterirdische Gewölbe zu führen, auch den klassischen Gotik-Grusel.

Die Darsteller erfinden das Wort ‚Schauspielkunst‘ gewiss nicht neu, nehmen ihren Job aber ausreichend ernst und geben keinen Anlass zur Beschwerde. Überragende Momente sind nicht auszumachen, was jedoch auch daran liegt, dass dieses gar nicht gefordert war und auf eine wirkliche Hauptperson verzichtet wurde. Jede Rolle bekam in etwa das gleiche Gewicht, eindeutige Sympathieträger existieren hier ebenso wenig wie ausgemachte Hassobjekte. Das verhindert zwar etwaige Empathieerscheinungen seitens des Publikums, sorgt jedoch durch die damit verbundene Unterwanderung bekannter Dramaturgie- und Erwartungsschablonen auch für eine wohltuende Unvorhersehbarkeit: Wer das nächste Opfer wird, ist ebenso ungewiss, wie die Antwort auf die Frage, wer letztendlich als Täter in Frage käme.

THE KILLER RESERVED NINE SEATS, und das hat er nun wieder mit NEUN GÄSTE FÜR DEN TOD gemein, gelangte nie zu deutscher Kinoehre und musste damit auch auf eine hiesige Synchronfassung verzichten. Das ist zwar bedauerlich, aber echte Freunde des gepflegten italienischen Tötungstheaters schreckt eine fremdsprachige Vorstellung kaum ab. Krimi-Freunde, die ein Faible für Bühnenluft und Rampenlicht hegen, die Wert legen auf Stil und Stimmung und die bei etwas fließendem Blut und nackter Haut nicht gleich ohnmächtig aus dem Sessel gleiten, sollten sich eine Karte reservieren. Neun Plätze sind noch frei.


Laufzeit: 99 Min. / Freigabe: ungeprüft

Freitag, 15. Mai 2015

MAD MAX - FURY ROAD


MAD MAX - FURY ROAD
Australien 2015

Regie:
George Miller

Darsteller:
Tom Hardy,
Charlize Theron,
Nicholas Hoult,
Zoë Kravitz,
Rosie Huntington-Whiteley,
Riley Keough,
Nathan Jones,
Hugh Keays-Byrne



„Was für ein Tag! Was für ein schöner Tag!“


Inhalt:

Einst war Max Rockatansky [Tom Hardy] Polizist. Nach der Apokalypse jedoch ist er nur noch ein Mann, der tagtäglich ums Überleben kämpft. Die Zukunft wird bevölkert von marodierenden Horden, denen ein Menschenleben nichts mehr wert ist. Mit am schlimmsten treibt es die Brut um den sich als Gott feiernden Immortan Joe [Hugh Keays-Byrne], der es schließlich sogar gelingt, Max gefangen zu nehmen. Folgend soll er als lebender Blutspender sein Dasein fristen. Als er dabei sein muss, wie Joes Männer versuchen, eine Schar flüchtiger Sklavinnen wieder einzufangen, kann er inmitten einer gewaltigen Verfolgungsjagd entkommen. Nachdem er mit Müh und Not überlebt hat, tut er sich mit der einarmigen Kämpferin Furiosa [Charlize Theron] zusammen, die mit den anderen entkommenen Frauen auf der Suche nach dem 'grünen Ort' ist, einem sagenhaften Flecken, der blüht und gedeiht. Doch Joes Männer lassen nicht locker und setzen sich auf ihre Fersen.

Kritik:

Der Kult um die Figur des „Mad Max“ begann 1979, als der australische Regisseur George Miller einen bis dato völlig unbekannten Schauspieler namens Mel Gibson in enge Lederklamotten steckte und zum einsamen Motorrad-Rächer werden lies. Die Billigproduktion wurde ein überragender Erfolg, Mel Gibson ein Weltstar und die Idee des eiskalten Vigilanten in einer trostlosen, endzeitlichen Welt ein beliebtes Kopierobjekt. Assoziieren tut man den Charakter allerdings tatsächlich in erster Linie weniger mit dem Original, sondern viel eher mit dessen Fortsetzung, welche die Elemente des Vorgängers cartoonesk erhöhte. Die Idee, die Ereignisse dieses Mal nach Stattfinden einer atomaren Apokalypse anzusiedeln, bot die Möglichkeit zur hemmungslosen Übertreibung in Sachen Ausstattung und Extravaganz. Das deutlich erhöhte Budget verprasste man dabei für eine Vielzahl exzessiver Autojagden, die in ihrer Virtuosität neue Maßstäbe setzen konnten.

Nachdem mit der zweiten Fortsetzung, die zu sehr auf Familientauglichkeit schielte, niemand so recht glücklich wurde, dauerte es 30 Jahre, bis Miller auf den Regiestuhl zurückkehrte, um ein neues Kapitel der Saga aufzuschlagen. Da Mel Gibson für die Titelrolle mittlerweile deutlich zu rüstig war, übernahm an dessen Stelle Tom Hardy, der dieser Aufgabe definitiv gewachsen ist und die übergroßen Fußstapfen seines Vorgängers perfekt ausfüllt. FURY ROAD nennt sich die späte Wiederaufnahme, und der Titel erweist sich als überaus treffend gewählt: Der so oft strapazierte Vergleich mit einer wilden Achterbahnfahrt – hier passt er nicht nur, er scheint geradezu dafür gemacht worden zu sein. Der vierte MAD MAX ist eine wahre Orgie der Zerstörung, ein schwindelerregender Orkan entfesselter Gewalt und die maximal mögliche Potenzierung aller Erfolgsformeln der Vergangenheit, die hier auf ein neues atemberaubendes Level gepeitscht werden.

Fast scheint es, als habe man es George Miller als Kind verboten, mit seinen Matchbox-Autos zu spielen, was er nun auf irrsinnige Art und Weise zu kompensieren versucht. FURY ROAD ist das, wovon kleine Jungs träumen, wenn sie übermütig über den Abenteuer-Spielplatz toben, und was große Jungs begeistert, wenn sie es nun mit eigenen Augen und Ohren erleben dürfen – ein brachiales Leinwand-Geschoss, das von der ersten Sekunde an abgeht wie ein Zäpfchen, ein kolossales, laut krachendes Fest für alle Sinne. Von der Banalität vergleichbarer Blockbuster-Ware setzte man sich dabei durch eine Vielzahl kreativer Ideen ab und bevölkerte das Szenario mit einem Sammelsurium verrückter Gestalten und Situationen. In einer an den schrägen Humor Terry Gilliams erinnernden Szene sieht man, wie die übergroßen Brüste übergroßer Frauen an Melkmaschinen angeschlossen sind, um die darbenden Bösewichter mit wertvoller Muttermilch zu versorgen. Und der brutale Feldzug der bösen Horde wird noch bei wildester Fahrt begleitet von einem an den Kühler des Trucks geketteten Instrumentalisten, der das blutrünstige Geschehen mittels feuerspeiender E-Gitarre musikalisch begleitet.

Bereits der Auftakt, eine in den schieren Wahnwitz übersteigerte Karikatur des berühmten Wagenrennens aus BEN HUR, presst einen in seiner atemberaubenden Wucht in den Sessel und stellt doch nur die Weichen für ein zweistündiges, überlebensgroßes Stunt-Inferno, bei dem fast ausnahmslos alles in Bewegung ist - freilich ohne, dass die Übersichtlichkeit des Ganzen darunter zu leiden hätte. Und zwischen all diesen verschwenderischen Geschwindigkeitszelebrationen kommt es dann völlig überraschend immer wieder zu malerischen Momenten von fast zärtlicher Poesie. Wenn die Protagonisten unter stahlblauem Himmel doch mal zur wohlverdienten Ruhe kommen, erinnert das in seiner Gestaltung an ausladende Landschaftsgemälde, an deren Schönheit man sich nicht sattsehen möchte. Mit dem einstigen Beginn der Reihe hat das natürlich nur noch wenig zu tun. MAD MAX war einst billig, dreckig und ungeschliffen. Dreckig ist es zwar immer noch, doch scheint der Dreck nun poliert. Die damalige Grobschlächtigkeit weicht kunstvoll konstruierten Kompositionen, die nichts mehr dem Zufall überlassen.

Die Einflüsse sind dabei überaus vielfältig. So erinnern die Nahaufnahmen der von Staub und Wüste ausgemergelten Gesichter an die legendären Italo-Western Sergio Leones, die bisweilen monumentale Cinematographie bedient sich der Ästhetik epochaler Bibelverfilmungen und den sinnevernebelnden Rausch des großen Abenteuers lieh man sich von stilbildenden Klassikern vom Schlage eines INDIANA JONES. Die genüssliche Zurschaustellung von Degeneration und Verstümmelung gestattet selbst Assoziationen zu rüdem Wüsten-Splatter der Marke THE HILLS HAVE EYES, die Freude an Masken und Ketten hingegen gehorcht dem Ausdruck einschlägiger Fetisch-Pornographie. Doch hat eine simple Aufzählung von Inspirationen kaum einen Sinn, denn FURY ROAD kreiert aus all dem etwas ganz Eigenes - nichts Neues eigentlich, aber etwas Verlorengeglaubtes: Ein spektakuläres Action-Vehikel, das sein Publikum ernstnimmt und sich nicht dafür schämt, in völliger Selbstverständlichkeit Blut und Gewalt mit künstlerischem Anspruch zu verbinden.

Dass man das Ganze stark religiös auflud und sich, sowohl auf inhaltlicher Ebene, wie auch auf gestalterischer, oftmals biblischer Motive bediente, mag dabei nicht sonderlich originell sein, geriet jedoch überaus passend. Letztendlich geht es allen Protagonisten um Erlösung: Die Mädchenbande um Furiosa ist auf der Suche nach dem 'grünen Ort', einer Art 'Gelobtem Land' (das als solches natürlich nicht existiert), der zunächst bösartige, später konvertierende Scherge Nux indes sucht nach Walhalla, einer vom Oberschurken Joe versprochenen, besseren Welt, für die sich der Märtyrertod lohne - "Ich lebe, ich sterbe, ich lebe wieder!", lautet ein repetitiver Satz von ihm. Letztendlich ist FURY ROAD selbst eine Wiedergeburt, nicht nur einer längst eingemottet geglaubten Kino-Saga, sondern auch die des niveauvollen Unterhaltungsfilms mit Herz und Seele. Und obwohl einen hier selbstverständlich keine charakterlichen Tiefen erwarten, ist es erstaunlich, wie sehr einem die Figuren bereits nach kurzer Zeit ans Herz wachsen. Das liegt nicht nur, aber durchaus auch an der klugen und makellosen Besetzung.

Tom Hardy [→ STAR TREK - NEMESIS], der als Max kaum ein Wort sagt (wenn er überhaupt spricht, dann meistens nur für den Zuschauer aus dem Off), ist der perfekte Mel-Gibson-Nachfolger und schafft es tatsächlich, dass man das Original nicht eine Sekunde lang vermisst. Der Übergang von einem Darsteller zum nächsten funktioniert hier völlig reibungslos und es dauert keine Minute, bis man Hardy als Max vollkommen akzeptiert hat. Als Antagonisten sieht man Hugh Keays-Byrne – mehr oder weniger zumindest, denn als eine Art Wüsten-Darth-Vader versteckt er sein Gesicht hinter einer skurrilen Ganzkopf-Maske und hätte somit strenggenommen auch von jedem anderem gespielt werden können. Dennoch ist seine Besetzung ein nettes Schmankerl für Fans, gab Keays-Byrne doch bereits den bösartigen Toecutter im originalen MAD MAX. Als erstaunlich vielschichtig erweist sich die Rolle von Nux, in dem man zunächst nur einen weiteren Handlanger des Bösewichts vermutet, der aber im Laufe der Zeit überraschend viel Profil entwickeln kann und von Nicholas Hould [KAMPF DER TITANEN] sehr einnehmend verkörpert wird.

Als zweiter wirklich großer Besetzungs-Coup erweist sich allerdings Charlize Theron [→ PROMETHEUS] als knallharte Kampf-Amazone mit TERMINATOR-artiger Arm-Prothese, die in ihrer Rolle als Furiosa gleichermaßen taff und verletzlich rüberkommt und zeitweise sogar komplett das Ruder übernimmt und Tom Hardy zum Beobachter degradiert. Überhaupt sind die emanzipatorischen Untertöne hier kaum zu überhören: Als Max das erste Mal auf die flüchtigen Mädchen trifft, einst allesamt Sex-Sklavinnen des schurkischen Immortan Joe, inszeniert Miller die Szene wie einen pubertären Männertraum, präsentiert sie als leichtbekleidete Nymphen, die sich gegenseitig mit dem Gartenschlauch abspritzen, und bildet damit einen krassen Kontrast zu der bis dahin erlebten Welt des Schreckens. Doch die Damen erweisen sich nicht etwa als hilflose Opfer, sondern als handelnde Persönlichkeiten, die alles dafür tun würden, ihr Leben in Freiheit zu behalten. Nicht mehr Benzin oder Wasser sind hier die höchsten aller Güter, es sind die Frauen, deren Milch ungeheuer wertvoll ist und deren Fähigkeit, Kinder zu gebären, die eigene Zukunft sichert.

Fast muss man froh sein, dass es mit der dritten Fortsetzung so lang gedauert hat. FURY ROAD profitiert enorm von den Möglichkeiten der weiterentwickelten Technik, perfektioniert die alten Zutaten und besinnt sich dennoch auf alte Werte. Schepperndes Blech, kreischende Motoren und Verdis Requiem, Dies irae sind der Soundtrack zu einem opernhaften, hyperkinetischen Meisterstück, dessen überwältigende inszenatorische Brillanz und finales Pathos selbst den härtesten Männern Tränen in die Augen treiben sollten. FURY ROAD ist nicht einfach nur eine Fortsetzung. FURY ROAD ist ein filigranes Kunstwerk und ein gottverdammter Meilenstein in der Geschichte des Actionfilms. Was für ein schöner Tag!

Laufzeit: 121 Min. / Freigabe: ab 16

Donnerstag, 14. Mai 2015

LOST RIVER


LOST RIVER
USA 2014

Regie:
Ryan Gosling

Darsteller:
Christina Hendricks,
Saoirse Ronan,
Eva Mendes,
Matt Smith,
Iain De Caestecker,
Ben Mendelsohn,
Barbara Steele,
Reda Kateb



Inhalt:

Billy [Christina Hendricks] lebt als alleinerziehende Mutter zweier Söhne in dem tristen Ort „Lost River“, dessen Häuser nach und nach abgerissen werden. Als auch ihr Heim dran glauben soll, weil sie die Kredite nicht mehr zahlen kann, macht ihr der neue Bankangestellte Dave [Ben Mendelsohn] ein zwielichtiges Angebot. Ihr Sohn Bones [Iain De Caestecker] sucht währenddessen in alten Häuserruinen nach Kupfer, um es gewinnbringend zu verkaufen – kein einfaches Unterfangen, denn der gewaltbereite Bully [Matt Smith], der sich als Herrscher der Stadt bezeichnet, lauert ihm ständig dabei auf. Freundschaft schließt Bones mit der jungen Nachbarin Rat [Saoirse Ronan], die vermutet, es läge ein Fluch auf der Stadt und ihm von einem traurigen Geheimnis berichtet …

Kritik:

Ein nicht unerheblicher Teil des Ruhmes Ryan Goslings geht auf den Regisseur Nicolas Winding Refn zurück, der ihn in seinen elegischen Leinwand-Reflexionen DRIVE und ONLY GOD FORGIVES als Hauptdarsteller einsetzte und es dabei bestens verstand, dessen stoisches Mienenspiel ins rechte Licht zu rücken. Dass sein Einfluss auf dessen Karriere allerdings noch darüber hinausging, beweist Goslings Regiedebüt, das deutlich von Refns suggestiver Bildsprache geprägt ist und sich in der Präsentation ähnlicher bis identischer Formeln bedient. In leicht mystisch aufgeladener Atmosphäre erzählt LOST RIVER die Geschichte der gleichnamigen fiktiven Stadt, die so heißt, seitdem ein Staudamm das Gebiet unter Wasser setzte und viele der sich darin befindlichen Ortschaften überflutet wurden. Von diesem Tage an, so die Überzeugung eines der Protagonisten, liegt ein Fluch auf der Gegend. Nicht nur die Häuser sind größtenteils Ruinen, auch ihre Bewohner sind nur noch leere Hüllen, die wie Gespenster durch das trostlose, fast postapokalyptisch anmutende Szenario taumeln und von besseren Zeiten träumen.

Die deprimierende Demonstration einer zerfallenden Gesellschaft kleidete Goslings Kameramann Benoît Debie [→ IRREVERSIBEL] konträr dazu in teils betörende Bilder, die stets das Schöne im Hässlichen suchen und auch finden. Seine inhaltliche Entsprechung findet dieses Konzept in dem Handlungsstrang um die obskure Gewaltshow, deren Teilnehmer Quasi-Hauptfigur Billy schließlich wird: Vor den lüsternen Augen reicher Leute lassen sich schöne Frauen auf der Bühne scheinbar blutigst abschlachten oder verstümmeln sich selbst, was mit tosendem Applaus quittiert wird. Wie das Publikum Gefallen an der Scheußlichkeit findet, so erliegt auch Gosling der Faszination des Morbiden und setzt auf eine ausdrucksstarke, oftmals die Grenze zum Surrealen ankratzende Illustration. Eine Straße, die direkt in einen See führt, auf dessen Grund sich einst eine blühende, mittlerweile in Vergessenheit geratene Stadt befindet, ist eine ebenso starke Metapher für Vergänglichkeit, wie eine alte Dame, die seit Jahren apathisch vor dem Fernseher sitzt und sich die Filme ansieht, in welchen sie als junge Frau an der Seite ihres Mannes spielte. Ein Haus, lichterloh in Flammen stehend, füllt als wiederkehrendes Leitmotiv im regelmäßigen Abstand die Leinwand und wird zum visuell wirkungsvollen Zeichen des Zerfalls.

Als Preis für die optische Opulenz geriet die Handlung dabei allerdings arg ins Hintertreffen. LOST RIVER liefert lediglich Fragmente und bietet Figuren, denen es trotz aller behaupteten Tiefe an Substanz fehlt und deren Aktionen nicht immer unbedingt schlüssig wirken. Auch die Zuspitzung der Ereignisse entlädt sich unerwartet unspektakulär und dürfte Anhänger althergebrachter Narration nur schwerlich begeistern. Im Vordergrund steht kein klassisches Erzählkonstrukt mit plausiblen Anschlüssen und tadellos funktionierendem Aktion-Reaktions-Prinzip; vielmehr geht es um Eindrücke, um Momentaufnahmen, die sich am Ende zu einem mitunter rätselhaften Gesamtbild verdichten, zu einer Art Fiebertraum zwischen Schlafen und Wachen, einem rauschartigem Trip in eine in gleißende Neonfarben gehüllte Welt der schleichenden Verwesung.

Ein gewisses Maß an Prätention bei der Umsetzung lässt sich dabei nicht grundsätzlich von der Hand weisen: LOST RIVER wirkt phasenweise wie eine Spielwiese zur hemmungslosen Anwendung verschiedenster Stilmittel und Techniken, bietet verwackelte Handkamera im Wechsel mit in sich zu ruhen scheinenden Endlos-Einstellungen, nervöse Jump-Cuts im Kontrast zu entschleunigten Plansequenzen, experimentelle Ausleuchtungen und eigenwillige Winkel. Manch einem mag das bisweilen ein wenig zu hochtrabend erscheinen, doch in Verbindung mit der subversiven Attitüde und der leicht rebellisch angehauchten Aufbruchsstimmung eines Erstlingswerks funktioniert das ganz prächtig. Für das breite Publikum ist das natürlich dennoch nichts und war auch nie dafür gedacht. Wer Vergleiche mit Refn sucht, sollte weniger auf den doch eher stromlinienförmigen DRIVE schielen (von dem sich Gosling eigentlich nur den aus seiner Zeit gefallen zu sein scheinenden Retro-Vorspann und den pumpenden Soundtrack abgeguckt hat), sondern viel mehr auf dessen wesentlich sperrigeren Werke wie VALHALLA RISING oder ONLY GOD FORGIVES.

Als weitere Inspirationen sind einerseits die grüblerischem Metaphoriken Terrence Malicks auszumachen, andererseits auch die bizarren Alptraumwelten eines David Lynch, der mit LOST HIGHWAY oder MULLHOLLAND DRIVE ähnlich skurrile Irrealitäten zwischen Schein und Sein entwarf, bei denen sich die Abgründe gleichermaßen hinter schöner Fassade verbargen. Bei den Kritikern fiel dieser naseweise Rundumschlag durch größere Vorbilder überwiegend durch – eher unverdient. Wenn man Gosling unbedingt etwas zum Vorwurf machen möchte, könnte man gewiss anführen, dass ein eigener Stil nicht wirklich erkennbar ist – stünde sein Name nicht im Vorspann, man hielte LOST RIVER für eine kleine Fingerübung seines Mentors. Für ein Debüt geriet das Ganze dennoch überaus beachtlich und bietet grundsätzlich, vor allem aber mit Saoirse Ronan [→ WER IST HANNA?] als geheimnisvoll-melancholischer Nachbarin und Ben Mendelsohn [→ THE PLACE BEYOND THE PINES] als herrlich durchgeknalltem Nachtclub-Besitzer, eine vorzüglich ausgewählte und großartig agierende Darstellerpalette.

Bisweilen vielleicht ein wenig zu verliebt in die eigene Extravaganz und auch nicht mit durchgängiger Hochspannung gesegnet, ist LOST RIVER dennoch ein intensives Leinwand-Erlebnis mit meditativer Sogwirkung und einer gesunden Portion absurden Humors, welche immer mal wieder die grassierende Schwermut durchbricht. Visuell fast ausnahmslos überwältigend und in bemerkenswerter Gewandtheit in Szene gesetzt, erzählt Ryan Gosling als Autor und Regisseur ein elegisches Märchen über eine Handvoll Menschen in einer dahinsiechenden Welt, die zwischen Agonie und Tristesse nach Erlösung suchen – eine eindringliche, knallbunte Reise in die Finsternis, die es verdient hat, nicht in Vergessenheit zu geraten.

Laufzeit: 95 Min. / Freigabe: ab 16