Dienstag, 2. August 2016

DER SCHLÄCHTER


A SCREAM IN THE STREETS
USA 1973

Regie:
Carl Monson,
Dwayne Avery,
Harry H. Novak,
Bethel Buckalew

Darsteller:
Frank Bannon,
John Kirkpatric,
Rosie Stone,
Brandy Lyman,
Bobby Angelle



Inhalt:

Ein Mörder in Frauenkleidern geht um und meuchelt unschuldige Frauen im Park. Zwei Polizeibeamte fahren durch die Gegend und plappern Stuss ohne Ende. Ein paar unansehnliche Personen fangen hin und wieder an zu pimpern und werden dabei von einem Spanner beobachtet.

Kritik: 

Was das alles miteinander zu tun hat? Nichts! Absolut gar nichts! Die absurde Aneinanderreihung alberner Abmurks-Anekdoten, schäbiger Beischlaf-Akrobatik und amerikanischem Kleinstadt-Pendant zur ruhrpott'schen Polizisten-Posse TOTO & HARRY sorgt in erster Linie für Langeweile und lange Gesichter. Offenbar hatte Pornofreund und Bumsparaden-Produzent Harry H. Novak noch ein paar übrig gebliebene Schnipsel seines letzten Libido-Lichtspiels auf dem versifften Schneideraum-Boden gefunden, als noch brauchbar genug dafür erachtet, mit ihnen ein paar Talerchen verdienen zu können, und sie – um die zahlreichen Minimalst-Handlungsstränge zumindest notdürftig miteinander zu verkitten – mit ein paar eilig nachgedrehten Szenen über zwei dösbaddelige Chaos-Cops angereichert, die die ganze Zeit ziellos durch die Gegend eiern, Kokolores quasseln und ansonsten irgendwie so gar keine sinnvolle Funktion erfüllen. Dass sich für dieses konfuse Kuddelmuddel sage und schreibe gleich fünf Regisseure verantwortlich zeigen, entkräftet den Verdacht der Resteverwertung nicht gerade.

Kenner abseitiger Kehricht-Kunst freilich ahnen bereits ab dem Vorspann, was sie in den kommenden Minuten erwarten wird: Wiederholungstäter Harry H. Novak war bekannt für seine handlungsentkernten Sex-Klamotten, produzierte und vertrieb in den 60er und 70er Jahren eine stolze Anzahl ähnlich gelagerter Spezialfälle, die mit wirrem Inhalt und nackten Tatsachen auf Kundenfang gingen. Nicht alles erreichte dabei auch deutsche Gefilde, aber Leinwand-Ergüsse wie LAILA – VAMPIR DER LUST oder SEXUALRAUSCH durften sich auch hiesige Koitus-Interessierte zu Gemüte führen. Oder eben DER SCHLÄCHTER, der jedoch (vermutlich) lediglich auf Video veröffentlicht wurde und dessen teutonische Vermarktung den Konsumenten in ziemlicher Dreistigkeit in die Irre führte. „Sein Hass gilt allen Frauen, seine ganze Liebe gilt der Axt“, trompetete das Cover und fügte verheißungsvoll hinzu: „Zerstückelt bei lebendigem Leib“. Schade nur, dass im gesamten Verlauf keine einzige Axt angerührt wird, und das einzige, was einem hier irgendwie zerstückelt vorkommt, die arg sprunghafte Ereignisfolge ist. Der verzweifelte Versuch, die ranzige Fick-Revue als blutrünstiges Schlitzer-Spektakel im FREITAG, DER 13.-Stil zu verkaufen, dürfte bei vielen Videofreunden zu einer herben Enttäuschung geführt haben. Denn anstatt saturierter Zeuge greulicher Meuchelmorde zu werden, sieht man hier nun plötzlich Leuten bei der Kopulation zu, denen man im realen Leben nicht mal mit der Kneifzange die Hand geben möchte.

Freunden filmischen Abfalls hingegen spielt DER SCHLÄCHTER höchst verdienstvoll in die ehrlosen Hände. Die cineastische Resterampe ist ein Paradebeispiel primitiv-lustiger Zeitverschwendung und sorgt in ihrer Absurdität mehr als einmal für enorme Heiterkeitsschübe. Nicht unerhebliches Gelächter erntet zum Beispiel die Szene, in der sich zwei Damen gerade miteinander vergnügen und währenddessen bemerken, dass sie dabei vom Fenster aus beobachtet werden. Was macht man in solch einem Fall? Schwer zu sagen! Die beiden Turteltauben jedenfalls gehen in die 69-Stellung und die eine ruft versteckt unter dem Arsch der anderen die Polizei an. Toller Trick, muss man sich merken! Dass an dieser Stelle nicht einmal versucht wurde, diese ansonsten abermals vollkommen überflüssige Episode mit dem Quasi-Haupthandlungsstrang (wenn man das denn tatsächlich so nennen möchte) der beiden Schmalspur-Schutzmänner Ed und Bob zu verbinden, spricht Bände. Diese tingeln dafür in fast schon in anarchistischer Sinnbefreitheit durch die Straßen, verhaften ab und zu mal einen Ladenräuber oder versuchen einen Autoklau auf solch dilettantische Weise zu verhindern, dass sie dafür selbst von den Dieben ausgelacht werden. Dem titelgebenden „Schlächter“ begegnen sie am Ende dann einfach durch puren Zufall, ohne dass sie irgendetwas dafür getan hätten. Wer genau hinsieht, entdeckt bis dahin lauter bescheuerte Sachen. Exemplarisch genannt dafür sei der überfallene Ladenbesitzer, der gerade mit der Waffe bedroht wird und dabei dermaßen verständnislos aus der Wäsche guckt, dass man sich ernsthaft fragt, ob ihm überhaupt bewusst ist, was um ihn herum passiert oder wo er sich eigentlich befindet. 

Die Krone setzt dem Ganzen dann am Ende noch die deutsche Sprachfassung auf, die den Figuren fern irgendwelcher Synchronität am laufenden Meter dermaßen politisch unkorrekte Satzgefüge auf die Lippen kleistert, dass einem Hören und Sehen vergeht. Bei dem, was die beiden Gesetzeshüter Ed und Bob während ihrer Streifzüge an reaktionären Verbalentgleisungen ablassen, würde selbst Dirty Harry der Speichel versiegen. „Wenn ich den Kerl erwische, zerlege ich ihn in 1000 Einzelteile“, verkündet der eine. „So einem gehört die Rübe ab. Mir würde es ein höllisches Vergnügen bereiten, diesen Kerl persönlich auf den elektrischen Stuhl zu schnallen. Aber die Brüder stecken ihn auf Staatskosten in ne Heilanstalt.“ „Man sollte kurzen Prozess mit ihnen machen“, entgegnet der andere. „Der Meinung bin ich auch. So ein Schwein gehört weg! Aber unsere Gesetze sind viel zu human.“ - „Tja, unsere Gesetze sind nun mal so, was willst du machen?“ - „Sie ändern – für solche minderwertigen Kreaturen.“

So geht das in einem fort – und hat dabei nicht mal im Ansatz Ähnlichkeit mit dem Original. Doch auch abseits solcher Selbstjustizfantasien herrscht jede Menge politische Unkorrektheit. Da kommt ein Mann nach Hause und findet sein Eheweib in Tränen aufgelöst vor, da die Nachbarin ermordet wurde. Wie reagiert der alte Frauenversteher? „Warum weinst du? Ist dir das Essen verbrannt?“ Da wird eine Nutte von ihrem perversen Freier windelweich geprügelt mit den Worten: „Wenn dich dein Vater damals nicht geschlagen hat, dann muss ich das jetzt übernehmen.“ Und als sie nach ihrer Rettung heulend in der Ecke liegt, herrscht der hinzugekommene Polizist sie an: „Hör auf zu flennen!“ Auch sehr schön, dass man einer der Protagonistinnen während eines Schäferstündchens, das ihr offensichtlich einige Freuden bereitet, völlig genervte Sätze in den Mund legte, so dass sie nun mit total glücklichem Gesichtsausdruck Dinge sagt wie „Nun mach endlich!“ oder „Hoffentlich ist es bald so weit!“

Den größten Vogel der deutschen Dialog-Diarrhö aber schießt zweifelsfrei der mordende Transvestit ab, der ohne Punkt und Komma Dinge herunterzetert wie: „Du blöde Gans, du blöde! Ich hasse alle Weiber! Ihr seid alle billige Flittchen und Huren! Ich bringe euch alle um! Alle!“ Und bleiben dessen Beweggründe im Original im Verborgenen, wartet er in der deutschen Version mit einer sehr plausiblen Erklärung auf: „Ich hasse alle Frauen, und weißt du auch, warum? Weil meine Mutter mich jeden Tag geschlagen hat mit ihren blutverschmierten Händen und mich dann zu den halbierten Schweinen in den Kühlraum gesperrt hat.“ Das klingt doch schon wesentlich aufschlussreicher als das ständig wiederkehrende „I kill you!“ der Originalversion und kommt glaubwürdig vorgetragen bestimmt auch richtig gut als launiger Anmachspruch auf der nächsten Kellerparty.

Schlecht, schlechter, DER SCHLÄCHTER. Harry H. Novak präsentiert seinem geifernden Publikum einen schmierig-schmutzigen Cocktail aus billigen Rammel-Eskapaden, alibihaftem Krimi-Kappes und jeder Menge Mumpitz. Das ist zwar nichts, was man irgendwie mit Kunst verwechseln würde, aber Spaß machen kann das trotzdem. Wer will, der erlebt hier stümperhaftes Super-Schmuddelkino, auf das eine völlig hemmungslose Synchronisation geschraubt wurde. Auch sowas muss es geben!

Laufzeit: 87 Min. / Freigabe: ungeprüft