Donnerstag, 2. August 2012

SHAOLIN GIRL


SHÔRIN SHÔJO
Japan 2008

Regie:
Katsuyuki Motohiro

Darsteller:
Kô Shibasaki,
Tôru Nakamura,
Kitty Zhang,
Tin Kai Man,
Lam Chi-Chung,
Yôsuke Eguchi,
Kai Man Tin,
Chi Cung Lam



Inhalt:

Neun Jahre hat die junge Rin Sakurazara [Kô Shibasaki] in einem Shaolin-Kloster verbracht. Nun kehrt sie in ihre Heimat Japan zurück, um von dort aus das Shaolin-Kung-Fu bekannt zu machen. Doch als sie ihr altes Dojo aufsucht, ist dieses nur noch eine Ruine. Die Schüler von damals sind in alle Winde zerstreut und gehen anderen Beschäftigungen nach. Rins Lehrer arbeitet mittlerweile als Chefkoch in einem China-Restaurant und will von Kampfsport nichts mehr wissen. Aber Rin will ihr Vorhaben nicht aufgeben. Als sie Minmi [Kitty Zhang], eine Angestellte ihres einstigen Lehrers, kennenlernt, findet sie in ihr nicht nur ihre erste Schülerin, sondern auch eine gute Freundin. Als Gegenleistung nimmt Minmi sie mit an die ortsansässige Sportuniversität, um ihr Lacrosse zu zeigen, eine Sportart, bei welcher Rin ihre Kung-Fu-Künste gut einsetzen könnte. Doch als ihr alter Lehrer davon erfährt, steigt er als Trainer bei der Mannschaft ein und verbietet Rin das Spiel. Minmi ist enttäuscht, doch ahnt nicht, dass ihr Meister sie bloß schützen will. Denn Minmi trägt ein Geheimnis in sich, von dem sie nichts ahnt: eine ungeheure spirituelle Kraft, nach welcher Yûichirô Ôba [Tôru Nakamura], Präsident der Sportakademie, bereits seine finsteren Krallen ausgestreckt hat, um sie auf die ‚dunkle Seite‘ zu ziehen.

Kritik:

Die Shaolin, so scheint es, kommen in filmischer Hinsicht niemals aus der Mode. Von ihren vermehrten, da ungemein kassenträchtigen Kinoeinsätzen bei den Shaw Brothers in den 70er Jahren über diverse Jet-Li-Vehikel in den 80ern und 90ern zieht sich die Erfolgsgeschichte des kampfkunsterprobten Mönchsordens bis in die 2000er Jahre (dass die Darstellung der Mönche mit der Realität nie so wirklich viel am Hut hatte, ist natürlich ein ganz anderer Punkt). Auch SHAOLIN GIRL schmückt sich mit der ungebrochenen Attraktivität der buddhistischen Kämpfer, verlässt das titelspendende Sujet nach traditioneller Eröffnung in imposanter Tempelanlage (inklusive obligatorischer Trainingssequenz) allerdings auch wieder sehr schnell. Tatsächlich handelt es sich nämlich nicht um ein weiteres klassisches Abenteuer auf vertrautem Terrain, sondern um einen Ableger der überaus erfolgreichen Kung-Fußball-Komödie SHAOLIN KICKERS aus dem Jahre 2001.

Während der von Stephen Chow inszenierte Kassenfüller noch in dessen Heimat China gedreht wurde, entstand dieser Nachklapp (bei welchem Chow nur noch die Funktion des Produzenten übernahm) allerdings komplett in Japan. Angesichts des Umstandes, dass zwischen beiden Nationen eine niemals wirklich beigelegte Feindschaft schwelt, die auch nicht selten Gegenstand des Martial-Arts-Genres war, erscheint es doch erfreulich, dass man sich hier zumindest in filmischer Hinsicht die Hände reichte – eine Geste, die auch gut zur versöhnlichen Botschaft der Geschichte passt. Doch SHAOLIN GIRL hat nicht nur wegen des veränderten Schauplatzes mit dem Original weitaus weniger zu tun, als man vermuten würde. Und das, obwohl mit Tin Kai-Man [→ PEKING OPERA BLUES] und Lam Chi-Chung [→ KUNG FU HUSTLE] zwei bekannte KICKERS-Charaktere wieder mit an Bord sind (übrigens ohne jedwede Erklärung, wie die beiden von China nach Japan gekommen sind) und auch die Handlung in Grundzügen ähnlich ist. Hier wie dort geht es um die Kombination einer Sportart mit den Kung-Fu-Praktiken der Shaolin – in diesem Falle Lacrosse, einem in deutschen Gefilden überwiegend unbekannten Mannschaftsspiel, das bei seiner Entstehung gar der Vorbereitung auf den Kriegseinsatz diente und in dieser Funktion nicht selten sogar tödlich verlief.

Doch auch, wenn einen hier natürlich kein Mord und Totschlag erwartet, unterscheidet man sich von der Basis her maßgeblich von der chinesischen Vorlage: War KICKERS noch ganz eindeutig eine Komödie, legt GIRL den Fokus trotz durchaus vorhandener heiterer Grundstimmung weniger auf den Humor und erzählt stattdessen in erster Linie die Geschichte einer Selbstfindung. Diese ist zwar durchgehend sehr schön bebildert, gibt sich teilweise jedoch etwas zu belanglos: Da wird Rin wegen Unfähigkeit zur Teamarbeit aus dem Lacrosse-Training geworfen, tobt stattdessen in Folge ein wenig mit einer Fußballmannschaft herum (freilich auch als kleiner Schlenker in Richtung des Originals zu verstehen), und wird dadurch quasi über Nacht mannschaftstauglich. So einfach können Problemlösungen sein …

Nun sollte man die Geschehnisse freilich auch nicht allzu sehr nach weltlichen Gesichtspunkten interpretieren, sondern sie stattdessen viel eher als Metapher begreifen. So erklärt es sich dann auch, dass die Beweggründe für die Taten der Figuren häufig einen reichlich unplausiblen Eindruck machen. Insbesondere die Aktionen der Schurkenfigur Yûichirô scheinen weniger sachlich motiviert zu sein, sondern eher Symbolcharakter zu besitzen. Wie und warum er Rin auf die 'dunkle Seite der Shaolin' ziehen möchte, was die ‚dunkle Seite‘ überhaupt ist (außer ein recht platter STAR WARS-Querverweis, versteht sich), und was seine Vorteile daraus sind, bleibt bis zum Schluss nebulös. Mit fortschreitender Dauer fließen zudem immer mehr Fantasy-Elemente in die Handlung ein, bis im Finale der Boden der Tatsachen endgültig verlassen wird und die Ereignisse in einen fast schon esoterischen Showdown münden.

In visueller Hinsicht ist SHAOLIN GIRL durch und durch gelungen: Die seelenlose Konzernwelt Yûichirôs ist in düsteres Blau getaucht, während die bonbonbunte Umgebung Rins im Kontrast dazu in den leuchtendsten Farben erblüht. Die schrille Typenkomik, die sich überwiegend in wilden Grimassen erschöpft, geriet hingegen eher mau und sich zudem ständig selbst repetierend, spielt jedoch ohnehin nur die zweite Geige. So besteht eigentlich zu keinem Zeitpunkt die Gefahr ernsthafter Belustigung, weshalb auch die im Prinzip recht nette Bruce-Lee-Parodie gegen Ende ein wenig fehl am Platze wirkt. Actionfreunden sei gesagt, dass die Kampfszenen eher spärlich gesät sind und nicht großartig ausgespielt werden. Und dass es dabei nicht wirklich brutal zur Sache geht, versteht sich ebenfalls von selbst – SHAOLIN GIRL richtet sich in erster Linie an ein jüngeres und junggebliebenes Publikum.

In der Hauptrolle erlebt man die ausnehmend putzige Kô Shibasaki [→ DORORO], deren erfrischendes Spiel die Figur ungemein liebenswert erscheinen lässt. Als Widersacher steht ihr Tôru Nakamura [→ TOKYO RAIDERS] gegenüber, der darstellerische Nuancen überwiegend vermissen lässt und die meiste Zeit damit zubringt, düster aus der Wäsche zu gucken (was im Rahmen des Verlangten allerdings auch vollkommen ausreichend ist). Ein weiteres zumindest nicht vollkommen unbekanntes Gesicht gehört Yôsuke Eguchi [→ GOEMON], der hier als Rins Lehrer zu sehen ist, dabei allerdings eher unauffällig agiert und keinen bleibenden Eindruck hinterlässt.

Dass man die reichlich zweckmäßige Handlung unbedingt auf 105 Minuten auswalzte, wäre fraglos nicht unbedingt notwendig gewesen. Doch wer ein wenig harmlosen Kitsch ebenso wenig scheut wie spirituell aufgeladene Problemlösungsstrategien und zudem akzeptiert, dass man es hier mit keinem zweiten SHAOLIN KICKERS zu tun hat, der erlebt mit SHAOLIN GIRL ein kunterbuntes, visuell bestechendes Märchen, mit reichlich naiver Moral zwar, doch unverkrampft und liebenswert – der beste Beweis, dass die Bezeichnung ‚nett‘ nicht unbedingt ein Schimpfwort sein muss. Abzüge gibt es allerdings für den fantasielosen Soundtrack, dessen übertriebener Einsatz auf Dauer doch sehr an den Nerven sägt. 

Laufzeit: 103 Min. / Freigabe: ab 12

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