Sonntag, 30. Juli 2023

ANGEL OF HELL


ANGEL FORCE
Hongkong 1989

Produktion:
Tomas Tang

Darsteller:
Irene Ball,
John White,
Susan Leigh
und
lauter
weitere
ausgedachte
Namen



Tomas Tang schlägt wieder zu! Der findige Geschäftsmann (Filmproduzent möchte man ihn gar nicht nennen!) fand seine Königsdisziplin in den 1980er und 90er Jahren in der Aneignung meist defizitärer, manchmal gar unfertiger Zelluloid-Erzeugnisse, die er, veredelt mit nachgedrehten Szenen und verfälschender Synchronisation, als vermeintliche Action-Highlights unters Video-Volk jubelte. Oftmals waren Ninjas Gegenstand dieser Ergänzungspolitik, weil die japanisch-stämmigen Schattenkrieger eine zeitlang beim Publikum hoch im Kurs standen, aber hin und wieder durften auch ganz normale Cops & Robbers ohne Robe und Stirnband durch die Botanik bollern. So geschehen bei ANGEL OF HELL, der im Original eigentlich ANGEL FORCE heißt, wobei im Vorspann lediglich noch Ngel Forc steht, was wie der Name eines niederländischen Segelschulschiffes klingt:




Inhalt:

Pat (ja, die heißt wirklich so) verbringt ihre freien Nächte damit, in einer Striptease-Bar zu tanzen („tanzen“ im Sinne von „mechanisches Schwingen der Hüfte von links nach rechts“ und „Striptease“ im Sinne von „mit Bikini bekleidet“), um auf diese Weise das nötige Kleingeld für die OP ihrer kranken Mutter zusammenzuzappeln.

Dennis (ja, der heißt wirklich so) ist der Ex-Freund von Pat, der aufgrund seiner Spielschulden (beim Billard!) permanent vor ihrer Haustür steht, um sie um Zaster anzubetteln.

Benny (ja, der heißt wirklich so) ist ein zwielichtiger Geschäftsmann mit Kontakten zur Unterwelt, den sich Pat als Gönner anlacht, um noch schneller an noch mehr Moneten zu kommen.

Linda (ja, die heißt wirklich so) ist Bennys Ehefrau, die von ihrer plötzlichen Nebenbuhlerin so rein gar nichts hält und ein paar Killer auf sie ansetzt (typische Überreaktion).

Bonnie (ja, die heißt wirklich so) ist die Tochter von Benny und Linda und findet es doof, dass sich ihre Eltern ständig in der Wolle haben.

Roger ist ein Taxifahrer, bei dem Bonnie ein wenig Trost findet. Der heißt zwar wirklich so, ist aber in Wahrheit ein verdeckter Ermittler, der über die Tochter an den Gangster-Papa ranmöchte.

So weit, so belanglos. Weil dabei aber die ganze Zeit so gut wie gar nichts passiert, Tomas Tang jedoch unbedingt einen Actionfilm haben wollte, ließ er ein paar Szenen dazudrehen, in denen was passiert. Also, zumindest bewegt sich was, gut inszeniert oder gar aufregend sind diese ganzen hinzuerfundenen Verfolgungsjagden, Schlägereien und Schußwechsel natürlich trotzdem nicht. Hier geht es um die Polizistin Angel (ja, die … Ach, egal!), die sich ein paar schlag- und schießwütige Scharmützel mit irgendwelchen dahergelaufenen Galgenvögeln liefert, die sich ihrerseits wiederum regelmäßig zur gemeinsamen Fruchtschorle treffen, um einen Plan auszuhecken, wie man Benny und einen seiner Kontrahenten effektiv aufeinanderhetzen könnte.

Kritik:

Intendiert war ANGEL OF HELL (beziehungsweise das Werk, das diesem als Grundlage diente) offenbar als Sozial-Drama mit Krimi-Einschlag, in dem eine junge, vom Schicksal gebeutelte Frau sich in die Untiefen verruchter Nachtklubs und Räuberhöhlen begeben muss, um ihrer kranken Mutter helfen zu können – was in der Umsetzung in erster Linie durch narrative Naivität besticht. Anspieltipp ist die Szene, in welcher „Heldin“ Pat ihre bettlägrige Mama besucht, die dann – um der Dramatik der ganzen Situation auch hinreichend Ausdruck zu verleihen – eine Hust-, Prust- und Keuch-Kaskade vom Stapel lässt, dass sich die Balken biegen, wobei sie bestimmt noch drei Male betont, der Arzt habe gemeint, es sehe „nicht gut“ aus. Ach, ohne Scheiß, ja? Seltsamerweise wird diese offenbar an der Schwelle zum Tod stehende (beziehungsweise liegende) Frau dann im weiteren Verlaufe völlig vergessen. Was wohl aus ihr geworden ist? Wenn sie nicht gestorben ist, dann hustet sie noch heute.

Stattdessen verstrickt man sich in irgendwelche Gangster-Geschäfte, wenn Pat sich den gut betuchten Unterwelt-Boss Benny angelt, welcher ihr – natürlich im Gegenzug für ein paar horizontale Gefälligkeiten – verspricht, die lebensrettende OP zu bezahlen. Ob das dann tatsächlich auch passiert, bleibt offen. Da Pat auch weiterhin ihren schäbigen Strip-Schuppen aufsucht, um dort gegen klingende Münze das Becken kreisen zu lassen, kann man zumindest vermuten, dass die Zahlung noch ein wenig auf sich warten lässt. Ab hier wusste man dann offenbar gar nicht mehr so recht, was man eigentlich noch erzählen sollte, und verliert sich daher in zahlreichen Nebenhandlungen, die sich inhaltlich zu allem Ungemach auch noch laufend wiederholen. So trifft sich Pat immer wieder mit ein paar ominösen Männern, die für einen Konkurrenten Bennys arbeiten sollen und irgendetwas von ihr erwarten. Offenbar ein Beweisstück, das Benny ans Messer liefern soll, aber konkreter wird es nicht. Pat stellt dann immer wieder fest, dass es noch dauert, bis sie es hat, und dann trennen sich ihre Wege wieder. Zusätzlich bricht Bennys eifersüchtige Ehefrau mehrfach mit ihrem Gatten einen Streit vom Zaun, was stets in einer saftigen Schelle mündet. Und zwischendurch darf man auch immer mal wieder Pats Ex-Freund Dennis beim Billard spielen zusehen. Aufregend, was? Ach ja: Bennys Frau beginnt dann auch noch eine Affäre mit einem anderen Typen. Ist aber ebenfalls völlig egal.

Das alles ist beseelt von Stillstand und bräsiger Langeweile und mehrmals beginnt man sich zu fragen, was denn überhaupt die Intention war, diese rammdösige Plotte in Produktion zu schicken, dieses Sammelbecken an Belanglosigkeit, bei dem sich eigentlich gar nichts gegenseitig bedingt und nahezu sämtliche Mini-Handlungsstränge getrennt voneinander ablaufen. Oft scheint es, als habe es gar kein Konzept gegeben und man filmte jeden Morgen einfach immer nur das, was einem gerade so in den Sinn kam, Hauptsache, es ging irgendwie weiter! Dazu passt dann auch manch völlig aus der Luft gegriffene Verhaltensweise. Die Story um Pats Ex-Freund, der sie ständig (und noch dazu auf sehr übergriffige Weise) um Geld anhaut, ist schon seltsam genug. Aber wieso kommt sie plötzlich (und offenbar sehr spontan) auf die Idee, dieser könne ein geeigneter Leibwächter für ihre kleine Schwester sein? Würde man dafür nicht jemanden engagieren, dem man auch vertraut und nicht den verschuldeten Ex, der nicht einmal sein eigenes Leben auf Kette bekommt? Oder jemanden, der im Bereich „Leibwache“ Erfahrungen oder Fähigkeiten vorzuweisen hat? Und warum braucht die Kleine überhaupt plötzlich einen Leibwächter? Bis dahin war das Mädchen genau ein einziges Mal im Bild zu sehen und wenn man in diesem Augenblick zufällig gerade geblitzelt hatte, dann hatte man's auch schon verpasst.

Und dann ist da ja auch noch der Undercover-Polizist Roger, der sich an des Gangsterbosses Tochter ranmachen soll, um diese fachgerecht auszuhorchen. Eigentlich ist das der Aufhänger der ganzen Soße, zumindest in der hier vorliegenden Tomas-Tang-Version. Und ausgerechnet diese Story ist dann die marginalste von allen und steuert nicht das Geringste zum Ablauf bei. Dabei kann man jetzt wirklich nicht behaupten, besagter Roger habe sich bei seinem Auftrag keine Mühe gegeben. Mal abgesehen davon, dass Taxifahrer nun bei weitem nicht die beste Tarnung ist, um sich an jemanden ranzuwerfen (eigentlich sind solche Leute ja den ganzen Tag unterwegs und transportieren nicht nur eine einzige Person immer und immer wieder, mit der sie dann zwischenzeitlich auch noch Essen und Wandern gehen), ist es doch enorm respektabel, wie geschickt und subtil er der jungen Frau scheinbar völlig unverfängliche Fragen stellt wie: „Dein Vater ist eben mit einer Frau weggefahren. Kennst du sie vielleicht?“ oder „Bonnie, kennst du die Pläne deines Vaters?“ Aber jedes Mal hat die Gute wirklich absolut keine Ahnung und Roger gelingt es nicht ein einziges Mal, ihr eine brauchbare Information zu entlocken. Muss er aber auch gar nicht, denn am Ende löst sich alles irgendwie ohnehin in Wohlgefallen auf. Benny wird verhaftet, weil ja eigentlich ohnehin jeder weiß, dass er ein Gangster ist. Feierabend!

Naja, nicht ganz, denn der Abspann darf ja nicht rollen, bevor Tomas Tang nicht auch all seine neu gedrehten Szenen losgeworden ist. Darum liefern sich Polizistin Angel und ein paar Halunken (von denen nie so recht klar wurde, zu welcher Bande die denn nun eigentlich gehören sollten) noch ein finales Duell. Obwohl diese nachträglich arrangierte Rahmenhandlung mal wieder alles noch ein bisschen verworrener macht als ohnehin schon der Fall, fügt sie sich dieses Mal deutlich besser ein als meistens bei Tang & Co., zumal hier offenbar auch gar nicht allzu viel verändert wurde. Da Roger innerhalb der Original-Handlung tatsächlich bereits ein verdeckter Ermittler war, konnte man ihn gut mit den zusätzlichen Szenen verbinden, indem man seinen Ansprechpartner bei der Polizei einfach gegen Angel austauschte. Am Auffälligsten fallen die Unterschiede noch anhand der Akteure ins Auge, denn Tang gelang es mal wieder, die hässlichsten Hemden, fürchterlichsten Frisuren und fiesesten Hackfressen aufzutreiben, die man für Geld kaufen konnte. Und auch mimisch befindet man sich im tiefsten Tal. Die Darstellerin der Angel (die im Titel ja immerhin als Hauptfigur behauptet wird, obwohl sie insgesamt höchstens 10 Minuten lang auftaucht) verwechselt Schauspielerei mit Augenaufreißen, wobei man in einer Szene kurz meint, der leibhaftige Belzebub sei in sie gefahren:



(Vielleicht der Grund, warum der deutsche Titel Engel der Hölle lautet?)


Ansonsten herrscht hier mal wieder die brüllende Lieblosigkeit, was schon damit anfängt, dass man den Figuren nicht einmal Nachnamen gönnte. Stattdessen spricht man hier ganz lapidar von Pat, Benny, Bonnie, Linda, Dennis oder Roger, womit ANGEL OF HELL auch vor einer sächsischen Pommes-Bude spielen könnte. Die deutsche Synchronisation beeindruckt dazu fortwährend durch falsche Betonungen und fehlende Emotionen – wobei schon die Frage berechtigt ist, wie man Ansagen wie dieser auch noch Emotionen entlocken könnte:


„Das wird schon wieder! Keine Sorge! Vertrau mir! Es wird schon wieder gut! Mach dir keine Gedanken, Bonnie! Es wird schon wieder!“


Nein, das wird nicht wieder! ANGEL OF HELL gehört in seiner miefigen Lethargie sogar im nicht gerade durch Qualität glänzenden Œuvre eines Tomas Tang zum Bodensatz und darf ohne schlechtes Gewissen ignoriert werden.

Laufzeit: 86 Min. / Freigabe: ungeprüft

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