USA 2009
Regie:
Zack Snyder
Darsteller:
Billy Crudup,
Matthew Goode,
Carla Gugino,
Jackie Earle Haley,
Jeffrey Dean Morgan,
Patrick Wilson,
Matt Frewer,
Stephen McHattie
Amerika
liebt Superhelden! Figuren wie Superman, Spider-Man oder Captain
America verkörperten als moralisch einwandfreie Protagonisten schon
immer auch das nationale Selbstbewusstsein und gaben solch
schwammigen Begriffen wie Ehre und Gerechtigkeit memorable
Gesichtszüge. Ihre Gegner hingegen waren stets das genaue Gegenteil:
Frei von Gewissen, dafür voll der Niedertracht, strebten sie ebenso
gewaltsam wie skrupellos nach Macht und Regiment. Hier die Guten, da
die Bösen, das versteht in seiner bequemen Einfachheit jedes Kind,
und obwohl es auch immer mal wieder Ambitionen für ambivalentere
Auslegungen gab, blieben die Genreregeln insgesamt doch
jahrzehntelang ungebrochen. So richtig entscheidend änderte sich das
erst im Jahre 1986 mit dem Erscheinen der WATCHMEN. Das von
Alan Moore erdachte und von Dave Gibbons gezeichnete
Superheldenkollektiv brach die bekannten Schwarz-Weiß-Schablonen
vollständig auf und stellte die bewährten Formeln tüchtig auf den
Kopf. Bereits die Prämisse besticht durch Einfallsreichtum und
Unkonventionalität, tragen sich die Ereignisse doch in einer
fiktiven Vergangenheit zu, in einer alternativen Zeitrechnung, die
real stattgefundene politische und geschichtliche Ereignisse neu arrangiert und in völliger Selbstverständlichkeit
mit dem Superhelden-Mythos verbindet:
Inhalt:
New York, 1985: Richard
Nixon tritt bereits seine fünfte Amtszeit als US-Präsident an. Der
Kalte Krieg befindet sich auf dem Höhepunkt, die Welt steht einmal
mehr am Rande der atomaren Vernichtung. Amerikas Superhelden haben
sich zur Ruhe gesetzt, ihr Gewerbe wurde von höchster Stelle
verboten. Dabei standen einige von ihnen in früheren Zeiten sogar im
Dienste der Regierung, gewannen als 'Watchmen' den Vietnamkrieg und
hielten die Sowjets in Schach. Inzwischen jedoch gelten ihre
Aktivitäten als Akt der Selbstjustiz. Als der 'Comedian', einst
Mitglied der Truppe, einem Mordanschlag zum Opfer fällt, ist sein
alter Kollege 'Rorschach' davon überzeugt, dass es der Mörder
gezielt auf die damaligen 'Watchmen' abgesehen hat und es zu weiteren
Bluttaten kommen wird. Zunächst will man ihm nicht so recht Glauben
schenken, doch dann erfolgt tatsächlich ein weiterer Anschlag auf
seinen einstigen Kameraden 'Ozymandias'. Von der Polizei als Mörder
gejagt, beginnt 'Rorschach' nun im Untergrund zu ermitteln und deckt
dabei eine Verschwörung ungeheuren Ausmaßes auf.
Kritik:
Auf dieser ungewöhnlichen Basis entwickelt WATCHMEN ein ebenso
intelligentes wie verwinkeltes Verwirrspiel, das haufenweise
philosophische Fragen aufwirft und massenhaft Seitenhiebe auf Politik
und Gesellschaft verteilt. Das überaus komplexe Geflecht aus Krimi,
Thriller, Fantasy und Drama, kombiniert mit tiefgründiger
Charakterzeichnung sowie essentiellen Fragen über Moral und
Mortalität geriet dabei dermaßen überlebensgroß, bedeutungsschwer
und vielschichtig, dass Moores schon bald kultisch verehrte Graphic
Novel deshalb jahrelang – Achtung, jetzt kommt es wieder! - als
unverfilmbar galt. Das war und ist natürlich Unfug, doch bildet die
vorliegende Leinwandumsetzung tatsächlich erst den Abschluss eines
unerwartet langwierigen, hochkomplizierten Prozesses, in dessen
Verlauf sowohl finanzielle, künstlerische, als auch rechtliche
Differenzen die Realisierung jahrzehntelang verzögerten.
Dass
der Regieauftrag letztendlich an den damals noch eher unerfahrenen
Zack Snyder ging, welcher zu diesem Zeitpunkt gerade mal zwei
Kinoeinsätze auf seiner Vita vermerken konnte, war, vor allem
angesichts der bis dahin bereits gehandelten Namen, schon eine recht
mutige Entscheidung, welche vor allem im Erfolg seines Vorgängers
300 begründet sein dürfte. Ebenfalls auf einer berühmten Graphic
Novel basierend, dabei bis in die Haarspitzen durchästhetisiert, bot
das martialische Meuchel-Märchen um eine Horde wehrhafter Spartaner
eine ganze Wagenladung wuchtiger Panoramen und gekonnt inszenierter
Oberflächenreize. Und auch WATCHMEN gibt sich in optischer Hinsicht
keine Blöße und schmeichelt das Auge mit perfekt komponierten
Bildern von teilweise fast hypnotischer Sogwirkung. Wie bereits bei
300 orientierte sich Snyder bei der visuellen Umsetzung streng an den
Zeichnungen des Originals und übernahm die Panels zum Großteil 1:1,
ohne sich dabei allzu viele Freiheiten zu erlauben.
Die
große Schwäche von Snyders Werken liegt darin, dass sie sich
meist bereits in ihrer vordergründigen Attraktivität erschöpfen.
Hat man die Schale erst geknackt und blickt hinter die verführerisch
blinkende Fassade, bleibt am Ende oft erstaunlich wenig übrig.
Womöglich hätte WATCHMEN ein ähnliches Schicksal ereilt,
profitierte er an dieser Stelle nicht von seiner starken Vorlage,
welche von David Hayter und Alex Tse ohne großartige Veränderungen
adaptiert wurde – freilich nicht, ohne dabei auch weitreichende
Komprimierungsarbeit zu leisten. Das Ergebnis dieser Bemühungen
präsentiert sich als inhaltlich dicht gedrängtes Knäuel aus
unzähligen narrativen Elementen, das trotz
ausladender Spielzeit von 2 ½ Stunden kaum Zeit lässt zur weiteren
Vertiefung und in seiner geballten Dichte eine beinahe schon
erschlagende Wirkung erzielt.
So wird jedem der
titelgebenden Helden seine eigene Hintergrundgeschichte gegönnt, und
jede einzelne dieser Episoden hätte bereits ohne Schwierigkeit einen
schnittigen 90-Minüter ergeben. Dass die Charaktere nun stattdessen
auf engstem Raum gezeichnet wurden, war ein unvermeidbares
Zugeständnis an das Kinoformat, das über weite Strecken durchaus funktioniert, vor allem deshalb, weil die Watchmen in ihren
ambivalenten Persönlichkeiten so ziemlich jedem etablierten
Superhelden-Klischee mit Überschallgeschwindigkeit
entgegenlaufen. Das beginnt schon bei dem Umstand, dass Moores Kollektiv –
mit einer Ausnahme – gar keine Superkräfte besitzt und sich seine
Mitglieder vom normalen Bürger lediglich dadurch unterscheiden, dass
sie maskiert sind, Künstlernamen tragen und unter staatlicher
Legitimation agieren dürfen. Von diesem realistischen Ansatz
ausgehend fühlen und handeln die Figuren nicht wie Lichtgestalten,
sondern wie gewöhnliche Menschen, voller Zweifel und Schwächen,
dabei unter Umständen auch moralisch bedenklich oder sogar schwerst
kriminell.
Vor allem der Comedian,
dessen verfrühtes Ableben die Ereignisse erst in Gang setzt,
entpuppt sich im weiteren Verlauf als gewissenloses Scheusal:
Zwischen Recht und Unrecht schon längst nicht mehr unterscheiden
könnend, dabei überzeugt vom baldigen Untergang der Welt und
desillusioniert bis ins Mark, schreckt er vor keiner Gewalttat zurück
und versteht seinen Status ohne Not als staatlich verordnete
Tötungslizenz. Auch die restlichen Watchmen sind kaum mehr als
tragische Figuren: Dr. Manhattan, der einzige Charakter, der
tatsächlich Superkräfte besitzt, strotzt vor Kraft, kann in die
Zukunft sehen und beherrscht die Fähigkeit, sich durch Raum und Zeit
zu teleportieren. Doch was im ersten Moment nach grenzenloser
Freiheit klingt, erweist sich schnell als ausweglose Sackgasse: Da
Dimensionen keine Rolle mehr spielen, erscheint ihm das eigene,
heimatlose Dasein bald vollkommen sinnlos, ebenso wie jede Art von
Tätigkeit, ist ihr Ausgang doch bereits vorherbestimmt. So flüchtet Manhattan schließlich auf einen anderen Planeten und quält sich
mit der bohrenden Frage nach den Gründen für Ereignis und Existenz.
Das Schicksal Dr.
Manhattans verdeutlicht dabei fast am besten den ungewöhnlichen
Ansatz der Erzählung: Mögen seine Fähigkeiten auch fantastisch und
wirklichkeitsfern sein, die daraus resultierenden Emotionen und
Handlungsweisen sind glaubwürdig und am realen Leben orientiert.
Ähnliches gilt auch für die Geschichte von Ozymandias, der sich
bereits frühzeitig aus dem Helden-Metier zurückzog, um ein
milliardenschweres Unternehmen aus dem Boden zu stampfen. Dass dieses
unter anderem auch Ozymandias-Actionfiguren verhökert,
verdeutlicht anschaulich, wie sehr die einstigen Ideale des
Heldentums bereits verkauft und erfolgreich dem Mammon geopfert
wurden. Als überaus kluger und rational denkender Mann steht Ozymandias am Ende vor einem moralischen Dilemma: Wenn man sowohl Mittel als auch Wege besitzt, die Welt zu retten, wie weit
dürfte man dafür gehen, wie viele Opfer dafür fordern dürfen?
Es ist nicht einfach, sich
angesichts dieses Sammelsuriums aus gebrochenen Charakteren und
zweifelnden Helden eine Bezugsperson zu suchen. Am ehesten
funktioniert das wohl noch mit Rorschach, der, das Gesicht hinter
einer Maske mit Rorschachtest-Muster verborgen, dabei ganz klassisch
mit Hut und Mantel unterwegs, als Detektiv auf der Pirsch ist und das
Geschehen in bester Humphrey Bogart-Manier aus dem Off kommentiert.
Doch auch er ist alles andere als ein strahlender Held: Einst
Verbrechensbekämpfer aus tiefster Überzeugung, nach einem grausamen
Entführungsfall jedoch in seinen Grundfesten erschüttert und den
Glauben an die Menschheit verloren habend, wurde er schließlich zum
zynischen Rächer, bedient sich zur Durchsetzung seiner Ziele
extremer Brutalitäten und spannt Verdächtige schon mal im wahrsten
Sinne auf die Folter.
All diese (und noch viel
mehr) Schicksale und Themen bündelt WATCHMEN zu einer mit
klassischen Film-Noir-Elementen sowie Versatzstücken des Thrillers
gefütterten Moralparabel mit tragischem Unterton und philosophischem
Überbau, dessen ausladende, in Hochglanzoptik verpackte Mischung aus
massenkompatibler Action und intellektueller Attitüde ein wahres
Fest für Auge und Ohr bietet. Einmal mehr gelang Snyder eine grandiose Symbiose aus Bild und Klang. Bereits der Vorspann, der, von Bob
Dylans unsterblichem Klassiker The times they are a-changin' untermalt, einen alternativen Verlauf der Geschichte Amerikas
erzählt, zieht einen aufgrund des atemberaubenden Zusammenspiels von
Musik und Darstellung minutenlang in seinen Bann. Und auch im
weiteren Verlauf erweist sich die Songauswahl als fast durchgehend
exzellent und wirkt in Kombination mit den dazugehörigen Szenen wie
eine perfekt aufeinander abgestimmte Komposition mit enormem
Wirkungsgrad.
Doch kann all der Prunk nur
schwerlich übertünchen, dass es WATCHMEN letztendlich nicht
gelingt, seine überlebensgroßen Ansätze in sein beengtes
Laufzeitkorsett zu zwängen. Zwar spürt man, dass da noch etwas ist,
etwas im Hintergrund, das raus möchte, sich entfalten, atmen. Doch
bleibt schlichtweg kein Platz dafür in diesem dicht gedrängten Wust
aus Themen, Taten und Figuren, der in seiner
konzentrierten Konsistenz eine ausreichende emotionale Bindung verhindert und die
philosophischen Gedankenspiele bereits im Keim ersticken lässt. Die
großen Fragen betreffend Wert des Lebens und Essenz der Menschlichkeit werden gerade mal angekratzt. Hinter seinen
selbstgesteckten Absichten somit zurückbleibend, dabei technisch freilich voll auf der Höhe seiner Zeit,
empfiehlt sich das überfrachtete Steampunk-Spektakel letztendlich
für alle Freunde ambitionierten Kinos als durchaus imposante und
erfreulich humorfreie Fantasy-Mär im futuristischen
Retrolook, dessen visuelle Wucht manch erzählerisches Defizit vergessen lässt.
Laufzeit: 163 Min. / Freigabe: ab 16
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