Freitag, 25. April 2014

BADGES OF FURY


BU ER SHEN TAN
China 2013

Regie:
Wong Tsz-Ming

Darsteller:
Wen Zhang,
Jet Li,
Michelle Chen,
Liu Shishi,
Liu Yan,
Jacky Wu,
Tong Dawei,
Collin Chou



Inhalt:

Hongkong: Innerhalb kürzester Zeit sterben ein Schauspieler, ein Turmspringer, ein Balletttänzer und ein Immobilienberater auf hochmysteriöse Weise – ohne ersichtlichen Grund, aus heiterem Himmel und mit einem ins Gesicht gemeißelten Lächeln. Die beiden etwas chaotischen Polizisten Wang Bu Er [Wen Zhang] und Huang Feihong [Jet Li] sollen, unter der Leitung ihrer Chefin Angela [Michelle Chen], Licht ins Dunkel bringen. Schon bald finden sie heraus, dass alle Opfer mit der Schauspielerin Liu Jingshui [Liu Schishi] liiert waren. Als Hauptverdächtige gilt jedoch bald ihre attraktive Halbschwester Dai Yiyi [Liu Yan], welche ihr nicht nur jeden einzelnen Mann ausgespannt, sondern diesen kurz vor ihrem Ableben auch noch Lebensversicherungen zu ihren Gunsten aufgeschwatzt hat. Um den Mörder zu entlarven, spielt Wang Bu Er schließlich den Lockvogel und gibt sich als neuer Verlobter Lius aus. Schon nach kurzer Zeit muss auch er um sein Leben fürchten.

Kritik:

BADGES OF FURY – vom deutschen Verleih fast schon unverschämterweise als ‚spannungsgeladener Actionthriller‘ ins Rennen geschickt – ist eine mit jeder Menge rasanter Bewegung gespickte, dabei komplett durchs Dach steigende Nonsenskomödie, die ihre im Kern durchaus interessante Kriminalprämisse lediglich dazu nutzt, einen wüsten Orkan comichaft überzogener Krawall- und Klamaukszenen abzufackeln, die nur mühsam und allzu offensichtlich alibihaft durch notdürftig verbindende Story-Elemente zusammengehalten werden. So atmet Wong Tsz-Mings Regiedebüt auf eine gewisse Art und Weise den Geist des albern-überdrehten – manch einer möchte hier womöglich ausrufen: peinlichen - Hongkong-Kinos der 80er und 90er Jahre, wenn auch durch den damals noch nicht möglichen CGI-Einsatz inbrünstig ins neue Jahrtausend katapultiert. Im poppigen Manga-Stil werden hier pausenlos Possen gerissen, Grimassen geschnitten und nicht zuletzt die Gesetze der Schwerkraft in hyperkinetischen Martial-Arts-Geplänkeln außer Kraft gesetzt, wenn die Kämpfer ohne jede Not kilometerweit durch die Lüfte fliegen.

Doch im beispielhaften Gegensatz zu Stephen Chows zumindest stilistisch ähnlichem KUNG FU HUSTLE (2004) verfehlt BADGES OF FURY sein Ziel des Lacherfolges durch ein überraschend schlechtes Timing der ohnehin nur selten – eigentlich nie! – wirklich komischen Gags, die sich zu allem Überfluss auch nicht für eine bestimmte Richtung entscheiden können. Durchaus gelungene visuelle Spielereien mit attraktivem Cartoon-Charakter (der Schatten der männermordenden Femme Fatale erscheint als Schlangensilhouette an der Wand, Wolken verdichten sich bei drohender Gefahr zu einem Totenschädel) treffen auf banale Typenkomik inklusive schwulen Schotten und stotternden Versicherungsagenten, dazu gesellen sich abgestandene Slapstick-Nummern der Marke 'Sich den Kopf stoßen', 'Durch die Wand brechen' und 'Mit dem Gesicht gegen eine Scheibe klatschen'.

Der Krimi-Plot geht in dieser Ansammlung von Albernheiten mehr als einmal verloren, was immer dann zur Irritation führt, wenn die Fülle an Zoten mal wieder unvermittelt für dramatische, bisweilen sogar melancholische Momente unterbrochen wird, die im krassen Gegensatz stehen zu der generell vorherrschenden Geistlosigkeit. Doch interessiert man sich für die Schicksale der Protagonisten zwischen dem ungenierten Gehampel und Geblödel ebenso wenig wie für die Frage nach dem Täter, auch wenn die finale Auflösung, wenn auch nicht unbedingt bis ins Mark logisch, so doch zumindest ausreichend überraschend daherkommt. In solchen Augenblicken wird erst klar, wie viel Potential hier eigentlich verschwendet wurde, fällt die Konzentration auf die zugrundeliegende Handlung doch von Minute zu Minute schwerer, da man den im Klamauk versinkenden Dialogen und Ereignisketten schließlich nicht mehr die Bedeutung beimisst, die sie zumindest teilweise verdient hätten. Dramaturgisch äußerst ungeschickt setzt zudem der Subplot, dass Wang sich als Verlobter Lius ausgibt (und sich damit dem Mörder als Köder anbietet), viel zu spät ein, um bereits nach kurzer Zeit sang- und klanglos wieder fallengelassen zu werden, obwohl doch gerade diese Idee, so unoriginell sie eigentlich auch ist, für den dringend benötigten frischen Wind und die bis dato vermisste klare Linie hätte sorgen können.

Für anspruchslose Seelen mit Affinität zum überkandidelten Mainstream-Kino Asiens ist das Gebotene dennoch von durchaus brauchbarer Essenz, zumal der wilde Trip in seiner entfesselten Anarchie nicht vollkommen reizlos geriet. Schrille Kostüme und knallige Farben beherrschen das absurde Szenario, das zudem gespickt ist mit Anspielungen auf das Hongkong-Kino moderner und klassischer Tage. So lautet der Rollenname Jet Lis hier nicht zufälligerweise 'Huang Fei Hong', und die dazugehörige Fanfare nebst finaler Kampfszene im altertümlichen Theater verweisen fast schon ein wenig zu penetrant auf Lis größten Leinwanderfolg ONCE UPON A TIME IN CHINA. Neben einer seltsam uninspirierten und gut 15 Jahre zu späten MEN IN BLACK-Referenz fallen augenzwinkernde Bemerkungen über Jackie Chans POLICE STORY-Reihe und Hongkongs Filmgeschäft an sich, während die zahlreichen Gastauftritte (unter anderen vom Lam Suet [→ TRIANGLE], Stephen Fung [→ HOUSE OF FURY] und Jacky Wu [→ KILLZONE]) für Eingeweihte zwar ein paar „Ach, schau an, der/die/das spielt da auch mit!?“-Effekte bergen, an einem Großteil des westlichen Publikums jedoch eher unbemerkt vorbeirauschen dürften.

Jet Li, als prominentester Mitwirkender vom Marketing natürlich publikumswirksam ins Bild gerückt, hat zwar ein paar gelungene Kampfszenen, fiedelt hier jedoch nur auf zweiter Geige. Die eigentliche Show gehört Wen Zhang (welcher mit seinem Co-Star bereits in dem Fantasymärchen DIE LEGENDE DER WEISSEN SCHLANGE vor der Kamera stand) als trotteligem Polizisten, der seine Fälle mehr durch Glück als durch Verstand löst. Besonders in den humorbetonten Szenen wirkt Wen dabei ein wenig überfordert, da es ihm nicht gelingt, deren Möglichkeiten ausreichend auszuschöpfen, was besonders im direkten Zusammenspiel mit seiner Partnerin Michelle Chen auffällt (welche ihr Ziel ebenfalls verfehlt). Die Sequenz, in welcher beide erfolglos das Verhörspiel „Guter Bulle, böser Bulle“ ausprobieren, offenbart in ihrer Witzlosigkeit exemplarisch das Scheitern der Komik BADGES OF FURYs: Die Darsteller spielen brutal aneinander vorbei, die Reaktionen und Dialoge scheinen isoliert voneinander abzulaufen und die ganze Situation verpufft am Ende quasi pointenlos.

So oder so ähnlich fehlt es BADGES OF FURY über die gesamte Laufzeit hinweg erheblich an Rhythmus und Balance. Stattdessen feuert man hier rücksichtslos aus allen Rohren, garniert die Kampfszenen mit zeichentrickartigen Klangeffekten und serviert lieber einen Jux zu viel als zu wenig. Dass mit Corey Yuen [→ TRANSPORTER] ein geachteter Profi für die Martial-Arts-Action zuständig war, sollte man erwähnen, doch verschwindet dessen Talent größtenteils unter massivem Drahtseil- und Rechnereinsatz. Wer weiß, worauf er sich einlässt und nicht jedes Mal nach Perfektion strebt, kann bei dieser hyperaktiven Cop-Comedy im Staccato-Tempo durchaus gute 90 Minuten grellbunten Spaß erleben, ohne dabei ein großartig schlechtes Gewissen haben zu müssen, und Jet-Li-Fans schauen sowieso rein. Den ‚spannungsgeladenen Actionthriller‘ gibt es dann halt das nächste Mal.

Laufzeit: 94 Min. / Freigabe: ab 12

Samstag, 19. April 2014

ARMOUR OF GOD - CHINESE ZODIAC


SHI ER SHENG XIAO
China 2012

Regie:
Jackie Chan

Darsteller:
Jackie Chan,
Zhang Lanxin,
Kwon Sang-Woo,
Liao Fan,
Yao Xingtong,
Laura Weissbecker,
Oliver Platt,
Vincent Sze



Inhalt:

Jackie Chan, genannt 'Der asiatische Falke', befindet sich stets auf der Suche nach verloren geglaubten oder gestohlenen Artefakten. Als er den Auftrag des schwerreichen Kunstsammlers Lawrence Morgan [Oliver Platt] annimmt, zwölf im Krieg geraubte Statuen wiederzubeschaffen, ist das Beginn einer gefährlichen Reise rund um den Globus. Neben seinem Team, bestehend aus Bonnie [Zhang Lanxin], Simon [Kwon Sang-Woo] und David [Liao Fan], begleiten ihn auf seiner Suche schließlich auch die engagierte Archäologin Coco [Yao Xingtong] sowie die französische Großerbin Catherine [Laura Weissbecker], deren Vorfahren einst in den Raub involviert waren. Nach turbulenten Ereignissen zu Lande, zu Wasser und in der Luft trifft man sich schließlich zum Showdown in der unterirdischen Festung von Morgans Sohn Michael [Vincent Sze], wo sich Jackie zunächst dem gegnerischen Schatzsucher Vulture [Alaa Safi] stellen muss.

Kritik:

Jackie Chan ist wohl einer der bekanntesten chinesischen Darsteller der Welt – ein Ruf, den sich der eifrige Kämpfer seit Beginn seiner Leinwandkarriere hart erarbeiten musste. Zunächst hauptsächlich als Statist unterwegs, wurden seine überragenden Kampfkünste schon bald erkannt, weshalb man nach dem plötzlichen Tode von Martial-Arts-Ikone Bruce Lee versuchte, ihn zu dessen Nachfolger heranzuzüchten. Wirklicher Erfolg allerdings stellte sich erst ein, nachdem Chan etwas damals völlig Neues entwickelte und in den folgenden Jahren immer weiter perfektionierte: Seine originelle Kombination aus klassischem Kung Fu á la Bruce Lee und turbulentem Slapstick á la Buster Keaton machte ihn international zum Star, erst in historischen Kostümkloppern wie DRUNKEN MASTER, später dann in modernen Großstadtreißern wie POLICE STORY. Im Laufe der Zeit zementierte Chan immer weiter seinen Status als der Mann, der all seine halsbrecherischen Stunts selbst ausführt und für jeden neuen Film dem Tod ins Auge blickt.

Als eine der beliebtesten von Jackie Chan verkörperten Figuren gilt der ‚Asiatische Falke‘, eine Art chinesischer 'Indiana Bond' mit Gauner-Attitüde, der sich seine Brötchen durch aufwändig geplante und ausgeführte Raubzüge verdient und sich regelmäßig auf weltumspannende Artefakt-Suche begibt. Nach DER RECHTE ARM DER GÖTTER (1986) und MISSION ADLER (1990) ist CHINESE ZODIAC der dritte Teil der ARMOUR OF GOD-Saga, für welchen Chan den populären Charakter nach fast 20 Jahren Pause noch einmal reanimierte. Dieses hatte gewiss mehrere Gründe. Ein nicht unwesentlicher dürfte gewesen sein, dass Chan in gehobenerem Alter viele (vor allem westliche) Fans vergraulte, indem er sich nach der Rückgabe Hongkongs an China wiederholt als Befürworter der kommunistischen Regierung aussprach und seine Filme immer wieder auch als Bühne für entsprechende Propaganda nutzte. Das kostete ihm weltweit viele Sympathien, so dass eine Flucht in vergangene Erfolge als durchaus sinnvoller Schritt erschien.

Freilich war das nicht ohne Risiko, gilt doch gerade MISSION ADLER, der zweite Teil der Reihe und somit unmittelbarer Vorläufer CHINESE ZODIACs, völlig zurecht als einer der besten Jackie-Chan-Filme überhaupt, der wie kaum ein anderer artistische Akrobatik und infantile Albernheiten mit dem Flair des großen Abenteuers kreuzte und es blendend verstand, durch perfekt getimte Situationskomik das Publikumszwerchfell im Minutentakt zur Erschütterung zu bringen. Ein schwieriges Erbe also, das es anzutreten galt. Chan besaß inzwischen so viel Einfluss, dass er es sich nicht nehmen ließ, das ambitionierte Projekt quasi im Alleingang zu stemmen und so ziemlich alle wichtigen und weniger wichtigen Positionen einzunehmen: Hauptrolle sowieso, dazu Drehbuch, Regie, Produktion, Titelsong, Beleuchtung, Art Direction, Unit Production Manager, Catering Coordinator und vermutlich auch Klorollenverteiler.

CHINESE ZODIAC erweist sich letztendlich als durchaus stimmige Fortsetzung, die in Sachen Storytelling und Dramaturgie ganz den bewährten Erfolgsformeln gehorcht. Beginnend mit einer halsbrecherischen Verfolgung im Roller-Blade-Ganzkörperkondom, welche nahtlos an die ähnlich übertriebenen Eröffnungssequenzen der Vorgänger anschließt, erhält Jackie (hier durchgehend pseudocool 'JC' gerufen) von seinem Mentor Jonathan noch während seiner Flucht bereits den nächsten Auftrag. Es folgt eine Jagd zunächst nach diversen Kunstgegenständen, später auch nach einem verschwundenen Schiff durch verschiedene Länder und Kontinente, die in ihrer Mischung aus entfesselter Action und arglosem Geblödel gut 105 Minuten erfrischenden Eskapismus bieten kann. Wo MISSION ADLER allerdings bei gleichem Konzept zu wahren Lachstürmen hinriss, langt es bei CHINESE ZODIAC gerade mal noch zu dem einen oder anderen Schmunzler, zumal die leichtfüßige Fröhlichkeit der Originale hier einen etwas zwanghaft bemühten Eindruck macht.

Dennoch ist es ein Vergnügen, Jackie Chan ein weiteres Mal in seiner klassischen Rolle zu erleben, der hier mit seinen fast 60 Jahren auch immer noch respektabel agil rüberkommt. Und wenn 'JC' und sein Team auf einer exotischen Insel schließlich von einer Handvoll depperter Piraten mit Raketenwerfer und Maschinenpistole überfallen werden, kommen beim Fan gar wohlige Erinnerungen an selige SUPERFIGHTER-Zeiten auf. Dass die Inselszenen zudem offenbar komplett im Studio entstanden sind, unterstreicht noch zusätzlich den kindlich-unbedarften Charakter CHINESE ZODIACs, dem selbst die lausigen CGI-Effekte nichts Gravierendes anhaben können. Ohnehin gab man sich sichtliche Mühe, der Produktion zu einem realitätsfernen Look zu verhelfen, indem man bestimmte Farben massiv übersättigte. Das Ergebnis ist eine der Wirklichkeit entrückte bonbonbunte Comic-Welt, die an das begeisterungsfähige Kind im Manne appelliert.

Fraglos: Die Unschuld vergangener Tage ist ein wenig verloren gegangen, nicht nur, weil all die altmodischen Elemente auf teilweise allzu penetrant ins Bild gerückten High-Tech-Schnickschnack treffen. Jackie Chan wirkt hier ein wenig wie ein chinesischer Otto Waalkes, der es auch im Rentenalter nicht lassen kann, den Pausenclown zu geben und so tut, als wären in der Zwischenzeit lediglich 3 und nicht 30 Jahre vergangen. Was einst frisch und munter wirkte, erscheint mittlerweile wie ein trotziges Aufbäumen gegen den schwelenden Zahn der Zeit. Und trotzdem sieht man ihm gern dabei zu, zumal sich Chan auch deutlich besser gehalten hat als Waalkes und die Kampfchoreographien, wenn auch nicht mehr so zahlreich vorhanden, so doch zumindest einmal mehr exzellent in Szene gesetzt wurden.

Ein wenig überladen wirkt CHINESE ZODIAC aufgrund der zahlreichen Nebenfiguren, die das Szenario bevölkern, zumal ihnen kaum irgendwelche Konturen zugestanden werden. So hat Jackie Chan hier ein Team an seiner Seite, das einem weder vorgestellt wird, noch im weiteren Verlauf Eindruck hinterlassen kann. Für Amüsement hingegen sorgt die weibliche Begleitung, drückt man Chan hier doch getreu der Serie abermals zwei reizende junge Damen aufs Auge, die sich die gesamte Reise über kabbeln und Faxen machen dürfen. Zwar funktioniert das nicht halb so gut wie noch in MISSION ADLER, für eine Extraportion gute Laune sorgt es allerdings trotzdem. Als Bonus gibt es noch zwei minimale Gastauftritte von Shu Qi [→ UNDER CONTROL] und Daniel Wu [→ IN 80 TAGEN UM DIE WELT], während der amerikanische Schauspieler Oliver Platt [→ FLATLINERS] in der Rolle des zwielichtigen Kunstsammlers Morgan für die internationale Note sorgen darf.

Muss sie sich dem übergroßen direkten Vorgänger auch eindeutig geschlagen geben, so befindet sich die späte Wiederbelebung immerhin mit dem noch etwas ungelenken ersten ARMOUR OF GOD-Teil so ziemlich auf Augenhöhe. Zwar geriet das luftige Finale im wahrsten Sinne des Wortes ein wenig zu abgehoben und warum nebenbei auch immer mal wieder die Eheprobleme des Teams eine Rolle spielen müssen, wird wohl auch ein Geheimnis bleiben. Doch Jackie Chan erscheint trotz fortgeschrittenen Alters immer noch unermüdlich hyperaktiv und sorgt mit CHINESE ZODIAC für sympathischen Fan-Service vor und hinter der Kamera. Ein starker Arm der Götter ist das nicht mehr. Aber zumindest noch ein nettes Händeschütteln.

Laufzeit: 105 Min. / Freigabe: ab 12

Freitag, 4. April 2014

MAN OF TAI CHI


MAN OF TAI CHI
USA, China, Hongkong 2013

Regie:
Keanu Reeves

Darsteller:
Tiger Chen Hu,
Keanu Reeves,
Karen Mok,
Simon Yam,
Yue Hoi,
Michael Chan,
Ye Qing,
Iko Uwais



„Warum gewinnst du?“ - „Weil ich besser bin.“


Inhalt:

Chen Lin-Hu [Tiger Hu Chen] lebt in Peking in einfachen Verhältnissen und schlägt sich als Kurierfahrer durch. Seine Leidenschaft gilt der Kampfkunst Tai Chi, welche er regelmäßig im Tempel seines Meisters Yang [Yue Hoi] trainiert. Als er gegen den Willen Yangs an Fernseh-Wettkämpfen teilnimmt, erregt er damit die Aufmerksamkeit des eiskalten Geschäftsmannes Donaka Mark [Keanu Reeves]. Dieser veranstaltet vor wohlsituiertem Publikum brutale Martial-Arts-Kämpfe auf Leben und Tod. Von Unschuld und Bescheidenheit Chens gleichermaßen beeindruckt wie von seiner Kampfkraft, unterbreitet er diesem ein großzügiges finanzielles Angebot - freilich, ohne seine wahren Absichten zu verraten. Chen lehnt zunächst ab. Erst, als der Tempel seines Meisters aufgrund von Sicherheitsmängeln geschlossen werden soll, entschließt er sich, doch für Mark zu kämpfen. Nun beginnt für ihn eine Reise ans Ende der Unschuld und wieder zurück.

Kritik:

Hollywood-Star Keanu Reeves frönte in späteren Jahren, fraglos immer noch von seinem MATRIX-Ruhm und dem guten Klang seines Namens profitierend, seiner Liebe für das fernöstliche Kino und brachte mit 47 RONIN und MAN OF TAI CHI innerhalb kürzester Zeit zwei tief in der asiatischen Kultur verwurzelte Heldenreisen auf die Leinwand, die vom breiten Publikum aufgrund ihrer speziellen Thematik zwar eher ignoriert, von Genrefreunden jedoch überwiegend wohlwollend zur Kenntnis genommen wurden. Und obwohl er auch bei letzterem zunächst nur als Darsteller und Drehbuchberater eingeplant war, übernahm er schließlich, neben der Rolle des Antagonisten, auch noch den Regieposten, was innerhalb seiner Karriere eine Premiere bedeutete.

Bereits die (zumindest im Original vorhandene) Mehrsprachigkeit aus überwiegend Kantonesisch und Mandarin und nur wenig Englisch (was gut und gern als zuschauerunfreundlich gewertet werden darf) macht dabei deutlich, dass es Reeves wenig daran gelegen war, die asiatischen Motive den Gewohnheiten des westlichen Mainstream-Publikums anzupassen, weswegen auch Look und Location lobenswert unangetastet blieben: Der Schauplatz MAN OF TAI CHIs ist China, und seine malerischen Bilder sind ein relativ unverblümter Offenbarungseid einer geradezu schwelgerischen Liebe zum Handlungsort Peking. So erlebt man, während einer wunderbaren Kamerafahrt durch Häuserschluchten und Fensterscheiben, einen ganzen Tag flirrenden Großstadtlebens im Zeitraffer, und selbst der Abspann scheint nur zu existieren, damit ihm eine fast zärtliche verabschiedende Luftaufnahme der Metropole als Hintergrund dienen kann.

Das Drehbuch beschreitet derweil nicht mal im Ansatz neue Wege und betet die in der Vergangenheit bereits unzählige Male durchexerzierte Selbstfindungsgeschichte eines Mannes vom Erliegen der Versuchung über den Verlust der Unschuld bis hin zur gereinigten Wiederauferstehung ohne nennenswerte Variation treuherzig herunter. MAN OF TAI CHI funktioniert daher weniger als klassische Spannungskost, sondern viel mehr als einzige große Metapher, in welcher sich die Kampfkunst über ihre simple Funktion als Instrument körperlicher Auseinandersetzung erhebt und zum Gradmesser für Tugend und Standhaftigkeit wird: Hauptfigur Tiger Chen, hier und dort mal ein wenig aufmüpfig, doch moralisch einwandfrei, kommt vom rechten Wege ab, lässt sich, zunächst aus lauteren Motiven, später aufgrund schnöden Mammons und gekränkter Eitelkeit, von der dunklen Seite einspannen, bevor er seine Verfehlung schließlich erkennen und sich seinen Dämonen stellen darf. Das mag vom Kern her nicht neu sein und in seiner banalen Erkenntnis auch reichlich abgestanden, doch gibt sich die inhaltlich weitestgehend überraschungsfreie Moralparabel im selben Moment dermaßen aufrichtig, so voller Elan und Engagement, dass ihre Formelhaftigkeit so gut wie gar nicht ins Gewicht fällt.

Dass kaum eine Bindung des Publikums an die eher unterkühlt gezeichnete Hauptfigur erfolgt, ist freilich ein eher unschöner Nebeneffekt der Sache, nicht zuletzt deshalb, weil genau dieses Thema im Finale noch eine wichtige Rolle spielen soll. In seiner wohl wichtigsten Funktion macht MAN OF TAI CHI hingegen alles richtig: Die Kampfszenen sind durch die Bank schlicht großartig inszeniert - roh, grob und zeitweilen von geradezu schmerzhafter Brutalität, im selben Moment jedoch auch von purer Schönheit. Yuen Woo-Ping, mit Reeves noch aus seiner MATRIX-Zeit bekannt, sorgte für eine zuverlässig makellose Choreographie und Kameramann Elliot Davis [→ OUT OF SIGHT] lieferte die effektiven Bilder dazu. Wenn Tiger Chen sich, vor sich kultiviert gebendem Publikum in schickem Ambiente, einen ungleichen Überraschungskampf gegen gleich zwei rücksichtslose Gegner liefern muss, dabei, zwischen unstet flackerndem Licht, gerade mal noch die Silhouetten der Kämpfenden zu erkennen sind, dann werden die Möglichkeiten der Sehnervreizung größtmöglich ausgelotet.

Dabei experimentierte man ursprünglich sogar mit ganz neuen Kameramodellen, welche die Kämpfer während ihrer Einsätze umgeschnallt haben sollten, um eine bis dahin noch nie dagewesene Form der Publikumsinvolvierung zu erreichen. Doch selbst der Name Reeves öffnet bei solch einem riskanten Projekt nicht automatisch jeden Geldbeutel, so dass die progressiven Pläne schließlich ad acta gelegt werden mussten. Es ist müßig, darüber zu spekulieren, ob dieses zum Vor- oder Nachteil MAN OF TAI CHIs geschah, doch ist es bemerkenswert, dass man stattdessen schließlich den umgekehrten Weg ging und die Fights auf das Elementarste reduzierte. Was hier zählt, ist nicht die technische Innovation, sondern die klassische Kontroverse: Zwei Männer, ein Raum, ein Befehl: „Fight!“

Diese Bescheidenheit, dieses Herunterbrechen auf das Notwendigste, dieser Verzicht auf effektheischende Übertreibungen für das Höher-Weiter-Schneller-Publikum zugunsten der respektvollen Huldigung der altmodischen Genreklassiker (bereits der Titel erinnert frappierend an Yuen Woo-Pings TAI CHI MASTER), das alles erweist sich als eine der größten Trumpfkarten MAN OF TAI CHIs und ist der Hauptgrund dafür, dass Reeves Regiedebüt so wunderbar rund läuft. Doch auch optisch hat der Regisseur sein Werk voll und ganz im Griff, präsentiert wunderbar ineinanderfließende Bilder, irgendwo zwischen antiquiert und modern, und gefällt sich in der genussvollen Auskostung markanter Gegensätze: Dem beschaulichen, ländlich gezeichneten Leben Pekings, mit seinen hart schuftenden, anständigen Bürgern, wird die gefühlskalte Hochfinanzfassade Hongkongs gegenübergestellt, klinisch rein, blitzeblank geschrubbt und frei von menschlicher Wärme. Chens meditative Übungen stehen in heftigem Kontrast zu den grausamen Tötungsveranstaltungen Marks, welcher bereits nach ein paar Minuten das erste Genick gebrochen und einem seiner Zöglinge brutalst die Kehle aufgeschlitzt hat.

Reeves spielt die Rolle des Antagonisten dann auch mit diebischem Vergnügen, gibt den großen Verführer mit leicht dämonischer Aura und kühler Attitüde, wobei ihm sein in der Vergangenheit oft verspottetes distanziertes Spiel hier nunmehr zur Ehre gereicht. Ironischerweise wirkt es dabei fast, als eifere er hier Al Pacino nach, welcher ihn im 1997er IM AUFTRAG DES TEUFELS noch selbst auf die Seite des Bösen ziehen durfte. So thront er wie der Leibhaftige persönlich auf sündhaft teurem, in seelenloser Symmetrie ausgerichtetem Mobiliar, um den moralischen Zerfall seines Schützlings live auf dem übergroßen Monitor mitzuerleben und mutiert in einem Moment teuflischen Gelächters tatsächlich zur unmenschlichen Schreckgestalt. Lediglich, dass Reeves sich am Ende als fast unbesiegbares Kampfass behauptet, strapaziert doch sehr die Glaubwürdigkeit. Zwar wirkt er in seiner einzigen Kampfszene mit seinen fast 50 Jahren noch respektabel agil, den Superfighter kann man ihm – nicht zuletzt aus dem Grund, da man um die überragenden artistischen Fähigkeiten seiner Mitstreiter weiß 
 dennoch nur schwerlich abnehmen.

Chen Hu, alias Tiger Chen, meistert seine Hauptrolle ebenfalls mit Bravour, obwohl seine Ausdrucksmöglichkeiten noch eingeschränkter sind als die eines Keanu Reeves. Das ist keine Überraschung, denn Chen ist eigentlich kein Schauspieler, sondern Stuntman und Kampfkunstlehrer, der sich am Set von MATRIX mit Reeves anfreundete. Dass er bei dessen Einstand als Regisseur nun gleich im Mittelpunkt stehen darf, ist nicht nur ein sehr sympathischer Freundschaftsdienst, sondern zudem auch noch eine gute Entscheidung: Chen wirkt als Darsteller wunderbar unverbraucht und im gleichen Maße unschuldig wie athletisch, so dass man ihm sowohl seine Arglosigkeit als auch seine Kampfkraft spielend abnimmt.

Auch bei der Besetzung der Nebenrollen bewies man ein sicheres Händchen, dem Genrefan werden bekannte Gesichter aus mehreren Generationen Martial-Arts-Action präsentiert, was für eine weitere Portion Authentizität sorgt. Yue Hoi, der bereits mit Jet Li in DIE MACHT DER SHAOLIN vor der Kamera stand, passt in die Rolle des alten Meisters Yang wie die berühmte Faust aufs Auge und als einer der Gegner Tiger Chens erkennt man Iko Uwais, der kurz zuvor mit der Gewaltoper THE RAID auf sich aufmerksam machte. Karen Mok [→ IN 80 TAGEN UM DIE WELT], ebenfalls ein bekanntes Gesicht des Hongkong-Kinos, ist als ermittelnde Polizistin Sun Jingshi zu sehen, während die Rolle von Ikone Simon Yam [→ BULLET IN THE HEAD] als Inspektor Wong fast schon sträflich verschenkt wirkt.

MAN OF TAI CHI ist insgesamt ein sehr beachtliches Debüt geworden, das seine moralinsaure Botschaft mit sanftem Märchenflair vernebelt: Protagonist Tiger Chen erscheint weniger als reeller Charakter, viel mehr als ein Ideal, als ein Sinnbild der Unschuld, als letzter Fackelträger einer eigentlich schon längst ausgestorbenen Disziplin – als letzter Schüler des Tai Chi. Donaka Mark ist seine Achillesferse, der heuchelnde Verführer, der an seine Eitelkeit appelliert, an sein Temperament, ihn manipuliert, seine Aggressionen Stück für Stück steigert. „Hast du Angst vor dem, was du ihnen antun könntest?“ fragt er, als Tiger dabei ist, im Kampf gegen seine Kontrahenten zu unterliegen. „Das musst du nicht.“ Dagegen agiert Meister Yang als Mentor Chens, als moralische Instanz, die ihm empfiehlt, den Geist zu reinigen und sein Chi zu sortieren: „Wenn du diesen Weg ohne Meditation gehst, dann wird es deinen Untergang bedeuten."

Chen geht diesen Weg, und bevor es zum finalen, in klassischer Wildwestmanier gefilmten und inszenierten Schlagabtausch kommt, muss er seine Lektionen lernen und seine spirituelle Mitte finden. Und obwohl die Pfade absehbar sind, nicht jeder Dialog perfekt sitzt und die Message fast schon rührend naiv daherkommt, bleibt MAN OF TAI CHI ein wunderbar ehrlich gemeintes Stück Kino von zielorientierter Geradlinigkeit und vibrierender Bildsprache.

„Du hast Blut gekostet“, tadelt Meister Yang seinen Schüler an einer Stelle. MAN OF TAI CHI ist die Versuchung durchaus wert.

Laufzeit: 105 Min. / Freigabe: ab 12