Dienstag, 23. September 2014

SIN CITY 2 - A DAME TO KILL FOR


SIN CITY – A DAME TO KILL FOR
USA 2014

Regie:
Robert Rodriguez,
Frank Miller

Darsteller:
Mickey Rourke,
Josh Brolin,
Eva Green,
Jessica Alba,
Powers Boothe,
Joseph Gordon-Levitt,
Bruce Willis



Inhalt:

Basin City, von allen nur Sin City genannt, ist ein Hort der Sünde, in dem sich Nacht für Nacht unfassbare Geschichten abspielen:

Ein stinknormaler Samstagabend:
Der ehemalige Sträfling Marv [Mickey Rourke] erwacht ohne Bewusstsein neben zwei Leichen und einem Autowrack. Verzweifelt versucht er, die Ereignisse der letzten Stunden zu rekonstruieren.

Eine Braut, für die man mordet:
Privatdetektiv Dwight McCarthy [Josh Brolin] erhält einen Anruf von seiner ehemaligen Geliebten Ava [Eva Green], die ihn um Hilfe bittet. Ihr neuer Liebhaber, der Multimillionär Damien Lord [Morton Csokas], quält sie regelmäßig und sein Chauffeur Manute [Dennis Haysbert] überwacht sie auf Schritt und Tritt. Trotz der Skepsis um den Wahrheitsgehalt ihrer Erzählung erliegt er den Reizen der schönen Frau und lässt sich auf ein riskantes Spiel ein.

Eine lange böse Nacht:
Dem übermütigen Glücksspieler Johnny [Joseph Gordon-Levitt] gelingt es, den korrupten Senator Roark [Powers Boothe] beim Pokern zu besiegen und ihn somit bis auf die Knochen zu blamieren. Das kann der stolze Mann nicht hinnehmen: Er lässt Johnny foltern und bricht ihm dabei die Finger. Doch Johnny gibt nicht auf und stellt sich dem Mann ein zweites Mal.

Nancys letzter Tanz:
Die Stripperin Nancy Callahan [Jessica Alba] will Rache: Einst erschoss sich ihr Beschützer, der Polizist John Hartigan [Bruce Willis], um sie vor Senator Roark in Sicherheit zu wissen. Nancy kauft sich einen Revolver, doch bringt es nicht übers Herz, den Senator zu erschießen. Sie sucht sich Unterstützung beim Ex-Sträfling Marv.

Kritik: 

Neun Jahre können eine lange Zeit sein, wenn man auf etwas wartet. Im Falle von SIN CITY vielleicht sogar ein wenig zu lang. Das wäre zumindest eine Erklärung dafür, dass A DAME TO KILL FOR, die späte Fortsetzung der zu ihrer Zeit phänomenal erfolgreichen Graphic-Novel-Adaption, an den Kinokassen so ernüchternd gescheitert ist. Und das, obwohl Regisseur Robert Rodriguez [→ DESPERADO] seiner schwarz-weiß-bunten Extravaganz bis in die Haarspitzen treu geblieben ist. Dass beide Werke von fast einem Jahrzehnt getrennt werden, merkt man tatsächlich nicht eine einzige Sekunde. Aber vielleicht lag der Misserfolg auch gerade darin begründet: In Zeiten von immer brachialeren Comic-Adaptionen der Marke AVENGERS oder AMAZING SPIDER-MAN wirkte der seinerzeit bahnbrechende visuelle Stil SIN CITYs fast schon ein wenig altbacken.

Sicher, die rebellische filmische Frische ist passé; hier wird nicht neu erschaffen, hier wird aufgekocht. Doch gerade deswegen dürfte Fans des Originals die etwas verwirrend verschachtelte Fort-, Vor- und Zwischensetzung sehr angenehm in den Magen gehen: Der Besuch in SIN CITY 2 wirkt wie ein Wiedersehen mit alten Bekannten – auch, wenn diese nun teilweise andere Gesichter tragen. Von Josh Brolin [→ NO COUNTRY FOR OLD MEN] abgesehen, der die Rolle des Dwight McCarthy von Clive Owen übernahm, fällt dieses jedoch kaum ins Gewicht und geschieht eher dezent im Hintergrund – nicht zuletzt auch deshalb, weil Mickey Rourke [→ THE EXPENDABLES] in seiner wiederkehrenden Rolle als übermenschliche Killermaschine Marv ohnehin jegliche Aufmerksamkeit auf sich zieht. Bereits die von ihm aus dem Off kommentierte Exposition ist ein Feuerwerk an Witz und Wahn und stimmt vorzüglich ein auf den nun folgenden Sumpf der Niedertracht.

Erneut folgen die mehreren einander überlappenden Rache-Geschichten sowohl stilistisch als auch inhaltlich den großen Vorbildern des Film Noir und treiben dessen Elemente dabei dermaßen auf die Spitze, dass SIN CITY 2 zu seiner eigenen Persiflage wird: Jeglicher Rest von Anstand oder Moral scheint von der Welt getilgt; es herrschen Laster, Gewalt und Gier. Die Frauen sind Huren, die Männer bei aller körperlichen Stärke innerlich schwach und psychisch gebrochen. Verbitterung, Korruption und Niedertracht beherrschen das trostlose Leben in den labyrinthartigen Straßenschluchten, wer den Fehler macht, anderen Menschen Vertrauen zu schenken, beißt früher oder später ins Gras. Und mittendrin agiert Eva Green [→ CASINO ROYALE] als verhängnisvolle Super-Femme-Fatale, die in eiskalter Berechnung ihre eigenen Ziele verfolgt und die Herren der Schöpfung gleich dutzendfach ins Verderben stürzen lässt.

Abermals scheint es, als sei die von Frank Miller erschaffene Comic-Welt direkt vom Papier gesprungen und zu übergroßem Leinwandleben erwacht (auch, wenn es dieses Mal nicht für jede Story eine gezeichnete Vorlage gab). Rodriguez zelebriert ein exzessives Spiel aus Licht und Schatten, zwar künstlich bis ins Mark, doch durch die realen Darsteller gleichzeitig auch auf irrationale Weise plausibel. Immer wieder wird die edle Schwarz-Weiß-Optik dabei durch leichte Farbschimmer aufgebrochen: Feuerrote Lippen oder gleißend blondes Haar künden von leisen Momenten der Hoffnung, von einem Hauch von Zuversicht in einer Welt der Finsternis. Doch am Ende zerschmettert die raue Wirklichkeit jede optimistische Gefühlsregung wie Kampfmaschine Marv die Köpfe seiner Gegner.

Wenn man SIN CITY 2 etwas zum Vorwurf machen möchte, dann könnte man freilich bemerken, dass die hier erzählten Episoden deutlich hinter denen des Originals zurückfallen und in ihrer Entwicklung auch überwiegend überraschungsfrei geraten sind. Man könnte erwähnen, dass ein paar der neu aufgegriffenen Handlungsstränge nach hochtrabendem Beginn ohne besondere Raffinessen wieder im Sande verlaufen, was einen ein wenig unbefriedigt zurücklässt. Und man könnte anführen, dass die emotionale Einbindung des Betrachters, wie beim Vorgänger noch vorhanden, dieses Mal nahezu komplett ausbleibt. Man schaut zu, man amüsiert sich, man ergötzt sich an den visuellen Spielereien, doch wirklich involvieren kann einen das Geschehen kaum. Man spürt, dass die alten Geschichten im Prinzip bereits abgeschlossen waren und die neuen lediglich ein Aufguss der bekannten Motive sind, dass man es letztendlich „nur“ mit einem gut gemeinten Nachklapp zu tun hat, der überwiegend Fan-Service betreibt.

Aber dennoch kann man sich unverschämt wohlfühlen in diesem kuriosen Kosmos der Sünden und Sakrilegien, dessen eigentlich beachtlicher Härtegrad durch den entfremdeten Comic-Stil nicht nur verharmlost, sondern sogar zu einem hemmungslosen Vergnügen wird. Das liegt nicht zuletzt auch an den vorzüglichen Darstellern, welche die surrealen Charaktere mit echtem Leben füllen. Neben Mickey Rourke, der als Marv quasi im Alleingang den Großteil A DAME TO KILL FORs auf seinen breiten Schultern trägt und zudem in drei von vier Episoden involviert ist, gefällt vor allem Powers Boothe [→ AUSGELÖSCHT], der hier als fieser Senator so richtig auftrumpfen und das widerliche Scheusal raushängen lassen darf, während er in Teil 1 quasi nur einen Gastauftritt absolvierte. Jessica Alba [→ DIE KILLERHAND] kehrt zurück als Stripperin Nancy, tanzt dabei allerdings besser, als dass sie schauspielert – den von Hass zerfressenen Racheengel nimmt man ihr nicht wirklich ab. Und der Auftritt von Bruce Willis [→ DAS FÜNFTE ELEMENT] als Detective Hartigan kann man eigentlich auch nur als 'pro forma' bezeichnen und dürfte innerhalb von ein paar Stunden absolviert worden sein.

Die entscheidenden neuen Figuren sind der leicht überhebliche Spieler Johnny, der von Joseph Gordon-Levitt [→ LOOPER] zwar nicht überragend, aber ausreichend souverän verkörpert wird, sowie die bereits erwähnte Eva Green als Ava Lord, die es sich wohl auf die Fahnen geschrieben hatte, alle Kino-Verführerinnen der Vorjahre zu toppen und sich am Set hoffentlich nicht erkältet hat. Bedauerlich ist der kurze Auftritt von Vorzeige-Ekelpaket Ray Liotta [→ FLUCHT AUS ABSOLOM], der als betrügender und mordaffiner Ehemann eine für ihn typische Paraderolle ergattern konnte, welche die Handlung allerdings viel zu schnell wieder verlässt.

Im direkten Vergleich muss sich SIN CITY 2 seinem Vorgänger geschlagen geben. Etwas zu stark sexualisiert auf der einen Seite, ein bisschen zu schlicht in der Auflösung seiner Fäden auf der anderen, wird die narrative Perfektion des Originals kein zweites Mal erreicht. Als durchaus willkommene Ergänzung hingegen taugt die betont lässige, angenehm-verruchte Sündensause allemal. Handwerklich nach wie vor makellos, bis unters Dach mit rabenschwarzem Humor befüllt und von nahezu ungebremster Fabulierlust – ein Mord lohnt sich dafür nicht, aber etwas mehr als 90 Minuten Lebenszeit ist das durchaus wert. 

Laufzeit: 102 Min. / Freigabe: ab 18

2 Kommentare:

  1. Tolle Rezension DJAGOdzilla. Werde mir den Film auf jeden Fall anschauen.

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  2. Viel Spaß dabei. Bin auf deine Meinung gespannt.

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