Montag, 8. Juni 2015

AGENT 3S3 KENNT KEIN ERBARMEN


AGENTE 3S3: PASSAPORTO PER L'INFERNO
Italien 1965

Regie:
Sergio Sollima

Darsteller:
George Ardisson,
Barbara Simon,
Georges Rivière,
Seyna Seyn,
Franco Andrei,
Liliane Fernani,
José Marco,
Fernando Sancho



Inhalt:

Agent Walter Ross [George Ardisson], Codename 3S3, erhält einen neuen Auftrag von der amerikanischen Regierung: Er soll sich das Vertrauen einer in Österreich lebenden jungen Dame namens Jasmine von Witheim [Barbara Simon] erschleichen. Grund: Ihr Vater, vom Geheimdienst stets nur „Mr. A“ genannt, leitet eine gefährliche Verbrecherorganisation, ist aber seit geraumer Zeit verschwunden. Da das Zielobjekt sehr hübsch ist, kann sich Ross natürlich schlechtere Aufträge vorstellen, zumal es explizit heißt: „Es steht dir frei, sie zu verwöhnen, auszuführen und zu beschenken – wenn es sein muss, heirate sie.“ Tatsächlich fällt es ihm auch nicht weiter schwer, an sie heranzukommen. Allerdings weiß auch Jasmine, die von den Untaten ihres Vaters nichts ahnt, ebenfalls nicht, wo sich die Zielperson aufhält. Der Organisation ist das plötzliche Auftauchen 3S3s indes nicht entgangen und schickt umgehend ihre Killer los.

Kritik:

Hätte es James Bond nicht gegeben, so manch kantengesichtiger Schauspieler wäre in den 60er Jahren arbeitslos gewesen. Da Sean Connery 1962 aber hocherfolgreich das Rätsel um DR. NO lösen konnte, schossen die Leinwand-Agenten plötzlich wie Pilze aus dem Boden, um die westliche Zivilisation das ein ums andere Mal vor dem sicheren Untergang zu bewahren. Vor allem in Italien hatte man wenig Scheu davor, auf den kassenträchtigen Spionage-Zug aufzuspringen, weswegen viele der Weltenretter trotz ihres vermeintlich englischen Namens inkognito im Auftrag des Stiefellandes unterwegs waren. Giorgio Ardisson war einer davon. Und um ihn als amerikanischen Staatsbürger durchgehen zu lassen, verschleierte man seine Herkunft – wie es damals eben üblich war – durch den anglisierten Decknamen George. Das ist zwar nicht besonders originell, aber das gilt ja auch für die gesamte Produktion, die ohne nennenswerte inhaltliche Innovation die bewährten Erfolgsformeln abarbeitet und sich dabei gar nicht großartig Mühe gibt, als etwas anders zu erscheinen als das simple Plagiat eines übergroßen Vorbilds.

Ardisson ist dann auch eindeutig nicht aufgrund darstellerischer Überzeugungskraft an die Hauptrolle gekommen, sondern hauptsächlich aufgrund seines Äußeren, das rein optisch dem Rollenklischee der 60er Jahre voll und ganz entsprach. Selbst, wenn man nicht wüsste, dass man es bei seinem Walter Ross mit einem Geheimagenten zu tun hat, allein sein Aussehen verriete ihn auf Anhieb. Tatsächlich ist er hier auch eigentlich gar nicht wirklich geheim unterwegs, denn sein Feind weiß im Nu um seine Person und beginnt unmittelbar nach dessen erstem Auftauchen mit den üblichen komplizierten Vernichtungsmaßnahmen. Wenig überraschend: Sie schlagen allesamt fehl – was einigen Schergen der Gegenseite den Kopf kostet. Die Bezirzungsversuche seitens 3S3 (denn natürlich führt seine Mission über die Vertrauensgewinnung einer jungen Dame) sind hingegen umgehend von nötigem Erfolg gekrönt – mehr als eine steif choreographierte Kneipenschlägerei (natürlich stilecht vollzogen in Anzug und Krawatte) braucht es nicht, um nachhaltigen Eindruck bei der holden Weiblichkeit zu schinden.

Es sind diese liebgewonnen Stereotypen, die AGENT 3S3 (tolles Kürzel übrigens, kann sich garantiert niemand merken) ein solch heimeliges Gefühl verleihen, und tatsächlich läuft alles in genau den rustikalen Bahnen, die man auch erwartet. Selbstverständlich geht es dabei trotz angeblicher Großgefahr mal wieder urgemütlich zu: Es wird geschäkert, geliebt und gescherzt, als befände man sich statt auf Freiheitsmission im Sommerurlaub, während die Schlägereien mit den brutalen Schergen der Gegenseite an arglose Sandkastenbalgereien erinnern. Ohnehin erscheint der Kontrahent nur wenig bedrohlich, was auch damit zusammenhängt, dass man sich irgendwie nicht wirklich auf einen Hauptgegner einigen konnte, und daher ein wirklicher Bezug fehlt (zumal auch Art und Motivation der Schandtaten nicht so klar ersichtlich sind – der Feind muss hier in erster Linie vor allem deshalb vernichtet werden, weil er eben der Feind ist). So ist das Geschehen dann auch alles andere als aufregend, und selbst die einzige Szene, die man im Ansatz als Actionszene bezeichnen könnte, – ein motorisierter Mordanschlag auf den Titelhelden – verführt niemanden zum Nägelknabbern.

Ardisson ist kein großartiger Schauspieler, macht seine Sache als B-Bond aber gut und dem tiefergelegten Niveau-Pegel angemessen. Der in Turin geborene Mime begann seine Karriere in kostengünstigen Sandalen-Schinken und dürfte für die Rolle als Frauenschwarm und Ganovenschreck dankbar gewesen sein. Die große Karriere blieb ihm anschließend dennoch verwehrt; das deutsche Publikum durfte ihn später immerhin noch als Western-Ikone 'Django' in DJANGO – DEN COLT AN DER KEHLE erleben (auch, wenn der dort verkörperte Revolverheld im Original gar nicht Django hieß). Als schutzbedürftiges Mägdelein sieht man an seiner Seite Barbara Simon, die nur selten auf der Leinwand zu Gast war, dabei unter anderem in DJANGO UND DIE BANDE DER GEHENKTEN neben einem „echten“ Django, dargestellt von Terence Hill. Simon muss hier eigentlich nur hübsch aussehen, was ihr auch im ansprechenden Maße gelingt – freilich ohne dabei vollends zu begeistern. Auch auf Schurken-Seite gibt es keine Glanzleistungen zu vermelden, zumal die konturlos gezeichneten bösen Buben ohnehin fast nur reines Kanonenfutter sind. In den Nebenrollen fallen mit Fernando Sancho [→ EINE PISTOLE FÜR RINGO] und Sal Borghese [→ EIN TURBO RÄUMT DEN HIGHWAY AUF] immerhin noch zwei bekannte Gesichter des Italo-Kinos auf.

Mal abgesehen von dem schmissigen Titelsong (der – auch keine sonderlich große Überraschung – vor nett gemachtem James-Bond-Gedächtnis-Vorspann abgespielt wird), ist die musikalische Begleitung eher verunglückt und erinnert überwiegend an jahrmärktliche Leierkasten-Beschallung. Atmosphärisch gelungen geriet hingegen die Anfangsszene, in welcher eine Frau in panischer Angst durch die Nacht flüchtet – eine stimmige Eröffnung, die an einen klassischen Horrorfilm-Moment erinnert und schließlich zwar absehbar, aber schön makaber aufgelöst wird. Das Versprechen, das diese Sequenz gibt, kann das nachfolgende Abenteuer freilich nicht einhalten – dazu fehlt es einfach zu sehr an Spannung, Dramatik und Kreativität. Das ist eigentlich erst dann erstaunlich, wenn man sich ansieht, wer hier das Regie-Zepter in der Hand hielt: Sergio Sollima wurde nachfolgend zu einem von den Kritikern sehr geschätzten Mann und inszenierte nur kurze Zeit später die Western-Meisterwerke DER GEHETZTE DER SIERRA MADRE, VON ANGESICHT ZU ANGESICHT und LAUF UM DEIN LEBEN sowie den exzellenten Noir-Thriller BRUTALE STADT. Von der Großartigkeit dieser Bravourstücke ist hier noch rein gar nichts zu spüren; die Agenten-Soße rinnt zwar geschmeidig, bleibt jedoch eine eindeutige Billig-Produktion ohne besondere Ambition.

Der deutsche Titel ist natürlich viel zu reißerisch, ist 3S3 doch nicht mal im Ansatz die kalte Killermaschine, die einem hier angekündigt wird. Doch auch der Originaltitel übertreibt nicht minder: Walter Ross löst hier keineswegs eine Eintrittskarte zur Hölle, sondern vielmehr zu gediegener Sonntagsnachmittags-Unterhaltung für Freunde nostalgischer Leinwand-Erlebnisse. Und für die lohnt sich die Reise trotz fehlender Aufregungen dennoch. Und da sich Agent 3S3 im Anschluss immerhin noch auf eine weitere Mission begeben durfte (für das deutsche Publikum sogar noch auf noch eine mehr, weil man ein anderes Ardisson-Vehikel kurzerhand zum Walter-Ross-Auftritt umfunktionierte – was mit Django geht, geht mit 3S3 schon lange), zahlte sich die Nummer wohl auch hinreichend aus. Es sei gegönnt. 3S3 mag zwar nur ein laues Lüftchen sein, an manch heißem Sommertag jedoch ist ein laues Lüftchen genau das, was man gerade braucht.

Laufzeit: 94 Min. / Freigabe: ab 16

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