USA 1957
Regie:
Fred F. Sears
Darsteller:
Jeff Morrow,
Mara Corday,
Morris Ankrum,
Louis Merrill,
Edgar
Barrier,
Robert Shayne,
Frank Griffin,
Clark Howat
Ist
es ein Vogel? Ist es ein Flugzeug? Nein, es ist ... Oh! Nein, halt, es ist doch ein Vogel. Aber was für einer!
„Datum:
der 17. des Monats. Wetter: trübe, bedeckt. Zeit: 13.32 Uhr. Ein
bedeutsamer Moment in der Menschheitsgeschichte. Der Moment, in dem
ein Elektronikingenieur namens Mitch MacAfee etwas am Himmel
entdeckte. Etwas, das beinahe der Anfang vom Ende allen Lebens auf
dieser Erde war“, verkündet die für Billighorror der 50er Jahre
typische neutrale Erzählstimme aus dem Off. Und sie hat sehr Recht.
Ein bedeutsamer Moment in der Menschheitsgeschichte. Und ein noch
bedeutsamerer für die Geschichte des unfreiwilligen Komik-Kinos.
Denn obwohl ANGRIFF DER RIESENKRALLE im Prinzip ein stinknormaler
Riesenmonsterstreifen ist, wie es ihn zu seiner Zeit zu Dutzenden
gab, erarbeitete er sich im Laufe der Jahre den Ruf eines geradezu
unfassbaren Lachschlagers und erspielte sich somit eine treue
Fangemeinde, von deren Ausmaß die Macher zum Zeitpunkt des Entstehens
höchstens träumen konnten. Aber der Reihe nach!
Inhalt:
Mitch
MacAfee [Jeff Morrow]
arbeitet als Elektronikingenieur für die U. S. Air Force. Während
eines Kalibrierungsfluges sichtet er eines Tages ein
unbekanntes Flugobjekt. Über Funk alarmiert er das Militär, das
sofort eine Fliegerstaffel losschickt. Diese jedoch kehrt
unverrichteter Dinge zurück - es war schlicht nichts
Außergewöhnliches auffindbar. Major Bergen [Clark Howat] hält
Mitch für nen Kasper und macht ihn richtig rund („Wenn ich mit
Ihnen fertig bin, Mr. Elektronikingenieur, werden Sie froh sein, wenn
Sie noch irgendwo Lichtschalter putzen dürfen.“) Doch kaum ist die
Standpauke vorüber, klingelt auch schon das Telefon. Ein
Passagierflugzeug ist verschwunden – kurz nachdem der Pilot ein UFO
gemeldet hatte. Zwar wird Mitch nun Glauben geschenkt, aber die Suche
nach dem mysteriösen Objekt bleibt auch weiterhin erfolglos. Erst
nach vielen weiteren Unglücksfällen entpuppt sich der Übeltäter
als ein gigantischer Vogel vermutlich außerirdischen Ursprungs,
dessen Schutzschild aus Antimaterie ihn unverwundbar macht.
Verzweifelt suchen Wissenschaft und Militär nach einer Möglichkeit,
das aggressive Großtier aufzuhalten, das mittlerweile New York
erreicht hat, um dort ordentlich Schaden anzurichten.
Kritik:
Das
alles folgt üblichen Mustern. Eine Bedrohung, die zunächst niemand
ernstnimmt, gefolgt von bösem Erwachen, Hilflosigkeit im Angesicht
der scheinbaren Übermacht, Tüfteleien, um der Katastrophe Herr zu
werden, und nach mehreren Fehlschlägen schließlich Triumph von
Technik, Forschung und schimmernder Wehr. Regisseur
Fred F. Sears inszenierte mit ANGRIFF DER RIESENKRALLE eine
handelsübliche Monsterfabel, die das für die Zeit typische Hohelied
auf militärische Intervention anstimmt und deren außerirdische
Bedrohung sich einmal mehr allzu leicht als Panikmache vor
kommunistischen Umtrieben umdeuten lässt.
Dabei zieht er sein Programm straff und überaus unterhaltsam durch
und ist damit etlichen Mitbewerbern voraus, die trotz stets kurzer
Laufzeit oft auch mit einer Menge Leerlauf zu kämpfen hatten.
Auffallend ist hier auch der freundliche Grundton, der die
Streitkraft wirken lässt wie einen fidelen Kegelverein. Man scherzt,
man lacht, man schimpft zwar auch mal, verträgt sich aber auch
gleich wieder. Es ist tatsächlich so, wie der einleitende
Off-Kommentar verspricht: „Ein
Elektronikingenieur, ein Radar-Offizier, eine Systemanalytikerin, ein
Fluglotse und ein paar Zeichner. Menschen, die ihre Aufgabe erfüllen.
Gut. Effizient. Mit Spaß bei der Sache. Ernsthaft bei der Arbeit.“
Der
Grund für eine derart sympathische Zeichnung der Protagonisten liegt
auf der Hand: ANGRIFF DER RIESENKRALLE sollte das Vertrauen der
amerikanischen Bevölkerung in die Landesverteidigung stärken,
sollte suggerieren, dass hier gute Männer (und Frauen) am Werke
sind, die etwaige Bedrohungen effektiv abwehren können. Nicht ohne
Grund werden, noch bevor es überhaupt richtig losgeht, erst einmal
die technischen Errungenschaften in den Fokus gerückt (obwohl diese
in den folgenden 70 Minuten quasi überhaupt keine Rolle mehr
spielen). Und auch das weibliche Personal darf hier deutlich mehr tun
als den Kaffee zu servieren und ein besorgtes Gesicht zu machen. Die
von Mara Corday [→ TARANTULA] einnehmend verkörperte Analytikerin Sally Caldwell
mischt aktiv mit und bringt wichtige Geistesblitze
ein, die zur Problemlösung beitragen – nicht schlecht in
Anbetracht des vorsintflutlichen Frauenbildes der 50er Jahre. Dass
ANGRIFF DER RIESENKRALLE seit seinem Erscheinen als mächtige Spaß-Granate gilt, liegt daher weder an einer mangelhaften
Inszenierung noch an der naiven Handlung (die sich ohnehin nicht
unterscheidet von anderen Vertretern der damaligen Zunft). Der Grund
dafür ist der Antagonist, die 'Riesenkralle', der außerirdische
Monstervogel, der so sagenhaft bescheuert aussieht, dass es einem
schier die Schuhe auszieht.
Obwohl
ursprünglich angedacht war, das Untier per Stop-Motion-Technik von
Effekt-Pionier Ray Harryhausen entstehen zu lassen, entschied man
sich (sicherlich aus Kostengründen) dann doch für eine Attrappe,
die man bei einem Puppenbauern in Mexiko anfertigen ließ. Ob die
Entscheidung, den Entwurf dann tatsächlich abzunehmen und auch zu
verwenden, aufgrund von Zeitnot oder Inkompetenz erfolgte, lässt
sich nicht genau sagen. Fest steht: Das Monstermodell hätte rein
realistisch betrachtet niemals Verwendung finden dürfen, wollte man
sich nicht vollends der Lächerlichkeit preisgeben. Doch zum Glück
betrachtete man die Sache damals unrealistisch und schenkte der
Filmwelt somit eine der wohl schrägsten Kreaturen, die jemals
erschaffen wurden. Die 'Riesenkralle' sieht aus wie eine wilde Mixtur
aus Geier und Truthahn, inklusive dämlicher Glubschaugen,
unpraktischem Giraffenhals und schriller, stets auf halb Acht
hängender Punk-Frisur. Das Vieh wirkt, als habe es die letzte Nacht
durchgezecht, sei dann um 8 Uhr in der Früh vom Postboten geweckt
worden und müsse nun jeden Augenblick kotzen, weswegen es hochgradig angepisst
alles kaputtschlägt, was ihm in die Quere kommt. Nun konnte man den
Leuten in den 50er Jahren noch deutlich mehr Unfug auftischen als nur
wenige Jahrzehnte danach und vieles aus der Zeit wirkt selbst bei
eigentlich guter Machart aus moderner Sicht ein wenig albern. Die
'Riesenkralle' jedoch sorgte auf Anhieb für allgemeine Heiterkeit –
laut Cast und Crew brach das Premierenpublikum beim ersten Erscheinen
des fiesen Federviehs in schallendes Gelächter aus und hörte bis
zum Schluss auch nicht mehr damit auf.
Die Legende sagt, dass Hauptdarsteller Jeff Morrow das Monster
bei der Premiere selbst erstmals zu Gesicht bekam und daraufhin den Saal vor lauter Scham noch während der Vorstellung verließ (falls das stimmt, hat er
sich allerdings schnell wieder erholt, immerhin trat er 1971 gegen
den OCTAMAN an – ein weiteres unfassbar beknacktes Ungetüm,
abermals mexikanischen Ursprungs). Tatsächlich ist es nicht unwahrscheinlich, dass Trick- und Realaufnahmen getrennt
aufgenommen und erst später kombiniert wurden. Das würde auch die
Diskrepanz zwischen den albernen Monsterszenen und dem restlichen
Material erklären. Morrow und Konsorten agieren nämlich sehr
anständig und wirken keineswegs so, als sei ihnen bewusst, durch was
für eine Unfassbarkeit sie hier eigentlich stolpern. Dass die
Dialoge dabei genregerecht wissenschaftlichen Nonsens der Extraklasse
verbreiten, macht die Sache freilich noch mal um einiges amüsanter.
"Dieser Vogel ist extraterrestrisch, vielleicht sogar
extragalaktisch. Er kommt aus einer gottverlassenen
Antimaterien-Galaxis Millionen, Abermillionen Lichtjahre von uns
entfernt. Das müssen wir aus den Beweisen folgern“, verkündet ein
Wissenschaftler da mit bierernster Miene und guckt dabei maximal
betroffen aus der Wäsche. Zu diesen vermutlich eher versehentlich erheiternden Auswüchsen - so viel sei zugestanden - gesellen sich
allerdings auch welche, die gewollt amüsant und durchaus pointiert
sind. So erinnern die verbalen Kabbeleien zwischen männlicher und
weiblicher Hauptrolle an amerikanische Screwball-Komödien, was gut funktioniert. Und als
einer der Piloten Jagd auf den Vogel macht, ruft er über Funk:
„Jetzt kann ich meine Schwiegermutter nie wieder 'Hässlicher
Vogel' nennen.“
Abseits
des verunglückten Riesenkrallen-Designs sind auch die restlichen
Trickeffekte insgesamt eher unterdurchschnittlicher Natur. Zwar
spricht alles immer bestürzt davon, wie unfassbar viel Schaden das
Monster in New York anrichtet, wirklich viel sehen jedoch tut man
nicht davon. Sicher, ANGRIFF DER RIESENKRALLE ist eine
Billig-Produktion, aber wenn man bedenkt, wie viel effektive Destruktion der japanische GODZILLA bei seinem ersten Auftritt bereits drei Jahre
zuvor mit ähnlichen Mitteln angerichtet hat, ist das Gebotene doch
sehr bescheiden. Da man die Zerstörungssequenzen auch noch mit
Material aus früheren Katastrophenfilmen anreicherte, ergibt das
zudem jede Menge Anschlussfehler. In der einzigen etwas imposanteren
Szene hockt der Supervogel auf dem UN-Gebäude, um es im Anschluss in
gewohnt schlechter Laune mit einem beherzten Schnabelhieb in Stücke zu hacken. Ansonsten schnappt er hauptsächlich
Fallschirmspringer-Püppchen vom Himmel und klaubt eine
Modelleisenbahn wie eine Wiener-Würstchen-Kette vom Schienenstrang.
Auch über die Ausmaße der Kreatur hat man sich keine großen
Gedanken gemacht. Mal passt gerade mal ein Mensch in deren Schnabel,
später dann plötzlich doch ein ganzes Flugzeug. Aber das schert zu
diesem Zeitpunkt ohnehin schon längst niemanden mehr. ANGRIFF DER
RIESENKRALLE ist ein Fest für Freunde des fröhlichen filmischen
Unfugs, und man muss den Machern Dank sagen für die Traute, die
bizarre Kreation durchgewunken zu haben. Der garstige Gummi-Geier
wird garantiert noch Generationen beeindrucken.
Laufzeit: 74 Min. / Freigabe: ab 12
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