Freitag, 14. Februar 2020

DER TODESDIAMANT


BATTLE FOR THE TREASURE
Hongkong 1987

Regie:
Godfrey Ho

Darsteller:
Joey Ryan,
Randy Donner,
Bert Brooks,
Stephene Mitchell,
Norman Linn,
David Chiang,
Norman Tsui Siu-Keung,
Sorapong Chatree



„Es gibt nur eine einzige Möglichkeit. Und das ist die meine.“
[Kane klopft coole Sprüche in blöder Übersetzung.]


Inhalt:

Irgendwo in Kambodscha, in einer Höhle verborgen, liegt der teuerste Diamant der Welt. Für die Dynastie der Khmer ist dessen Wert allerdings in erster Linie ideeller Natur: Der Stein gilt als sagenumwobenes Symbol der Macht. Als im Land der Krieg ausbricht und der Sieg der Vietkong bereits sicher scheint, nehmen ein paar Söldner den kostbaren Klunker an sich, um ihn nach Paris zu schaffen und dort Prinzessin Yung zu überreichen. Aber die Gruppe wird aufgerieben. Drei der Männer sterben im Gefecht, einer fällt in die Hände des Feindes. Nur einem gelingt die Flucht. Dieser engagiert den knallharten Elite-Soldaten Kane, um den Gefangenen zu befreien – nicht zuletzt auch deswegen, weil dieser nun der Einzige ist, der um den Verbleib des Diamanten weiß. Zwecks Auftragserfüllung holt Kane noch drei alte Kameraden ins Boot: Max, Philip und May. Doch die erste Lagebesprechung mit der Prinzessin gerät zum Desaster: Die junge Thronerbin wird nach verlustreichem Feuergefecht vom Feind verschleppt. Eine wilde Verfolgungsjagd zu Lande, zu Wasser und in der Luft beginnt.

Kritik:

Der chinesische Regisseur Godfrey Ho erwarb sich bei Videofreunden ab Mitte der 1980er Jahren einen Ruf wie Donnerhall. Seine Filme, deren Titel überwiegend mit dem gewinnträchtigen Wort Ninja geschmückt waren, bestanden nämlich zum Großteil aus günstig aufgekaufter Ausschussware, die umgeschnitten, verfälschend synchronisiert und mit eilig heruntergekurbelten neuen Szenen angereichert wurde. Da das nachgedrehte Material meist von billigster Machart war und sich mit dem ursprünglichen in der Regel so gar nicht vertrug, gelten fast alle Erzeugnisse, auf denen der Name Ho steht, als Musterbeispiele filmischen Sondermülls. Auch auf DER TODESDIAMANT steht Ho, und auch in DER TODESDIAMANT ist Ho drin. Sprich: Manche der Bilder entstanden eigentlich für eine andere Produktion. Und dennoch ist dieses Mal alles ein wenig anders. Zum einen glänzen des Regisseurs liebste Steckenpferde, die Ninjas nämlich, hier durch Abwesenheit. Und zum anderen wurden in diesem Falle die bereits vorhandenen Szenen in die neu gedrehten eingefügt und nicht umgekehrt. Heißt: Die Sause besteht überwiegend aus tatsächlich auch eigens dafür hergestellten Aufnahmen. Und siehe da: Schon funktioniert das Ding einigermaßen. Natürlich nicht in der Form, dass das Endprodukt entfesselte Begeisterungsstürme auslösen könnte. Aber immerhin doch gut genug, um nicht mit permanentem Was zum Geier?-Gesicht in der Vorstellung hocken zu müssen.

Der gemeine Bildungsbürger wendet sich natürlich dennoch demonstrativ ab, wenn bereits nach wenigen Minuten die ersten Statisten fallen wie die Fliegen und der historische Hintergrund des kambodschanischen Bürgerkrieges völlig unreflektiert als ausladende Spielwiese für eine Extraportion saftigen Rambazambas herhalten muss. Der titelgebende Todesdiamant ist dabei ein geradezu klassischer MacGuffin – ein Gegenstand also, der für die Handlung eigentlich ohne Belang ist, die Ereignisse aber dennoch ins Rollen bringt. Die Erklärung, warum der von allen Seiten heißbegehrte Stein so ungemein wertvoll ist, wirkt dabei mehr als nur fadenscheinig herbeigesponnen, reicht aber doch vollkommen aus, um die verschiedenen Parteien zwecks zünftiger Achterbahn aufeinanderzuhetzen. Das geschieht dann auch in einem derartigen Affenzahn, dass man selbst, wenn man es denn wollte, gar nicht dazu käme, sich über die skandalöse Substanzlosigkeit der wirren Genre-Suppe zu beklagen. Wie die Perlen an der Schnur reiht sich hier eine Action-Sequenz an die andere; ohne Atempause hechten die Protagonisten von A nach B, um sich dort heftigst die Hucke vollzuhauen, und wird ein Schauplatz verlassen, dann nur, um am nächsten gleich ein neues Fass aufzumachen. Für Fans von Krawall und Kinetik gleicht der Inhalt einer wahren Wundertüte, ist hier doch wirklich alles dabei, was irgendwie Freude macht: Granatwerfer lassen Hütten explodieren, motorisierte Drachengleiter verfolgen Eisenbahnen, Hubschrauber bekriegen Ross und Reiter, Männer fliegen mit waffenstarrenden Jetpacks durch die Luft und ballern Widersacher vom Himmel als sei das ganz selbstverständlich. Härtegrad und Leichenanzahl sind dabei durchaus beachtlich: Harpunen perforieren Brustkörbe, es hagelt Unmengen an Kugeln, Kung-Fu-Tritten und Schwerthieben – und wenn alle Stricke reißen, greift das hochwohlgeborene Fräulein Prinzessin auch schon mal höchstpersönlich zur Bleischleuder, um gegnerische Leiber von Amts wegen zu löchern.

Mag das alles auch anständig die Laune heben, heißt das natürlich trotzdem nicht, dass aus Godfrey Ho über Nacht plötzlich ein guter Regisseur geworden ist. Seine Inszenierung gibt sich plump und lieblos wie eh und je und ist vor allem – und das ist eigentlich das Schlimmste – nicht einen Deut an den Figuren interessiert. Grob umrissen ist eine Bezeichnung, die in der Kritik oft verwendet wird, wenn Charaktere nur notdürftig skizziert werden. Grob umrissen wäre allerdings noch geprahlt für die Gleichgültigkeit, mit der Ho seine Darsteller hier vor die Kamera scheuchte. Die Protagonisten von DER TODESDIAMANT sind nicht grob umrissen, sie sind einfach nur da. Wenn man nebenbei zumindest ihre Namen mitbekommt, darf man sich direkt glücklich schätzen. Das geht so weit, dass nach dem flott herbeizitierten Flammentod des Schurkenchefs plötzlich einfach alles vorbei ist. Fall, Knall, Feuerball. Und dann ... Ende Gelände! Kein Nachklapp mehr, keine klärenden Worte, keine kurzen letzten Blicke. Wenn man dann noch bedenkt, dass Ho die zahlreichen Actionszenen gewiss nicht selbst zu verantworten hat (manche Quellen sprechen vom thailändischen Choreographen Phanna Rithikrai als Urheber), sondern lediglich die wenigen kläglichen Dialogfetzen dazwischen, dann ist das mal wieder ein wahrhaft amtliches Armutszeugnis für seine Kompetenz als Spielleiter. Neben jeglichen Ausbleibens einer zumindest zweckdienlichen Personenzeichnung vergrätzt zusätzlich die bemerkenswerte Konsequenz, mit der das Publikum hier für dumm gehalten wird. Immer wieder werden die nun wirklich nicht sonderlich komplizierten Sachverhalte haarklein erläutert, immer wieder müssen sich die Leute hier gegenseitig erzählen, dass der zu jagende Diamant ein wichtiges Machtsymbol ist, immer wieder erinnert man sich gegenseitig daran, dass die Prinzessin in Feindeshand ist und gerettet werden muss. Die  deutsche Synchronfassung nervt parallel dazu auffallend oft mit falschen Betonungen, die die Figuren mehrmals aneinander vorbeireden lassen. Offenbar gab man sich bei der Vertonung der ohnehin armseligen Dialoge nicht sonderlich mehr Mühe als Godfrey Ho bei deren Ersterstellung.

DER TODESDIAMANT verquirrlt publikumswirksame Elemente der Abenteuer-, Action- und Söldner-Kategorie zu einer grellbunten Melange, die am Ende weniger als kohärenter Kinofilm funktioniert, als viel mehr als Showreel für eine Bewerbung im Bereich Stunt-Choreographie und Pyrotechnik. In den besten Momenten erinnert das immerhin entfernt an zeitnah entstandene Jackie-Chan-Klassiker wie DER SUPERFIGHTER oder die ähnlich hemmungslose Wir machen das jetzt einfach mal-Attitüde der MAD MISSION-Reihe – wobei derlei Vergleich fast schon ein wenig zu viel der Ehre ist, denn deren Niveau wird bei weitem nicht erreicht. Zumindest merkt man dem Ergebnis die zu Grunde liegende Resteverwertung nicht an, und anspruchslosen Action-Affinen wird anständig der Abend versüßt.

Laufzeit: 86 Min. / Freigabe: ungeprüft

Sonntag, 9. Februar 2020

NINJA-JÄGER


BLOOD DEBTS
Philippinen, Hongkong 1984

Regie:
Teddy Page

Darsteller:
Richard Harrison,
Jim Gaines,
Anne Jackson,
Ann Milhench,
Mike Monty,
Pat Andrew,
Willy Williams,
Tom Romano



Die Karriere des amerikanischen Schauspielers Richard Harrison ging endgültig den Bach runter, als er Mitte der 1980er Jahre eine verhängnisvolle Kollaboration mit dem chinesischen Regisseur Godfrey Ho einging. Dieser begann zu dem Zeitpunkt mit der Massenproduktion ultrabilliger Ninjafilme, wofür er Harrison als westliches Gesicht engagierte. Die Crux daran: Ho verwendete das gedrehte Material einfach mehrmals, lies es nach Lust und Laune umsynchronisieren und schnitt es auf zum Teil abenteuerlichste Weise in völlig andere Filme völlig anderer Leute. Die Resultate spotteten oft jeder Beschreibung; Harrisons Konterfei auf dem Cover wurde zum Kennzeichen für den Bodensatz an Videoschrott.

Dass er sein Ninja-Image danach nur schwerlich wieder loswurde, bewies unter anderem der deutsche Anbieter seines Rache-Reißers BLOOD DEBTS, der urplötzlich als NINJA-JÄGER in den hiesigen Verleihregalen stand – völlig ungeachtet der Tatsache, dass sich die gesamte Laufzeit über kein einziger Ninja in die Handlung verirrt und dementsprechend auch keiner gejagt werden kann. Aber offenbar waren ein paar findige Marketingstrategen der Ansicht, ein Richard-Harrison-Artefakt könne man unmöglich ninjalos unters Video-Volk jubeln, weswegen sie kurzerhand den wohl kühnsten Titelstunt des Jahres aufs Parkett legten. Da man dem geprellten Kunden aber nun noch irgendwie plausibel machen musste, warum die flinken Kämpfer hier durch allgemeine Abwesenheit glänzen, bat man das zuständige Synchronstudio um tatkräftige verbale Unterstützung. Und so kam es dann dazu, dass Harrisons Charakter jeden seiner Gegner völlig gegenstandslos als Ninja bezeichnet – obwohl kein einziger der Hampelmänner optisch wie verhaltenstechnisch auch nur in die Nähe eines solchen kommt. Das ist freilich ein Lacher vor dem Herren und lässt Harrisons Figur wie einen Vollidioten wirken.

Viel kaputtgemacht hat man damit allerdings nicht. BLOOD DEBTS war schon vor der Synchronisation lächerlich. Der hilflose Versuch, auf der damals grassierenden Selbstjustiz-Welle mitzuschwimmen, ist in Sachen Plot und Dialog von oft kindlicher Naivität, reiht talentfrei abgeschmackte Handlungs- und Figurenklischees aneinander und befindet sich insgesamt nur knapp über Amateurniveau. Je nach Fasson und Tagesform bietet die fröhliche Vergeltungskirmes für ein bestimmtes Klientel mit ausreichend Schmerzerfahrung natürlich gerade deswegen beste Unterhaltung. Vorhang auf also für NINJA-JÄGER – den ersten Ninjafilm ohne Ninjas!

Inhalt:

Ein Pärchen sitzt beim Picknick im Park. Motto des Tages: Romantik bei Butterbrot und Büchsenbier. Plötzlich knallt's, und der Korb explodiert. Der Grund offenbart sich umgehend: Fünf Strolche kriechen aus den Sträuchern, bewaffnet mit Gewehr und geilem Blick. Letzterer gilt selbstverständlich der weiblichen Ficknick... Picknickerin (Sarah), und damit keine Missverständnisse aufkommen, erklärt einer der Unholde dann auch gleich, worum es geht: „Das wird ne kleine Vergewaltigung." (Logisch! Vergewaltigungen am hellichten Tag pflegt man ja generell durch Salutschüsse anzukündigen.) Drei der Kerle machen sich über die Frau her, die beiden anderen verfolgen ihren Begleiter, der bereits die Beine in die Hand genommen hat. Ein paar Schüsse später ist der junge Mann tot – was seltsamerweise einen der Verfolger (Donny), dem eben noch die Mordlust aus dem geifernden Gesicht sprang, aus heiterem Himmel in helle Verzweiflung stürzt. „Du Idiot hast ihn erschossen, er sollte doch nur Angst kriegen“, schimpft er seinen Kumpanen aus, geht dann zur Leiche, stubst sie kurz an und meint dann fachmännisch: „Da haben wir's! Tot!“ (Nihil Baxter hätte im selben Tonfall noch hinzugefügt: „Das hab ich nicht gewollt. Das hab ich auch wieder nicht gewollt!!!!“) Während die Jungs noch beratschlagen, wie man mit dem Verblichenen umgehen solle (liegenlassen oder eingraben), rennt die nun ebenfalls flüchtende Sarah vorbei und bekommt gleichermaßen eine Ladung Schrot in den Rücken. Dessen gewahr wird ihr Vater Mark [Richard Harrison], der gerade aus dem Haus kam und nun verzweifelt versucht, fassungslos zu gucken. Wütend rennt er auf den Schützen zu, der nun wiederum auf ihn anlegt und abermals abdrückt. Mark fasst sich ans Auge, als hätte er ne Fliege reinbekommen, und geht stöhnend zu Boden. Dem plötzlichen Sensibelchen Donny platzt nun endgültig der Kragen: „Du Scheißkerl, warum musste das sein? Das sinnlose Töten... Das ist doch Mord!“ (Offenbar der Denker der Truppe.) Das Quintett kratzt die Kurve, obwohl Mark noch lebt (was kaum angehen kann, da er die Kugel ja offenbar ins Auge bekam – allerdings hat er nach Erwachen an der Stelle nicht mal nen Kratzer).

Ein paar Monate später kommt Mark auf die Idee, dass es das Klügste wäre, die Killer seiner Tochter kaltzumachen. Als erstes sucht er Donny auf (von dem er seltsamerweise die Adresse weiß) und zwingt ihn zu verraten, wo sich die restlichen Bandenmitglieder aufhalten. Anschließend arbeitet Mark die Liste wahrlich im Rekordtempo ab. Dem ersten verpasst er im Fitnesstudio ne Kugel („Mich hat noch kein Ninja geschafft.“), dem zweiten in dessen Wohnung („Dich habe ich schon erwartet, du Möchtegern-Ninja!“), den dritten an dessen Arbeitsplatz (ohne Ninja-Kommentar). Bevor er sich Nummer 4 vorknöpfen kann, werden zwei neue Charaktere eingeführt: der schurkische Bill [Mike Monty] und der korrupte Polizist Peter [Jim Gaines], die sich in einem Restaurant über den Fall unterhalten. „Ich will nur wissen, unter welchen Umständen die Jäger umgekommen sind“, meint Bill gerade und fügt in ausbaufähiger Grammatik hinzu: „Also, wer und warum hat er sie gekillt?“ Aha, die ermordeten Triebtäter hatten also offenbar für den halbseidenen Anzugträger gearbeitet. Peter verspricht, der Sache auf den Grund zu gehen und sucht die nächste Toilette auf. Nicht, weil das Essen so schlecht war, sondern weil jedes Kind weiß, dass die besten Informanten nur auf Männerklos zu finden sind. Tatsächlich steht da auch einer und weiß einfach alles – auch, dass der Rächer auf den Namen Mark Collins hört. Woher er dieses Wissen hat, wird nicht erklärt. Peter beschattet nun also Mark, der mitten in der Nacht spazierengeht. Plötzlich hört man weibliche Schreie. Im Park wird mal wieder vergewaltigt. Ein Mann fällt gerade über eine Frau her. Mark zieht den Revolver, knallt den Typen ab und schlendert wieder davon. Pete hockt hinter'm Baum, feixt sich eins und macht fleißig Fotos.

Die Diashow, die Pete in der nächsten Szene dem hochinteressiert dreinblickendem Bill präsentiert, kann allerdings unmöglich aus dieser einen Nacht stammen - und auch kaum ohne Wissen und Zustimmung Marks entstanden sein, denn dieser posiert mit seiner Knarre regelrecht auf den Bildern, zum Teil offenbar auch noch in seiner Wohnung. Mark hat indes Stress mit seiner Ehefrau, die auf die abstruse Idee kommt, der Fall sei bei der Polizei eventuell besser aufgehoben. Mark sieht das anders: „Die Polizei unternimmt nichts gegen die Mörder unseres Kindes. Diese Ninjas...!“ Nachdem Mark nebenbei noch ein paar Räuber gekillt hat als wär es nix, knöpft er sich endlich den letzten Mann der Tochtertöter-Truppe vor und bringt ihn vergleichsweise pfiffig ums Eck: durch einen explodierenden Golfball. „Mit dem Totschießen ist jetzt Schluss“, verspricht er im Anschluss seiner hocherfreuten Gattin. Aber so schnell geht man als Racheengel nicht in den Ruhestand, denn ab hier übernehmen Bill und Pete. Letzterer hat nämlich herausgefunden, dass Mark Vietnam-Veteran ist und eigentlich vorhatte, nie wieder eine Waffe in die Hand zu nehmen. „Aber nun wurde seine Tochter umgebracht, zusammen mit ihrem Freund. Darin sehe ich den Grund für sein Verhalten.“ (Ein richtiger Schlauberger!) Was folgt, ist die sicherlich schönste Dialogszene des Films:

Bill:
„Angenommen, er fühlt sich im Recht ... Dann wäre er verrückt.“

Peter:
„Nein, Bill! Mark hat keinen Dachschaden. Er ist überzeugt, die Leute waren Ninjas. Diese Verbrecher hasste er. Er fühlt sich als Racheengel. Er hat die fixe Idee, alle Ninjas müssen weg.“

Bill (bierernst):
„Damit hätten wir eine Begründung der Morde.“

Nun sollte man ja eigentlich annehmen, dass jemand, der überall nur Ninjas sieht, erst recht nen Dachschaden hat, aber das ist natürlich nur eine Theorie. Und woher Peter plötzlich weiß, dass Mark die bösen Buben für Ninjas hielt, ist ebenfalls ein Mysterium, das nie aufgeklärt wird. Jedenfalls werben die Männer Mark nachfolgend für ihre Killerorganisation an – ein Angebot, dass er erst annimmt, als sie seine Frau entführen. Tötete Mark bisher im Alleingang, spickt er von nun an fremde Körper im Auftrag seiner neuen Bosse mit Blei. Bis er von ihnen verraten wird und den Spieß umdreht.

Kritik:

Bis das endlich passiert, prasselt allerdings noch sehr viel schlecht arrangierter Schuss- und Sprachaustausch auf den Betrachter ein, der zu dem Zeitpunkt natürlich ohnehin schon längst aufgegeben hat, etwas halbwegs Anständiges zu erwarten. BLOOD DEBTS wirkt von der ersten Sekunde an einfach wahnsinnig schäbig, sowohl die Optik betreffend als auch die tölpelhafte Regie, die völlig überfordert ist damit, die grobschlächtig hingerotzten Szenen in eine auch nur leidlich ansprechende Form zu bringen. Bereits der Beginn baut durch die unbeholfene Inszenierung mehr Komik als Spannung auf: So fliehen die ersten beiden Opfer vor der ruchlosen Vergewaltigungsbande in ausschweifend zelebrierter Zeitlupe, was als stilistisches Mittel natürlich völlig legitim ist. Nachdem der männliche Flüchtige jedoch erschossen wurde und seine Mörder bereits ewig palavernd um ihn herumstehen, meint einer von ihnen plötzlich: „Hey, das ist doch sein Mädchen!“ Und tatsächlich rennt besagte Dame just in diesem Moment aus dem Gehölz – witzigerweise aber immer noch in Zeitlupe. Da der Rest der Ereignisse natürlich in normalem Tempo abläuft, sieht es nun so aus, als sei das gar kein Stilmittel mehr, sondern einfach ihre ganz natürliche Laufgeschwindigkeit.

Ähnliche Patzer passieren auch später immer mal wieder (so erinnert sich Richard Harrison beispielsweise an Ereignisse, bei denen er gar nicht zugegen war), was einen immer wieder holzhammerartig daran erinnert, sich anstatt in einer möglichen Realität gerade lediglich in einem mies modellierten Möchtegernthriller zu befinden. Blaupause des blühenden Blödsinns war natürlich die erfolgreiche DEATH WISH-Reihe, deren Thema im Prinzip sogar recht originell variiert wurde. Die Idee, dass der Rachefeldzug der Hauptfigur schon nach kurzer Zeit abgeschlossen ist und sie ihre Morde nachfolgend im Auftrage einer ominösen Killerorganisation begeht, ist durchaus nicht dumm und böte eine Menge guter Möglichkeiten mysteriösen Nervenkitzels. Da man als Zuschauer aber schon von Anfang an weiß, wie der Hase hoppelt, und die Umsetzung der Geschehnisse zudem jeder Glaubhaftigkeit und Logik entbehrt, ballert man das eigene Potential gnadenlos in den Wind. Die Action ist wenig überraschend ähnlich unbeholfen umgesetzt wie der Rest und besteht fast ausschließlich aus dynamikfreien Schläger- und Schießereien, wobei man sich hin und wieder auch mal ne kleine Explosion gönnte (sprich: Geld in einen Feuerwerkskörper investierte). Der Gewaltgrad der Ereignisse ist dabei prinzipiell ziemlich hoch, und vielleicht könnte die hier vorherrschende Kaltblütigkeit sogar schockieren – sofern es denn irgendwie möglich wäre, das Gezeigte auch ernstzunehmen. BLOOD DEBTS spielt in einer Welt, in der am hellichten Tag und laufenden Band Leute vergewaltigt, erschlagen und erschossen werden, ohne dass es irgendjemanden interessieren würde. Dabei spielt das Ganze nicht mal in New York oder einer vergleichbaren Metropole, sondern in irgendeinem muffigen Kleinstadt-Kaff, von dem man auch fortwährend immer nur die selben drei Locations sieht.

BLOOD DEBTS beweist, dass der Niedergang der Karriere Richard Harrisons nicht nur Godfrey Ho geschuldet war. Ein begnadeter Mime war er freilich nie, aber derart lustlos wie hier sah man ihn zuvor selten. Allerdings hätte selbst ein Robert De Niro nur schwerlich gegen die Stupidität dieses ultrabilligen Raudaustücks anstinken können, so dass sich Harrisons hilflose Schauspielversuche hier doch ganz passend einfügen. Auch modisch begeht sein Mark Collins dabei so einige Schwerverbrechen. Den versifften Trainingspullover, den er hier fast permanent spazierenträgt, wird er doch wohl hoffentlich zwischen den Morden auch mal gewaschen haben. Aber vermutlich kann man sich noch glücklich schätzen, dass er nicht in fleckiger Jogginghose auf Schurkenjagd ging. Etwas Stimmung kommt dann gegen Ende auf, wenn Mark eine extradicke Wunderwumme in die Hände fällt und er beginnt, auf dem Anwesen der Verbrecher klar Schiff zu machen (wie wunderbar diese Waffe funktioniert, erkennt man daran, dass man damit einfach nur auf den Boden ballern muss, woraufhin alle jene, die zufällig gerade in der Nähe des Einschlagloches stehen, schlagartig tot umfallen, ohne überhaupt getroffen worden zu sein). Aber auch dieses große Finale wird nicht vollends ausgespielt und bricht quasi mitten im Gefecht per dreistem Standbild ab. Somit endet BLOOD DEBTS genauso unbefriedigend wie er begann. Ein paar Ninjas hätten vielleicht noch was retten können.

Laufzeit: 87 Min. / Freigabe: ab 18

Freitag, 7. Februar 2020

WU KUNG, HERR DER BLUTIGEN MESSER


MO GUI TIAN SHI
Hongkong 1973

Regie:
Lo Lieh

Darsteller:
Lo Lieh,
Grace Tong,
Fong Yau,
Tien Feng,
Ma Chien-Tang,
Michael Chan Wai-Man,
Chen Chun,
Wu Ma



Inhalt:

Weil Tong-Sen [Lo Lieh] so eine harte Kelle schlägt, wird er von einer Gangsterbande angeheuert, ihr bei einem Geldraub zu helfen. Trotz anfänglicher Zweifel nimmt er den Job an. Unmittelbar nach getaner Arbeit jedoch bekommt er von seinen Kumpanen eins auf die Zwölf. Der so Gelackmeierte geht erst zu Boden und dann mehrere Jahre in den Knast. Nach seiner Entlassung ist Tong-Sen immer noch ziemlich sauer und stattet seinen damaligen Komplizen nach und nach sehr kurze und sehr schlagkräftige Hausbesuche ab.

Kritik:

WU KUNG, HERR DER BLUTIGEN MESSER! Herr im Himmel, was für ein Titel! Ein ganz und gar wundervolles Beispiel für die damalige Kreativität deutscher Verleihfirmen, die eingekaufte Massenware immer wieder als die größte Sensation aller Zeiten anpriesen und sich mit griffigen Titeln und Werbezeilen regelrecht überschlugen. Dass diese zum Teil sehr abenteuerlichen Elaborate häufig gar nicht zum Inhalt passten, war dabei zweitrangig. So gibt es dann auch bei DEVIL AND ANGEL (wie das Teil total langweilig im englischen Raum heißt) weder blutige Messer, noch werden sie von irgendjemandem beherrscht. Und ein irgendwie gearteter Herr Kung ist auch weit und breit nicht zu sehen. Stattdessen bekommt man es hier mit Gelegenheitsgauner Tong-Sen zu tun, dargestellt vom recht bekannten Kampf- und Schauspielkünstler Lo Lieh. In Indonesien zur Welt gekommen, dann nach China übergesiedelt, ging Lo erst durch die Shaw-Brothers-Schule und agierte für das berühmte Studio in knalligen Kung-Fu-Reißern wie ZHAO – DER UNBESIEGBARE, bevor er schließlich seine eigene Produktionsfirma aufmachte und mit dem vorliegenden WU KUNG sein Regiedebüt gab. Für eine Premiere ist das Gebotene zwar akzeptabel, verausgabt hat er sich bei dem Job allerdings dennoch nicht. Vor allem im Vergleich zu seinen vorherigen Arbeiten mit den Shaw Brothers wirkt dieses ideen- und innovationslose Rachegeschichtchen doch reichlich jämmerlich. Das Skript, von Lo gemeinsam mit Chiu Kang-Chien [→ TI LUNG – DUELL OHNE GNADE] ebenfalls höchstpersönlich aus der Taufe gehoben, definiert das Wort „Ökonomie“ regelrecht neu und setzt selbst im nicht gerade als komplex verschrienen Knochenbrecher-Genre mutige Maßstäbe in Sachen Simplizität.

Ein Mann wird gelinkt, wandert in den Knast, kommt wieder raus und nimmt Rache. Mann für Mann. Schlag auf Schlag. Die Ursuppe der Selbstjustiz. Schmeckt nur etwas abgestanden, weil der narrative Pfeffer fehlt. Die Handlung wird nämlich stur nach Schema F abgearbeitet – mit Ausnahme des Endes vielleicht, das in seiner unerwarteten Wucht und Kompromisslosigkeit im krassen Kontrast zum Restprogramm steht. Nun ist es ja per se kein Unglück, wenn speziell Action- und Rachefilme sich auf die wesentlichen Dinge konzentrieren und keine allzu großen Umwege machen. Aber die uninspirierte Erzählweise WU KUNGs wirkt doch arg ungelenk und haut einem dabei auch immer wieder auffallende Plausibilitätsversäumnisse an den Kopf. So hat Tong-Sens Verlobte von dessen immerhin 5-jährigen Gefängnisaufenthalt gar nichts mitbekommen – was nicht unbedingt für eine funktionierende, auf beiderseitigem Interesse beruhende Beziehung spricht. Und nachdem Tong-Sen aus einem bedauernswerten Handlanger herausgepresst hat, wo sich dessen Boss aufhält, geht er im Anschluss zunächst grundlos nach Hause und eilt erst (und damit unnötig verspätet) zur frisch erfolterten Adresse, als er von der Entführung seiner Verlobten erfährt. Dazu gesellen sich mehrere Handlungsstränge, die mit großem Trara begonnen werden und dann einfach im Nichts verlaufen: Als der Protagonist nach vielen Jahren Zuchthaus seinen Vater aufsucht, stellt er fest, dass dieser mittlerweile erblindet ist. Tragisch, gewiss! Da allerdings sowohl die Erblindung als auch der Erblindete selbst nachfolgend gar keine Rolle mehr spielen, ist die ganze Episode eigentlich obsolet – und taugt nicht mal als brauchbarer Mordlustmotivator für den Protagonisten, da dessen Blutwurst-Plan ohnehin schon beschlossene Sache war. Etwas später kommt wie aus dem Nichts ein nie zuvor erwähnter Kumpel Tong-Sens herbeigeeilt, um ihn vor einer nahenden Gruppe gewaltgeilen Gesindels zu warnen. Diese taucht dann auch auf wie bestellt, aber sein eben erst eingeführter Freund versichert ihm, er könne ruhig die Flatter machen, er würde die Bande schon übernehmen. Das tut er dann auch, und nachdem er die halbseidene Brut vorschriftsmäßig vermöbelt hat, verschwindet der ominöse Raufkumpan für immer aus der Geschichte.

Das klingt nun alles ziemlich schlecht. Ist es aber gar nicht. Zumindest nicht gefühlt. Denn WU KUNG läuft trotz seiner Defizite doch sehr geschmeidig runter. Entgegen kommt ihm dabei die extrem kurze Laufzeit von gerade mal 70 Minuten, die dafür Sorge trägt, dass so etwas Ähnliches wie Langeweile gar nicht erst aufkommen kann. Das Tempo ist enorm hoch, der Rhythmus angenehm rasant, der Look von schicker Schäbigkeit, und der lässige 70er-Jahre-Stil lässt wohlig das Wohnzimmer vibrieren. Die Kämpfe gefallen durch ihre rüde Auf-die-Fresse-Mentalität und kümmern sich nicht um irgendwelche ausgefeilten Choreographien. Hier wird einfach nur rabiat gerangelt, bis eine der beiden Parteien entweder die Segel streicht oder den Löffel reicht. Der funkige Soundtrack ist zwar frech von größeren (und ungleich bekannteren) Werken rüberkopiert (dieses Mal unter anderem von SHAFT), passt aber stets punktgenau und gibt der Nummer den nötigen Schmiss. Auch der deutlich von James Bond inspirierte Vorspann kommt extrem cool. Lo Lieh [→ TSCHANG FU – DER TODESHAMMER] gibt den Rächer irgendwo zwischen Charles Bronson und Terence Hill und wirkt weniger wie eine reelle Person als viel mehr wie der cartooneske Held eines Groschenromans. Als Oberschurke (und damit natürlich auch Endgegner) sieht man Fong Yau [→ JEN KO – IN SEINEN FÄUSTEN BRENNT DIE RACHE], während Grace Tong (die mit Lo Lieh im Folgejahr auch noch THE CONCRETE JUNGLE drehte – und danach dann gar nichts mehr) für die typische Frauenrolle eines solchen Beitrags zuständig ist und damit in erster Linie dazu dient, sich zappelnderweise entführen zu lassen. Unterwegs begegnet der kung-fu-film-kundige Konsument auch noch vertrauten Gesichtern wie Tien Feng [→ DRAGON LORD] oder Wu Ma [→ TI LUNG – DIE TÖDLICHE KOBRA].

Das Finale beschenkt einen dann noch mit einer grandios rumpeligen Autojagd, in der zwei schrottige Nuckelpinnen im Schneckentempo versuchen, sich gegenseitig das Wasser abzugraben. Und zu all dem gesellt sich zum krönenden Abschluss noch eine deutsche Synchronfassung, die – wie zu der Zeit nicht unüblich – zusätzlich noch mal einen draufsetzt und herrlich schnodderige Dialoge serviert wie: „Verschwinde! Das Gemüse da mache ich allein fertig.“ - „Hoffentlich! Und knall den Brüdern von mir nen schönen Gruß in die Schnauze!“ Das alles ist schon schwer unterhaltsam und macht tüchtig Laune. Genre-Fans und -Affine verschwenden ihre 70 Minuten mit WU KUNG, HERR DER BLUTIGEN MESSER daher gewiss nicht sinnlos.

Laufzeit: 73 Min. / Freigabe: ab 18

Montag, 3. Februar 2020

1931 - ES GESCHAH IN AMERIKA


PIAZZA PULITA
Italien 1972

Regie:
Luigi Vanzi

Darsteller:
Tony Anthony,
Lucretia Love,
Adolfo Celi,
Richard Conte,
Corrado Gaipa,
Irene Papas,
Lionel Stander,
Raf Baldassarre



Inhalt:

USA, 1931: Gangster Pete di Benedetto [Tony Anthony] bekommt den Auftrag, eine Leiche von Virginia nach Sizilien zu überführen. Dabei zählen ausschließlich die inneren Werte: In dem Leichnam steckt eine halbe Million Dollar. Benedetto ist die eigentliche Bezahlung für den Job zu niedrig, weshalb er Siziliens Boss Polese [Adolfo Celi] kontaktiert. Gemeinsam sprengen sie die Trauerfeier und reißen sich das Geld unter den Nagel. Doch dann offenbart Polese sein wahres Gesicht – er hat nämlich mitnichten vor, den Betrag zu teilen. Dass er den frisch Geprellten einfach nur auf die Straße setzt anstatt ihn noch vor Ort umzulegen, erweist sich als folgenschwerer Fehler. Benedetto denkt nämlich gar nicht daran, sich so einfach geschlagen zu geben. Da seinen alten Kumpels bereits bei bloßer Erwähnung des Namens Polese die Muffe saust und er daher keine Hilfe erwarten kann, zieht er die Nummer schließlich allein durch und entführt Pearl [Lucretia Love], die etwas naive Gespielin des Mafiabosses. Herausgabe, so der Deal, nur gegen Bares. Die Übergabe gelingt zwar zunächst, aber nun fühlt sich Polese natürlich arg ans Bein gepisst. Es beginnt ein brutaler Reigen aus Verrat, Marter und Mord.

Kritik:

Tony Anthony war zu Zeiten seiner kurzen Kino-Karriere schon eine ziemlich coole Socke. Der amerikanische Schauspieler (eigentlicher Name: Roger Anthony Petitto), der sich im europäischen Raum ein kleines Standbein erschuf, scheint generell nur die Rollen angenommen zu haben, die er besonders geil fand. Den Rest ließ er einfach sausen. Seine Figuren und Filme waren dabei immer sehr eindeutig von wesentlich größeren Vorbildern inspiriert, und man wird partout den Eindruck nicht los, Anthony wollte einfach immer nur das nachspielen, was er auf der Leinwand so richtig knorke fand. Wie kleine Jungs das in den 80ern mit Spencer, Hill, Schwarzenegger und Stallone auf dem  Schulhof gemacht hatten. Zwischen der kauzigen Clint-Eastwood-Kopie [→ EIN DOLLAR ZWISCHEN DEN ZÄHNEN] und dem hemdsärmeligen Indiana-Jones-Imitat [→ DAS GEHEIMNIS DER VIER KRONJUWELEN] hatte er offenbar auch kurz mal Bock, den wilden Gangster zu mimen und als eine Art Sparflammen-Scarface ein paar Patronen und Blutpäckchen platzen zu lassen. Das Ergebnis: 1931 – ES GESCHAH IN AMERIKA, ein kostengünstig erstelltes, aber durchaus vorzeigbares Gaunerstück, das er nicht nur mit seiner Präsenz beehrte, sondern auch mit dem dazugehörigen Drehbuch versorgte. Ach ja: Produzent war er auch noch. Wenn schon, denn schon.

Der Vorspann begrüßt einen mit den Klängen Louis Armstrongs und sorgt somit auf Anhieb für das richtige Flair. Ein Off-Sprecher informiert einen derweil freundlicherweise darüber, dass bereits eine Menge Filme über die großen Gangster der 30er Jahre gedreht wurden, Pete di Benedetto dabei aber konsequent ignoriert wurde. Wer danach noch bis zum Abspann dranbleibt, weiß dann auch, warum. Exorbitant aufregend geriet die Geschichte nämlich wahrlich nicht. Dass der Unterhaltungswert dennoch deutlich über dem Durchschnitt liegt, ist vor allem Verdienst der stimmungsvollen Inszenierung. 1931 funktioniert in erster Linie als gediegenes Kostüm- und Ausstattungsexponat, ohne dass dabei jemals der Eindruck eines realistischen Zeitbildes erweckt würde. Stattdessen schielte man in Richtung nostalgischer Verklärung und gerierte sich als pulpig anmutende Theatervorführung mit leichtem Hang zur siffigen Exploitation. Da werden Leichen geschändet, Rasiermesser zweckentfremdet und Menschen generell ziemlich kaltblütig aus dem Leben katapultiert (auf dem Scheißhaus eingesperrt an Bleivergiftung zu sterben, muss echt entwürdigend sein). Wirklich geil ist das Gaunerleben, dass Tony Anthony und sein Haus- und Hofregisseur Luigi Vanzi [→ DER SCHRECKEN VON KUNG FU] hier entwarfen, wirklich nicht. Wer zu gutmütig oder -gläubig ist, stirbt nicht an Altersschwäche. Jeder behummst jeden. Und Mann wie Frau treibt ausschließlich die Gier nach dem großen Geld.

Tatsächlich unterscheidet sich PIAZZA PULITA (Originaltitel) daher herzlich wenig von den Brutalo-Western, in denen Anthony zuvor zu sehen war. Die Zeit ist vorangeschritten, Menschen und Moral jedoch sind gleich geblieben. Vor allem das weibliche Geschlecht, hier verkörpert durch eine großartig aufspielende Lucretia Love, hat in dieser Welt wenig zu lachen. Als naives Anhängsel des großen Bosses Polese (ebenfalls hervorragend: Adolfo Celi) wird sie von diesem behandelt wie Dreck, kassiert Ohrfeigen am laufenden Meter und muss sich dazu Sätze anhören wie: „Gewöhn dir gefälligst an, nur zu reden, wenn du gefragt wirst.“ Und als sie sich ob der dauernden Watscherei beschwert, bekommt sie als Rechtfertigung: „Aber das ist normal für ne Nutte.“ Nachdem sie zum Entführungsopfer von Hauptprotagonist Benedetto wird, ändert sich ihr Status auch nicht erheblich. Zwar ist der grundsätzlich etwas netter zu ihr, aber er reißt ihr trotzdem ungefragt die Kleider vom Leib (wohlgemerkt: um sie zu fotographieren), spendiert ihr tüchtig Backenfutter, nötigt sie zum Kaffekochen und schubst sie zum lieben Dank final aus dem fahrenden Auto. Ihr Charakter, der anfangs lediglich den Eindruck einer unwichtigen Nebenfigur (eben der typischen Frauenrolle) erweckt, schält sich im Laufe der Zeit unerwartet als der interessanteste und auch wichtigste heraus. Sie ist die einzige Person, die eine offenkundige Entwicklung durchmacht, und ist essentiell für den Ausgang der Ereignisse und deren finales Fazit.

Der Rest der Belegschaft bleibt indes arg unterentwickelt und wird lediglich grob umrissen. Ausgerechnet Tony Anthonys Benedetto kommt dabei am belanglosesten daher (und das, obwohl er ja höchstselbst das Skript verzapfte). Ein besonders guter Schauspieler war er freilich nie, hier jedoch agiert er sogar noch etwas träger als sonst – was sich vor allem im darstellerischen Duett mit der deutlich ausdrucksstärkeren Lucretia Love [→ THE KILLER RESERVED NINE SEATS] bemerkbar macht, gegen die er fast vollständig verblasst. Anthony verlässt sich auf seine Maskerade aus Anzug, Hut, Bart und Glimmstengel, was aber nicht ausreicht, um glaubhaft ein Gangster zu sein. Zu allem Überfluss fährt Adolfo Celi [→ EISKALTE TYPEN AUF HEISSEN ÖFEN] als sein Kontrahent auch noch richtig auf und liefert als arroganter Mafiaboss eine herrliche Vorstellung. Höhepunkt ist die Sequenz, in welcher er sturzbetrunken die Treppe hinauf ins Bettchen wankt, quietschfrivol herumlallend wie ein besoffener Schuljunge nach dem Abiball, und mit seiner Liebsten auf Tuchfühlung gehen will. Als sie keine Lust hat, kassiert sie wieder mal ne Schelle. Als sie dann erstmals zurückschlägt, sitzt er sekundenlang da wie vom Donner gerührt, starrt sie fassungslos an, das Händchen an der schmerzenden Wange, und meint schließlich in einem Tonfall, der keinen Zweifel daran zulässt, dass für ihn gerade die Welt aus den Fugen gerät: „Du hast mich geohrfeigt.“

Der deutsche Titel versuchte dem Werk einen gewissen epischen Stempel aufzudrücken, was nicht nur die knapp bemessene Laufzeit Lügen straft. Auch inhaltlich backt man hier bescheidenere Brötchen. 1931 – ES GESCHAH IN AMERIKA ist letzten Endes nicht mehr als ein kleiner Krimi im Unterweltmilieu, dessen Story sehr simpel gestrickt wurde, geht es doch im Grunde nur darum, dass zwei Parteien sich immer wieder gegenseitig übers Ohr hauen, um sich einen Batzen Bargeld abzuluchsen (was zumindest in einer bösen Pointe endet). Adolfo Celi und seine Mannen wirken zudem auch nicht wirklich, als seien sie die großen Syndikats-Zampanos, sondern machen eher den Eindruck einer ungezogenen Rabaukenbande. Überdies wundert man sich über den zum Teil recht lockeren Tonfall, der so gar nicht zur eigentlich recht gewalttätigen Atmosphäre passen will (was allerdings auch lediglich autonome Ausgeburt deutscher Synchronkunst sein könnte). Als Benedettos Wagen während einer Verfolgungsjagd droht, schlappzumachen, schreit er die Karre an: „Wenn du mich jetzt im Stich lässt, pisse ich dir in den Tank!“ Und zum Thema Partnerschaft weiß er: „Schaffst du dir ein Weib ins Haus, fliegt dein Geld zum Fenster raus.“

1972 – Es geschah in Italien. Tony Anthony drehte mal wieder das, was großen Jungs wie ihm Freude macht. Mit viel Kostüm, Dekor und Maske, dazu etwas Sadismus und Selbstjustiz, abgeschmeckt mit blanken Brüsten und blauen Bohnen, erschafft er seine eigene Westentaschen-Version von großem Kino. Das wird niemals irgendjemand mit einem Meisterwerk verwechseln. Aber für den kleinen Genre-Hunger zwischendurch reicht das locker aus.

Laufzeit: 89 Min. / Freigabe: ab 16

Sonntag, 2. Februar 2020

MANNAJA - DAS BEIL DES TODES


MANNAJA
Italien 1977

Regie:
Sergio Martino

Darsteller:
Maurizio Merli,
John Steiner,
Philippe Leroy,
Sonja Jeannine,
Donald O'Brien,
Antonio Casale,
Enzo Fiermonte,
Rik Battaglia



„Sind Sie der Sheriff?“ - „Sind Sie der Präsident?"


Inhalt:

Irgendwann im Wilden Westen: Der knallharte Kopfgeldjäger Mannaja [Maurizio Merli], der meistens per Wurfbeil auf die Jagd geht, kommt in die ungastliche Stadt Suttonville. Er will Burt Craven [Donald O'Brien] abliefern, einen gejagten Schwerverbrecher, den er bereits um eine Hand erleichterte. Wider Erwarten gibt es hier aber weder einen Sheriff, noch irgendeinen anderen Ordnungshüter. Der Ort wird stattdessen vom skrupellosen Ed McGowan [Philippe Leroy] beherrscht, der sich mit dem Abbau von Silber eine goldene Nase verdient. Als Mannaja davon erfährt, lässt er seinen Gefangenen wieder frei. McGowan ist für ihn nämlich der viel größere Fisch: Der scheinheilige Unternehmer trägt die Schuld am Tode von Mannajas Familie. Kurz nach Ankunft gerät er auch schon mit McGowans Handlanger Valler [John Steiner] aneinander: Erst besiegt er ihn beim Kartenspiel, dann gewinnt er das Duell gegen dessen Männer. Diese Schmach kann der eitle Valler nicht auf sich sitzen lassen: Er lockt Mannaja in einen Hinterhalt, den dieser fast mit dem Leben bezahlt. Doch der halbtote Kopfgeldjäger wird von umherziehenden Schaustellern gerettet und gesundgepflegt. Währenddessen entdeckt McGowan, dass Valler die ganze Zeit gegen ihn gearbeitet hat. Als er zwecks Lösegelderpressung dessen Tochter Deborah [Sonja Jeannine] entführt, engagiert der verzweifelte Vater ausgerechnet Mannaja, um sein Kind zu retten. Mannaja nimmt den Auftrag an. Noch ahnt er nicht, dass mehr hinter der Sache steckt.

Kritik:

Es waren vor allem Sergio Leones FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR [1964] und Sergio Corbuccis DJANGO [1966], die Mitte der 1960er Jahre die Weichen für eine fast völlig neue Spezies stellten: Der Italo-Western, der dreckige, kleine Bastard einer bis dahin eigentlich uramerikanischen Gattung, lockte das Publikum mit einem neuartigen Grad an Gewalt und Zynismus in die Kinosäle und ließ somit gewaltig die Kassen klingeln. 10 Jahre später waren nicht nur unzählige Statisten tot, auch das Genre lag im Sterben. Jeder Pistolero hatte sich inzwischen gerächt, jede Banditenbande war gegeneinander ausgespielt und Bud Spencer und Terence Hill hatten längst die Bühne betreten, um mit Keile und Klamauk festgefahrene Klischees zu entstauben. Bevor das letzte Pulver dann wirklich verschossen war, bäumten sich allerdings drei Werke noch mal richtig auf, um verbleibenden Fans späte Satisfaktion zu liefern: VERDAMMT ZU LEBEN, VERDAMMT ZU STERBEN [1975] von Lucio Fulci, KEOMA – DAS LIED DES TODES [1976] von Enzo G. Castellari sowie der vorliegende MANNAJA - DAS BEIL DES TODES, der gleich in mehrfacher Hinsicht überraschen konnte. Zum einen hätte wohl niemand damit gerechnet, dass Regisseur Sergio Martino [→ DIE FARBEN DER NACHT], der sich zu diesem Zeitpunkt ein festes Standbein im Bereich des Kriminal- und Copfilms erschaffen hatte, nach DER TOD SAGT AMEN [1970] noch einmal den Taktstock für eine raubeinige Bleioper schwingen würde. Und zum anderen kam er dafür auch noch mit einem Hauptdarsteller ums Eck, der zuvor gefühlt noch niemals etwas anderes gespielt hatte als den ruppigen Rache-Bullen im Killer-Modus: Schnauzbart-Vertreter Maurizio Merli [→ DIE GEWALT BIN ICH].

Verinnerlicht man sich allerdings, wie sehr der Western und der Polizeifilm thematisch miteinander verbandelt sind, ist die Besetzung nur auf den ersten Blick ungewöhnlich. Statt durch den Dschungel der Großstadt pflügt Merli hier nun eben durch die Botanik des Wilden Westens, um flüchtige Verbrecher hopszunehmen und sie, nicht zwangsläufig unversehrt, der sogenannten Rechtsprechung auszuliefern. Getreu gängiger Genre-Regeln geht er dabei – konform zu seinen bekannten Einsätzen mit Marke und Uniform – weder zöger- noch zimperlich zu Werke: Wer Widerstand oder Fluchtversuche wagt, muss mit ernst- und schmerzhaften Konsequenzen rechnen. Effektiv vermittelt wird das durch einen grandios inszenierten Auftakt, der eine zum Schneiden dichte Atmosphäre der Ungastlichkeit und Brutalität kreiert und ohne jede Mühe Assoziationen zum Horrorfilm zulässt: Dichter Nebel wabert durch die Wälder, ein Mann rennt in blanker Panik durch die Sümpfe, sein berittener Verfolger nähert sich unerbittlich in nervenzerrender Zeitlupe. Eine kurze Verschnaufpause wird dem Gejagten schließlich zum Verhängnis: Die Silhouette des unheimlichen Reiters erscheint im trüben Dunst, ein fliegendes Beil zerschneidet erst die Luft und dann dem in Angst erstarrten Opfer den rechten Arm, dem fortan die dazugehörige Hand fehlt.

Effektiver kann man einen kompromisslosen Antihelden kaum einführen. Denn der Jäger hoch zu Ross war natürlich Titelfigur 'Mannaja', der kaltblütige Kopfgeldjäger, den eine geisterhafte Aura umwabert und der in der Regel lieber zum Beil als zur Bleipuste greift. Die Intensität dieser im wahrsten Sinne einschneidenden Eröffnung wird nachfolgend zwar nicht mehr erreicht, schaurig-schöne 90 Minuten erwarten einen dennoch. Zwar taten Sergio Martino und Co-Autor Sauro Scavolini [→ 10.000 BLUTIGE DOLLAR] im Grunde nichts anderes, als sattsam bekannte Versatzstücke neu aufzukochen und auskömmlich zusammenzufügen. Das geschah jedoch dermaßen selbstbewusst und technisch versiert, dass kaum Grund zur Klage besteht. Dennoch liegen die Stärken eindeutig nicht bei der Story, die arg episodenhaft und zerfasert daherkommt. Scheint Mannaja im einen Augenblick noch tiefsitzende Vergeltungsgelüste zu hegen (ohnehin fällt ihm reichlich spät ein, dass er sich ja noch für etwas rächen muss – man fragt sich, warum er die Sache nicht schon längst mal angepackt hat), arbeitet er im nächsten Moment ohne nennenswerte Motivation mit seinem vorgeblichen Erzfeind zusammen. Sein in dramaturgischer Hinsicht sehr früh erfolgender Beinahetod bleibt im Nachhinein nahezu folgenlos und ist bereits wenige Szenen später auch kein Thema mehr. Und auch der Plan des fiesen Vasallen Valler (der nach Einführung schnell die Rolle des eigentlichen Oberschurken einnimmt) erscheint vom Skript in Sachen Sinn und Schlüssigkeit ein wenig vernachlässigt: Warum entführt er ein Mädchen, um Lösegeld von seinem eigenen Boss zu erpressen, wenn er tagtäglich von dessen Reichtümern umgeben ist und er sich eigentlich nur zu bedienen bräuchte?

Derartige Fragen darf man sich ruhig stellen, wirklich zielführend wäre das allerdings nicht. MANNAJA bezieht seinen Reiz nämlich weniger aus seiner Geschichte, sondern in erster Linie aus den aus ihr konstruierten Situationen und Stimmungen. Der Nihilismus feiert neue Triumphe im kargen Städtchen Suttonville, das hier als Schauplatz dient und in dem die Arbeiter in den Silberminen vom tyrannischen Großgrundbesitzer Ed McGowan (Philippe Leroy [→ MILANO KALIBER 9]) gnadenlos geknechtet werden. Dieser allerdings sieht sich selbst als gottesfürchtigen Menschen und lässt die Damen einer Schaustellertruppe, die ihm zu lockere Lebensauffassungen mitbringen (man könnte auch sagen: die ein wenig Freude ins Leben bringen könnten), öffentlich auspeitschen. Hintergangen wird er von seinem eigenen Helfershelfer Theo Valler (John Steiner [→ FLUCH DES VERBORGENEN SCHATZES]), der ihm erst das abgebaute Silber raubt, dann dessen Tochter, und schließlich dessen Status als örtlicher Alleinherrscher. Ein Tyrann wird ersetzt durch den nächsten, der sich dann als noch schlimmer als sein Vorgänger erweist. Ausgerechnet Schwerverbrecher Burt Craven (Donald O'Brien [→ LAUF UM DEIN LEBEN]), dem Mannaja zu Beginn so schwungvoll das Greifwerkzeug entfernte, scheint im Laufe der Ereignisse den Kreislauf der Niedertracht durchbrechen und Werte wie Mitleid und Menschlichkeit in Erinnerung rufen zu wollen. Aber sicher sein darf man sich da auch nicht, denn Vertrauen endet meist tödlich.

Das pessimistische Weltbild MANNAJAs wird unterstützt durch geschickte inszenatorische Raffinessen (wie eine Parallelmontage zwischen einer burlesken Tanzdarbietung und einem blutigen Massaker, bei der die im Kugelhagel sterbenden Personen ihr eigenes Todesballett aufs Parkett zu legen scheinen), fiese Foltermethoden (Mannaja wird bis zum Hals im Sand eingegraben und gezwungen, stundenlang in die gleißende Sonne zu starren) und Sequenzen wahrlich infernalischer Kaltblütigkeit (aufständische Arbeiter werden per MG-Beschuss gnadenlos niedergemäht). Dazu gesellen sich prominente Elemente wie Schlägereien im Schlamm, heulende Winde und kriechende Kälte. Nein, MANNAJA ist kein verspätetes Meisterwerk. Dazu bringt er zu wenig eigene Ideen und klare Linien mit. Aber er vereint nochmal all das, was Fans an einem Genre so liebten, bevor der Vorhang dann wirklich fiel. In hochwertiger Präsentation. Ziemlich geil, das Beil!

Laufzeit: 99 Min. / Freigabe: ab 18