Samstag, 8. Juni 2024

DAS TODBRINGENDE UNGEHEUER


THE DEADLY MANTIS
USA 1957

Regie:
Nathan Juran

Darsteller:
Craig Stevens,
William Hopper,
Alix Talton,
Pat Conway,
Donald Randolph,
Florenz Ames,
Paul Smith,
Phil Harvey



„Dieser aufregende Film entführt Sie in eine fantastische Welt der Ungeheuer und Vorzeitmonstren, wie sie sich der berühmte Jules Verne nicht besser hätte ausdenken können.“

Doch, hätte er. Dass "der berühmte Jules Verne" ein derart generisches Machwerk aus der Feder hätte fließen lassen, ist nämlich kaum anzunehmen.

DAS TODBRINGENDE UNGEHEUER – nicht zu verwechseln mit dem blumen- oder dem kuchenbringenden Ungeheuer – ist ein Paradebeispiel für die konzeptionelle Einfalt und Einfallslosigkeit des 1950er-Trivial-Kinos, das seit FORMICULA (1954) eine Tiergattung nach der nächsten enorme Wachstumsschübe angedeihen ließ, um die Menschheit wiederholt in Gefahr zu bringen. Inhaltlich wie dramaturgisch wurde dabei meist nur so wenig variiert, dass die meisten Auswüchse (höhö!) wie Neuverfilmungen des Ameisenhorrors wirkten, nur halt mit ausgetauschtem Getier. THE DEADLY MANTIS (der Originaltitel verrät bereits, welcher Unhold dieses Mal besiegt gehört) bildet da nicht nur keine Ausnahme, sondern kann sogar als Anschauungsmaterial für diese Behauptung gereicht werden.

„Auf jede Aktion folgt eine Reaktion“, erklärt die obligatorische Erzählstimme im Anschluss an den vermessenen Jules-Verne-Vergleich, was nichts anderes bedeuten soll, als dass ein Vulkanausbruch im Nordatlantik eine gigantische Gottesanbeterin in der Arktis zum Leben erweckt. So ist das eben mit den Naturgesetzen! Bis sich daraus so etwas Ähnliches wie eine Gefahrensituation ergibt, dauert es allerdings ein wenig. Nach Verlassen des Vorspanns wähnt man sich erst einmal in einer Militär-Dokumentation (um nicht zu sagen: in einem Propaganda-Video), wenn einem – von Archivbildern unterlegt – diverse Verteidigungszäune und Radarsysteme erläutert werden, ganz so, als habe tatsächlich jemand danach gefragt. Freilich folgt man auch hier etablierten Genre-Regeln, durfte im damaligen US-Kino ohne vorherige Lobpreisung amerikanischer Armeeerrungenschaften doch kaum ein Megamonster zum Angriff übergehen.

Nach guten 10 Minuten beginnt dann endlich die eigentliche Handlung, die so standardisiert geriet, dass es sich kaum lohnt, sie in Worte zu kleiden:

Inhalt:

Die Zerstörung einer amerikanischen Radarstation im Norden Kanadas gibt dem Militär Rätsel auf. Als kurz darauf auch noch ein Flugzeug auf unerklärliche Weise abstürzt, findet man in den Wrackteilen ein mysteriöses Objekt, das sich nach reichlicher Untersuchung als Teil einer riesigen Kralle erweist. Die Spekulationen über den Ursprung nehmen ein jähes Ende, als eine monströse Gottesanbeterin erscheint und die Menschen in Angst und Schrecken versetzt. Nun ist guter Rat teuer, denn die Kreatur steuert direkt auf Washington zu.

Kritik:

Erklärungen für die enorme Größe der Kreatur ersparte man sich in diesem Falle. Die schlichte Erkenntnis, es mit einem prähistorischen Wesen zu tun zu haben, wird hier achselzuckend akzeptiert, was ja im Grunde auch ganz vernünftig ist. Ohnehin animiert DAS TODBRINGENDE UNGEHEUER diesbezüglich weitaus weniger zum Haareraufen, als man es im Vorfeld vielleicht erwarten würde: Die Dialoge zwischen „Wissenschaft“ und Militär gerieten durchaus anständig und bieten trotz einer gewissen Grundnaivität nicht wirklich Anlass zu Spott oder Häme. Deutlich schwerer wiegt da schon der Umstand, dass bei alledem der Akt der Zeitschinderei so offensichtlich geriet: Die Untersuchung der gefundenen Kralle zieht sich nämlich gewaltig, wenn der erste befragte Experte nach tüchtiger Tüftelei erst einmal erklären muss, nicht wirklich voranzukommen, um dann den nächsten Experten zu empfehlen, der in der Angelegenheit dann ebenfalls geraume Zeit auf dem Schlauch steht usw. Das mag sogar vergleichsweise realistisch sein, aber nach dem sperrigen Doku-Einstieg und ellenlangem Rätselraten blickt man bald schon recht ungeduldig aufs Zeiteisen, wann sich das versprochene Ungeheuer denn jetzt mal anschickt, ein bisschen Tod zu bringen.

Und als habe sie nur darauf gewartet, steht just in dem Augenblick, in dem man endlich eine riesige Gottesanbeterin als Gefahrenquelle deduziert hat, eben jene auch schon auf der Matte und schmult zum Fenster rein, was natürlich einen gellenden Frauenschrei zur Folge hat. Kein Wunder, denn das Vieh sieht wirklich garstig aus und ist unbestritten die Hauptattraktion der Veranstaltung. Zum Leben erweckt wurde es überwiegend mithilfe einer gut 60 Meter hohen Pappmaché-Attrappe, die mittels einer komplexen Hydraulik bewegt wurde, was im Endeffekt verblüffend glaubhaft aussieht. Daneben fanden auch zwei kleinere Modelle Verwendung, welche zusätzlich mit Aufnahmen einer echten Gottesanbeterin kombiniert wurden. Dass die Übergänge zwischen diesen Varianten fließend sind und man nie den Eindruck gewinnt, es mit mehreren Ausgaben der Kreatur zu tun zu haben, beweist, wie viel Mühe die Tricktechniker hier investierten, um ein überzeugendes Szenario zu erschaffen. Zudem lichtete man das Monster aus verschiedenen Blickwinkeln ab, was es oft sehr imposant erscheinen lässt und visuelle Abwechslung bietet. Die Gebäude, die das Wesen zerstören darf, sind natürlich Miniaturen, welche ebenfalls sehr aufwändig und realistisch gestaltet wurden. So geriet DAS TODBRINGENDE UNGEHEUER in Sachen Effekte zu einem der versiertesten Genre-Werke dieser Zeit – selbst des Ungetüms nächste Verwandte, die immerhin zehn Jahre später GODZILLAS SOHN malträtieren sollten, müssen da zurückstecken. Lediglich, wenn das Geschöpf im Flugmodus gezeigt wird, verliert es seinen Schrecken, da dessen Dimensionen zwischen ein paar lausigen Wölkchen natürlich nicht klar werden. 

Wer der Star der Show ist, steht also völlig außer Frage. Die menschlichen Protagonisten hingegen ermöglichen mal wieder kaum Identifikation, riecht man doch regelrecht das Reißbrett, auf dem sie entworfen wurden. Craig Stevens [MR. SMITH GEHT NACH WASHINGTONgibt den ungewohnt beflissenen Colonel Parkman, der in völliger Selbstverständlichkeit ohne Umschweife um die Gunst des eigentlich einzigen anwesenden Weibchens wirbt (die Gottesanbeterin freilich ausgenommen) und damit natürlich prompt Erfolg hat. William Hopper [DIE SPUR DES FALKENagiert daneben als Dr. Jackson, stets von Vernunft beseelt und tatkräftig unterstützend. Das Trio wird vervollständigt von Alix Talton [→ DER MANN, DER ZUVIEL WUSSTE], die ebenfalls ein Leinwand-Klischee erfüllt: In verstaubten Kinotagen entstand der Typus der „Reporter-Frau“, welcher lange Zeit so ziemlich der einzige war, in dem weibliche Film-Figuren mal nicht lediglich als Anhängsel fungieren, sondern eigenständig agieren und sogar - man halte sich fest! - Hauptrollen bekleiden durften. Die von Tilton verkörperte Marge Blaine hat in diesem Falle dennoch rein gar nichts zur Sache beizutragen, darf nur ein paar Fotos schießen, kecke Kommentare absondern, spitze Schreie ausstoßen oder auch mal im Weg rumstehen.

Ungewöhnlich an dieser Konstellation ist allenfalls die Konfliktlosigkeit, ziehen hier doch wirklich alle an einem Strang und nicht ein einziger Alibi-Streit zerstört die gelebte Harmonie. Sogar die offensichtliche Steilvorlage eines Liebes-Dreiecks blieb ungenutzt: Parkman zeigt Interesse an Blaine, sie erwidert es und alles ist cool. Nebenbuhler gibt es nicht. Aber da ausgelatschte Story-Stereotypen wie erzwungene Meinungsverschiedenheiten und Eifersüchteleien in der Regel ein beträchtliches Maß an Langeweile verursachen, nimmt man das Ausbleiben derselben doch sehr wohlwollend zur Kenntnis. Ruft man sich zusätzlich den bereits thematisierten Verzicht auf hanebüchene Erklärungen zum Ursprung des Monsters ins Gedächtnis, ist man hier in der Summe lange Zeit fast dankbarer für die Dinge, die nicht vorkommen, als für die, die tatsächlich passieren.

Das ändert sich freilich, als die Titelbestie final Washington erreicht und man ob der nun zu erwartenden Zerstörungsorgie bereits frohlockt. Denn ab da passiert wirklich original gar nichts mehr: Das dumme Ding verklemmt sich im Tunnelschacht, glotzt blöd aus der Wäsche und ist danach schneller besiegt, als man todbringend sagen kann. Das ist schon eine echte Anti-Klimax, bei der man sich um den Höhepunkt regelrecht behumst fühlt und die dem Werk, das bis dahin eigentlich ganz gut in der Spur war, einiges an Sympathiepunkten kostet. In positiver Erinnerung bleiben somit – neben dem gelungenen Monster-Design und der damit verbundenen Effektarbeit – lediglich noch ein paar einzelne Momente. Wie der, in welchem die Gottesanbeterin – in ekliger Nahaufnahme fauchend und sabbernd wie zwei Jahrzehnte später H. R. Gigers Alien – eine arglose Spaziergängerin im Park erschreckt. Fehlte eigentlich nur noch, dass sie ein Messer zücken, der Dame die Handtasche entreißen und in den Wald verschwinden würde. Jules Verne wäre das gewiss nicht eingefallen.

Laufzeit: 79 Min. / Freigabe: ab 12

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