Samstag, 12. Dezember 2020

THE EAGLE SHOOTING HEROES


SAU DIU YING HUNG CHUEN JI DUNG SHING SAI JAU
Hongkong 1993

Regie:
Jeffrey Lau

Darsteller:
Leslie Cheung,
Tony Leung Ka-Fai,
Tony Leung Chiu-Wai,
Jacky Cheung,
Brigitte Lin,
Joey Wong,
Maggie Cheung,
Carina Lau



Achtung! Erbarmungsloser Hongkong-Humor im Anflug! Um die kommenden 100 Minuten gefahrlos überstehen zu können, müssen folgende Punkte unbedingt beachtet werden:

- Hirn auf Bewusstseinsstufe eines Zehnjährigen
  zurückstufen!
- Alberne Grimassen lustig finden!
- Ständiges Kichern lustig finden!
- Menschen in Monsterkostümen lustig finden!

Zusammengefasst: Alles lustig finden, was eigentlich Panne ist, dann fährt man ziemlich gut!

Inhalt:

Ou Yang Feng [Tony Leung Chiu-Wai], ein naher Verwandter des persischen Königs, hat eine Affäre mit seiner Cousine, der Königin [Veronica Yip Yuk-Hing]. Beide hegen den Plan, den Thron an sich zu reißen. Doch dazu benötigen sie das königliche Siegel, das sich im Besitz der Prinzessin [Brigitte Lin] befindet. Bei dem Versuch, ihr dieses zu entreißen, müssen sie sich jedoch ihren mystischen Kung-Fu-Künsten geschlagen geben. Arg verunsichert begibt sich die Prinzessin zu ihrem Meister, um Hilfe zu erbeten. Dieser berichtet ihr vom Buch Yin, einer mächtigen Kung-Fu-Lehre, welches in der Höhle der weißen Gebeine versteckt sein soll. Diese allerdings wird von drei schrecklichen Monstern bewacht. Gemeinsam mit dem Kung-Fu-Schüler Huang Yaoshi [Leslie Cheung] macht sie sich auf den Weg, um das Buch zu besorgen, wird dabei jedoch von der eifersüchtigen Suqiu [Joey Wong] verfolgt, die Huang für sich beansprucht. Unterwegs begegnen sie noch weiteren seltsamen Figuren: Dem lebensmüden Hung Chi [Jackie Cheung], dem es nie gelingt, sich umbringen zu lassen, Chou Po-Tung [Carina Lau], der den Tod seines Meisters Wang Chonyang [Kenny Bee] rächen will, für den er zarte Gefühle hegte, und dem jungen Tuan Wang-Yeh [Tony Leung Ka-Fai], der auf der Suche nach seiner prophezeiten großen Liebe ist, die ihn unsterblich machen soll. Am Ende verbinden sich all ihre Schicksale in einem großem Showdown ...

Kritik:

Kaum zu glauben, aber dieses ebenso sinnentleerte wie unsagbar alberne Klamauk-Spektakel basiert tatsächlich auf derselben Vorlage wie Wong Kar-Wais höchst seriöser Klassiker ASHES OF TIME, nämlich Jin Yongs in Asien sehr bekannte Wuxia-Roman LEGEND OF THE CONDOR HEROES, der die östliche Pop-Kultur wesentlich mitprägte. Dabei hätte es das eine Werk ohne das andere vermutlich nie gegeben: Um die Produktionskosten für ASHES OF TIME zu sichern, so heißt es, habe Wong diese finanziell sehr effizient gestaltete Produktion in Auftrag gegeben, um möglichst schnell neue Einnahmen für sein eigentliches Baby zu generieren. In ihrer zügellosen Infantilität könnte der Gegensatz zu Wongs weltweit geachtetem Schwertkämpfer-Drama größer kaum sein, aber genau deshalb empfiehlt sich die kindische Quatschplatte als willkommene Nivellierung, die man sich idealerweise sogar im Rahmen einer Doppel-Vorstellung mit ASHES OF TIME zu Gemüte führt. Der Witz ist nämlich gleich noch mal so groß, wenn einem gewahr wird, dass sich hier wie dort auch noch dieselben Gesichter vor der Kamera tummeln, zum Teil in denselben Rollen. So macht sich eine bemerkenswerte Anzahl Hongkong-Kino-Stars hier mit inbrünstiger Leidenschaft zum Affen – was man ruhig auch ein wenig wörtlich nehmen darf: So treffen hier Leslie Cheung [→ A BETTER TOMORROW] und Brigitte Lin [→ DAS UNBESIEGBARE SCHWERT] in der Höhle der weißen Gebeine nicht nur auf ein Affen-, sondern auch auf ein Vogel- und ein Echsenmonster - zum Leben erweckt von drei Statisten in lustigen Karnevalskostümen. Zwar haben die Monster prinzipiell Angst vor Menschen, doch als die beiden Eindringlinge im Begriff sind, die antiken Steinbottiche mitzunehmen, deren Inschriften uralte Kampf-Techniken lehren, gehen sie vor Empörung doch zum Angriff über: „Hey, die klauen unsere Klos.“

Auch ansonsten ist der Humor alles andere als subtil: Da gleitet Tony Leung Chiu-Wai [→ THE GRANDMASTER] mit fliegenden Zauberstiefeln elegant durch die Lüfte, bis er bemerkt, dass einer der Treter Feuer gefangen hat. Nach spontaner Entledigung desselben, landet die brennende Wunderschlappe natürlich direkt auf der Rübe des unten große Reden schwingenden Kenny Bee [→ SHANGHAI POLICE], während Leung im Hintergrund eine krachende, von einem gewaltigen Feuerball begleitete Bruchlandung aufs Parkett legt. Dass Kenny Bee zudem die Figur des daoistischen Gelehrten Wang Chonyang darstellt, welcher tatsächlich existierte und in der Romanvorlage zu THE EAGLE SHOOTING HEROES (und damit auch ASHES OF TIME) eine wichtige Rolle spielt, ist einer der vielen humoristischen Seitenhiebe, die sich hauptsächlich dem chinesischen Publikum erschließen. Das westliche Gemüt hingegen ergötzt sich – wenn überhaupt – eher an den gnadenlos überdrehten Slapstick-Nummern im Cartoon-Stil, wie die grandiose Sequenz, in welcher Tony Leung Chiu-Wai geschlagene 10 Minuten lang versucht, Jacky Cheung [→ BODYGUARDS AND ASSASSINS] das Lebenslicht auszupusten, dabei jedoch jede einzelne seiner Attacken (per Messer, Gift oder Killerbiene) selbst abbekommt.

Die Handlung ist sehr episodenhaft ausgelegt. So laufen gut fünf verschiedene Erzählstränge nebenher, um dann im Finale schließlich aufeinanderzutreffen, was nicht nur aufgrund des leicht dadaistischen Inhalts zeitweise zu Orientierungslosigkeit führt. Hin und wieder gibt es auch ein paar fürs Hongkong-Kino typische Kampfeinlagen zu bestaunen, welche sogar von Sammo Hung [→ EASTERN CONDORS] choreographiert wurden. Davon merkt man allerdings nicht allzu viel: Nicht nur, dass die Kamera doch sehr unruhig wirkt, die Kämpfe laufen zudem auch noch im Zeitraffer ab. Dafür gibt es zwar eigentlich gar keinen wirklichen Grund, aber genau deswegen passt es hervorragend ins sinnentleerte Gesamtbild.

Man benötigt freilich ein bisschen Vorlauf, um sich in dieser schrill-bunten Parallelwelt heimisch zu fühlen, doch auf Dauer wirkt der fröhliche Unfug doch reichlich ansteckend. Es wird gekämpft, geblödelt und getanzt, es gibt fliegende Köpfe, Zeitumkehrungs-Kung-Fu und Musical-Einlagen. Irgendwann schaltet der Verstand von ganz allein auf Durchzug, und der anarchistische Mix aus blühendem Unsinn und blödem Dialoggut entwickelt seinen ganz eigenen Reiz. Das Tempo ist enorm, die Action reichlich, das Schauspiel aller Beteiligten herrlich übertrieben (Tony Leung Chiu-Wai als ständig dümmlich kichernder Bösewicht mit schmuddeligem Schnurrbart ist eine Klasse für sich). Da man die ganzen großen, zum Teil preisgekrönten Darsteller des Hongkong-Kinos der 1980er ansonsten nur selten bis gar nicht im Gaga-Modus erleben konnte, muss THE EAGLE SHOOTING HEROES direkt als wichtiges Werk gelten. Und wer unbedingt eine Entschuldigung dafür braucht, sich seine kostbare Zeit mit tiefergelegter Unterhaltung zu vertreiben, kann unter der grellen Radau-Fassade durchaus ein burleskes Spiel über geschlechtliche und identitäre Irrungen und Wirrungen erkennen, einer Peking Oper nicht unähnlich, zumal die Trennung und eindeutige Zuordnung der Geschlechter hier vollends aufgehoben zu sein scheint.

In Deutschland ist der Film nie erschienen. Aus Gründen.

Laufzeit: 113 Min. / Freigabe: ungeprüft

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