Dienstag, 15. Juni 2021

RAUMSCHIFF ALPHA


I CRIMINALI DELLA GALASSIA
Italien 1965 

Regie:
Antonio Margheriti 

Darsteller:
Tony Russel,
Lisa Gastoni,
Massimo Serato,
Carlo Giustini,
Franco Nero,
Enzo Fiermonte,
Umberto Raho,
Vittorio Bonos
 


„Ich wäre entzückt, wenn Sie mir erlauben würden, Ihren Geist zu erforschen.“ 
[Professor Nurmi weiß, wie man flirtet.]


Inhalt:

Die Zukunft: Auf der erdnahen Raumstation Gamma 1 arbeiten Commander Mike Halstedt [Tony Russel] und Professor Nurmi [Massimo Serato] im Forschungsauftrag zusammen. Freunde sind sie nicht gerade. Während der Professor mit Begeisterung biochemische Experimente an menschlichen Organen durchführt, hält der Commander das Eingreifen in die Genetik für grundlegend falsch. Gleichzeitig verschwinden auf der Erde immer wieder Menschen auf mysteriöse Weise. Eine erste Spur ergibt sich, als ausgerechnet Mikes Schwester Vicky [Victoria Zinny] Zeugin einer weiteren versuchten Entführung wird und eine junge Frau und einen glatzköpfigen Hünen als Täter beschrieben kann. Dieser Hinweis führt zur streng geheimen Experimentierstation Alpha – und damit zu Professor Nurmi.

Kritik:

Die Helden RAUMSCHIFF ALPHAs brauchen in der Tat ganz schön lang, um 1 und 1 zusammenzuzählen. Hätte man dem offen von Herrenrassen träumenden Professor Nurmi schon gleich bei seinem ersten Auftritt das Wort Schurke auf die Stirn gepinnt, es wäre kaum weniger subtil gewesen - zumal die Themen Größenwahnsinniger Gelehrter und Genetische Manipulation zum Produktionszeitraum schon längst nen Bart vom Kolosseum bis zur Milchstraße hatten. So sind statt des Publikums lediglich die Protagonisten überrascht, als sie ca. zur Halbzeit der Chose erkennen, dass zwischen dem unerklärlichen Verschwinden mehrerer Menschen und den Faschismus-Fantasien des distinguierten Wissenschaftlers ein Zusammenhang besteht. Das Bebildern neuer Ideen war jedoch augenscheinlich ohnehin nicht die treibende Kraft hinter dem ernüchternd leidenschaftslos kredenzten Kosmos-Krimi, der sichtbar simpel und ohne offenkundige Sorgfalt heruntergekurbelt wurde. Dass das keine bloße Behauptung ist, beweist der Affenzahn, in dem unter selber Regie noch drei Fortsetzungen hinterhergeschickt wurden, entstanden direkt am Stück innerhalb weniger Monate. Geldgeber des als italienische Produktion ausgewiesenen Werks war das amerikanische Fernsehen, das zu günstigen Konditionen möglichst viel Sendezeit mit Science-Fiction-Stoff füllen wollte. Putzigerweise befand man das Ergebnis als dermaßen gelungen, dass man es entgegen ursprünglicher Pläne sogar auf die Leinwand brachte. 

Ein gewisser Unterhaltungswert lässt sich tatsächlich nicht leugnen, wobei das in erster Linie an den unfreiwilligen Begleiterscheinungen der Billigproduktion liegt. Die Durchschaubarkeit der zahlreichen Modell-Effekte gemahnt an Magie und Möglichkeit gut ausgestatteter Kinderzimmer, und immer wieder ertappt man sich beim Daumendrücken, dass die ganzen plumpen Plastik-Schiffe, -Stationen und -Satelliten nicht von der deutlich sichtbaren Schnur fallen, an der sie unsicher vor der Weltraum-Tapete hin und her wackeln. Bereits der Vorspann ist ein Quell der guten Laune: Ein paar Schauspieler hängen unkoordiniert im „All“, rudern hilflos mit den Armen und fragen sich vermutlich gerade, warum sie nichts Anständiges gelernt haben. Ein paar Takte später turnen sie dann durch eindeutig als solche auszumachende Studiobauten und versuchen verzweifelt Schwerelosigkeit zu simulieren, indem sie so tun, als würden sie sich in Zeitlupe bewegen. Sieht natürlich komplett bescheuert aus und man fragt sich, warum echte Zeitlupe an der Stelle keine Option gewesen ist.

Dazu gesellt sich eine Ausstattung, die angestrengt futuristisch wirken will, was aber grandios scheitert, da die Vorstellungskraft der Szenenbildner schlichtweg nicht ausreichte. Stattdessen bekommt man Telefonhörer von Ausmaßen einer ganzen Telefonzelle serviert, Werbe-Bildschirme, auf denen eine überaus hässliche "Computer-Puppe" angepriesen wird (von deren Aussehen und Artikulation sogar Chucky, die Mörderpuppe Herzrasen bekommen würde) und "Laser-Kanonen", die stinknormale Plastik-Pistolen sind, aus deren Lauf Flammen hervorschießen. Woanders nennt man sowas Feuerzeug. Als weitere Attraktion fungiert das als "Allzweckauto" betitelte Gefährt, das einem als avantgardistisch verkauft wird, tatsächlich aber so aussieht wie das, was für gewöhnlich auf Rummelplätzen neben wippenden Pferdchen im Kreis fährt. Höhepunkt für Spielzeug-Fetischisten ist dann die Verfolgungsjagd, bei der zwei Bösewichte in eben jenem Vehikel fliehen, was schließlich in einem Auffahrunfall mit den Helden mündet. Wie diese Szene aussieht, weiß jeder, der in seiner Kindheit schon mal zwei Matchbox-Autos frontal aufeinanderprallen ließ. Und da man hier abermals auf relativ simpel zu bewerkstelligende Dinge wie Zeitlupen und adäquate Sounds verzichtete, muss man vermuten, dass den Machern die Offensichtlichkeit ihrer hochökonomischen Trickserei schlichtweg schnuppe war.

Im Vergleich zu den Beiträgen der Godzilla-Reihe, die aus dem Spiel mit Miniaturen, Kulissen und Kostümen eine ganz eigene, in sich stimmige Ästhetik entwickelte, sind die halbgaren Versuche RAUMSCHIFF ALPHAs etwas Ähnliches zu bewerkstelligen arg bemitleidenswert. Die Story ist eher naiver Natur und zudem auch ein ziemlicher Bauernfang. Anstatt das Science-Fiction-Sujet vollends auszukosten, bekommt man nämlich eine reichlich banale Agentengeschichte vorgesetzt, die (natürlich aus Budgetgründen) überwiegend auf der Erde spielt und ebenso gut auch in der damaligen Gegenwart hätte stattfinden können. Die Infantilität bricht sich Bahn, wenn das Weltraum-Kommando der Vereinigten Demokratien (das sich als Konferenzraum gerade mal eine etwas bessere Besenkammer leisten kann) zusammenhockt, um über den permanenten Personenschwund zu beratschlagen. „Es gibt bestimmt eine Erklärung. Man muss sie nur finden“, schlussfolgert einer messerscharf, bevor die Versammlung mangels neuer Erkenntnisse erst einmal vertagt wird. Eigentlich sei das ja auch Sache der Polizei.

Auch ernstzunehmenden Diskussionen betreffend Ethik ging man, abgesehen von einem kurzen verbalen Disput zwischen Commander und Professor zu Beginn, aus dem Weg. „Es ist vielleicht altmodisch, aber ich möchte gern mit dem Körper leben, den die Natur mir gegeben hat“, erklärt Halstedt da gewissenhaft. „Ich bin ein Individuum und nicht eine Kollektion von Fleischbrocken.“ Vertieft wird das Thema dann aber nicht. Ist auch gar nicht nötig, denn die nachfolgenden Ereignisse folgen keiner irgendwie gearteten Logik. So bleibt einem nicht viel anderes übrig, als das abstruse Geschehen als kindlichen Comic-Strip zu begreifen, in denen stocksteife Barbie-Puppen verkleinerte Menschen darstellen sollen und die Entführungsschwadron aus einer Schar leckerer Ladys besteht, die als Handlanger einen tumben Mantelträger mit Glatze, Sonnenbrille und viel zu kleinem Hut mit sich führen, den man schon aus 30 Kilometern Entfernung als Halunken erkennt (als ihn in einer Szene ein Kind beim geplanten Übergriff beobachtet, erschrickt er, dreht sich weg, hält sich schnell das Cape vors Gesicht wie einst Bela Lugosis Double in PLAN 9 AUS DEM WELTRAUM und kratzt die Kurve – was für ein Held!).

Aufgrund solch angenehmer Verschrobenheiten unterhält RAUMSCHIFF ALPHA auf unintendierte Weise bis zum Schluss recht anständig. Der Amerikaner Tony Russel [→ HARD RIDER] macht sich als Held nicht schlecht, während Massimo Serato [→ SARTANA KOMMT] als klassischer Bond-Bösewicht agiert, der seinem Konterpart gen Ende erstmal ganz traditionell eine von reichlich abstrusen Erklärungen begleitete Führung durch seine Anlage spendiert. Für den weiblichen Anteil ist Lisa Gastoni [→ FEUERTANZ] an Bord, die zunächst als schlagkräftiger Selbstverteidigungsprofi eingeführt wird, bevor sie plötzlich Sachen sagt wie „Ich bin der Meinung, dass die volle Gleichberechtigung zum Weltraumschrott gehört“ und am Ende dann doch wieder nur die hilflose Geisel mimen darf. Und in einer Nebenrolle erkennt man noch Franco Nero, bei dessen von zarter Milchbubi-Blässe gezeichnetem Anblick man kaum glauben kann, dass er nur ein Jahr später als einer der härtesten Western-Helden aller Zeiten, Django nämlich, in die Filmgeschichtsbücher eingehen würde. Ergänzend bleibt noch zu sagen, dass der deutsche Titelvergeber wohl ein bisschen geträumt hat, schließlich ist Alpha kein Raumschiff, sondern eine Raumstation. Aber wer wird denn kleinlich sein? RAUMSCHIFF ALPHA bietet zwar kein Raumschiff Alpha, aber dafür wunderbare Momentaufnahmen wie die, in welcher die völlig überrumpelten Helden von ein paar kampflustigen Damen nach Strich und Faden vermöbelt werden, bevor mitten in der Zukunft rauschende Swingin'-60s-Partys gefeiert oder Aufführungen besucht werden, bei denen Tänzer in albernen Vogelkostümen über die Bühne hopsen und lauter seltsame Dinge tun. Letzteres ist dabei im Prinzip nichts anderes als das Äquivalent zum vorliegenden Gesamtwerk. Denn wenn man die leicht groteske Sci-Fi-Sause schlichtweg als absurdes Theaterstück begreift, dessen Merkwürdigkeit man sich einfach ausliefert, macht man schon einiges richtig.

Regisseur Margheriti war laut eigener Aussage übrigens nicht sehr erfreut darüber, dass man die TV-Produktion wider vorheriger Planung ins Kino brachte. Er war der Meinung, auf der Leinwand würden die für die Mattscheibe konzipierten Effekte schrecklich aussehen. Da hat er sich natürlich geirrt. Die Effekte sehen auch im Fernsehen beschissen aus. Dass der Mann sein Metier eigentlich deutlich besser beherrschte, bewies er später mit grandiosen Krachern wie GEHEIMCODE WILDGÄNSE oder KOMMANDO LEOPARD. Aber bis dahin sollte noch ein bisschen Zeit vergehen. Ein Jahr später waberten unter seiner Fuchtel erstmal TÖDLICHE NEBEL durch die Lichtspielhäuser.

Laufzeit: 97 Min. / Freigabe: ab 12 

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