Freitag, 14. Juli 2023

MONK COMES DOWN THE MOUNTAIN


DAO SHI XIA SHAN
China, USA 2015

Regie:
Chen Kaige

Darsteller:
Wang Baoqiang,
Aaron Kwok,
Chang Chen,
Fan Wei,
Yuen Wah,
Lam Suet,
Jaycee Chan,
Tiger Chen



Inhalt:

China in den 1930er Jahren: Der junge Mönch He Anxia [Wang Baoqiang] wird, nachdem es ihm gelungen war, all seine Ordens-Brüder im Kung-Fu-Kampf zu besiegen, überraschend aus dem Kloster verbannt. Mittellos streift er daraufhin durchs Land, ohne Ahnung, wohin sein Weg ihn führen soll. Als er dem alten Apotheker Tsui Daoning [Fan Wei] und dessen Frau Yu Zhen [Lin Chi-ling] begegnet, findet er nicht nur neue Freunde, sondern auch ein neues Heim, denn das freundliche Ehepaar nimmt ihn großherzig in die Lehre und bei sich auf. Doch der Friede währt nicht lang, denn Daonings durchtriebener Bruder Daorong [Vaness Wu] begehrt dessen Frau und schmiedet ein tödliches Komplott.

Kritik:

Tatsächlich ist das erst Beginn einer ganzen Reihe von Begegnungen und Erlebnissen der Titelfigur, welche gleichberechtigt neben- beziehungsweise hintereinanderstehen. MONK COMES DOWN THE MOUNTAIN bietet dementsprechend auch keinen klassischen Handlungsverlauf mit bekannter Drei-Akt-Struktur oder sonstiger gängiger Dramaturgie. Vielmehr begleitet das Publikum den jungen Mönch auf einer Reise, die mit einer Vielzahl an Stationen und Situationen gespickt ist, was immer neue Abenteuer und Konflikte etabliert und die Erzählung (natürlich gewollt) sehr episodenhaft wirken lässt. Über allem schwebt dabei als verbindendes Element stets die Selbstfindung des Helden, der keineswegs als integre Persönlichkeit gezeichnet wird, sondern als zielloser Wanderer, beherrscht von Naivität und Zweifeln. So macht sich er sich unter anderem der unterlassenen Hilfeleistung schuldig, was zwei Figuren dann auch das Leben kostet. Dass das Gewissen deswegen an ihm nagt, dient als Antrieb für seinen weiteren Weg auf der Suche nach innerem Frieden und dem richtigen Platz im Leben. Das ist ein auffälliger Unterschied zu den meisten anderen Beiträgen des Wuxiá- und Kung-Fu-Genres, bei denen das Erlangen seelischen Gleichgewichts meist zwingend mit der Perfektionierung des eigenen Kampfstils verknüpft ist. Ein begnadeter Kämpfer ist He Anxia allerdings von Anfang an, wie die Eröffnungssequenz auf fulminante Weise unter Beweis stellt. Seine Mitte muss er trotzdem erst noch finden.

Auffallend an der Verfilmung eines zumindest in ihrem Heimatland populären Romans ist, dass deren stilistische Ausrichtung recht unentschlossen scheint. Grundsätzlich hat man es wohl mit einer Komödie zu tun, zumindest deuten diverse Gestiken, Grimassen und visuelle Gags (wie ein paar bizarre Drogenhalluzinationen) ziemlich eindeutig darauf hin. Andererseits sind ernste Themen, tragische Szenen und dramatische Situationen ebenfalls nicht unerheblicher Teil der Veranstaltung, was sich mit der heiteren Attitüde nicht zu 100 % in Einklang bringen lässt. Zusammen mit den dazu stattfindenden philosophischen Diskursen ergibt das eine ziemlich abenteuerliche und gewagte Mischung, die im Großen und Ganzen allerdings doch ziemlich gut funktioniert. Für die nötige Abwechslung zwischendurch sorgen die genreüblichen Kampfszenen, die freilich keine brutalen Prügelorgien porträtieren, sondern stattdessen der elegischen Eleganz z. B. eines TIGER & DRAGON (mit dem es ansonsten kaum Gemeinsamkeiten gibt) verpflichtet sind. Sprich: Die Kämpfe sind eigentlich Tänze, die Sprünge ein Schweben und Gewalttätigkeit weicht gewaltiger Schönheit. Wenn schließlich noch Feuerfunken geschleudert oder die Kräfte des Wassers beschworen werden, rutscht man bisweilen vollständig in den Bereich der esoterischen Fantasy.

Die Vielzahl an Figuren und deren Hintergründen verwirrt dabei bisweilen und teils fällt es schwer, in die Dramatik der Ereignisse einzutauchen, da Protagonisten und Prioritäten sich ständig ändern und verschieben. Im Rahmen der Narration ist das letztendlich unerlässlich, da jede einzelne Begegnung des Mönchs zu seinem Entwicklungsprozess beiträgt. Aus diesem Grunde kommt man nicht umhin, anzunehmen, die Erzählung wäre in einem Serien-Konzept womöglich besser aufgehoben gewesen. Immerhin dürfen sich Freunde des Hongkong-Kinos auf diese Weise über ein Wiedersehen mit mehreren bekannten und gern gesehenen Gesichtern erfreuen, denn MONK COMES DOWN THE MOUNTAIN ist bis in die Nebenrollen glänzend besetzt. So trifft man hier unter anderem Aaron Kwok [→ COLD WAR], der sich als des Kampfes müder Kung-Fu-Meister auf der Suche nach einem Leben in Eintracht und Harmonie befindet, oder Chen Chang [→ THE GRANDMASTER] als treue Seele im Konflikt mit seinem Gewissen. Ebenfalls dabei sind Yuen Wah [→ KUNG FU HUSTLE] als schurkischer Ausbilder, Jaycee Chan [→ INVISIBLE TARGET] als bemerkenswert verabscheuungswürdiger Taugenichts sowie Lam Suet [→ THE ROOKIES] als ausgemachtes Ekelpaket. Ausgerechnet Hauptdarsteller Wang Baoqiang [→ KUNG FU KILLER] gehört dann eher zur unbekannteren Garde, agiert aber kompetent und kreiert einen kuriosen Charakter irgendwo zwischen tapferem Krieger und trotteligem Kasper.

Kaum erkennbar ist MONK COMES DOWN THE MOUNTAIN eigentlich eine amerikanische Produktion und stammt aus der Zeit, als das Hollywood-Studio Columbia Pictures eifrig in den chinesischen Film-Markt investierte. Doch obwohl die Dollars aus den USA kamen, ist der Rest auf asiatischem Mist gewachsen und vereint ausschließlich einheimisches Personal. Ironischerweise konnte das Werk am Ende dann lediglich in China ein gewisses Publikumsinteresse hervorrufen (eventuell auch, weil die von Xu Haofeng verfasste Vorlage dort auch ein Begriff ist), wo es mit viel technischem Tamtam (als da wären: IMAX-Format, 3D-Optik und DTS:X-Sound) in die Säle kam. In den USA hingegen war der Erfolg schon deutlich überschaubarer, bevor das Ding in Deutschland dann ohne jedweden Werberummel klammheimlich lediglich auf DVD veröffentlicht wurde.

‚Kassenschlager‘ und ‚Publikumsliebling‘ definieren sich also definitiv anders – was schon ein wenig betrüblich ist, führt man sich vor Augen, dass der Name des Regisseurs Chen Kaige lautet. Einst als Lichtgestalt des Kinos gefeiert, als er mit gesellschaftskritischen Bilderbögen wie LEBEWOHL, MEINE KONKUBINE (1993) oder VERFÜHRERISCHER MOND (1996) auf den Film-Festivals der Welt Lob und Preise einheimste, bekam der bis dahin tadellose Ruf erstmals Risse, als er 2005 THE PROMISE vorlegte, eine recht gewagte Mischung aus Historie, Romantik, Fantasy und … nun ja … Road Runner-Cartoon, die überwiegend Stirnrunzeln hervorrief. MONK COMES DOWN THE MOUNTAIN ruft kein Stirnrunzeln mehr hervor, allerdings auch keine Begeisterung. Dafür gibt es hier schlichtweg zu wenig, was beeindrucken kann oder nachhaltig im Gedächtnis bleibt. Sehenswert ist die Nummer dennoch. Sie tut nicht weh, vertreibt angenehm die Zeit und kommt im attraktiven Gewand daher. Vor allem die Ausstattung ist visuell ansprechend und lässt das China der 1930er Jahre im flauschigen Märchen-Look wiederauferstehen. Spannung im eigentlichen Sinne bleibt freilich außen vor und wer bei der Geschichte eines Kung-Fu-Mönchs zwangsläufig auf knackende Knochen und blutige Balgereien besteht, der dürfte hier wohl recht schnell das Interesse verlieren. Der Rest erfreut sich an einem zwar unspektakulären, aber doch geschmeidig durchlaufenden Reifeprozess zwischen Humor, Dramatik und feingeistiger Gesinnung. 

Laufzeit: 109 Min. / Freigabe: ab 12

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