Eigene Forschungen

Montag, 1. Mai 2017

KUNG FU KILLER


YAT GOR YAN DIK MOU LAM
China 2014

Regie:
Teddy Chan

Darsteller:
Donnie Yen,
Wang Bao-Qiang,
Charlie Yeung,
Michelle Bai,
Alex Fong,
Fan Siu-Wong,
Xing Yu,
David Chiang



Inhalt:
 
Hongkong: Ein Mann kommt zerschlagen und blutverschmiert auf ein Polizeirevier. „Was ist Ihnen zugestoßen?“, fragt der schockierte Beamte. „Ich heiße Hahou Mo“, antwortet der Mann. „Ich habe jemanden getötet.“ 

Drei Jahre später: Auf der Salisbury Road wird ein zerschmetterter Körper gefunden. Die Untersuchung ergibt, dass nicht etwa ein Autounfall Grund für die Verletzungen des Mannes gewesen ist, wie zunächst angenommen, sondern er vermutlich mit bloßen Händen getötet wurde. Hahou Mo [Donnie Yen] erfährt im Gefängnis von dem Fall und zitiert die ermittelnde Polizistin Luk Yuen-Sum [Charlie Yeung] herbei (wofür er allerdings erst noch 17 Mithäftlingen das Fell gerben muss). Er behauptet zu wissen, wie der Killer tickt und bietet seine Hilfe an. Luk nimmt ihn nicht ernst und will wieder gehen, da ruft ihr Hahou sieben Namen hinterher. „Einer von diesen Männern wird das nächste Opfer sein“, behauptet er. Die Recherchen ergeben, dass jeder der Männer ein meisterlicher Kung-Fu-Kämpfer ist – ebenso wie Hahou Mo, der früher Kampfkunst-Trainer im Staatsdienst war. Als sich dessen Prophezeiung erfüllt und tatsächlich einer der genannten Männer ebenfalls getötet wird, wird Hahou aus seiner Zelle geholt und zum Berater ernannt. Seine Theorie: Der Killer will die Männer der Reihe nach in ihren Königsdisziplinen besiegen, um selbst der größte aller Meister zu werden. Die Reihenfolge der Morde richtet sich nach einer uralten Kung-Fu-Philosophie. Doch nach und nach kommen Luk Zweifel, ob Hahou nicht tatsächlich ein bisschen mehr weiß, als er zugibt.

Kritik:

Obwohl die Blütezeit des Martial-Arts-Films mit Beginn des neuen Jahrtausends eigentlich schon längst vorbei war, sträubte sich die Hongkonger Filmindustrie vehement gegen die nachlassende Nachfrage an ihrem Steckenpferd und produzierte eifrig und verbissen weiter. Der im Jahre 2014 von Regisseur Teddy Chan auf den Weg gebrachte KUNG FU KILLER versteht sich daher fast schon trotzig als Hommage an die goldene Ära des Kung-Fu-Kinos, wimmelt nur so von Gastauftritten altehrwürdiger Recken und klopft im Abspann mit Nachdruck dem gesamten Genre gehörig auf die Schulter. So richtig bewusst, dass man es hier mit einer ehrfurchtzollenden Respektsbekundung zu hat, wird es einem allerdings auch erst an dieser Stelle, vorher war davon nämlich eher wenig bis gar nichts zu spüren. Das Skript von Ho Leung Lau [→ THREE KINGDOMS] und Tin Shu Mak [→ 14 BLADES] durchbricht nämlich die festgefahrenen Formeln des Genres und geriet inhaltlich eher experimentell. So kreuzte man den bewährten brachialen Schlagabtausch hier mit den Motiven des amerikanischen Psycho-Thrillers vom Schlage eines DAS SCHWEIGEN DER LÄMMER und ersann eine zwar recht abstruse, auf ihre Art und Weise aber schon irgendwie funktionierende Geschichte, in dem Wang Bao-Qiang als eine Art Kung-Fuffalo-Bill scheinbar wahllos Leute per Kampfkunst hinrichtet, während der einzige, der ihn davon abhalten könnte, der ehemalige Trainer Hahou Mo, Kung-Funnibal-Lecter quasi, im Gefängnis schmort.

Verkörpert wird letzterer von Donnie Yen [→ SPECIAL ID], der als einer der letzten großen Stars nach der Jahrtausendwende als imposantes Aushängeschild der Knochenbrecher-Kategorie herangezüchtet wurde und somit seinen zweiten Filmfrühling erleben durfte. Sein Hahou Mo ist dann – trotz Knastaufenthalts – auch alles andere als ein böser Junge, obwohl er den Tod eines anderes Menschen zu verantworten hat (wobei sich das Drehbuch irgendwie nicht so recht entscheiden kann, was und wie und warum überhaupt). Seine Reumütigkeit ist dann auch fast schon etwas zu viel des Guten, immer wieder wird auf seine Musterknaben-Attitüde hingewiesen und nachdem er in einer aufsehenerregenden Sequenz gezwungenermaßen 17 Mithäftlinge vermöbeln musste, besteht er im Anschluss darauf, dass jeder dieser Männer als Entschädigung eine Schachtel Zigaretten zur Wiedergutmachung erhält (Jesus persönlich könnte kaum barmherziger sein). Dass man so viel Aufwand daran verschwendete, Hahou als eigentlich edlen Menschen zu präsentieren, lag gewiss einerseits daran, dass man um Yens Saubermann-Image besorgt war, andererseits sicherlich auch an diversen Auflagen von ganz oben, immerhin sind Hongkongs Filmschaffende seit der Rückgabe der ehemaligen Kolonie an China in ein enges moralisches Korsett gezwungen.

Donnie Yens oberste Direktive ist es hier dann auch, den Ruf des Kung Fu wieder reinzuwaschen, immerhin wird die an sich gute Kampfkunst von einem brutalen Sadisten schändlich missbraucht. Wer besagter Killer ist, wird dann auch relativ schnell aus dem Sack gelassen. KUNG FU KILLER ist kein Mitratekrimi, sondern beschränkt sich auf das hitzige Katz- und Maus-Spiel zweier Parteien. Wang Bao-Qiang [→ LITTLE BIG SOLDIER] figuriert den Martial-Arts-Mörder mit Namen Fung Yu Sau als ziemliches Psychopathen-Klischee, als verkrüppelten Klumpfußbesitzer, der, zusätzlich traumatisiert vom tragischen Tode seiner besseren Hälfte, seine Minderwertigkeitskomplexe dadurch bekämpft, dass er wie bessessen in allen möglichen Disziplinen trainiert und tötet, bis er zu einer Art unbesiegbarem Comic-Schurken herangereift ist. So realitätsfern das auch ist, in dieser von Kampfkunst-Ideologie aufgeheizten Welt erscheint das plausibel genug und ist zudem Teil bereits erwähnter Huldigung an das Wesen des Kung-Fu-Films. Die Story stolpert mittig ein wenig, dem Skript fällt eine zeitlang nicht mehr ein, als Fung immer wieder in Tötungsaktion zu zeigen, bevor Hahou und Luk zu spät am Tatort eintreffen und sich darüber austauschen, was als nächstes getan werden muss. Wirklich langweilig wird es dank dennoch flottem Tempo jedoch nie, zumal Regisseur Teddy Chan (der mit Donnie Yen auch schon das großartige Historienepos BODYGUARDS AND ASSASSINS realisierte) sein Handwerk versteht und die in die Handlung gestreuten Kampfszenen von Donnie Yen selbst höchst effektiv in Szene gesetzt wurden.

Ausgemachte Martial-Arts-Fans mögen dann eventuell auch ein wenig vergrätzt dreinblicken, denn tatsächlichen Schlagabtausch gibt es verhältnismäßig selten zu bestaunen. KUNG FU KILLER gehorcht in erster Linie den Regeln eines klassischen Thrillers amerikanischen Zuschnitts, der thematisch mit Kung-Fu-Weisheiten verknüpft wurde und nur ab und an von Kampfsequenzen unterbrochen wird. Donnie Yen wird erst im Finale so richtig von der Kette gelassen, legt dafür dann aber auch richtig los und liefert sich mit seinem Gegner, dezent unterstützt von Drahtseilen und Digitaleffekten, eine grandiose Entscheidungsschlacht auf einer viel befahrenen Autobahn zwischen und unter in Hochgeschwindigkeit heranpreschenden PKW und Lastwagen, was im Action-Segment ordentlich Kastanien aus dem Feuer holt. Wer den etwas ungewöhnlichen Mischmasch nicht scheut, erlebt somit einen kompetent gefertigten Action-Psycho-Thriller mit hervoragender Kameraarbeit und erstklassigen Kampfszenen, der einen vom effektiven Vorspann (der gewiss nicht nur zufällig an den von SIEBEN erinnert) bis zum draufgängerischen Finale hochklassig unterhalten kann. Als Genre-Hommage ist die Thematik zwar eher seltsam gewählt, da hier eben gerade nicht bewährte Schablonen genutzt werden, dafür macht Insidern das Ausspähen mehr oder minder bekannter Gesichter in kurzen Nebenrollen (u. a. David Chiang und Tony Leung) durchaus Freude, während man zwischendurch immer wieder Ausschnitte aus alten Jackie-Chan- und sonstigen Kung-Fu-Schinken auf Fernsehbildschirmen erhaschen kann (dass Jackie Chan dafür sogar im Abspann erwähnt wird, ist natürlich wiederum etwas übertrieben). Ein Killer ist das nicht, aber ein überaus passabler Zeitvertreib, den man sich ohne Reue geben kann. 

Länge: 96 Min. / Freigabe: ab 16

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