Eigene Forschungen

Mittwoch, 24. Mai 2017

ALIEN - COVENANT


ALIEN - COVENANT
USA, Großbritannien, Australien, Neuseeland 2017

Regie:
Ridley Scott

Darsteller:
Katherine Waterston,
Michael Fassbender,
Billy Crudup,
Carmen Ejogo,
Danny McBride,
Callie Hernandez,
Jussie Smollett,
Guy Pearce



„Wenn Sie mich erschaffen haben, wer hat dann Sie erschaffen?“


Inhalt:

2104: Das Kolonieschiff USCSS Covenant ist mit 2000 sich im Tiefschlaf befindlichen Menschen auf dem Weg zum weit entfernten Planeten Origae-6, um diesen zu besiedeln. Aufgrund eines Unfalls erwacht die Mannschaft vorzeitig aus ihrem Kälteschlaf und nimmt einen unbekannten Funkspruch auf. In der Hoffnung, bereits noch vor ihrer Ankunft bei Origae-6 auf einen bewohnbaren Planeten zu treffen, ändert die Covenant ihren Kurs und folgt dem unbekannten Signal. Tatsächlich findet man einen Planeten vor, der nahezu paradiesisch wirkt und der Erde sehr ähnlich zu sein scheint. Doch die Idylle trügt und als zwei Crew-Mitglieder sich unbemerkt mit fremdartigen Sporen infizieren, beginnt ein Alptraum: Kleine, unbekannte Wesen brechen kurze Zeit später aus ihren Körpern und machen Jagd auf die restliche Besatzung. Eine Flucht erscheint unmöglich, da das Landungsschiff bei einer Explosion zerstört wurde. In höchster Not trifft die verzweifelte Crew auf den vor Ort lebenden Androiden David [Michael Fassbender], der das gleiche Modell ist wie der Android Walter [auch Michael Fassbender], welcher ebenfalls zur Crew gehört. David bringt die Überlebenden zunächst in Sicherheit. Doch diese ist nicht von Dauer.

Kritik:

1979, als das ALIEN erstmals die Leinwände unsicher machte, wurde noch nicht allzu viel gegrübelt. Zwar lässt sich Regisseur Ridley Scotts düsterer Weltraum-Horror durch seine Verknüpfung von Gewalt und Geburtsmetaphern und seine starke Frauenrolle (die dem fremden Wesen final in Unterwäsche den Garaus macht) durchaus und sogar mit relativer Leichtigkeit als Sinnbild für sexuelle Ängste deuten, im Großen und Ganzen jedoch ging es noch darum, Menschen in Todesangst durch enge Schächte zu scheuchen und dem Publikum damit eine gehörige Gänsehaut zu verpassen. In ALIEN – COVENANT, dem sechsten Beitrag des aus dem damaligen Erfolg erwachsenen Franchises (den unsäglichen Ableger ALIEN VS. PREDATOR nicht mitgerechnet), sieht es hingegen deutlich anders aus. Aus der simplen Monstershow des Originals ist ein philosophischer Exkurs erwachsen, der nicht mehr das titelgebende Untier in den Fokus rückt, sondern sich in Dialog und Inhalt mit existenziellen Fragen beschäftigt. COVENANT erzählt dabei die Vorgeschichte des 70er-Jahre-Kino-Meilensteins und ist gleichzeitig die Fortsetzung des vier Jahre zuvor entstandenen PROMETHEUS, welcher bereits damit begann, eine Erklärung für die Ursprünge der tödlichen Lebensform zu liefern. Eine direkte Weiterführung ist es dennoch nicht, denn COVENANT führt nicht etwa die Reise von PROMETHEUS' Protagonistin Elizabeth Shaw weiter, sondern überspringt 10 Jahre und widmet sich den Erlebnissen einer neuen Crew, welche den Bogen zum Vorgänger erst im Laufe der Zeit schlagen.

Diese kommen einem dann allerdings auch arg vertraut vor: Eine Crew, die aus dem Kälteschlaf erwacht, ein unbekanntes Signal, eine ungeplante Landung in fremden Gestaden, ein feindlicher Organismus, der in Körper eindringt und alsbald platzende Leiber, schreiende Menschen und heillose Panik zur Folge hat. Tatsächlich wird hier im Grunde über weite Strecken lediglich die Handlung von Teil 1 wiederholt, die – so ehrlich muss man sein – auch 1979 schon nicht unbedingt neu war. So läuft dann alles in zwar großartig bebilderten, letztendlich jedoch vertrauten Pfaden ab, bis mit dem Auftauchen des Androiden David schließlich die Brücke zu PROMETHEUS geschlagen und es urplötzlich wieder arg tiefgründig wird. Die Verquickung der dreckigen ALIEN-Atmosphäre mit dem eher klinisch reinen PROMETHEUS-Ambiente bildet dabei einen steilen, wenn auch nicht uninteressanten Kontrast, der bereits in den ersten Minuten ins Auge fällt: COVENANT beginnt mit einer Rückschau auf Ereignisse, die bereits vor dem Vorgänger stattfanden, mit einem Dialog, der in einem blitzsauberen, massiv überbelichteten Raum geführt wird, in dem alles geordnet, keimfrei und tadellos arrangiert zu sein scheint, bevor man mit der Titeleinblendung wieder in die Weiten des Alls geworfen und mit dem bekannt-schmutzigen Look des Originals konfrontiert wird. Ein wenig unentschlossen wirkt dieses Konzept auf Dauer schon, zumal es der eher gemäßigten Gangart des Vorgängers widerspricht. Scott betonte in Interviews immer wieder, dass PROMETHEUS zwar im ALIEN-Universum spiele, letztendlich jedoch eine andere Geschichte erzähle. Bei COVENANT hingegen war ihm offenbar daran gelegen, sowohl die Vorgeschichte weiterzuverfolgen, als auch die konservativen ALIEN-Fans zufriedenzustellen, die sich nichts anderes wünschten als eine bissige Kreatur.

Dafür, dass das offenbar nicht von Anfang an der Plan war, spricht, dass die Fortsetzung ursprünglich unter dem Titel PARADISE LOST angedacht war und die Weiterführung der auf einen Cliffhanger hinkonzipierten Ereignisse ernüchternd lapidar mittels weniger Dialogzeilen abgehandelt wird. Stattdessen kehrte nun Hals über Kopf das ALIEN sowohl in den Titel zurück, als auch in die Handlung, um dort ein bluttriefendes Schlachtfest anzurichten. Pflichtergeben lassen Ridley Scott und seine Autoren die Mordbestie erneut durch spärlich ausgeleuchtete Raumschiffgänge toben und Besatzungsmitglieder zu Kleinholz verarbeiten. Wirklichen Schrecken verbreitet das nicht mehr. Das einst so unheimliche Monster, welches das Grauen in der Regel dadurch beschwor, dass es auf leisen Sohlen durch dunkle Korridore schlich, um dann unvermittelt hinter der nächsten Ecke zu lauern, ist zu einer gefeierten Popikone geworden, zu einem tobenden Actionstar, der per Schädeldecke kraft- und CGI-strotzend Panzerglasscheiben zertrümmert und Menschen anspringt wie ein tollwütiger Hund. Die fleischlichen Protagonisten haben da deutlich das Nachsehen und können nicht wirklich Akzente setzen. Zwar sterben sie wie die Fliegen, aber es berührt einen nicht, da das Skript die Figuren deutlich zurückstellt zugunsten des Charakters des Androiden David, der sich im Vergleich zum Vorgänger charakterlich deutlich weiterentwickelt hat und nun nicht mehr LAWRENCE VON ARABIEN zitiert, sondern Percy Bysshe Shelleys Gedicht Ozymandias, Richard Wagners Einzug der Götter in Walhall hört und Blockflöte spielt. Wenn er dabei in einen Interessenskonflikt mit seinem Nachfolgemodell Walter gerät, kommen Fans des Schauspielers Michael Fassbender [→ SLOW WEST] voll und ganz auf ihre Kosten, denn dieser stemmt seine Doppelrolle mehr als souverän - COVENANT gehört quasi ihm.

Der offensichtliche Versuch, es mehreren Parteien Recht zu machen, lässt COVENANT letzten Endes irgendwo zwischen zwei Stühlen verharren. Man spürt, dass den Machern der Exkurs in philosophische Gefilde weitaus wichtiger war als die obligatorische Menschenhatz, die hier wie mit heißer Nadel hineingestrickt wirkt. Das Ergebnis ist ein manchmal etwas banal anmutendes, aber prinzipiell ansprechendes Potpourri aus mythologischen Motiven, religiösen Ideen und existenziellen Fragen, in welches kurzerhand noch ein ALIEN-Remake hineingedoktort wurde. Final noch garniert mit einer überraschenden Wende, die eigentlich keine ist, ist COVENANT dank gekonnter Regie, anregender Ideen und visuellem Reiz trotz durchaus gegebener Defizite einen Ausflug wert.

Laufzeit: 122 Min. / Freigabe: ab 16

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