Eigene Forschungen

Sonntag, 16. September 2012

KUNG-FU-BRIGADE SCHWARZER PANTHER


DU HOU MI SHI
Hongkong 1976

Regie:
Suen Chung

Darsteller:
Chen Ping,
Yueh Hua,
Si Wai,
Wang Hsieh,
Angela Yu Chien,
Tin Ching,
Chan Shen,
Lee Pang-Fei



„Ein Strom aus Blut und Leichen.“


Inhalt:

Krankenschwester Gao Wanfei [Chen Ping] muss hilflos mit ansehen, wie ihre kleine Schwester der Drogensucht anheimfällt – ein mächtiges Gangstersyndikat hat das junge Mädchen gefügig gemacht und versorgt sie als Gegenleistung für sexuelle Gefälligkeiten ständig mit neuem Stoff. Als sie mit einer Überdosis ins Krankenhaus kommt und anschließend dem Wahnsinn verfällt, sinnt Wanfei auf Rache. Sie wendet sich an den befreundeten Polizisten Deng Weipin [Yuen Hua]. Dieser vermutet, dass Wanfeis Verlobter He Jingye [Si Wai] mit der Drogenmafia im Bunde ist, was sie jedoch vehement abstreitet. Da sie von Weipin keine Hilfe erwarten kann, plant sie, ihre Vergeltung allein durchzuziehen: Als Nutte getarnt, gelingt es ihr, sich Zugang zur Organisation zu beschaffen. Dort räumt sie tüchtig auf, und es bleiben einige Leichen zurück. Weipin ahnt, dass Wanfei hinter dem Massaker steckt und erinnert sie an die Illegalität von Selbstjustiz. Doch Wanfei setzt ihren Weg fort. Bei einer weiteren Infiltrierung wird sie von den Gangstern jedoch frühzeitig enttarnt. Ein brutaler Kampf beginnt, bei dem einige auf der Strecke bleiben.

Kritik:

1973 sah Pam Grier rot: Als und in COFFY entfesselte die dunkelhäutige Blaxploitation-Ikone eine höchst publikumswirksame Vergeltungsorgie und machte dabei ein ganzes Drogenkartell quasi im Alleingang dem Erdboden gleich. Die Shaw Brothers schienen davon dermaßen beeindruckt zu sein, dass sie die (fraglos wenig originelle) Geschichte kurzerhand adaptierten, nach Hongkong verlegten, und drei Jahre später ihren eigenen Racheengel aufs geifernde Publikum losließen.

Die Brüder Runme und Run Run Shaw gründeten ihr Produktionsstudio zwar bereits 1930, feierten ihre größten Erfolge jedoch erst ab den 60er Jahren, als sie zur führenden Adresse für Kung-Fu- und Kampfsportfilme wurden – durchaus zurecht, waren die Beiträge aus dem Hause Shaw doch meistens deutlich aufwändiger gefilmt und choreographiert als viele ihrer Konkurrenzprodukte. Werke wie DAS GOLDENE SCHWERT DES KÖNIGSTIGERS, DIE 36 KAMMERN DER SHAOLIN oder DER TEMPEL DER SHAOLIN gelten mittlerweile als Klassiker und treiben bei Martial-Arts-Fans den Pulsschlag nach oben. Die größten Erfolge der Shaw Brothers waren dann auch überwiegend im historischen Kontext angesiedelte Ausstattungsschinken. Eine Minderheit der Werke spielte jedoch auch in zeitgenössischer Umgebung. Aufgrund ihrer Seltenheit erscheinen gerade diese Beiträge sehr reizvoll – allein schon, um sich vom Anblick der immer gleichen Kostüme und Kulissen ein wenig erholen zu können.

KUNG-FU-BRIGADE SCHWARZER PANTHER, die COFFY-Variante der Shaws, ist dafür ein schönes Beispiel: Die geballte Ladung 70er-Jahre-Kolorit ergießt sich von der ersten Sekunde an über das Publikum – einlullend, betäubend, zur Kapitulation zwingend. Die Blaxploitation-Wurzeln versuchte man dabei gar nicht erst großartig zu leugnen: Look, Dramaturgie und Ausführung orientieren sich eindeutig an den berühmten amerikanischen Vorlagen des Schwarzen Kinos. Bereits nach Einblendung des berühmten Shaw-Brothers-Logos wird die 'funky music' eingespielt, während ein Haufen barbusiger Weiber sich im Drogennebel in den Kissen wälzt. Dass man nun unbedingt das Wort „Kung Fu“ in den deutschen Titel quetschen musste, ist denkbar ungeschickt – mal ganz abgesehen davon, dass sich hier weder ein irgendwie gearteter Militärverband, noch eine bissige Großkatze die Ehre geben, spielen Handkante & Co. auch eine deutlich untergeordnete Rolle. Zwar wird auch mal heftig hingelangt, mit den tänzerisch durchchoreographierten Kampfkunst-Balletten, wie man sie aus dem Hause Shaw gewohnt ist, hat das allerdings nur herzlich wenig zu tun. Gekämpft und gestorben wird hier hauptsächlich ganz auf der Höhe seiner Zeit: via Kimme und Korn. DIE TIGERIN VON HONGKONG lautet dann auch ein viel schönerer Alternativtitel, der auch gleich eine brauchbare Vorstellung vom Thema liefert: eine ebenso schicke wie rabiate Braut auf Rachefeldzug.

Chen Ping [→ DIE HERRSCHAFT DES SCHWERTES], eine bei Shaw oft eingesetzte Darstellerin, bekleidet die Hauptrolle und macht in dieser auch beileibe keine schlechte Figur. Zwar fehlt ihr das Charisma einer Pam Grier, dafür ist sie sich nicht zu fein, ihren Feinden zur Not auch mal oben ohne das Fell zu gerben. Die Story kommt, im Gegensatz zur Hauptdarstellerin, natürlich ein wenig flach daher: Wanfeis Racheplan ist nicht wirklich brillant durchdacht und besteht im Wesentlichen darin, sich mithilfe ihrer Reize immer wieder in die Verbrecherorganisation einzuschleusen, zu warten, bis ihr jemand an die Wäsche will, und den betreffenden Unhold dann fachgerecht zu massakrieren. Warum sie bis zur nächsten Offensive jedes Mal so lang wartet, erscheint etwas merkwürdig, ebenso wie die Naivität betreffend ihrem Verlobten: Mal abgesehen von der Tatsache, dass der von Si Wai [→ DAS BLUT DER ROTEN PYTHON] verkörperte Charakter schon rein optisch dem Aussehen eines typischen Drogenbosses entspricht, ist auch sein Verhalten dermaßen verdächtig, dass selbst beim merkbefreitesten Einfaltspinsel die Alarmglocken läuten müssten. Liebe macht halt blind.

Zwischen der Action vergeht recht viel Zeit mit im Prinzip unwichtigem Sermon – der Konsens ist schließlich auch ohne großartige Erklärungen ersichtlich, und wirklich tiefgründiger wird das Geschehen durch das Geplänkel auch nicht. Aber spätestens, wenn Wanfei im Finale zur Flinte greift, um nach allen Regeln der Kunst klar Schiff zu machen, ist dieser Mangel passé. Auffallend ist dabei der relativ kritische Umgang mit dem Thema ‚Selbstjustiz‘: So gibt es mit dem integren Polizisten Weipin, souverän verkörpert durch Yuen Hua [→ IN DEN KRALLEN DES ROTEN PHÖNIX], einen seriösen Gegenpol, und auch Wanfei stellt die Richtigkeit ihrer Rache mehrmals in Frage. Das ergibt gewiss noch lang keine ernsthafte Abhandlung, langt aber immerhin für eine interessante Fußnote. Die eingestreute „Drogen sind böse“-Botschaft geriet ebenfalls sehr putzig, zudem gefallen leicht surreale Einlagen wie der Folterkeller des Gangsterbosses, der seine Nachmittage liebend gern dazu nutzt, geisteskrank kichernd textilbefreite Frauen auszupeitschen. Bemerkenswert zudem, welch trostloses Hongkong-Bild hier vermittelt wird: Die Gesellschaft ist verkommen, Polizei und Politik fast ausschließlich korrupt, mächtige Verbrecher schmieren alles und jeden, Frauen werden behandelt wie Freiwild. Ziemlich harter Stoff! 

THE SEXY KILLER (internationaler Titel) bleibt insgesamt ein wenig hinter den gebotenen Möglichkeiten zurück, gibt sich trotz einiger Nacktheit und recht grober Brutalität auch etwas zu ‚zahm‘. Als Freund des gepflegten Bahnhofskinos hat man hier dennoch 90 Minuten lang seine Freuden. Wer braucht da noch Drogen?

Laufzeit: 88 Min. / Freigabe: ungeprüft

1 Kommentar:

  1. "Die Story kommt, im Gegensatz zur Hauptdarstellerin, natürlich ein wenig flach daher."
    Großartig!

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