Eigene Forschungen

Donnerstag, 14. Oktober 2021

BORN HERO


LUNG JOI GONG WOO
Hongkong 1986

Regie:
Ronny Yu

Darsteller:
Brandon Lee,
Michael Wong,
Regina Kent,
Mang Hoi,
Bolo Yeung,
Kirk Wong,
Michael Chan,
Tanya George



„Söhnchen, du wirst eine lange Zeit hier drin bleiben. Iss ne Banane!“
(Der Inspektor versucht, Brandon den Knastaufenthalt schmackhafter zu machen.)


Inhalt:

Brandon [Brandon Lee] ist ein redlicher junger Mann, der sich gleich mit zwei Jobs durchs Leben schlägt, um seiner Freundin und sich eine schöne Zukunft sichern zu können. Doch leider hat er sich mit Michael [Michael Wong] einen falschen Freund gesucht. Der nämlich ist rattenscharf auf Brandons Freundin May [Regina Kent]. Und da er es als Sohn eines Gangsters gewohnt ist, zu bekommen, was er will, schmiedet er einen hinterhältigen Plan: In einer Bar bringt er einen Konkurrenten seines Vaters ums Eck – und schafft es erfolgreich, den Mord Brandon in die Schuhe zu schieben. 8 Jahre lang wandert dieser dafür in den Bau, sich seinem Schicksal zunächst beherrscht fügend. Doch als er erfährt, dass er hintergangen wurde, ist es bei ihm vorbei mit der Genügsamkeit. Wieder auf freiem Fuß deckt er sich mit ausreichend Arsenal ein und schreitet zur blutigen Tat …

Kritik:

Nein, verausgabt haben sich die Autoren wahrlich nicht, als sie das Drehbuch zu BORN HERO schrieben (und ja, man benötigte tatsächlich gleich zwei Leute dafür). Die Geschichte ist dermaßen spartanisch und nach Schema F gestrickt, dass ein simples Treatment bereits vollkommen ausgereicht hätte. Das einzige Ziel der lediglich zweckdienlich zurechtgezimmerten Zeilen bestand darin, Brandon Lee, dem Sohn der Leinwand-Legende Bruce Lee, zu seinem ersten Kino-Auftritt zu verhelfen. Anstatt unnütze Risiken einzugehen, setzte man dafür lieber auf bereits mehrfach bewährte, erwiesen betriebsfähige Zutaten und zeichnete die Hauptperson als fast schon übertrieben mustergültigen Schwiegermuttertraum, der sich tagtäglich abrackert, um seiner Freundin und sich ein schönes Leben ermöglichen zu können. Damit klar wird, was für eine Seele von Mensch er doch ist, darf er gleich am Anfang einem kleinen Kind helfen, das seine Mutter verloren hat. Allerdings geht diese Charakterstilisierung doch etwas nach hinten los, denn gesagte Mutter sitzt in einem bereits abgefahrenen Bus, dem Brandon nun mit dem Mädchen auf dem Arm in ziemlicher Sinnlosigkeit und arg selbstmörderischer Manier durch den Straßenverkehr hinterherhechtet. Statt veritabel erscheint Lee hier eher verantwortungslos.

So viel eherne Rechtschaffenheit erfordert natürlich einen maximal durchtriebenen Kontrahenten, den man in Michael Wong (ja, die Filmfiguren heißen hier tatsächlich so wie die Schauspieler) dann auch findet. Brandons Arglosigkeit gegenüber seinem früheren Freund erscheint dabei etwas zu weit hergeholt, denn dass der schofelige Schmierlappen ein falscher Fuffziger ist, riecht man locker mehrere Meilen gegen den Wind. Der Held jedoch steht erstaunlich lange Zeit auf dem Schlauch und vertraut seinem Denunzianten blind, ohne auch nur den Hauch eines Verdachts zu schöpfen, was ihn nicht besonders helle wirken lässt. Ohnehin kommt Lee unbeabsichtigterweise oft ein wenig begriffsstutzig rüber, wozu sein stets etwas tranig wirkender Gesichtsausdruck in nicht unerheblichem Maße beiträgt. Das virile Charisma seines Vaters geht ihm überwiegend ab, weswegen man ihm den harten Hund, zu dem er sich noch gerade rechtzeitig zum Finale entwickelt, auch nicht so recht abkaufen will. Auch die Vermarktung des Vehikels wirkte diesbezüglich etwas hilflos, setzte sie als Anreiz doch fast ausschließlich auf den Aspekt, dass hier der Sohn einer Ikone sein Kino-Debüt feiert. Da BORN HERO weder inhaltlich noch stilistisch etwas mit den wegweisenden Bruce-Lee-Klassikern gemein hat, verhallt diese Marktschreierei quasi im luftleeren Raum. War der Vater einst ein Meister der Machetik, der seine Widersacher per Hand, Fuß und Körperbeherrschung auf die Bretter schickte, greift der Sohn überwiegend zur Bleispritze, um innerhalb seiner Gegnerschaft klar Schiff zu machen. Zwar darf er durchaus auch mal ein paar Tritte verteilen, mit der berühmt gewordenen konzentrierten Kampfkunst seines Erzeugers hat das aber herzlich wenig zu tun.

Tatsächlich ist BORN HERO in weiten Teilen nicht einmal ein Actionfilm, denn der Fokus liegt doch lange Zeit woanders. Zu Beginn erlebt man hier eine arg kitschige und klischeegetränkte Liebesgeschichte, die vor allem daran krankt, dass Figuren und Verhältnisse schlichtweg zu schlecht geschrieben sind (er grundanständig und naiv, sie quengelig und viel zu mädchenhaft). Nach der ungerechtfertigten Inhaftierung Brandons wechselt die Erzählung dann zu einem traditionellen Gefängnis-Drama, in welchem sich der Protagonist mit dem rauen Leben im Knast herumplagen muss (misslungener Ausbruchsversuch inklusive). Zwar gibt es bis dahin zwischendurch immer mal wieder kleinere Scharmützel (etwas Prügel und Peng-Peng), die erwartbare Action-Rakete wird dabei aber wahrlich nicht gezündet. Freunde feuriger Konfliktaustragungen müssen sich daher bis zur finalen Viertelstunde gedulden, die zuvorige Versäumnisse dafür allerdings auch anständig nachholt und an die trauten Tugenden des Hongkong-Kinos gemahnt. Nach einer zünftigen, mit viel Blechschrott garnierten Autojagd (die natürlich in einem Flammenmeer endet) und einem bleihaltigen Zwischenstopp am überraschend unkonventionellen Schauplatz „Hühnerfarm“ (welcher Tierschützer auf die Barrikaden treiben dürfte), wird in des räudigen Verräters rustikaler Villa großkalibrig und flächendeckend aufgeräumt, wobei neben beidhändig ausgeführtem Dauerbeschuss auch der gute alte Nahkampf nicht zu kurz kommt. Die beabsichtige Katharsisfunktion dieser endgültig den Konnex klärenden Konfrontation bleibt natürlich aus, da BORN HERO es niemals schaffte, Charaktere zu kreieren, mit denen man sich empathisch verbünden könnte. Aber dafür knallt es wenigstens endlich mal so richtig.

Am Ende hat Regisseur Ronny Yu [→ DIE SÖHNE DES GENERALS YANG] dann gar nicht so viel falsch gemacht. Klar, die Story ist ausgelatscht und leidenschaftslos erdacht, dafür aber erfreulich stringent umgesetzt und auch nie wirklich langweilig. Im Gegensatz zu vielen Konkurrenzprodukten entsteht die Action hier tatsächlich aus der Handlung heraus und nicht umgekehrt. Auch wurde auf unpassende Humor-Einlagen verzichtet, was im Genre des bewegungsorientierten Asien-Kloppers gar nicht mal so oft passierte. Die Inszenierung ist (abgesehen von der unvermeidlichen teils arg hässlichen 80er-Jahre-Mode) gut anzusehen, wenn auch recht bodenständig und längst nicht so experimentell angehaucht, wie manch andere Arbeit Yus. Brandon Lee [→ RAPID FIRE] und Michael Wong [→ SEVEN ASSASSINS] sind als honoriger Held und schmieriger Schurke nicht mehr als schablonenhafte Abziehbilder, agieren im Rahmen ihrer Möglichkeiten aber ausreichend anständig. Regina Kent [→ TOP SQUAD] kann als einzige relevante Frauenfigur hingegen gar keine Akzente setzen, da sie vom Skript schlichtweg verheizt und in die passive Opferrolle gedrängt wird. Und in einer Nebenrolle darf sich Kult-Hackfresse Bolo Yeung [→ DER MANN MIT DER TIGERPRANKE] auch einmal kurz das Fell gerben lassen.

Wer Schauspielkino erwartet, ist hier also fehl am Platze. Wer Dauer-Action erwartet, ebenfalls. Dennoch vertreibt LEGACY OF RAGE (wie BORN HERO jenseits deutscher Videothekenregale eigentlich heißt) die Zeit durchaus im brauchbaren Bereich. Kann man sich ansehen. Muss man aber nicht.

Laufzeit: 86 Min. / Freigabe: ab 18

Montag, 11. Oktober 2021

AMERICAN YAKUZA II


KUANG GING SHA SHOU
Hongkong 1995

Regie:
Anthony Lau

Darsteller:
Anthony Lau,
Simon Yam,
Conan Lee,
Sharla Cheung,
Elaine Eca Da Silva,
Wong Kam-Kong,
Joan Tong,
Ng Min-Kan



Inhalt:

Lone [Anthony Lau], ein Festland-Chinese, reist auf einem Fischkutter illegal in die USA ein. Er ist auf der Suche nach seiner Ehefrau Miu [Sharla Cheung], die nach ihrer Reise ins gelobte Land spurlos verschwand. Nach Ankunft sucht er als erstes seinen Bruder Luke [Simon Yam] auf, der in Los Angeles zu einem einflussreichen Gangsterboss aufgestiegen ist. Dieser verspricht, ihn bei der Suche nach Miu zu unterstützen. Als die Männer beim gemeinsamen Zwiegespräch von Mitgliedern einer feindlichen Gang überfallen werden, erweist sich Lone als zuverlässiger Kämpfer und wird quasi postwendend zu Lukes Rechter Hand. Was er nicht ahnt: Sein Bruder treibt ein falsches Spiel. Der gutgläubige Lone wird nach und nach zum Spielball einer blutigen Intrige.

Kritik:

AMERICAN YAKUZA II entstand zu einer Zeit, als sich das bewährte blutverspritzende Hongkonger Action-Kino bereits im Niedergang befand. Über 10 Jahre war es bereits her, dass Pioniere wie John Woo mit Epen wie A BETTER TOMORROW (1985) quasi ein neues Genre aus der Taufe hoben, das Heroic Bloodshed - eine modernisierte, überwiegend im Gangster-Milieu angesiedelte Variante traditioneller Ritter-Mythen, die sentimentale Geschichten von Ehre, Treue und Verrat mit durchästhetisierter Gewaltdarstellung verband und regelmäßig menschliche Körper im Kugelhagel Todestänze aufführen ließ. Zahlreiche Nachahmer und Nutznießer sorgten dafür, dass das Konzept schon bald zu seinem eigenen Klischee verkam, dessen Inhalte nur noch rudimentär variiert wurden. Obwohl sich der Fan grundsätzlich über jedes Material freute, war eine gewisse Übersättigung kaum zu leugnen. AMERICAN YAKUZA II geriert sich als Paradebeispiel für diesen Sachverhalt und wirft zum Produktionszeitpunkt bereits dutzendfach durchexerzierte Story-Elemente mit großer Geste in den Drehbuch-Topf, um, wenn schon nicht den Feinschmeckern, so doch zumindest den Allesfressern, eine weitere Portion wohlproportioniertes Blutvergießen zu kredenzen. Wie damals beim Hongkong-Kino häufiger der Fall, siedelte man die dazugehörige Geschichte in den USA an, wodurch man sich ein größeres Publikum und internationale Konkurrenzfähigkeit erhoffte.

Hauptantriebsfeder dieser späten Nummer war Anthony Lau (eigentlich: Lau Wing [→ IM GEHEIMDIENST DES GELBEN DRACHEN]), der hier nicht nur die Hauptrolle bekleidete, sondern auch die Inszenierung übernahm. Das ist gleich doppelt bemerkenswert, war Lau in Sachen Regie ein bis dahin noch unbeschriebenes Blatt und auch als Schauspieler hauptsächlich eher in zweiter Reihe anzutreffen. Hält man sich dieses vor Augen, ist es schon achtbar, wie souverän er in beiden Positionen abliefert. Die fraglos vorhandenen Probleme von AMERICAN YAKUZA II gehen zumindest nicht auf sein Konto, sondern überwiegend auf das von Autor Yuen Kai-Chi [→ A CHINESE GHOST STORY]. Dass sein Drehbuch das Rad nicht neu erfindet, ist natürlich kein Unglück und war weder zu erwarten noch verlangt. Aber etwas mehr Gedanken über die offenkundig sehr eilig herbeifabulierten Ereignisse und Figuren hätte man sich durchaus machen dürfen. Dass man nie so wirklich erfährt, woher der recht arglos wirkende Lone eigentlich seine sensationelle Kampfqualifikation hat, welche sogar der nun nicht gerade als zimperlich verschrienen Yakuza den Angstschweiß auf die Stirn treibt, ist noch locker zu verschmerzen. Doch vieles andere wirkt unausgegoren oder nicht zu Ende gedacht; die Motive der handelnden Personen erscheinen oft kryptisch und unnahbar. Das betrifft vor allem den Antagonisten Luke (eine routiniert runtergeratterte Klischeerolle für Simon Yam [ → MAN OF TAI CHI]). Dass dieser mit Lone ein doppeltes Spiel treibt, ist zwar nie ein Geheimnis, aber was eigentlich genau seine Pläne und Ziele sind, bleibt vage. Erst hängt er ihm (auf ebenso abenteuerliche wie hanebüchene Weise) einen Mord an, dann, im völligen Widerspruch zu seinem bisherigen Verhalten, betrinkt er sich mit ihm hemmungslos und quietschvergnügt wie mit einem besten Kumpel und tauscht wehmütig Jugenderinnerungen aus. Was denn nun?

Für weitere Verwirrung sorgen mehrere ebenfalls nur bruchstückhaft referierte Sub-Plots, deren Intentionen nie so ganz klar werden. So liegt Luke im Clinch mit einem Mr. Lee (gespielt von Wong Kam-Kong [→ PHANTOM SEVEN]), mit dem er um einen wichtigen Posten in der Politik wetteifert (die Hintergründe dazu werden ebenfalls nicht die Bohne erläutert) und den er völlig inkonsequent im einen Augenblick ermorden, im nächsten dann aber wieder vor einem Anschlag schützen will. Tatsächlich bleibt es fortwährend völlig unverständlich, wer hier wen aus welchen Motiven ans Messer liefern möchte und warum Menschen mal getötet, mal gerettet werden sollen. Und mitten durch diese chaotischen Verhältnisse stapft dann auch noch Conan Lee [→ BORN HERO II] als namenloser Polizist, der auch so gar keinen Plan hat, was hier eigentlich Phase ist, ständig nicht nachvollziehbare Schlüsse zieht und mit seiner uni(n)formierten Trottel-Truppe bis zuletzt rein gar nichts zur Weiterentwicklung oder gar Auflösung der Ereignisse beiträgt. Ohnehin ist es auffällig, wie viele Handlungen hier eigentlich parallel ablaufen, ohne sich gegenseitig zu tangieren. Die Suche Lones nach seiner Frau (so wirklich suchen im herkömmlichen Sinne tut er eigentlich auch gar nicht, in der Regel wartet er nur darauf, dass ihn irgendjemand mit Informationen versorgt) passiert völlig losgelöst von seinen Aktivitäten als Rechte Hand seines Triaden-Bruders, während Lukes Konflikte mit der Konkurrenz ebenfalls nichts mit seinem Verrat an Lone zu tun haben. Und hätte einer der Charaktere die Katze bereits etwas eher (um genauer zu sein: gleich am Anfang) aus dem Sack gelassen, hätte man sich die ganze Bandenkrieg- und Rache-Plotte ohnehin schenken und gleich zum Showdown übergehen können.

Denn was das Publikum schon längst weiß, blickt der Protagonist doch reichlich spät (und eben auch nur, weil er es kurz vor knapp endlich mal ganz konkret aufs Butterbrot geschmiert bekommt): Natürlich ist sein eigener Bruder der große Halunke und eigentlicher Drahtzieher hinter dem Verschwinden seiner Frau. Wie wahrscheinlich es ist, dass Lone davon die ganze Zeit nichts mitbekam, obwohl Luke sie eigentlich gar nicht großartig versteckt hält und sogar eine ausladende, absolut ungeheime Geburtstagsfeier für sie gibt, ist wieder so ein Punkt, über den man nicht allzu intensiv nachdenken sollte. Jedenfalls ist diese Erkenntnis Grund genug für Lone, aufgrund einer vom Skript herbeigezauberten heftigen Überreaktion eine unverzügliche bluttriefende Vergeltungsorgie vom Zaun zu brechen, die in ihrer apokalyptischen Konsequenz nichts mehr übrig lässt und damit auch alle anderen mühsam konstruierten Nebenhandlungsstränge mit einem Federstrich für null und nichtig erklärt. Das ist zwar alles andere als gutes Geschichtenerzählen, macht den Actionfreund (und damit die Zielgruppe) aber ziemlich glücklich, denn hier fliegen fröhlich die Fetzen – im Wortsinne, denn die einstigen Freunde zerlegen sich mit Wut und Wumme regelrecht in ihre Einzelteile. Zimperlichkeit ist ohnehin keine Sache von AMERICAN YAKUZA II, denn zwischen all den konfus erdachten und erzählten Ereignissen kommt es immer wieder zu heftigen Gewalt-Eruptionen, die visuell und inszenatorisch samt und sonders überzeugen können und voll und ganz in der Tradition der althergebrachten asiatischen Blutoper stehen. Wenn Lone und Luke sich per Schwert und Schießeisen auf offener Straße steinharte Duelle liefern, dann lacht das Herz des gemeinen Hongkong-Kino-Huldigers.

So macht man als Fan des Genres trotz arg verquaster Story hier tatsächlich wenig falsch. AMERICAN YAKUZA II ist trotz vermutlich eher geringer finanzieller Zuwendung erstaunlich versiert inszeniert, bietet aufgrund ständig wechselnder und ungewöhnlicher Schauplätze (z. B. Schiffe oder Paraden) viel visuelle Varianz und serviert dazu zwar keine überwältigende, aber dennoch fachkundig arrangierte Stunt-Arbeit (wie das Schlittern per Motorrad unter einen Lastwagen hindurch). Zudem sind die Mittel der Selbstverteidigung sehr vielfältig: Gekämpft wird per Klinge, Knarre und klassischer Kung-Fu-Kapriole – wobei für letzteres Conan Lee zuständig ist, der im finalen Akt dann plötzlich den inneren Jackie Chan von der Kette lassen und eine ganze Party-Gesellschaft aufmischen darf. Wer noch zusätzliches Amüsement benötigt, dem sei empfohlen, nebenbei auf die Statisten zu achten, insbesondere auf die in Polizei-Uniform: Wie angestrengt die Herren versuchen, abgebrühte Gesichtsausdrücke aufzusetzen, gleichzeitig aber ihre diebische Freude darüber, hier mitspielen zu dürfen, kaum verbergen können, das ist schon ein paar Gratis-Grinser wert.

Wer hier übrigens eine Fortsetzung des amerikanischen Großstadt-Krimis AMERICAN YAKUZA aus dem Jahre 1993 erwartet hat, der ist Opfer der berüchtigten teutonischen Titel-Trickserei geworden. Diese chinesische Produktion hat nichts mit dem vermeintlichen Vorgänger zu tun und ist im Ausland überwiegend als DRAGON KILLER bekannt.

Laufzeit: 83 Min. / Freigabe: ungeprüft

Montag, 4. Oktober 2021

TODESSTRAHLEN AUS DEM WELTALL


SEKAI DAIKENSÔ
Japan 1961

Regie:
Shûe Matsubayashi

Darsteller:
Furankî Sakai,
Akira Takarada,
Yuriko Hoshi,
Nobuko Otowa,
Yumi Shirakawa,
Chieko Nakakita,
Shinpei Tsuchiya,
Eijirô Tôno



„Ich kann und ich will mich nicht damit abfinden. Sie haben kein Recht, uns zu töten.“


Zunächst mal: Der Titel TODESSTRAHLEN AUS DEM WELTALL ist wohl so ziemlich der dreisteste, den sich ein deutscher Verleih jemals für eine japanische Leinwand-Fabel aus den Fingern saugte, und rangiert damit sogar noch ein paar Oktaven über dem sonstigen Spitzenreiter UFOS ZERSTÖREN DIE ERDE (der eigentlich Ein Meteorit hätte beinahe die Erde zerstört hätte heißen müssen). Mit irgendwelchem Weltraum-Rummel oder außerirdischen Aktivitäten hat dieses düstere Endzeit-Drama nämlich nicht das Geringste am Hut (allein der Begriff 'Todesstrahlen' ist gar nicht mal so unpassend, wie es zunächst den Anschein hat). Der Original-Titel SEKAI DAIKENSÔ, übersetzt: Der große Weltkrieg, führt hingegen – wenig überraschend – auf die richtige Fährte.

Inhalt:

In der Zukunft des Jahres 1961 steht die Welt an der Schwelle zum atomaren Krieg. Die großen Nationen der Erde haben sich heillos zerstritten, die radikalen Medien heizen die Stimmung zusätzlich an, beständig kreisen Finger über dem Roten Knopf. In dieser hochgradig angespannten Situation beschließen die junge Nana Tawasako [Yuriko Hoshi] und der Seemann Paul Bendson [Akira Takarada], sich das Ja-Wort zu geben. Nachdem sie sich erfolgreich den Segen der Eltern geholt haben, beginnen sie, Zukunftspläne zu schmieden. Doch dann wird Paul zur See gerufen. Gibt es noch Hoffnung für das Paar?

Kritik:

Nicht nur der deutsche Titel ist eine Ohrfeige für SEKAI DAIKENSÔ, auch die Schnittfassung, in welcher die engagierte Weltuntergangs-Vision hiesige Lichtspielhäuser heimsuchte, darf gut und gern als Affront gewertet werden: Nach gerade mal läppischen 70 Minuten ist das Schicksal der Menschheit besiegelt. Ein Blick auf das Original verrät, dass sich die Apokalypse dort sage und schreibe 40 Minuten mehr Zeit lässt. Der zweifelhafte Dank für die teutonische Turbo-Abhandlung der Ereignisse geht in erster Linie an den damaligen amerikanischen Vertrieb, der die Produktion relativ respektlos auf eine deutlich übersichtlichere Länge Kürze zusammenstauchte und dabei nicht nur ganze Nebenhandlungen und Charaktere unter den Tisch fallen ließ, sondern auch die gesamte Erzählstruktur dahingehend veränderte, dass die Geschehnisse nun als retrospektives Gedankengebilde wiedergegeben werden. Und eben jene Fragment-Fassung wurde schließlich von der Filmallianz aufgekauft, um sie, zudem eben auch noch irreführend beworben, in den deutschen Kinos zu platzieren. Nach einer derart flegelhaften Fleischwolf-Prozedur sind die Qualitäten des Ursprungswerks natürlich nur noch zu erahnen. So müssen nun aus dem Off vorgetragene Erklärungen bei der Herstellung fehlender Zusammenhänge helfen, was streckenweise in einer enervierenden Dauerbeschallung mündet. Die Gründe für das große Säbelrasseln der Weltmächte bleiben dennoch bis zum Schluss ungreifbar. Tatsächlich nutzt das der Erzählung allerdings mehr als dass es ihr schadet, unterstreicht es doch Banalität und Sinnlosigkeit der gegenseitigen Drohgebärden. Das Volk versteht die Gründe ja auch nicht. Und genau darauf liegt der Fokus von SEKAI DAIKENSÔ (zumindest in dem Flickenteppich, der nach der amerikanischen Spezialbehandlung noch davon übrig ist).

Den Autoren Toshio Yasumi [→ DER LÖWE DES GELBEN MEERES] und Takeshi Kimura [→ DIE FLIEGENDEN MONSTER VON OSAKA] war weniger daran gelegen, die schicksalhaften Ereignisse aus militärischer Sicht wiederzugeben, als vielmehr, deren fatale Folgen für die Bevölkerung aufzuzeigen. Die hier skizzierte Familie Tawasako fungiert dann auch gar nicht so sehr als klassischer Protagonist, sondern steht vielmehr stellvertretend für den kleinen Bürger, der zum ohnmächtigen Leidtragenden gedanken- und verantwortungsloser Aggressionspolitik wird. Es ist verblüffend, wie hurtig man das traditionsbewusste Ehepaar trotz kaum noch vorhandener Spielzeit ins Herz schließt. Furankî Sakai [→ MOTHRA BEDROHT DIE WELT] und Nobuko Otowa [→ ONIBABA] agieren so bescheiden und unaufdringlich-liebenswert, dass man innerhalb kürzester Zeit meint, persönlich mit ihnen bekannt zu sein. Dabei werden sie sehr wertkonservativ gezeichnet, wenn der Liebhaber ihrer Tochter (gespielt von Toho-Veteran Akira Takarada [→ GODZILLA UND DIE URWELTRAUPEN]) sich erst noch die Genehmigung zur Heirat der jungen Frau abholen muss (wobei man natürlich nach wie vor nicht vergessen darf, dass man es mit einem japanischen Werk vom Anfang der 60er Jahre zu tun hat). Allein anhand dieser vier Figuren (Mutter, Vater, Tochter, Schwiegersohn in spe) gelingt es Regisseur Shûe Matsubayashi [→ SEE-INFERNO], die tragischen Konsequenzen verantwortungsloser Staatsführung greifbar zu machen und die Gefühls-Klaviatur von Sorge, Hoffnung und Verzweiflung effektiv zu bedienen.

Um SEKAI DAIKENSÔ vollends verstehen zu können, muss man sich bewusst machen, zu welchem Zeitpunkt er erstand. Der Kalte Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion begann damals so langsam, aber sicher heiß zu werden, ein Atomschlag rückte durchaus in den Bereich des Möglichen. Japan, bereits gebeutelt vom nuklearen Holocaust, übernahm dabei überwiegend die Rolle des besorgten Beobachters, wäre im Falle des Falles aber ebenfalls und abermals leidtragend gewesen. Da nur ein Jahr nach Kinostart die Kuba-Krise die Welt tatsächlich an den Rand des Abgrunds führte, muss Matsubayashis warnendes Werk aufgrund seiner Anklage betreffend leichtfertigen Umgangs mit Arsenal und Technik direkt als prophetisch gelten. So wirkt SEKAI DAIKENSÔ trotz der stellenweise nicht zu leugnenden Naivität (gemeint sind primär die Sequenzen, die der doch arg vertrottelten Streitmacht gewidmet werden) gar nicht großartig albern, sondern in der Sache überaus glaubwürdig – wobei generell die Stimmungs-Diskrepanz zwischen den Militär- und den Familien-Szenen ins Auge fällt: Während erstere eher einfältig daherkommen (und zudem von allzu durchschaubarer Tricktechnik begleitet werden), wirken letztere durch und durch authentisch und realitätsnah. Es ist schön zu sehen, wie die beiden jungen Leute ihre Zukunft planen, es ist amüsant, wie tapsig Familienvater Tamura ihnen gegenüber um Autorität ringt, und es ist niederschmetternd mitzuerleben, wie Tamura am Ende seinen Glauben verliert, alles könne sich doch noch irgendwie zum Guten wenden.

Bemerkenswert ist die Konsequenz, mit der SEKAI DAIKENSÔ sein Ding durchzieht. Die Botschaft soll ins Mark treffen, da reicht es nicht, nur halbe Sachen zu machen. So durfte Trickspezialist Eiji Tsuburaya [→ GODZILLA] zum Schluss einmal mehr aufzeigen, wie man aufwändig gestaltete Modellbausätze in glühende Aschelandschaften verwandelt. Das ist zwar abermals sehr schön anzuschauen, kann den Vorwurf der Trivialisierung aber nicht abstreifen. Die Effekte erinnern an seine bekannten Arbeiten für die Godzilla-Reihe und unterminieren in ihrer eindeutigen Artifizialität den selbstgestellten Anspruch auf ein ernstzunehmendes Mahnmal gegen Kriegstreiberei. Dass man sich angesichts des finalen durch Miniaturarchitektur fegenden Feuersturms in kindlicher Begeisterung in die Hände klatscht, dürfte kaum im Sinne des Erfinders gewesen sein. TODESSTRAHLEN AUS DEM WELTALL (Wer diesen Titel abgesegnet hat, dem gehört nachträglich noch eine Atomrakete in den Allerwertesten geschoben!) mag somit zwar in seiner eigentlichen Zielsetzung scheitern, trägt das Herz aber dennoch am rechten Fleck und staubt somit zumindest tüchtig Sympathiepunkte ab. Und dass das selbst noch für die ramponierte Torso-Variante gilt, ist dabei das größte Kompliment.

Laufzeit: ca. 70 Min. / Freigabe: ab 12