Eigene Forschungen

Montag, 28. Juli 2025

ROBOMAN


ROBOWAR - ROBOT DA GUERRA
Italien 1989

Regie:
Bruno Mattei

Darsteller:
Reb Brown,
Catherine Hickland,
Massimo Vanni,
Romano Puppo,
Max Laurel,
Jim Gaines,
John P. Dulaney,
Mel Davidson



Regie: Vincent Dawn! Was für ein Name! Fast zu geil, um wahr zu sein. Und so ist es auch. Denn der Mann, der 1989 den ROBOWAR entfesselte, hieß eigentlich Bruno Mattei und war einer der fleißigsten Ideenkopierer der italienischen Filmindustrie. Zusammen mit seinem Kollegen Claudio Fragasso verwandelte er in den 1970er- und 1980er-Jahren Hollywoods Blockbuster in unverhohlene und schmal budgetierte Plagiate, die bei minimalem Aufwand maximalen Profit erwirtschaften sollten.

Wer im Action-Kino der 1980er-Jahre ein bisschen bewandert ist, erkennt dann auch auf Anhieb, welcher Leinwanderfolg dieses Mal Pate stand: PREDATOR von 1987, der die Schauspielkarriere des ehemaligen Bodybuilders Arnold Schwarzenegger nachhaltig zementierte. Selbiger tigerte dort mit einer Truppe testosteronschwitzender Freizeit-Kombattanten durch die schwüle Ungastlichkeit des Urwalds, um ein bisschen Krieg zu spielen und irgendwelche Rebellenheinis hopszunehmen. Doch nach Erfüllung des Auftrags beginnt ein außerirdischer Super-Killer das Söldner-Kommando zu dezimieren, bis nur noch der österreichische Anabolikafreund übrig ist, um dem Eindringling Paroli zu bieten. Der Mix aus Action und Science-Fiction ist inhaltlich zwar reichlich krude, besticht aber durch dichte Atmosphäre und einen gekonnten Spannungsaufbau.

ROBOWAR hingegen tut das nicht. Krude ist er trotzdem.            

Inhalt:

Ein Colonel, der nach dieser Einleitung nie wieder vorkommt, liefert dem Militärfuzzi Mascher eine kleine private Diashow.

„Hier sehen Sie Corporal Neal Corey, Waffenexperte. Ein Mann wie aus Stahl.“

Ein Mann wie aus Stuhl.


„Private Larry Garino, ein exzellenter Fährtensucher. Genannt: Didi. Oder Didi Bob.“

Hoppla, falsches Didi-Dia erwischt! Höhöhöhö ...

*tscha-kluk*

So, nun aber ...


Didi Bob sucht seine Fährte.


„Albert Bray, er war Stabsarzt in Vietnam. Genannt: Papa Doc.“

Eine echte Pfeife.


„Sonny Peel, eine menschliche Kampfmaschine. Wird Blood genannt.“

Wird Blood genannt. Ist aber Blöd.


„Nung-Quo, der beste Späher weit und breit. Er nennt sich Quang. Er hat einen sechsten Sinn, der ihn vor Gefahren warnt.“

Warum hat ihn sein Sinn nicht davor gewarnt, sich Quang zu nennen?


„Und hier der Kopf der Truppe: Major Murphy Black. Ein Offizer, der sämtliche Tapferkeitsorden verliehen bekam.“

Und die hat er offenbar alle unterm Barett versteckt.

Kaum ist die kleine Vorstellungsrunde vorbei, krauchen die sechs knallharten Knallchargen mit den verkniffenen Verstopfungsmienen auch schon durchs dichteste Dickicht, den etwas unkoordinierten und unstet umherwandernden Blicken nach zu urteilen allerdings reichlich planlos und generell auch ohne rechte Ahnung, wie eigentlich ihr Auftrag lautet. Nur der zwielichtige Mascher, der sich der von ihm rekrutierten Söldnertruppe ebenfalls angeschlossen hat, weiß, was Sache ist: Ein von der Armee mit heißer Nadel zusammengelöteter Kampfroboter namens Omega One läuft Amok durch den Busch und ballert nicht nur den Feind, sondern auch die eigenen Leute über den Haufen. Immer wieder finden die Männer unterwegs skelettierte Leichen, deren Herkunft sie sich nicht erklären können – Opfer von Omega One. Dann beginnt auch innerhalb der eigenen Reihen das Sterben: Der Schrott-Bot bläst zum Angriff und killt das Kollektiv Mann für Mann. Gibt es einen Ausweg?

Kritik:

Den außerirdischen Krieger aus der Vorlage hat man also gegen einen wildgewordenen Blechkameraden ersetzt, dem nicht nur ein paar Schaltkreise durchgeschmort sind, sondern der offenbar auch eine waschechte Persönlichkeitsstörung entwickelt hat. Bereits der Vorspann enthüllt: Das Teil parliert fortwährend mit sich selbst und gibt sich eigenmächtig Befehle, die es dann umgehend bestätigt und ausführt:

„Höchste Bereitschaftsstufe einschalten! Zu Befehl! Feinde anpeilen! Zu Befehl! Gefecht vorbereiten! Zu Befehl! Feinde ohne Ausnahme vernichten! Zu Befehl!“

Allerdings scheinen beim Bau noch so einige andere Dinge schiefgelaufen zu sein. Wie die subjektive Sicht der Killermaschine, die dem Publikum hin und wieder mal gewährt wird, verrät, sieht sie nämlich alles nur extrem verpixelt, was bei einem auf Treffsicherheit getrimmten Kampfroboter ja nun maximal suboptimal ist. Bei dem Wahrnehmungsvermögen müsste das Teil eigentlich ständig gegen Bäume laufen. Trotzdem holt es bereits zum Auftakt einen Heli vom Himmel und macht auch ansonsten ziemlich viel Rabatz. Die Wahl der Waffen variiert dabei stark und erscheint nicht immer ganz schlüssig: Mal feuert das Ding rücksichtlos aus allen Rohren, mal schleudert es lediglich Messer durch die Gegend oder fährt – Inspektor Gadget lässt grüßen! – kilometerlange Greifarme aus, um seine Beute pfiffig aus der Botanik zu pflücken. Wie diverse Leichenfunde nahelegen, häutet es seine Opfer manchmal auch, während von anderen sogar nur noch blitzeblanke Gerippe übrigbleiben, was nun so gar keinen rechten Sinn mehr ergibt. Hat Kollege Klapperkiste seinen Kontrahenten da am Ende etwa in heißhungriger Leidenschaft das Fleisch vom Knochen geknabbert?

Sehr wenig Leidenschaft floss hingegen in das Design des amoklaufenden Antagonisten: Der in Deutschland Roboman getaufe Rüpel-Bot ist einfach nur ein stinknormaler Typ mit Motorrad-Helm und entsprechenden Lederklamotten, auf die ein paar unsinnige Verzierungen gepappt wurden. Futuristisch wirkt das nicht für fünf Pfennig. Eher wie frisch aus dem Altkleider-Sack gezogen. Gewagt geriet auch das Outfit von Reb Brown [→ EINER GEGEN DAS IMPERIUM], der hier als Anführer der Söldnertruppe die Rolle übernimmt, die in der Vorlage Arnold Schwarzenegger innehatte. Der geht bei seinem ersten Auftritt nämlich in hautenger hellblauer Aerobic-Kluft an Land, gerade so, als habe man ihn für den Auftrag unmittelbar vom Tuntenball abkommandiert. Zum Glück tauscht er die kühne Klamotte später gegen etwas Dschungeltauglicheres ein – wobei eine Entscheidungsschlacht mit nem Helden im Polyester-Outfit natürlich schon einen gewissen Reiz gehabt hätte. Denn dass der von Brown verkörperte Murphy Black dem freidrehenden Kurzschluss-Kalle final als Endgegner gegenübertreten wird, ist in Anbetracht der hier abgefeuerten Klischeekanone so sicher wie das Amen in der Kirche.

Bis es soweit ist, passiert allerdings erst einmal jede Menge Garnichts. Die Story reicht nämlich vorn und hinten nicht aus, um 90 Minuten füllen. Das versucht man in erster Linie dadurch zu kaschieren, dass man die Gurkentruppe ellenlange Spaziergänge durch den Dschungel unternehmen lässt – stets von aufwühlendem Soundtrack und konzentriertem Mienenspiel begleitet, um Spannung zu suggerieren, wo schlichtweg keine ist. Zwar passierte strenggenommen auch beim PREDATOR gar nicht großartig mehr. Aber dort sorgten gekonnte Inszenierung und geschickte Dramaturgie dafür, dass der Trip trotzdem ausreichend Spannung erzeugte. Hier hingegen latschen lebendig gewordene Pappaufsteller durch den Busch, quatschen dummes Zeug in Dauerschleife („Drogensüchtig und verrückt – ich wette, dass die zwei Aids haben.“) und versuchen verzweifelt, dabei irgendwie Zeit zu schinden. Zwischendurch tappt einer der Experten wenigstens mal in eine Bärenfalle – aber das haut nun auch niemanden langanhaltend vom Schlitten.

Weil selbst Mattei und Fragasso klar war, dass ein Actionfilm auch ein bisschen Action braucht, wird irgendwie noch eine randalierende Rebellentruppe in die fade Robosuppe gerührt – und die gehört, da sind sich die hauptrollenden Helden schnell einig, ausgelöscht. Immerhin müssen sie versteckt mit ansehen, wie die garstigen Guerillas eine fliehende Geisel auf offener Straße exekutieren. Eingegriffen wird aber erst, als der weiblichen Gefangenen das gleiche Schicksal blüht – der hässliche Typ davor durfte ruhig ins Gras beißen. „Ich sie töten“, droht der Unhold den Befreiern, die Frau bereits mit der Knarre kitzelnd, und aufgrund des schlecht imitierten Fantasieakzents klingt es wie: „Ich seh Titten.“ Schön für ihn! Ist dann allerdings auch das letzte, was er sieht. Denn „Waffenexperte“ Neal Corey (das ist der, der wie aus Stahl ist) leert übertriebenerweise gleich ein ganzes Magazin in den Mann. Darum ist er ja auch Experte. Wer diese Aufständischen überhaupt sind, woher sie kommen und was sie wollen, das sind Fragen, für die interessiert sich hier keiner. Fest steht nur, dass sie böse sind. Als Murphy und seine Mannschaft die spanische Mission, in der sie hausen, dem Erdboden gleichmachen, gleicht das einem feucht-fröhlichen Jagdausflug hirnfreier Hinterwäldler, bei dem der Feind, der bereitwillig ins Feuer läuft, mit rassistischen Schimpfwörtern und launigen Sprüchen wie „Nur nicht so schnell – einer nach dem anderen“ ins Jenseits befördert wird.

Aufregend ist auch das nicht. Mattei und Team gelingt es an keiner Stelle, dem Geschehen irgendeine Form von Dynamik einzuhauchen. Das gilt für die Action ebenso wie für den Rest. Denn auch die permanente Bedrohung durch den synthetischen Krieger überträgt sich keine Sekunde lang aufs Publikum. Zum einen wirkt der Gegner, im Gegensatz zum Vorbild Predator, niemals wirklich unbezwingbar, sondern eben nur wie ein bewaffneter Motorradfahrer, dem man zur Not mit einem kernigen rechten Haken das Licht auspusten könnte. Und zum anderen ist einem die Truppe schlichtweg egal. Dabei sind die Darsteller eigentlich sogar recht gut besetzt – zumindest optisch. Jedes Figurenklischee wurde mit einem passenden Gesicht versehen. Tatsächliches Talent war da wohl eher zweitrangig. Allerdings dürfte es auch ziemlich schwierig sein, gegen die Albernheiten, die das Skript bereithält, darstellerisch zu bestehen. Da muss John P. Dulaney [→ SABATA KEHRT ZURÜCK], alias „Papa Doc“, schon mal rudernden Armes so tun, als würde er von irgendetwas unter Wasser gezogen. Schön ist auch der Moment, in dem der Roboman seinen (offenbar kilometerlangen) Arm heimlich über den Dschungelboden gleiten lässt, um einen der Männer zu schnappen und „abzuschleppen“. Sein Kamerad sieht das zwar. Aber anstatt Alarm zu schlagen, fragt er nur ganz verdutzt: „Was ist denn das an deinem Bein?“ Oder der Augenblick, in dem die Laufburschen ein in der Landschaft liegendes Leichenteil finden und jemand kommentiert das mit: „Das ist ja ein Arm.“ Mensch, danke für die Info!

Ansonsten verärgern die überwiegend unlogischen Verhaltensweisen aller Beteiligten. Da trägt der verräterische Auftraggeber Mascher, der sich als Erfinder des Roboters entpuppt, ein klobiges Gerät mit sich herum, das den Feind offenbar über „elektromagnetische Impulse“ kontrollieren kann. Als Quang (der mit dem sechsten Sinn, der ihn vor Gefahren warnt) das bemerkt, wirft er das Ding, ohne zu wissen, was das eigentlich ist und kann, einfach in den Fluss und meint: „Jetzt bist du so schwach wie wir“. Dass er hier womöglich gerade die Lösung aller ihrer Probleme in den Wassermassen versenkt hat, kommt ihm offenbar nicht in den Sinn. Nicht einmal in den sechsten. Allerdings trägt Mascher noch einen weiteren Apparillo mit sich spazieren, mit dem man den Roborolf sogar ganz simpel per Knopfdruck vernichten könnte. Das funktioniert aber leider nur, wenn man ihm direkt gegenüber steht und „mit der Frequenz direkt zwischen die Augen“ trifft. Wie ungemein praktisch erdacht und entworfen! Hoffentlich sind auch Batterien drin. Der Showdown versucht dann sogar noch, eine emotionale Komponente ins Spiel zu bringen, was eventuell sogar funktioniert hätte, würde Reb Brown nicht jede Nuance komplett vergeigen.

Nein, ROBOWAR ist nicht wirklich gut. Und auch die Synchronisation, die lahmen Enten wie diesen ja oft noch etwas Feuer unterm Hintern machen konnte, schickt sich nicht an, an der gegebenen Situation etwas ändern zu wollen. Allerdings ist die Nummer in ihrer Gesamtheit nun auch wieder nicht so unterirdisch, dass man sich darüber über Gebühr amüsieren könnte. Immerhin sieht hier alles tatsächlich nach Film aus, nicht nach Amateurkrams. Der PREDATOR-Look wurde meist ziemlich gut getroffen, der philippinische Dschungel sorgt für stimmungsvolles Ambiente und ein paar der Maskeneffekte sind richtig schön eklig. Positiv anzumerken ist auch der Synthie-Soundtrack, der speziell im Vorspann richtig gut reinhaut.

Empfehlung? Ja. Aber auch nein.

Laufzeit: 91 Min. / Freigabe: ungeprüft

Montag, 21. Juli 2025

SÖLDNERKOMMANDO II


DRAGON FORCE
USA, Hongkong 1982

Regie:
Michael Mak

Darsteller:
Bruce Baron,
Ho Tsung-Tao/Bruce Li,
Mandy Moore,
James Barnett,
Olivia Cheng,
Fong Min,
Randy Channel,
Seon Blake



Trübsal ist nicht alles, was geblasen wird.
[Jack Sargeant hat immer ein passendes Bonmot parat.]

Inhalt:

Wenn jemand schon Jack Sargeant heißt, dann dürfte klar sein, dass dieser jemand seinen Lebensunterhalt nicht durch Blumengießen bestreitet. Das zeigt sich bereits gleich zu Beginn, als die eben so genannte Person ihrem Gegenüber eine hübsche Kette um den Hals legt. Allerdings keine filigrane aus Gold und Geschmeide, sondern ein massives Eisenprodukt, das sich bestens dazu eignet, unliebsame Gestalten in ungeahnte Höhen zu hieven. Tatsächlich nämlich ist Sargeant [Bruce Baron] ein knallharter Killer, der im Auftrag der Regierung halbseidenes Geschmeiß zurück zum Absender schickt. Kaum gönnt er sich nach seinem letzten Einsatz eine Auszeit am Pool, bereitet Vater Staat seinem entspannten Geplänkel auch schon wieder ein jähes Ende. Eine neue Mission liegt bereit: Prinzessin Rawleen [Mandy Moore], Thronfolgerin des fernen Landes Mongrovia (das liegt vermutlich dort, wo die Auerochsen und Ure wohnen), wurde bei einem Staatsbesuch aus dem Domizil ihrer Freundin Elana [Cheng Man-Nga] entführt. Die Spur führt nach Asien, wo der schurkische General Marushka [James Barrett] sie gefangen hält und dazu zwingen will, politische Entscheidungen zu seinen Gunsten zu treffen. Sargeant nimmt Kurs auf Hongkong und trifft dort auf Dai Lung [Ho Tsung-Tao], den Anführer der Dragon Force, so eine Art Kung-Fu-Elite-Einheit, die ihn nach Absolvierung diverser Aufnahmerituale in ihre Reihen aufnimmt. Gemeinsam ziehen sie nun zu Felde gegen den garstigen General, der wiederum seine Ninja-Armee in die Schlacht schickt. Ein explosiver Kampf entbrennt.

Kritik:

DRAGON FORCE ist Bahnhofskino wie aus dem Bilderbuch und vereint in dieser Funktion so ziemlich alle Klischees, die von solch einem billigen Actionbrett erwartet werden darf. Bereits der grobschlächtige Beginn badet regelrecht in stereotypischen Szenen und Situationen, wenn – nach ein paar einleitenden Aufnahmen aus der verschwitzten Muckibude – der schmierige Bruce Baron ein paar Ganoven beim Diamanten-Deal behumst und im Anschluss so lang in der Gegend herum schießt, schlägt, stößt und stranguliert, bis jede Gegenwehr im Keim erstickt ist. In Kombination mit den schäbigen Schauplätzen, dem plumpen Schnitt und nicht zuletzt den saudummen Sprüchen, die dabei – zumindest in der deutschen Fassung – vom Stapel gelassen werden, ergibt das exakt die Art anspruchsloser Bodensatzunterhaltung, die man nach einem anstrengenden Arbeitstag in der Neurochirurgie einfach mal braucht.

Die Handlung ist wenig überraschend alles andere als originell und klingt zu Beginn fast wie aus einem Märchenbuch, wenn die Prinzessin eines Fantasiestaates aus den Gemächern ihres Schlosses (ok, es ist „nur“ so eine Art Herrenhaus) geraubt wird. Verantwortlich dafür sind jedoch nicht etwa geflügelte Ghule oder ähnliche Gestalten, sondern ein paar handelsübliche Ninjas, wie sie in den 1980ern nach Erfolgen wie ENTER THE NINJA an jeder zweiten Kinoecke zu finden waren  zum Glück, denn Ninjas machen fast alles noch ein kleines bisschen geiler. Bei geklauten Königstöchtern muss natürlich ein Fachmann ran, weswegen die Regierung keinen anderen Ausweg sieht, als Bruce Baron (alias Jack Sargeant) einzuschalten, der es sich gerade am Schwimmbecken gut gehen lässt. Hier war eindeutig James Bond die Blaupause – wobei man offensichtlich bestrebt war, das Vorbild noch zu übertreffen. Und wie toppt man eine dieser typischen Szenen, in denen Schwerenöter 007 kurz vor dem nächsten Auftrag mit einer leicht bekleideten Dame herumschäkert? Klar: Man verdoppelt den Weiblichkeitsfaktor und lässt seine Kopie gleich bei zwei Badenixen auf Tuchfühlung gehen. Auffallend attraktive Erscheinungen sind die beiden freilich nicht, aber Bruce Baron sieht ja auch nicht aus wie Sean Connery – eher wie jemand, der vorbeikommt, wenn das Rohr verstopft ist.

Und das Rohr ist verstopft, und zwar gewaltig. Darum geht es für Baron alias Sargeant postwendend nach Hongkong, wo er zunächst einen Kontaktmann treffen muss („Sagen Sie mir die geheime Parole!“ - „Die was? Es gibt keine Parole!“ - „Sehr richtig, das ist die Parole.“). Diese Episode ist eigentlich ziemlich überflüssig, denn weder der kugelsichere Pulli noch das explosive Jojo aus dem Arsenal des chinesischen Q können Sargeant begeistern. Stattdessen erhält er lediglich Informationen über seinen nächsten Ansprechpartner: den Anführer der Kung-Fu-Kampfeinheit Dragon Force, die der Originalfassung zu ihrem Namen verhilft. Dieser wird gespielt von Ho Tsung-Tao und ist Fans des Hongkong-Kinos alles andere als unbekannt, agierte er doch in mehreren Machwerken als Nachahmer und -folger der früh verstorbenen Kampfkunst-Ikone Bruce Lee (wofür er von den Produzenten das alberne Pseudonym Bruce Li verpasst bekam).

Das Erbe Bruce Lees ist nach Ninjas und James Bond dann auch die dritte Zutat, die in den großen DRAGON FORCE-Kopftopf geworfen wurde. Speziell das Finale erinnert massiv an den Durchbruch des Publikumslieblings: den 1973er-Kung-Fu-Kult ENTER THE DRAGON, der bereits zahlreiche Imitatoren beflügelte. Aber bevor die Fronten im attraktiven Insel-Setting geklärt werden, hangelt sich die Nummer ziemlich vergnüglich und im gesunden Tempo von Station zu Station und gefällt dabei durch ihr infantiles Gebaren ebenso wie durch ihr stets eingehaltenes Mindestmaß an Produktionsqualität. Klar, das Ganze ist kostengünstig und wenig ambitioniert in Szene gesetzt. Aber ein paar der späteren Schauplätze sind wirklich schick und die Actionszenen gefallen durch eine kompetente Umsetzung. Spannung im klassischen Sinne kommt freilich niemals auf. Aber langweilig wird es eben auch nicht, wenn Baron am laufenden Band von den skurrilsten Gestalten angegriffen wird, die wie die Perlen an der Schnur ins Szenario gleiten, sei es ein Samurai-Krieger, ein kostümiertes Drachentänzer-Duo oder eine nur scheinbar harmlose Flötenspielerin, die plötzlich ganz andere Töne anschlägt. Realistisch sind die Schlagabtausche natürlich keine Sekunde lang. Vielmehr erinnert das Ganze an eine launige Zirkusvorstellung, wenn fortwährend bunte Ninjas von den Dächern hüpfen, und das meist in praktischen Zweierpacks, weil sie so viel einfacher zu besiegen sind. Der Härtegrad bleibt dabei eher moderat – wohl auch, weil für ausufernde Brutalitäten das Budget fehlte. Und fliegen doch mal abgetrennte Gliedmaßen durch die Gegend, befindet sich die Effektqualität so ungefähr auf Geisterbahnniveau.

Bruce Baron [→ SÖLDNER KENNEN KEINE GNADE] in der Hauptrolle ist so schlecht, dass es schon fast als Karikatur durchgeht.  Der in Hongkong aufgewachsene Darsteller machte sich vor allem durch seine Auftritte für Ramsch-Regisseur Godfrey Ho einen Namen. Dieser erwarb in den 1980ern die US-Rechte für zahlreiche asiatische Produktionen und drehte fürs amerikanische Publikum neue Szenen hinzu – oft mit irgendwelchen Hampelmännern, die in billigen Ninja-Kostümen durch die Botanik springen. Auch Baron war mehrmals dabei und mimisch passte er dort auch rein. Den weltmännischen Witwentröster hingegen kauft man ihm keine Sekunde lang ab; seine mit dreckigem Grinsen garnierten Anmachsprüche hätten in der Realität nicht einmal in der Dorfdisco um 5 Uhr morgens Erfolg. Hier hingegen wird er als unwiderstehlicher Charmebolzen verkauft, was immerhin als unfreiwilliger Lacherfolg funktioniert. Deutlich besser schlägt sich (im Wortsinne) Ho Tsung-Tao [→ TAG DER BLUTIGEN RACHE], der richtig Glanz in die Hütte bringt. Großartig besser als der Rest spielt er zwar strenggenommen nicht, aber er besitzt halt echtes Charisma. Zudem hat er körperlich auch wirklich etwas auf dem Kasten, weswegen die Kampfszenen mit ihm richtig was hermachen. Schade ist das frühe Ausscheiden des (fast schon obligatorischen) SHAFT-Verschnitts Max Leon, gespielt von Seon Blake, der als Sicherheitsbeauftragter der Prinzessin erst groß eingeführt, dann aber recht lieblos links liegengelassen wird. Dabei kam der schon ziemlich cool rüber und gern hätte man ihn später als Teil der Truppe gesehen.

Apropos Truppe: Der deutsche Titel forciert unnötigerweise eine Verbindung zum 1982er-Heuler KILL SQUAD, der vom selben Verleih als DAS SÖLDNERKOMMANDO vertrieben wurde. Das ist ziemlich paradox, denn Parallelen existieren weder auf inhaltlicher Ebene noch auf stilistischer. Die einzige Gemeinsamkeit liegt darin, dass beide Werke aufgrund ihres Trommelfeuers an Stereotypen und Stupiditäten reichlich gute Laune verbreiten. DRAGON FORCE ist ein ziemlich blöder, ziemlich bunter und ziemlich temporeicher Trip mit einem Drehbuch, das wirkt, als hätten es zwei 15-Jährige nach ner Runde Alkopops verfasst: Kloppe, Ninjas, nackte Weiber, dazu Missetäter aus der Mottenkiste, Hypnose durch rituelles Akupunktieren und dumme Sprüche, bis der Arzt kommt. Der Oberschurke ist so fett, dass er im Türrahmen steckenbleibt und einen Helikopter am Abheben hindern kann. Und die Ninjas? Die springen wie die Cheerleader übereinander, um Pyramiden zu bilden, und explodieren seltsamerweise, sobald sie besiegt sind. Trotz ihres relativ späten Erscheinungsjahrs ist die Veranstaltung zudem immer noch durchzogen von den wohltuenden Vibrationen der Post-Bruce-Lee-Ära, als sich die Tugenden des Hongkong-Kinos regelmäßig mit denen der amerikanischen Blaxploitation und Crime-Serien kreuzten. Das geht klar!

Laufzeit: 93 Min. / Freigabe: ungeprüft

Montag, 14. Juli 2025

DIE CITY COBRA


COBRA
USA 1986

Regie:
George Pan Cosmatos

Darsteller:
Sylvester Stallone,
Brigitte Nielsen,
Reni Santoni,
Andrew Robinson,
Brian Thompson,
John Herzfeld,
Art LaFleur,
David Rasche



„Du bist die Krankheit und ich die Medizin.“
(Grammatikalisch grenzwertig, aber man ahnt, was „Cobra“ meint.)

Inhalt:

Cobretti [Sylvester Stallone], genannt „Cobra“, arbeitet beim LAPD und ist dort der Mann fürs Grobe. Vorschriften und Gesetzestexte interessieren ihn nicht – seine Lösungen sind endgültig. Das entlastet die Richter und sichert den Totengräbern die Miete. Doch jetzt steht Los Angeles vor einer harten Prüfung: Ein Serienmörder, „Nachtschlitzer“ genannt, zieht eine blutige Spur durch die Stadt. 16 Menschen hat er bereits auf dem Gewissen. Die Polizei tappt im Dunkeln – bis das Fotomodell Ingrid Knudsen [Brigitte Nielsen] zufällig Zeuge einer Tat wird und den Killer beschreiben kann. Nun ist sie sein nächstes Ziel. Aber der Schlitzer hat Pech. Denn Knudsen hat einen neuen Beschützer: Cobra!

Kritik:

COBRA – das ist das Ding, das man ins Videogerät schiebt, wenn die Frage kommt: „Papa, was ist eigentlich ‚Reaktionäre Selbstjustizfantasie‘?“ Denn wem DIRTY HARRY, TAXI DRIVER oder DEATH WISH stets ein wenig zu subtil waren, der findet in Sylvester Stallones apokalyptischem Großstadt-Western seinen Meister. Hier muss die zugrundeliegende Gesinnung gar nicht erst mühsam kognitiv erarbeitet werden, hier schmiert einem der „Held“ seine Philosopie höchstpersönlich verbal aufs Butterbrot.

„Im Amerika wird alle 11 Sekunden ein Einbruch begangen – und alle 65 Sekunden ein bewaffneter Raubüberfall. Alle 25 Sekunden wird ein Gewaltverbrechen verübt. Alle 24 Minuten geschieht ein Mord. Und Tag für Tag kommt es zu 250 Vergewaltigungen.“ So berichtet Titelfigur Cobretti, genannt „Cobra“, direkt zum Einstieg mit Grabesstimme aus dem Off, während dessen liebstes Kommunikationsmittel, die Knarre nämlich, dazu fast schon fetischisiert und leinwandfüllend ins Bild gerückt wird. Dieser Auftakt stellt die Weichen und dient als Rechtfertigung für die archaische Hängt-ihn-höher!-Ideologie, die der Anarcho-Polizist im weiteren Verlauf inbrünstig vertreten wird. Denn was Cobra vergessen hat zu erwähnen, ist die Tatsache, dass er sich in diese Kriminalitätsstatistik direkt mit eintragen kann. So macht er keinen Hehl daraus, von den Prinzipien des Rechtsstaates nichts zu halten und übernimmt daher bei der Gangsterjagd Legis- und Judikative gleich mit. „Bei Leuten wie dir hört das Gesetz auf“, nennt er das Kind in einer Szene beim Namen, und als er sein Gegenüber in eine wandelnde Fackel verwandelt, höhnt er zynisch: „Sie haben das Recht zu schweigen.“ Doch nicht nur Cobras Opfer bekommen dessen Verbalattacken um die Ohren gehauen. Vor unerschütterlichem Selbstvertrauen nur so strotzend posaunt er seinen Standpunkt unmissverständlich auch in jedes hingehaltene Pressemikrofon. Er hadert niemals mit seiner Haltung, gerät in keinerlei inneren Konflikt – und behält mit dieser Einstellung auch vollends recht, wenn selbst seine Kritiker gar nicht anders können, als ihm kurz vor Einsetzen des Abspanns zu seinem Erfolg zu gratulieren.

Das kratzt verdächtig gewaltig an der Selbstparodie, ist aber offenbar bierernst gemeint. Die treibende Kraft hinter dieser feuchten Faustrechtfantasie ist zugleich auch ihr Hauptdarsteller: Sylvester Stallone. Durch ROCKY, RAMBO & Co. zum Erfolgsgaranten avanciert, durfte er sich für das produzierende Studio das nächste Projekt quasi aussuchen. Seine Wahl fiel auf die Verfilmung des Romans FAIR GAME von Paula Gosling, den er eigenhändig in ein Drehbuch umwandelte – und sich dabei offenbar durch knallige Schlagzeilen über Gewaltkriminalität aufputschen ließ. Von der Vorlage blieb dabei am Ende so wenig übrig, dass man die Referenz auch gleich wieder hätte streichen können. Stallones eigentliche Inspiration lag offenbar ganz woanders: auf der Mär des unerbittlichen Vigilanten, der die Straßen vom Abschaum befreit. Diese hatte zu dem Zeitpunkt allerdings schon einen Bart, der kaum mehr waschbar war. Dirty Harry, eine der Ikonen des Genres, war in den 15 Jahren zuvor schon ganze vier Mal auf Streife und kämpfte mittlerweile nicht nur gegen Großstadtgesocks, sondern auch mit deutlichen Abnutzungserscheinungen. Charles Bronson sprach im Vorjahr bereits seinen dritten Death Wish aus, der gut und gern als Kulmination des Themas gelten darf. Und selbst ein eher kleines Licht wie der Exterminator war schon zwei Male unterwegs und hatte sein Vergeltungsfeuer dabei vollständig verschossen. Dazu kommen die Legionen von (zum Großteil italienischen) Nachahmern, deren Schießeisen auch so langsam wieder abkühlten – gab ja auch nach all den Jahren kaum noch was zum Killen da draußen.

Soll heißen: Als Stallone seine COBRA von der Leine ließ, war der knallharte Cop auf Rachefeldzug schon längst ein richtig alter Hut. Etwas Originelles beizusteuern hatte seine Arbeit ebenfalls nicht, im Gegenteil: Die Handlung ist eine Ausgeburt an Einfallslosigkeit und erfüllt so ziemlich jedes Klischee, das bessere Werke in den Jahren zuvor etabliert hatten. Der Plot um den „Nachtschlitzer“, der die Ordnungshüter von Los Angeles anständig auf Trab hält, steht dabei auf sehr wackeligen Beinen und ist in der Ausführung alles andere als plausibel. Das erste Stirnrunzeln setzt bereits ein bei der Information, dass der Serienkiller seine Opfer scheinbar wahllos auswählt und jedes Mal auf andere Weise und mit anderer Waffe tötet. Da nie von einem Bekennerschreiber oder Ähnlichem die Rede ist, fragt man sich bald, warum denn überhaupt von einem einzelnen Täter ausgegangen wird. Wird nachts ein Hund überfahren, war es für die Polizei vermutlich auch der Nachtschlitzer. Nur Cobra hat natürlich den richtigen Riecher und ahnt, dass man es mit mehreren Killern zu tun hat. Allerdings glaubt ihm keiner. Bis auf das Publikum, aber das ist zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon schlauer. Denn noch während des Vorspanns wird es Zeuge, wie ein paar Heiopeis in einer schwadengetränkten Lagerhalle herumlungern und mit eiserner Verstopfungsmiene beidhändig Streitäxte über ihren Köpfen zusammenschlagen. Ein schönes Hobby!

Die Axt-Atzen, so stellt sich schnell heraus, sind tatsächlich Urheber der Mordserie und gehören zu einer sektenartigen Vereinigung, die von einer neuen Weltordnung träumt. Alle Menschen, die in ihren Augen „zu schwach“ sind, müssen daher eliminiert werden. Das ist dann auch schon die ganze Motivation. Inwiefern es der Erschaffung einer neuen Welt dienlich ist, wahllos Autofahrer und Spaziergänger zu entleiben, bleibt zwar ein Rätsel, aber Verrückte fragt man ja bekanntlich nicht nach ihrem Ausweis. Entscheidend ist nur, dass es mit dem Fotomodell Ingrid Knudsen (ein dänischerer Name ist Herrn Stallone beim Schreiben nicht eingefallen) plötzlich eine außerplanmäßige Zeugin gibt, weswegen die Haupthandlung endlich ins Rollen kommen darf. Verkörpert wird Knudsen von Brigitte Nielsen [→ RED SONJA], die damals tatsächlich noch wie ein Mensch aussah und nicht wie ein zum Leben erwachtes Botox-Lager. Dass sie zu dem Zeitpunkt außerdem die Ehefrau von Stallone war, unterstreicht abermals, wie viel Einfluss dieser bei COBRA geltend machen konnte. Nahgebracht wird ihre Figur mittels eines bizarren Mode-Shootings, in das auch eine Schar obskurer Roboter involviert ist. Mit den piepsenden Blechkameraden hatte man es zu der Zeit irgendwie – in ROCKY IV (1985) kam so ein Ding ja auch in ähnlich sinnloser Weise vor. Nach Frau Knudsens unfreiwilliger Beobachtung begeht die Mörderbande natürlich den Fehler, sie umgehend ausschalten zu wollen, was in diesem Moment vermutlich die schlechteste aller Ideen ist, da sie dadurch in Sachen Tat und Ort berechenbar wird (dass das denkbar alberne Phantombild, das nach Knudsens Beschreibung entstand, nun garantiert niemanden an den Galgen bringen wird, kann sie freilich nicht wissen). Immerhin sorgt die daraus resultierende Hatz durch beengte Krankenhausgänge für ein paar stimmungsvolle Spannungsszenen mit deutlichem Hang zum Slasher der Marke HALLOWEEN, der zum Produktionszeitraum ja ebenfalls noch hoch im Kurs stand.

Regelrecht absurd wird es hingegen, wenn die Gruppierung ihre Deckung schließlich vollends verlässt, um in aller Öffentlichkeit und am hellichten Tage eine Autojagd auf ihre bis dahin einzige Zeugin vom Zaun zu brechen, die – gesäumt von Blechschrott-Ballett und Detonationsgetöse – natürlich Dutzende von neuen Zeugen auf den Plan ruft. Klug ist das nicht. Aber immerhin gut inszeniert, mit vielen schönen Perspektiven und voll von flirrender Energie. Später folgt die Killermeute der Frau zwecks unverdrossener Lichtauspustungspläne dann sogar aufs ferne Land hinaus, wohin Cobra (der von ihrem Beschützer natürlich hurtig zu ihrem Bestäuber aufsteigt) sie in Sicherheit bringen wollte. Stallone erklärt diese ausgeprägte Besessenheit (sowohl in seiner Rolle als Cobra als auch als Autor der ganzen Chose) allein damit, dass man es eben mit Fanatikern zu tun hat, und Fanatiker tun halt fanatische Dinge. So einfach ist das! Ohne narrative Raffinessen wird dann auch schon ziemlich zügig die Endabrechnung eingeleitet, die – weil man eigentlich gar nicht viel zu erzählen hat – tüchtig ausgewalzt wird, erst abermals mit gewagter Konfrontation auf schroffem Asphalt, dann sich ins örtliche Stahlwerk verlagernd, das da erstaunlich unbeaufsichtigt in der Gegend herumsteht und -dampft und -zischt (ohne Witz: Da ist im gesamten Komplex tatsächlich nur ein einziger Kerl anwesend, und der ist ziemlich schnell weggepustet). Das ist, zwischen all dem Schwalk und Feuer, den verwinkelten, mit blinkenden Apparaturen vollgestopften Gängen und von der Decke hängenden Haken, Schläuchen und Rohren, natürlich eine verdammt geile Kulisse für einen kernigen Showdown, bei deren purem Anblick das Publikum schon mit ins Schwitzen gerät. Und wenn dann alles vorbei ist, scheinen sich, zusammen mit dem Oberschurken, auch alle anderen Probleme der großen, weiten Welt gleich mit in Rauch aufgelöst zu haben. Friede, Freude, Eierkuchen!

Ja, COBRA ist inhaltlich bescheuert, vor Klischees strotzend, in seinen Manipulationsversuchen naiv und seiner Botschaft untragbar. Aber ist er auch schlecht? Definitiv nein! Denn dafür ist er viel zu geil gemacht. Schon der Vorspann ist ein visueller Volltreffer, wenn die motorradfahrende Hauptfigur sich als Silhouette vor blutrotem Hintergrund abhebt und dazu die Titel in feinster 80er-Jahre-Schrift erscheinen. Jahrzehnte später, als die große Retro-Welle begann, versuchte man diesen Stil verzweifelt zu imitieren, hier wird er noch ganz authentisch gelebt – Zeitgeist statt Zitat! Die versierte Regie von Georgios Pan Cosmatos [→ RAMBO II] ist frei von Makeln und die ästhetischen, in Nebel und Neonlicht getauchten Kamerabilder Ric Waites [→ NUR 48 STUNDEN] heben das Ganze auf ein enorm hohes Niveau. Optisch erinnert dieses Spiel mit starken Schatten und Kontrasten an typische cineastische Endzeitvisionen dieses Jahrgangs wie TERMINATOR, an das Porträt einer von wortkargem Nihilismus beherrschten Welt am Rande des Abgrunds. Allein Cobrettis mit allerhand Tand vollgestopfte Bude (in der er natürlich – den Straßenlärm im Ohr und begleitet von neuen Horror-Nachrichten aus der Glotze – mit seiner besten Freundin, der Waffe, herumhantiert) ist ein herrlicher Anblick irgendwo zwischen Chic und Schmuddel. Cobretti selbst kommt indes nicht sonderlich sympathisch rüber in seiner maßlos übertriebenen Macho-Attitüde. Wird ein Typ frech (wie der Latino, der nicht richtig einparken kann), reißt Cobra ihm einfach das Hemd runter und schlendert desinteressiert von dannen, wofür er nicht etwa aufs Maul bekommt, sondern postwendend respektiert wird. Bevor er dem Geiselnehmer im Supermarkt den Garaus macht, greift er hingegen erst einmal lässig zur herumstehenden Coladose – Dienst ist Dienst und Durst ist Durst!

Awesome steht auf seinem Nummernschild, eine der wenigen offenkundig ironischen Brechungen seiner Figur. Ansonsten wirkt Cobra wie eine Karikatur des typischen 80er-Jahre-Cops, die damals gar nicht wusste, dass sie eine ist: Die Sonnenbrille scheint festgewachsen, das Streichholz verlässt nur selten seinen angestammten Platz im Mundwinkel und das Goldkettchen ist stets blankpoliert. Seine Dienstkleidung besteht aus Blue-Jeans, langem Mantel und Lederhandschuhen. Und auf seinem Pistolengriff ist eine Kobra eingraviert, damit er nicht vergisst, wie er heißt. Natürlich sind auch seine Gegner Stereotype durch und durch, völlig realitätsfern zum Leinwandleben erweckt und ohne jedes nachvollziehbare Motiv – böse sein des Böseseins wegen. Zum Glück kann Cobra bei deren Bekämpfung auch zuverlässig auf die weiteren Klischees seiner Zeit zählen: Die Schurken schießen aus allen Rohren – nichts passiert. Cobra schießt zurück – das Schurkenauto explodiert. Das liegt vermutlich an der Awesomeness. Abgesehen davon, dass die Gesetze der Physik bei ihrem Anblick in Tränen ausbrechen, sind die Action-Szenen allerdings vortrefflich arrangiert, mit tadelloser Stunt-Arbeit und dynamisch eingefangener Fahrzeug-Artistik. Eine längere Sequenz gegen Ende erinnert aufgrund zahlreicher Angreifer hoch zu Motorrad stilistisch sogar an den Meilenstein MAD MAX. Energiegeladenes Hantieren mit Großkalibrigem und eine gesunde Portion Feuerzauber sorgen für weitere wohlige Schau- und Unterhaltungswerte.

COBRA (der in Deutschland zur CITY COBRA wurde, mutmaßlich in Anlehnung an Arnold Schwarzeneggers Konkurrenzprodukt DER CITY-HAI aus demselben Jahr, mit dem er aber natürlich nichts zu tun hat) ist somit für Fans klassischer 1980er-Ästhetik und -Mentalität nahezu ein Muss, wenngleich auf inhaltlicher Ebene deutliche Abstriche gemacht werden müssen. Je nach Fasson mag genau das die Empfehlung freilich noch unterstreichen. Eine stussige Story trifft auf reaktionäres Gedankengut und eine ganze Kirmes an Klischees – die teils allerdings erst rückblickend zu welchen wurden. Das macht in seiner Mischung aus Hohlheit und hoher Handwerkskunst schon ziemlich Laune. COBRA verlustiert man daher am Besten auf Großbild-Leinwand im hauseigenen Heizungskeller, während man dazu Streitäxte über dem Kopf zusammenkloppt. Kochlöffel tun’s zur Not auch.

Laufzeit: 90 Min. / Freigabe: ab 18

Montag, 7. Juli 2025

DRIVE


DRIVE
USA 2011

Regie:
Nicolas Winding Refn

Darsteller:
Ryan Gosling,
Carey Mulligan,
Bryan Cranston,
Albert Brooks,
Oscar Isaac,
Christina Hendricks,
Ron Perlman,
Russ Tamblyn



Nachdem die PUSHER-Trilogie und die fast schon als Stillleben durchgehende Wikinger-Meditation VALHALLA RISING eher vor einem kleinen Publikum gelaufen waren, gelang dem dänischstämmigen Regisseur Nicolas Winding Refn mit dem deutlich massentauglicheren DRIVE der internationale Durchbruch. Dabei vollbrachte er das Kunststück, eine sattsam bekannte Geschichte dermaßen frisch und virtuos in Szene zu setzen, dass man den Eindruck gewinnt, etwas Ähnliches habe es bis dahin noch nicht gegeben. 

Inhalt:

Ein junger Automechaniker [Ryan Gosling] bessert seine bescheidene Gage dadurch auf, dass er sich von finsterem Gesocks gelegentlich als Fluchtwagenfahrer anheuern lässt. Dank seiner außergewöhnlichen Fahrkünste schafft er es dabei regelmäßig, der Polizei zu entkommen. Privat führt er ein unauffälliges Leben in einer schäbigen Mietwohnung. Im Laufe der Zeit verliebt er sich in seine Nachbarin Irine [Carey Mulligan]. Doch als beide gerade dabei sind, sich näherzukommen, wird ihr Ehemann Standard [Oscar Isaac] aus dem Gefängnis entlassen. Dieser schuldet dem gewissenlosen Gangster Cook [James Biberi] noch Geld. Um Irine zu schützen, bietet der Fahrer an, Standard bei einem Überfall zur Seite zu stehen. Doch der Plan misslingt: Standard wird aufs Kreuz gelegt und bezahlt mit seinem Leben. Zwar kann der Fahrer mitsamt der Beute entkommen, doch ist er nun seines Lebens nicht mehr sicher: Cook ist hinter ihm und dem Geld her. Eine Spirale der Gewalt setzt sich in Gang.

Kritik:

Vor Spannung im Sitz vibrieren wird der Betrachter aufgrund ausgetretener Handlungspfade freilich kaum und auch die Story-Elemente kommen einem doch arg vertraut vor. Cineastische Geschwindigkeitszelebrationen wie TRANSPORTER (2002) mit Jason Statham als rasendem Kurier kommen einem in den Sinn, und nicht nur der Titel weckt Erinnerungen an Walter Hills Klassiker DRIVER (1979), in dem Ryan O’Neill ebenfalls einen versierten Fluchtwagenbeschleuniger mimt. Hier hingegen ist es ein anderer Ryan, nämlich ein Gosling, der seine Fahrkünste in den Dienst der Unterwelt stellt und dabei ein rigoroses, in Eigenregie verfasstes Regelwerk befolgt. Er ist ein Profi, dem jedwede Menschlichkeit abhandengekommen zu sein scheint: Sein Blick ist stets leer, seine Art unnahbar. Als dann doch das Unerwartete eintritt und er erstmals aus Zuneigung zu einer anderen Person, also eben menschlich, agiert, gerät seine wohlgeordnete Welt aus den Fugen.

Inhaltliche Parallelen zu den genannten Referenzen sind gewiss nicht aus der Luft gegriffen, allein das ‚Wie‘ macht hier den Unterschied. Leuten mit Sinn für Stil und Ästhetik dürften sich nämlich die Augen weiten. Der bis zum Anschlag durchstilisierte Neo-Noir-Thriller besticht von der ersten bis zur letzten Sekunde durch formvollendet lässige Eleganz. Bereits die eröffnende Autojagd unterlegt Refn nicht etwa mit peitschendem Score, wie ein etwas weniger vorsichtiger Regisseur es vermutlich getan hätte, sondern mit einem aus dem Radio tönenden Kommentar eines Basketball-Spiels. Anstatt à la THE FAST AND THE FURIOUS einfach stumpf aufs Gaspedal zu treten, um den Verfolgern zu entkommen, geht der Protagonist, dessen Name tatsächlich nie Erwähnung findet und der darum stets nur als ‚Fahrer‘ bezeichnet wird, mit Taktik, Klugheit und Bedacht zu Werke – eine passendere Metapher für den Erfolg von DRIVE ließe sich nur schwerlich finden.

Grundsätzlich zwar ebenfalls zum Action-Genre zählend, gibt sich DRIVE ungewohnt entspannt und nimmt sich Zeit für seine Figuren und deren Gefühle, ohne sich dabei einer banalisierenden Verbalisierung zu unterwerfen – mehr als einmal ersetzt gekonnte Gestik das erklärende Gespräch. Stereotypen werden dabei stilsicher umschifft. Trotz seiner Überlegenheit am Steuer und seines durchaus brutalen Durchgreifens zur Erlangung eigener Ziele hat dieser Fahrer mit klassischer Coolness in Form markiger Sprüche und dem üblichen Rollenbild des selbstbewussten Alphamännchens, wie Jason Statham es verkörperte, nichts gemein. Er ist kein herkömmlicher Held, sondern ein Mensch, der in einer verworfenen Welt sein zweifelhaftes Steckenpferd gefunden hat. Dass er weder Namen noch Vergangenheit besitzt, ist keine künstlerische Überhöhung, sondern Ausdruck seiner Unfähigkeit zur sozialen Interaktion. Ähnlich unkonventionell gezeichnet wurde sein Rivale um die Gunst der Dame, die den Fahrer ja immerhin etwas aus seiner introvertierten Lethargie gerissen hat. Doch obwohl gerade erst aus dem Gefängnis entlassen, ist der von Oscar Isaac [→ SUCKER PUNCH] porträtierte Ehemann nicht etwa, wie erwartet, ein verachtenswerter Schläger, sondern ein vielschichtiger Charakter voller Stärken und Schwächen, der dem Fahrer sogar Sympathien entgegenbringt, obwohl er um dessen Gefühle für seine Frau weiß.

Natürlich steht und fällt so eine Nummer mit ihrer Besetzung. Und vor allem bei der Hauptrolle hat man dabei alles richtig gemacht: Ryan Goslings [→ MORD NACH PLAN] zurückgenommenes und dennoch (oder gerade deswegen) sagenhaft intensives Spiel ist ein Hochgenuss. Kein überflüssiges Wort kommt ihm über die Lippen. Die kleinste Regung in seinem Gesicht hingegen spricht ganze Bände. Jeder Blick, jede Bewegung, jedes kleine Zucken … Alles sitzt punktgenau. Kein Wunder also, dass Refn, zumindest laut eigener Aussage, die Mitwirkung Goslings zur Voraussetzung für die Umsetzung machte. Aber auch die kleineren Rollen sind stark besetzt. Besonders Bryan Cranston [→ GODZILLA] als gutmütiger Werkstattbesitzer und Albert Brooks, der 1976 bereits dem TAXI DRIVER zur Seite stand (ganz gewiss ebenfalls kein Zufall), als unberechenbarer, zu überraschenden Gewaltakten neigender Gangster wissen zu gefallen.

Aller Extravaganz in Sachen Stil und Charakterisierung zum Trotze gehorcht das Handeln der Figuren insgesamt dann allerdings doch eher den Regeln des Mediums denn der Realität. So fragt man sich etwa, warum die Gangster – selbst nach den ersten Opfern in den eigenen Reihen – die finale Rache des Fahrers geduldig abwarten, anstatt vernünftigerweise das Weite zu suchen. Ähnlich merkwürdig mutet es an, dass Leute, die wissen, dass sie auf der Abschussliste stehen, mutterseelenallein mitten in der Nacht sehenden Auges ins Messer laufen. Mag ihr Schicksal auch beschlossene Sache sein, allzu einfach sollte man es der Vorsehung dann nun doch nicht machen. Dass es Regisseur Refn auf Realismus ankam, darf allerdings bezweifelt werden, denn seine Arbeit funktioniert hervorragend als das, was sie sein möchte: als filigrane Fingerübung, die die Möglichkeiten intelligenter Inszenierung bis zum Exzess auslotet. DRIVE war zudem einer der ersten Beiträge der 1980er-Retro-Welle, die um 2010 rum an Fahrt gewann. Musik, Ästhetik und Look sind daher voll und ganz dieser Epoche verschrieben, weswegen Refn seinem später auch wiederholt unter Beweis gestellten Faible für Neonlicht, Synthesizer-Sound und hypnotischen Minimalismus freien Lauf ließ. Aufgemotzt mit ein paar weiteren optischen Spielereien (so wird der Kampf zweier Personen lediglich als Schattenspiel visualisiert) und einem exzellenten Einsatz sorgsam ausgewählter Songs, welche die Intensität mancher Momente ins Unermessliche steigern, ist DRIVE ein großartig durchkomponiertes Fest für Geist und Sinn. Abgefahren!

Laufzeit: 101 Min. / Freigabe: ab 18

Dienstag, 1. Juli 2025

THE PROSECUTOR


NG PAAN
China 2024

Regie:
Donnie Yen

Darsteller:
Donnie Yen,
Julian Cheung Chi-Lam,
Francis Ng Chun-Yu,
Michael Hui Koon-Man,
Michael Cheung Tin-Fu,
Kent Cheng Jak-Si,
Ray Lui Leung-Wai,
Mark Cheng Ho-Nam,
Lau Kong


Recht lange hat es gedauert, bis der Name „Donnie Yen“ auch in westlichen Gefilden ein Begriff war. In Asien schon seit den späten 1980ern ein Star, sei es durch seine Mitwirkung bei der im Polizei-Milieu angesiedelten IN THE LINE OF DUTY-Reihe, der TIGER CAGE-Trilogie oder historischen Kung-Fu-Epen wie IRON MONKEY, verpasste der pseudobiographische IP MAN (2008) dem Schauspieler und Kampfkünstler schließlich den nötigen Popularitätsschub, um auch im Rest der Welt als bekannt zu gelten. Immer mehr zum Aushängeschild der chinesischen Filmindustrie herangezüchtet, entstanden seitdem zahlreiche nur auf ihn zugeschnittene Werke, die seinen Status nachhaltig untermauern sollten. Dabei blieb man der Erfolgsformel in der Regel treu: Yen gab überwiegend den kampferprobten Großstadt-Polizisten oder den edlen Helden vor historischem Hintergrund. THE PROSECUTOR reiht sich da recht nahtlos ein, obwohl vom Grundprinzip her tatsächlich eher neues Terrain betreten wird. Vordergründig betrachtet hat man es nämlich mit einem waschechten Justiz-Thriller zu tun – ein Genre, in dem sich vornehmlich das amerikanische Kino sehr wohlfühlt, das vom asiatischen Markt aber überwiegend ignoriert wird. Das Drehbuch von Wong Chi-Mun [→ DIE SÖHNE DES GENERALS YANG] sorgt allerdings schon dafür, dass Fans nicht vor den Kopf gestoßen wird und es nicht allzu unyennig zugeht. Und so beginnt die Geschichte dann auch ziemlich vertraut: mit einem Yen in schicker Polizeiuniform.

Inhalt:

Fok Chi-Ho [Donnie Yen] ist Polizist mit Leib und Seele. Doch eines Tages kommt es zum Eklat: Beim Einsatz gegen ein Waffenkartell rettet er einer Kollegin das Leben und verletzt sich dabei schwer. Doch vor Gericht wird der versuchte Mörder freigesprochen. Enttäuscht vom System hängt er seinen Job an den Nagel – um selbst Staatsanwalt zu werden. Ein paar Jahre später beginnt er seinen neuen Dienst im Justizministerium unter der Ägide des erfahrenen Bao Ding [Kent Cheng]. Gleich sein erster Fall bringt Probleme: Der junge Ma Ka-Kit [Fung Ho Yeung] wird des Drogenhandels beschuldigt. Laut eigener Aussage hat er lediglich – gegen ein kleines Entgelt von Unbekannt – seine Adresse für die Annahme eines Pakets zur Verfügung gestellt, ohne zu wissen, was sich darin befand. Auf Anraten seiner Anwälte bekennt er sich schließlich trotzdem schuldig – bei Ersttätern sei ein mildes Urteil zu erwarten, so wird ihm gesagt. Wider Erwarten verurteilt ihn der Richter [Michael Hui] allerdings zu einer sehr hohen Haftstrafe. Fok vermutet ein abgekartetes Spiel und beginnt außerplanmäßig zu ermitteln. Er stößt auf ein weit verzweigtes kriminelles Netzwerk – und muss sich bald vor Auftragskillern hüten.

Kritik:

Die Eröffnungssequenz erfreut den Action-Freund zunächst auf vertraute Weise mit viel brachial inszeniertem Bleiaustausch, teils aus subjektiver Sicht, was Assoziationen zum klassischen „Ballerspiel“ hervorruft. Der Duktus ist dabei gewohnt übertrieben: Yen schaltet die gegnerische Partei fast im Alleingang aus – eine realitätsferne Befähigung zur Übermacht, die seinem Charakter auch in den folgenden zwei Stunden niemals abhanden kommt. Nicht genug der Heldentaten, rettet er im Anschluss an die Razzia obendrein einer Kollegin das noch so junge Leben, und zwar mittels eines Stunts, der jeden echten Menschen postwendend in die Urne befördert hätte. Als die anschließende Gerichtsverhandlung den Freispruch des Beinahetodverursachers zur Folge hat, sieht Fok sich gezwungen, den Polizeidienst zu quittieren, um stattdessen das Justizwesen mit ähnlich eherner Entschlossenheit zu bereichern. Das dafür nötige Studium verläuft offenbar ohne jede Müh, weswegen – zumindest laut Skript – sieben Jahre später ein neues Kapitel aufgeschlagen werden und Fok sich nun als Staatsanwalt verdingen kann.

Erwartungsgemäß legt er sich dabei aufgrund seiner Art, Gegebenheiten zu hinterfragen, schnell mit seinem Vorgesetzten an, der vom Genre-Veteranen Francis Ng [→ EXILED (2006)] verkörpert wird. Hier geraten Tempo und Spannung ein wenig ins Stocken, da der zugrunde liegende Fall nicht sonderlich aufregend ist: Ob der junge Ma Ka-Kit nun tatsächlich fälschlicherweise wegen Drogenhandels verurteilt wurde, obwohl es womöglich „nur“ Drogenbesitz war, oder ob er gar gänzlich unschuldig ist und hereingelegt wurde, führt beim Betrachter schnell zu gepflegtem Desinteresse. Allerdings nicht bei Fok, der gegen alle Widerstände versucht, den Fall neu aufrollen zu lassen. Als emotionaler Anker dient die Einbindung des Großvaters des Verurteilten, von Lau Kong [→ CITY ON FIRE (1987)] porträtiert als älterer Herr, der die Entlassung seines Enkels wohl nicht mehr miterleben würde, sollte ein Justizirrtum nicht rechtzeitig aufgeklärt werden. Laus Figur wird in erster Linie dazu genutzt, Donnie Yens Rolle als unerschütterlichen Gutmenschen zu präsentieren, der dem in ärmsten Verhältnissen lebenden Mann sogar heimlich Geldscheine zuschanzt. Richtig in Schwung kommt die Sache dann wieder, als Fok im Zuge eigenmächtiger Nachforschungen zur Zielscheibe diverser Anschläge wird, wobei das Drehbuch recht kopflos und dramaturgisch holprig ins Crime-Genre stolpert und das Geschehen aus den heiligen Hallen der Rechtsprechung zurück auf die Straße verlagert, in verrauchte Räuberhöhlen und zwielichtige Clubs, wo dreckige Gauner zwischen Koks, Nutten und Zigarettenqualm düstere Pläne schmieden.

Die Darstellung der Unterwelt gerät dabei arg klischeehaft und erinnert eher an Groschenromane oder altmodische Comic-Strips denn an Realitäten, inklusive heiser röchelnder Marlon-Brando-Kopie und aufgeregter Diskussion darüber, wer denn dem Gegenüber nun die Kugel in den Kopf jagen darf. Ins Reich der Fabel gehört fraglos auch die von der Leine gelassene Killermaschine (Yu Kang aus SPECIAL ID [2013]), die Donnie Yen das Leben schwermachen darf und selbst nach Stürzen von hohen Häuserdächern noch geistenskrank lachend und fit wie ein Turnschuh durch die Gegend springt. Das ist zwar schwer unterhaltsam und macht anständig Laune, beißt sich aber natürlich mit der seriösen Attitüde, die zuvor im Justizministerium oder Gerichtsaal hinaufbeschworen wurde. Angeblich sollte THE PROSECUTOR ursprünglich sogar ohne solche Kampfmomente auskommen und erst nachträglich wurde entschieden – die Fan-Gemeinde stets Blick –, derlei Yen-typische Handgemenge zu integrieren. Dafür darf man durchaus dankbar sein, denn die wuchtigen Kung-Fu-Kollisionen – Plausibilität hin oder her – verpassen der phasenweise etwas trägen Haupthandlung die nötige Portion Pfeffer.

Dabei bäckt die Inszenierung derselben wahrhaft keine kleinen Brötchen: Die Fights kommen nicht wie ein simples Duell Mann gegen Mann daher, sondern werden zu epischen Schlachten hochskaliert. In der imposantesten Aufnahme stellt sich Fok auf dem Dach eines Clubs einer Heerschar an Kontrahenten. Dabei wechselt die Kamera alsbald in die Vogelperspektive und bildet zusätzlich zum Kampfgetümmel die Skyline der gesamten Stadt ab, was dem Geschehen eine fast monumentale Bedeutung verleiht. Solcher Exzess, die Zelebrierung von körperlicher Konfrontation als überlebensgroßes, staatstragendes Jahrhundertereignis, erinnert stilistisch an die einflussreiche JOHN WICK-Reihe, in deren viertem Teil Donnie Yen ja ebenfalls zu Gast war. In Erinnerung bleibt außerdem Foks finale Verteidigungsmaßnahme gegen den nahezu unkaputtbaren Syndikatskiller in der U-Bahn – wobei diese sich eher für einen ICE zu halten scheint, immerhin rast sie in einem Affenzahn durch den Tunnelschacht und keine Haltestelle dieser Welt schickt sich an, die ausufernde Auseinandersetzung zu unterbrechen.

In solchen Momenten fühlt sich der Action-Aficionado angenehm zuhause, ist es doch gerade diese verspielte Beugung realer Gegebenheiten, die das Genre so aufregend macht. Dem Anspruch, gleichzeitig auch einen authentischen Einblick in Rechtsverhältnisse zu gewähren, wird man hingegen in keiner Weise gerecht. THE PROSECUTOR wurde nämlich tatsächlich von der Obersten Volksstaatsanwaltschaft gefördert und versteht sich damit als eine Art Prestigeprojekt. Dementsprechend wird zwischen den Zeilen gern auch mal ein Hohelied auf den Rechtsstaat sowie die Unabhängigkeit der chinesischen Justiz angestimmt. Das ist natürlich ein echter Lacher, zum einen, weil es schlicht nicht der tatsächlichen Situation vor Ort entspricht, zum anderen aber auch, weil THE PROSECUTOR dieser Behauptung sogar selbst widerspricht. Fok nutzt seine berufliche Vergangenheit nämlich, um weiterhin mit der Polizei zu kooperieren und ermuntert alle Anwesenden dazu, an einem Strang zu ziehen. Gewaltenteilung? Kann weg! Dazu kommt – und das ist der eigentliche Witz an der Sache –, dass im Grunde gar kein sonderlich gutes Licht auf den Justizapparat geworfen wird: überlastete Staatsdiener, die in der Abarbeitung ihrer Fälle kaum noch hinterherkommen und daher stets zur einfachsten Lösung greifen, arrogante Richter, die überteuerten Wein saufen und bereitwillig Unschuldige verknacken, sofern die Beweislage es hergibt, abgestumpfte Anwälte, die ihre Prozesse so schnell wie möglich hinter sich bringen wollen … Da muss schon eine Lichtgestalt wie Donnie Yen anrücken, um das schlingernde Schiff wieder auf Kurs zu bringen und das Gleichgewicht wieder herzustellen. Yin und Yen, sozusagen.

Überraschend subversiv geriet zudem auch die Darstellung der krassen Arm-Reich-Schere, wenn die mitleiderregenden Lebensumstände bürgerlicher Figuren mit dem sündhaft teuren Chic weniger Priviligierter kontrastiert wird. Auch soziale Barrieren sowie die prekäre Wohnsituation in Hongkong werden immerhin am Rande thematisiert. In Anbetracht der staatlichen Kontrolle über unliebsame Inhalte ist es ein ziemlich unerwartetes Zugeständnis, dass das Bild vom Leben in der Metropole nicht unbedingt in den schillerndsten Farben gemalt wird. Ungeachtet dieser teils durchaus kritischen Untertöne bleibt THE PROSECUTOR am Ende natürlich jedoch vor allem eines: ein weiteres Vehikel, um Donnie Yens Ruf als Vorzeigeheld zu zementieren. Für weiteres Aufsehen sorgen Auftritte altbekannter Genre-Gesichter wie das von Michael Hui [→ ENTE GUT, ALLES GUT (1988)], der in den 1980ern in China als Komiker eine Größe war und hier nun als strenger Richter gezielt gegen den Strich besetzt wurde. Oder das von Kent Cheng in der Rolle des gewissenhaften Mentors, der hier einen erfreulich mobilen Eindruck macht, bedenkt man, dass er bei früheren Gastspielen wie im Jackie-Chan-Knaller CRIME STORY (1993) kaum in den Fahrstuhl passte. 

Das Urteil: Nach eingehender Beweisaufnahme und sorgfältiger Prüfung aller Augenzeugenberichte ist nach reiflicher Überlegung und gewissenhafter Abwägung zu konstatieren, dass THE PROSECUTOR deutlich mehr Stärken als Schwächen aufweist. Insbesondere die großartig in Szene gesetzten Action-Sequenzen unterstreichen die Wertigkeit des Werks und fließen maßgeblich in die Gesamtwertung ein. Die Anklage wegen Pathos und Propaganda wird mit dem Hinweis auf deren relative Unterrepräsentation als irrelevant verworfen – sie können dem Ergebnis keinen ernsthaften Schaden zufügen. Gleichwohl wird befunden, dass Protagonist Yen trotz fortgeschrittenen Alters von 60 Jahren immer noch eindrucksvoll sowohl Charisma als auch körperliche Agilität zur Schau trägt, was uneingeschränkte Hochachtung hervorruft. Somit ergeht ein rückhaltloses Empfehlungsschreiben für alle Fans der Durchsetzung martialischer Gerechtigkeit. Kein Grund zur Klage!

Laufzeit: 117 Min. / Freigabe: ab 16

Dienstag, 24. Juni 2025

JOLT


JOLT
USA 2021

Regie:
Tanya Wexler

Darsteller:
Kate Beckinsale,
Jai Courtney,
Stanley Tucci,
Bobby Cannavale,
Laverne Cox,
Ori Pfeffer,
David Bradley,
Susan Sarandon



„Manche Leute heulen, manche saufen, manche schreiben scheiß Gedichte. Ich bin gewalttätig. Wird Zeit, das sinnvoll einzusetzen.“
(Immer schön, wenn man sein Hobby zum Beruf machen kann.)

Inhalt:

Einfach nur zu behaupten, Lindy [Kate Beckinsale] habe ein Aggressionsproblem, wäre eine gewagte Untertreibung. Seit ihrer Kindheit trägt sie eine kaum kontrollierbare Wut in sich. Und ihre Hemmschwelle ist niedrig. Schon bei kleinen Provokationen oder Ungerechtigkeiten brennen ihr die Sicherungen durch und brutaler Hass bricht sich Bahn – oft sehr zum Leidwesen ihrer Mitmenschen. Kein Wunder also, dass sich Lindy weitestgehend aus der Gesellschaft zurückgezogen hat. Hoffnung keimt erst auf, als ihr Psychiater Dr. Munchin [Stanley Tucci] sie zu einem neuartigen Experiment überreden kann: Freiwillig herbeigeführte Elektroschocks sollen ihr hitziges Temperament zügeln. Aus diesem Grund trägt Lindy unter ihrer Kleidung nun eine Art Korsett, das mit Elektroden versehen wurde. Bei drohender Eskalation kann sie sich damit selbst per Knopfdruck ein paar Sekunden lang „unter Strom setzen“ – wodurch ihr Zorn verrauchen soll. Das funktioniert immerhin so gut, dass Lindy sich wieder unter Menschen traut. Sogar zu einem Blind Date findet sie den Mut. Gut, bei ihrem ersten Treffen prügelt sie zwar eine unverschämte Kellnerin ins Koma, aber das bekommt ihre Verabredung, der charmante Justin [Jai Courtney], zum Glück nicht mit. Lindy verliebt sich in den netten Buchhalter und ihr Leben scheint endlich ins Lot zu kommen. Doch als sie ihn am kommenden Tag anrufen will, meldet sich statt seiner Detective Vicars [Bobby Cannavale] von der Mordkommission und teilt ihr mit, dass Justin erschossen wurde. Lindys Welt bricht abermals zusammen. Aber nun hat sie ein Ziel: Den oder die Mörder ihres Geliebten zu finden und seinen Tod zu rächen. Und dafür hat sie mehr als genug Wut im Bauch.

Kritik:

„Jolt“ bedeutet auf Deutsch so viel wie „Ruck“ – womit in diesem Fall der elektrische Schlag gemeint ist, den die Protagonistin sich in regelmäßigen Abständen selbst verabreicht, um nicht aus der Haut zu fahren. JOLT steht damit ganz in der Tradition der exzessiven Gaga-Action, die gewissermaßen 2006 mit CRANK ihren Anfang nahm. Dort sah man einen durch die Stadt hetzenden Jason Statham, der sich immer wieder Adrenalinschübe verpassen musste, um nicht zu explodieren. Diese komplett absurde Ausgangssituation diente als Basis für eine hemmungslos Achterbahnfahrt, die nicht selten gezielt am guten Geschmack vorbeiging. Seitdem reicht eine verrückte Prämisse oft schon aus, um beim Genre-Freund Interesse zu wecken. Die Idee, einer Hauptfigur eine exorbitante Impulskontrollstörung zu verpassen, die nur mittels einer stromschlagausteilenden Apparatur gebändigt werden kann, ist daher prinzipiell schon einmal die halbe Miete – wobei im Wesentlichen das CRANK-Konzept einfach umgedreht wurde: Während dort der Erregungszustand künstlich hochgepuscht werden musste, um zu überleben, muss er hier – ganz im Gegenteil – mit aller Macht gezügelt werden. Die elektrische Unterwäsche, die das bewerkstelligen soll und als Alleinstellungsmerkmal in den Fokus gerückt wird, erweist sich allerdings rasch als für die Handlung überflüssiges Gimmick: Die Heldin hat nämlich ziemlich schnell gar keinen Grund mehr, ihren Jähzorn unter Verschluss zu halten. Auf der Suche nach den Verantwortlichen für das Ableben ihres Kavaliers braucht sie ihre aufbrausende Art nämlich unbedingt. Denn diese hindert sie daran, an etwaige Folgen zu denken und lässt sie zornesrot in Gangstergefilde vorpreschen, in die die Polizei nicht so einfach eindringen könnte.

Die rebellische Attitüde, die dabei mitschwingt, hält des Betrachters Stimmungsbarometer ziemlich konstant oben, obwohl JOLT letzten Endes doch relativ konventionell ausfällt. Dass Unbeherrschtheit und übersteigertes Aggressionspotenzial einen gleichzeitig auch noch Kampfkunsttechniken lehrt, mittels derer sich böse Buben behände auf die Bretter legen lassen, darf zudem stark bezweifelt werden. Etwas abgefedert wird dieses unglaubwürdige Element zumindest durch die Erwähnung der Jobs, die Lindy zuvor hatte und die ein gewisses Maß an Selbstverteidigungsbefähigung voraussetzen – Türsteherin zum Beispiel. Die hier zelebrierte Übertreibung erinnert dennoch stark an das Superhelden-Genre, in dem Behinderungen, Erkrankungen oder Traumata häufig als Ursache spezieller Begabungen herhalten mussten. Das Paradebeispiel dafür ist DAREDEVIL, der durch seine Blindheit seine anderen Sinne so weit schärfen konnte, dass er seinen Gegnern überlegen war. Lindys Superkraft in JOLT hingegen ist ihre Tobsucht. Und ihr Unvermögen, diese unter Kontrolle zu bringen. Ein wenig wie Hulk also. Nur halt ohne Hulk-Werdung. Oder wie Mr. Furious aus MYSTERY MEN. Nur, dass ihre Wut auch tatsächlich Folgen hat – sehr blutige mitunter. Der Comic-Eindruck der Veranstaltung wird zusätzlich verstärkt durch Gestalt und Habitus des Oberschurken: ein gleichermaßen steinalter wie -reicher Kauz, der in einem uneinnehmbaren Wolkenkratzer residiert, in dem er gelegentlich auch mal dämonisch von der Decke hängt. Nicht einmal die Regierung sei blöd genug, sich mit ihm anzulegen, heißt es an einer Stelle. Verkörpert wird diese Rolle von David Bradley [→ HARRY POTTER UND DER STEIN DER WEISEN], der sie mit ehrfurchtgebietender Bedrohlichkeit ausfüllt – was wunderbar mit Lindys jugendlich-unbeeindruckter Art kontrastiert.

Ohnehin … Kate Beckinsale! Die britische Schauspielerin besticht in der Hauptrolle durch eine sagenhafte Präsenz und trägt die ganze Angelegenheit nahezu mühelos auf ihren Schultern. Dass aus dem Püppchen aus PEARL HARBOUR (2001) einmal eine ernstzunehmende Action-Heldin wird, darauf hätte damals wohl kaum jemand gewettet. Und dass sie beim JOLT-Dreh bereits stramm auf die 50-Jahre-Marke zuging, glaubt man ebenfalls kaum. Als randalierender Racheengel mit Prügel-Tourette sprüht sie regelrecht vor Energie und obwohl sie nicht sonderlich muskulös ist, kauft man es ihr sofort ab, dass sie locker-flockig ein paar Leute zusammenfalten könnte. Freilich beißt sich ihre juvenil-derbe Art etwas mit der Behauptung, Lindy lebe am Rande der Gesellschaft. Dafür wirkt sie eigentlich viel zu unbeschwert. Aber JOLT will ja auch kein realistisches Sozialdrama sein, sondern in erster Linie gute Laune verbreiten. Der Einstieg geriet dafür allerdings erstaunlich düster, wenn mit Grabesstimme (Erzählerin: Susan Sarandon [→ THELMA & LOUISE]) von Lindys zerrütteter Kindheit berichtet wird, von der Tabletten- und Alkoholsucht ihrer Eltern, von ihrer Einsamkeit, ihren zerstörerischen Wutanfällen und ihrer Jugend als menschliches Versuchskaninchen. Das ist eigentlich schon ziemlich starker Tobak. Danach kippt der Tenor allerdings ziemlich schnell ins Komödiantische, was der abstrusen Story merklich guttut. Vor allem in den Dialogen zwischen Lindy und ihrem von Stanley Tucci [→ WILD CARD] gewohnt gallig verkörperten Stromschlag-Seelenklempner Dr. Munchin fliegen die Funken. Ihre gemeinsamen Szenen gehören fraglos zu den Höhepunkten JOLTs. Und dann ist da auch noch das Polizisten-Duo, das Lindy mehr oder weniger auf den Fersen ist und dabei ebenfalls für einige amüsante Momente sorgt: der schalkhafte, von Bobby Cannavale [→ PARKER] verkörperte Vicars, der offenbar ein kleines Auge auf seine Zielperson geworfen hat, und die resolute Nevin (Laverne Cox aus CHARLIE’S ANGELS [2019]), deren lakonische Kommentare ein paar echte Lacher fabrizieren.

Doch, das Personal ist schon gut aufgestellt und entschädigt auch für ein paar Defizite. Zu nennen wäre diesbezüglich in erster Linie die Inhaltsarmut, denn wirklich viel passiert hier eigentlich nicht. JOLT geht ziemlich unumwunden nach vorn und erlaubt sich keine großen Umwege. Nach dem fast schon mythisch angehauchten Einstieg hätte man da schon ein wenig mehr erwartet. Die Action ist zwar gut in Szene gesetzt, passiert aber tatsächlich auch eher selten. Viele von Lindys blutigen Ausrastern entpuppen sich zudem als Tagträume – Szenarien, die sicherlich Realität geworden wären, würde sie sich nicht mittels ihres Elektrodenkorsetts immer gerade noch rechtzeitig „zurechtschocken“. Dafür wurde eine völlig selbstzweckhafte Autoverfolgungsjagd ins Skript gemogelt, die so unnötig wirkt, dass es fast schon albern ist. Visuell allerdings hat Regisseurin Tanya Wexler (die zuvor hauptsächlich das Seriensegment bediente) die Chose gut im Griff. Wenn Lindy sich etwa unter Strom setzt, zoomt die Kamera auf ihre Augen, deren Pupillen dann von Blitzen durchzogen werden. Am Ende wird dann ganz selbstbewusst das Tor zu einer Fortsetzung sperrangelweit aufgetreten. Die kam dann allerdings nie. Was durchaus schade ist. JOLT ist zwar nicht sonderlich herausragend. Aber er macht Spaß. Und Wutbürgerin Beckinsale hätte man gern noch mindestens ein weiteres Mal beim Eskalieren zugesehen. 

Laufzeit: 91 Min. / Freigabe: ab 16

Mittwoch, 18. Juni 2025

BALLERINA


BALLERINA
USA 2025

Regie:
Len Wiseman

Darsteller:
Ana de Armas,
Gabriel Byrne,
Anjelica Huston,
Ian McShane,
Lance Reddick,
Norman Reedus,
Keanu Reeves,
Sharon Duncan-Brewster



„Aus der Welt von John Wick“ prangt prominent auf dem Plakat zu BALLERINA, damit auch ja niemand übersieht, es mit einem Ableger der populären Profikiller-Reihe zu tun zu haben. Dabei hätten sich 2014, als Teil 1 an den Start ging, wohl selbst die Produzenten nicht träumen lassen, dass die brutale Ballerorgie JOHN WICK einmal in Blockbuster-Sphären vorstoßen und der Name zur Marke reifen würde. Aber die später zum überlangen Epos aufgeblasene Action-Saga ließ trotz hoher Freigaben und Verzichts auf Massenkompatibilität von Fortsetzung zu Fortsetzung immer lauter die Kassen klingeln und bescherte ihrem Hauptdarsteller Keanu Reeves als unkaputtbarem Auftragsmörder auf der Abschussliste einen respektablen Alterseinstand. Zwar wirkt die Verbindung zum Vorbild teils etwas forciert, aber Fans haben bei BALLERINA dennoch allen Grund zur Freude. Denn der „weibliche Wick“ ist kaum weniger mörderisch unterwegs als das Original und entfesselt – wortwörtlich – einen Feuersturm der Rache.

Inhalt:

Als Eve Macarro [Victoria Comte] ihren ersten Menschen tötet, ist sie noch ein Kind: Sie feuert eine Kugel in den Körper des Mannes, der kurz davor ist, ihren Vater umzubringen. Doch dieser kam nicht allein. Er war Teil eines Killer-Kommandos, das einen groß angelegten Überfall auf die prachtvolle Privatbehausung des Syndikatmitglieds unternimmt. Auf der Flucht vor weiteren Attentätern erliegt der Angegriffene schließlich dennoch der feindlichen Übermacht. Seine traumatisierte Tochter überlebt und findet Zuflucht in einem ganz besonderen Waisenhaus: der Ballettschule der „Direktorin“ [Anjelica Huston]. Hier lernen die Mädchen nicht nur das Tanzen – sondern auch das Töten. Jahre später arbeitet Eve [jetzt: Ana de Armas] als Auftragsmörderin. Bei einem ihrer Einsätze entdeckt sie an ihrem Opfer eine Tätowierung, die ihr arg bekannt vorkommt: Die Mörder ihres Vaters trugen dieses Zeichen ebenfalls. Getrieben von Neu- und neu entflammter Vergeltungsgier beginnt sie, Nachforschungen über die Hintergründe des Symbols anzustellen – und entfacht damit unversehens eine blutige Fehde zwischen zwei mächtigen Bruderschaften.

Kritik:

Dass Musikalität eine der Grundvoraussetzungen für eine funktionierende Action-Szene bildet, ist nicht erst seit den Kung-Fu-Reigen der Shaw Brothers oder den Blei-Balletten eines John Woo bekannt. Taktung, Körperbeherrschung, Choreographie, all das muss sitzen wie auf dem Parkett des Wiener Opernballs. Daher ist die Idee, ausgerechnet eine Tänzerin zur Action-Heldin zu machen, eigentlich eine sehr naheliegende. Dass BALLERINA diesen Titel trägt, weil die Protagonistin tatsächlich eine ist, und nicht etwa deswegen, weil sie die meiste Zeit wie wild um sich ballert, könnte man zwischenzeitlich allerdings auch durchaus mal vergessen. Bezüge auf die entsprechende Ausbildung werden mit Beginn ihres Privatfeldzugs nämlich überwiegend in den Hintergrund gedrängt. Fabelhaft inszeniert sind sie freilich dennoch, die zahlreichen Action-Scharmützel, die vor verschlagenem Witz und visuellem Einfallsreichtum nur so sprühen und damit in jeder Hinsicht die Tradition der Hauptreihe weiterführen. Trotzdem unterscheidet sich Eve Macarro von John Wick, den das Publikum ja als bereits erwachsenen Mann kennenlernte, bevor Scheibchen für Scheibchen offenbart wurde, wer diese Person überhaupt ist. Bei Eve indes ist es bei der Killerwerdung quasi von Beginn an mit dabei und wird Zeuge, wie sie das System erst begreifen und ihren Platz in ihm finden muss.

Und dieses System ist ganz schön komplex. Denn nach dem vergleichsweise geerdeten Einstieg mit JOHN WICK im Jahre 2014 sprudelte der Erfindergeist der Macher regelrecht über. In den Fortsetzungen entstand so eine absurde Paralleldimension, die dem Fantasy-Genre näher steht als dem Action-Genre, eine Art „Wickiversum“, in dem etliche miteinander verfeindete Killer-Clans bizarren Regeln und Kodexen folgend in einem empfindlichen Gleichgewicht weltumspannend mit- und gegeneinander agieren. Der in JOHN WICK III eingeführte Clan der Ruska Roma dient hier als Bindeglied zur Hauptreihe, denn deren Mitglied ist nun „Ballerina“ Eve Macarro. Für weitere Anbindung sorgen Auftritte bekannter Figuren wie Hotelmanager Winston (Ian McShane), Concierge Charon (Lance Reddick), die (nach wie vor) namenlose Direktorin der Ballett- und Ballerschule (Anjelica Huston) – sowie Keanu Reeves als John Wick persönlich, der sogar stärker eingebunden wurde, als es nötig gewesen wäre. Da wollte man wohl – der Vermarktung wegen – auf dessen Zugkraft schlichtweg nicht verzichten. Dabei hätte Hauptdarstellerin Ana de Armas solch prominenten Beistand gar nicht nötig gehabt, denn BALLERINA wuppt sie ganz allein. Obwohl grundsätzlich eher zierlicher Natur, geht sie körperlich in die Vollen und erweckt ihre Figur als energiegeladenen Wirbelwind zu wuchtigem Leben, mit kleinen Momenten des Zauderns und Zweifelns zwar, doch stets von absolut glaubwürdiger Tödlichkeit. Action-Erfahrung sammelte die Darstellerin bereits 2019 als Anhängsel des berühmtesten Geheimagenten Ihrer Majestät in KEINE ZEIT ZU STERBEN. Hier jettet sie nun selbst wie Bond um die Welt und landet schließlich in einem österreichischen Bergdorf, in dem es zu einem Finale kommt, das ebenso grotesk wie gigantisch ist.

Auf inhaltlicher Ebene hat man sich für BALLERINA wahrlich kein Bein ausgerissen – es ist die typische Geschichte einer Person, die Rache will für den Tod eines Familienmitglieds. Nachdem Einführung und Ausbildung der Protagonistin abgeschlossen sind, findet sie zufällig eine Spur, folgt ein paar Hinweisen und arbeitet sich von Station zu Station weiter vor, bis sie dem Endgegner gegenübersteht. Ihren Reiz bezieht die ausgetretene Story in erster Linie durch ihre Implantierung in die wundersam-verschrobene Wick-Welt, deren Wiedersehen einem ein Lächeln auf die Lippen zaubert, als treffe man nach längerer Zeit einen alten Freund wieder. Das ist die Welt, in der man sich mitten auf der Tanzfläche einer gefüllten Diskothek ein waffenstarrendes Duell liefern und dem Gegner Äxte ins Fleisch treiben kann, ohne dass sich die übrigen Anwesenden in irgendeiner Form daran stören. Oder in der Kämpfe auf offener Straße ausgetragen werden, gerne auch mit Auto als Waffe, ohne dass man Gefahr liefe, in seinem Tun von irgendwem unterbrochen zu werden. Vor allem aber ist es die Welt, in der, obwohl eigentlich in der Gegenwart angesiedelt, von den Kartellen regelrecht vorsintflutliche Technik zur Kommunikation angewendet wird – was immerhin Arbeitsplätze schafft, weil die guten, alten Telefonistinnen nun endlich wieder was zu tun bekommen und kettenrauchend Steckverbindungen herstellen sowie auf klobigen Tasten herumhämmern dürfen. Und zur Ortung von Feinden verwendet die Organisation natürlich nicht etwa GPS oder Satelliten – wozu denn auch, wenn es doch Fernrohre gibt?

Das herrliche Understatement, mit dem all diese Paradoxien serviert werden, als seien sie vollkommen selbstverständlich, verleiht BALLERINA (ebenso wie der ursprünglichen Wick-Reihe) einen hintersinnigen Humor, der brüllend komisch ist, obwohl auf der Oberfläche de facto nicht ein einziger Scherz geschieht. Und wenn Eve sich einem Wirtshaus mit Messer, Gabel, Schere, Licht (und allem, was sonst noch gerade greifbar ist) gegen eine aberwitzige Anzahl von Angreifern erwehren muss und die launige Schunkelmusik im Hintergrund zu dem ganzen Hauen, Stechen und Schießen fröhlich weiternervt, dann hat das ebenfalls mehr Witzpotenzial als manch vermeintlich lustige Sprücheklopferei der Blockbuster-Konkurrenz. Einem der Vorbilder wird dabei auf fast schon zu plumpe Weise gehuldigt, flimmert doch auch einmal das Massaker begleitend Stummfilm-Star Buster Keaton über den Fernsehschirm, dessen akrobatischen Komik-Kapriolen ja auch stets von stoischen Gesichtsausdrücken begleitet waren. Zum Slapstick gesellt sich bei BALLERINA freilich noch eine zünftige Portion Splatter, wenn dem Schurken per durch den Raum geschleudertem Schlittschuh erst noch eine mehr als nur gründliche Rasur verpasst wird, bevor er lustig über das Geländer purzelt.

Obwohl der Härtegrad bei alledem prinzipiell recht hoch ist, wirken die Gewaltakte durch Übertreibungen wie diese eher cartoonig als wirklich brutal. Wie schon beim Vorbild JOHN WICK besteht die Action überwiegend aus kung-fu-ähnlichen Nahkämpfen und Schießereien, die oft fließend ineinander übergehen. Zwischendurch bemüht man sich jedoch immer wieder, etwas Neues, Originelles zu erschaffen. Genannt sei hier der Moment, in dem die Heldin sich in einem Gewölbe ihrer Gegner mittels mehrerer Granatenwürfe entledigt, während sie selbst immer wieder hinter Stahltüren und ähnlichem Gerät in Deckung springt. Wenngleich vom Skript in den Schatten John Wicks gedrängt (der, wie gesagt, etwas zu viel Spielraum bekommen hat), steht die „Ballerina“ am Ende doch auf eigenen Beinen und funktioniert als emanzipierte Veranstaltung ganz ausgezeichnet. Zumal im Showdown dann endlich die brennende Frage geklärt wird, was denn nun eigentlich stärker ist: Flammenwerfer oder Feuerwehrschlauch? Eine Antwort bleibt man allerdings schuldig: Warum wird in allen Ballettschulen dieser Welt eigentlich immer nur „Schwanensee“ gespielt? Und warum sogar in der Welt von John Wick?

Laufzeit: 125 Min. / Freigabe: ab 18