Italien 1976
Regie:
Ruggero Deodato
Darsteller:
Marc Porel,
Ray Lovelock,
Adolfo Celi,
Franco Citti,
Silvia Dionisio,
Marino Masé,
Renato Salvatori,
Sergio Ammirata
"Es ist doch ein Ding der Unmöglichkeit, dass ihr von jedem Einsatz mit Toten oder zumindest schwer Verletzten zurück kommt."
Inhalt:
Fred
[Marc Porel] und Tony [Ray Lovelock] gehören zu einer Spezialeinheit
der Polizei. Und beide agieren wirklich sehr spezial. Im
Zweifelsfalle ersparen sie dem Staat nämlich den Umweg über ein
zeit- und kostenintensives Gerichtsverfahren und handeln als Ankläger,
Richter und Henker in Personalunion. Salopp gesagt: Verbrecher
entkommen den beiden Ordnungshütern nur selten lebend. Ihr
Vorgesetzter [Adolfo Celi] wird zwar nicht müde, die beiden
übereifrigen Racker immer wieder zurechtzuweisen, insgeheim jedoch
billigt er ihr rabiates Vorgehen. Mehr aus persönlicher Vendetta
heraus ermitteln Fred und Tony gegen den mächtigen Syndikatsboss
Roberto Pasquini [Renato Salvatori], der beim illegalen Glücksspiel
alle Fäden in der Hand hält. Über einen Informanten gelangen sie
an einen ehemaligen Mitarbeiter Pasquinis, der während seiner
Dienste bei ihm ein Auge verlor und deshalb recht redselig ist. Doch
ihr Gegner schläft nicht und holt zum Gegenschlag aus. Fred und Tony
haben nun allerhand zu tun und foltern und metzeln sich durch Roms
Unterwelt.
Kritik:
Zimperlich
waren Italiens Verbrechensjäger ja insgesamt eher selten.
Beschnauzbarte Gesetzeshüter wie Franco Nero oder Maurizio Merli
nahmen immer mal wieder das Recht in die eigenen Hände, um die
Straßen effektiv vom Abschaum zu säubern. Die reaktionäre
Selbstjustiz-Attitüde kam zwar in der Regel beim Feuilleton schlecht
an, beim zahlkräftigen Publikum dafür umso besser. Das hatte
natürlich seine Gründe: In den 70er Jahren wurde das Land von
gewalttätigen Unruhen durchgeschüttelt und das Volk sehnte sich
nach harten Bandagen, um dem Terror Einhalt zu gebieten. Da das auf
der Leinwand schon immer wesentlich einfacher zu bewerkstelligen war
als in der Realität, hatte das Faustrecht dort Hochkonjunktur. Das
geschah mal mehr, mal weniger differenziert. Während an einer Stelle
ohne Rücksicht auf Verluste losgeholzt wurde, setzte man das Konzept
andernorts in einen kritischen Kontext. Fast als Reaktion auf die immer reaktionärer werdenden Action-Krimis erschien 1976 der reflektierende KALIBER 38, in dem ein vom Schicksal gebeutelter Kommissar seine eigene Spezialeinheit unter Kontrolle halten muss, die es mit Regeln und Vorschriften nicht allzu genau nimmt. Als eine Art provozierendes Pendant dazu
erschien im selben Jahr EISKALTE TYPEN AUF HEISSEN ÖFEN - eine wahre Furie von
einem Film, der die erbarmungslosen Einsätze eines staatlich
geschützten Mörderduos zum alternativlosen Nonplusultra
hochstilisierte.
Was
dabei herauskam, ist eigentlich kaum in Worte zu fassen. Fast scheint
es, als wollten Autor Fernando Di Leo [→ DER MAFIABOSS] und
Regisseur Ruggero Deodato [→ DIE BARBAREN] alles, was bis dahin an
radikalen Rache-Cops durch die Kinolandschaft tobte, übertreffen und
erschufen mit Fred (Marc Porel [→ DIE SIEBEN SCHWARZEN NOTEN] und
Tony (Ray Lovelock [→ JUNGE MÄDCHEN ZUR LIEBE GEZWUNGEN] ein
geradezu monströs asozial operierendes Polizisten-Pärchen, gegen
das 'Dirty Harry' wie ein verweichlichter Waisenknabe wirkt. Bereits
der hammerharte Auftakt macht klar, dass die Samthandschuhe hier in
der heimatlichen Schublade bleiben: Zwei motorisierte Banditen
versuchen, einer arglosen Passantin die Handtasche zu rauben. Das
Problem: Die Dame ist daran festgekettet. Folglich nehmen die Schurken
sie ins Schlepptau und schleifen sie mit ihren Motorrädern so lang
über die Straße, bis ihr Kopf unsanft gegen einen Laternenpfahl
prallt. Fred und Tony beobachten die Tat und nehmen auf ihren
Feuerstühlen die Verfolgung auf. Die rasende Jagd (bei der auch ein
Blindenhund dran glauben muss) endet, als die beiden Räuber in
voller Fahrt gegen einen parkenden Lastwagen krachen. Fred und Tony
eilen zu den Männern. Einer von ihnen wurde vom Lenker seines
Motorrades durchbohrt, was Fred mit einem Blick quittiert, der soviel
aussagt wie: 'Tja, Pech gehabt!' Der zweite Übeltäter hingegen lebt
noch und liegt röchelnd auf dem Asphalt. Tony möchte allerdings
nicht das Risiko einer spontanen Gesundung eingehen und bricht ihm
kurzerhand das Genick. „'n Lenker im Bauch is' nich' gut“, meint
Fred. „'n gebrochenes Genick auch nich'“, entgegnet Tony. (Im
Original eigentlich: „Meiner ist von allein gestorben.“ - „Bei
meinem musste ich Hand anlegen.“) Dann verlassen beide gut gelaunt
die Unfallstelle.
Zuschauern,
denen bereits dieser Beginn Magenschmerzen bereitet, werden in den
restlichen 90 Minuten nur wenig Freude haben, denn in diesem Duktus
geht es weiter. Fred und Tony haben zwar ständig nen launigen Spruch
auf den Lippen, legen völlig konträr dazu jedoch eine
Menschenverachtung an den Tag, dass einem Hören und Sehen vergeht.
Verbrecher werden rigoros exekutiert, Gefangene quietschvergnügt zu
Tode gefoltert. Frauen sind Freiwild und stets das Ziel penetranter
Schnackselakquisen. Selbstreflexion? Gewissensbisse? Fehlanzeige! Wie
zwei pubertierende Teenager kaspern sich beide frohen Mutes durch die
blutige Schlachtplatte, wohl wissend, dass sie das Gesetz im Rücken
haben. Wenn ihr Vorgesetzter (Adolfo Celi [→ DIE KLETTE] mal
wieder mit ihnen schimpft wie mit zwei ungezogenen Schuljungen, die
ihrem Lehrer einen Streich gespielt haben, zucken sie mit den
Schultern und entgegnen: „Sie wissen doch selbst, dass man
bei unserem Job nicht zimperlich sein kann." Dass die
vermeintlichen Ordnungshüter dabei auch noch aussehen wie zwei
frisch aus dem Ei geschlüpfte Schwiegermutterfantasien, die
eigentlich noch gar keinen Führerschein besitzen dürften, treibt
den Zynismus ihrer Taten noch zusätzlich auf die Spitze.
Die
eigentliche Handlung ist indes kaum der Rede wert. Die Jagd auf den großen Unterweltboss würde inhaltlich gerade mal der Episode einer
handelsüblichen vorabendlichen Krimiserie genügen. Darum reicherte
man das Geschehen mit allerlei autarken Nebenepisoden an, in welchen
die Hauptprotagonisten natürlich vor allem ihre Skrupellosigkeit
unter Beweis stellen dürfen. Da wird eine Geiselnahme durch gezielte
Warnschüsse in Gangsterhirne beendet und ein Banküberfall verhindert, indem die Täter bereits erschossen werden, noch
bevor sie ihre Tat überhaupt begangen haben. Die Kritik schlug ob
des nihilistischen Welt- und Menschenbildes natürlich zuverlässig
Alarm und übersah dabei, dass EISKALTE TYPEN AUF HEISSEN ÖFEN
eigentlich nur als Genre-Persiflage funktioniert. Der radikale Reißer
ist kaum ernstzunehmen und führt sein Publikum im Grunde grandios an
der Nase herum. Der Pöbel verlangte nach immer härteren
Gesetzeshütern und nun bekam er sie halt. Fred und Tony sind der
feuchte Traum eines jeden rechtspopulistischen Hardliners. Dass sie
dabei noch viel größere Schweinehunde sind als ihre Gegner,
entlarvt die perfide Doppelmoral hinter der Sache. Die Herrschaft des
Unrechts wird durch Gesetzesübertretung nicht ausgemerzt, sondern
zementiert. Der einzige Unterschied zwischen den Schergen der Mafia
und den Protagonisten ist am Ende nur der, dass letztere eine
Polizeimarke tragen.
Das
Klischee der letzten wahren Männer auf Gottes Erde wird schließlich derart komplett der Lächerlichkeit preisgegeben, dass die
homoerotischen Untertöne zwischen den beiden kaum zu leugnen sind.
Bereits während des Vorspanns, in dem sie, begleitet von der
romantischen Schmusemusik Ray Lovelocks, eng aneinandergekuschelt auf
ihrem Motorrad umherschaukeln, hat man eher den Eindruck, es mit
warmen Brüdern statt mit eiskalten Typen zu tun zu haben. Das ändert
sich auch nicht, wenn man später erfährt, dass sich Fred und Tony
zudem auch noch ein Zimmer teilen. Um ihre latenten Bedürfnisse zu
überspielen, balzen sie wie zwei pubertäre Jungs um die Sekretärin
ihres Chefs herum, reden ständig über Muschis und reißen
homophobes Spruchgut („Der ist so schwul, der dampft schon.“).
Der Sexismus, den Film und Figuren dabei offenbaren, ist in seiner
maßlosen Übertreibung ebenfalls so dermaßen absurd, dass er einfach
nur als Karikatur damals gängiger Machismen zu verstehen ist. Als
Fred und Tony die attraktive Schwester ihres Zielobjekts aufsuchen,
um sie über die Geschäfte ihres Bruders auszuhorchen, entpuppt sich
diese als nymphomanes Betthäschen, das sich den beiden nach einer
schallenden Ohrfeige nicht nur an den Hals wirft, sondern sie
regelrecht zur Ader lässt. Nachdem Fred seine Pflicht erfüllt hat,
darf Tony gleich als nächster drüberrutschen, während ersterer in
der Küche von der lachenden Haushälterin empfangen wird, die ihm,
während sein Kollege im Nebenzimmer lautstark bei der Arbeit ist,
erstmal Rührei zur Stärkung zubereitet.
Spätestens
in diesem Augenblick gibt man als Zuschauer endgültig auf und
akzeptiert, dass EISKALTE TYPEN AUF HEISSEN ÖFEN in irgendeiner weit entfernten Galaxis spielen muss, in einem abwegigen Paralleluniversum, das mit der realen Welt gerade mal genauso viel am Hut hat wie Mittelerde. Man kapituliert schlichtweg vor dieser galligen cineastischen Giftspritze aus Testosteron, Sadismus und männlicher Allmachtsfantasie, lehnt sich zurück und genießt das groteske Feuerwerk. Dass das Ende dann reichlich hopplahopp
und unspektakulär über die Bühne geht (was man im Hinblick auf den stuntgespickten Auftakt so nun nicht unbedingt erwartet hätte),
spielt dabei eigentlich gar keine Rolle mehr. Dafür kommt es kurz
vor Schluss noch mal zu einem unfassbaren Überraschungsmoment, als
die angeblichen Helden nach einem kurzem gegenseitigen Zunicken einer
vollkommen überrumpelten Dame aus heiterem Himmel die Kleider vom Leibe reißen - und das ganz bestimmt nicht, um mit
ihr über die Wirtschaftskrise zu debattieren. Hätte das
jemand vor ihren Augen auf offener Straße gemacht, hätten sie ihn
erschossen. UOMINI
SI NASCE, POLIZIOTTI SI MUORE [=Als Mann zur Welt kommen, als
Polizist sterben] ist ein ordinäres, sich leicht verboten
anfühlendes Vergnügen, für dessen enormen Unterhaltungswert
man sich am Ende irgendwie schämt. Leider geil!
Laufzeit: 84 Min. / Freigabe: ab 18
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