Eigene Forschungen

Montag, 26. Mai 2014

DIE KILLERMAFIA


LA POLIZIA ACCUSA: IL SERVIZIO SEGRETO UCCIDE
Italien 1975

Regie:
Sergio Martino

Darsteller:
Luc Merenda,
Mel Ferrer,
Delia Boccardo,
Michele Gammino,
Paola Tedesco,
Franco Giornelli,
Gianfranco Barra



Inhalt:

Im Italien der 70er Jahre tobt das Chaos: Eine Mordserie an höhergestellten Persönlichkeiten hält die Polizei in Schach, die Ermittler sind ratlos. Kommissar Solmi [Luc Merenda], extra aus Mailand importiert, soll Licht ins Dunkel bringen. Als die Leiche eines kleinen Erpressers gefunden wird, will er, im Gegensatz zu seinem Vorgesetzten, Staatsanwalt Mannino [Mel Ferrer], nicht so recht glauben, dass tatsächlich eine Prostituierte den Mann getötet hat, auch, wenn alle Indizien dafürsprechen. Als Solmi weiterermittelt, stößt er auf niederschmetternde Gewissheiten: Der Mord an dem Ganoven war nur die Spitze des Eisbergs, eine gigantische Verschwörung reicht bis in höchste Regierungskreise. Zeugen werden beseitigt, Beweismittel vernichtet. Schon bald weiß Solmi nicht mehr, wer Freund und Feind ist. 

Kritik:

Nachdem er 1974 Luc Merenda auf eine HETZJAGD OHNE GNADE geschickt hatte, gönnte Sergio Martino dem Jungen auch im Folgejahr keine Ruhe und ließ DIE KILLERMAFIA auf ihn los. Zwar durfte er dieses Mal auf der Seite des Gesetzes stehen, sein Leben jedoch geriet deswegen nicht weniger in Gefahr. Merenda gehörte zum Stammpersonal des vor allem durch seine Giallo-Wurzeln bekannten Regisseurs und Drehbuchautors Martino, dem es zwar nicht immer, aber doch in hübscher Regelmäßigkeit gelang, seine Arbeiten unter ihrer reinen Unterhaltungsoberfläche in solch ausreichendem Maße zu subtextuieren, dass sie neben der nach simpler Zerstreuung sich sehnenden Masse auch bei der sich dem Intellekt verschriebenen Kritikermeute Anklang finden konnten. LA POLIZIA ACCUSA (='Die Polizei klagt an' [Originaltitel]) reiht sich gewiss gern mit ein in diese Kette, darf zudem gut und gern als Beleg dieser These gelten.

Entstanden 1975, während der Hochphase des Poliziottesco, des italienischen Polizeifilms, der zu dieser Zeit, nicht selten reaktionär angehaucht und hauptsächlich in Reaktion auf den brutalen, von Terrorgefahr beherrschten Alltag des Stiefellandes entstanden, einigen Publikumszuspruch verbuchen konnte, beginnt DIE KILLERMAFIA mit einer regelrechten Tötungsarie und reiht, zunächst ohne jeden erkennbaren dramaturgischen Zusammenhang, Mord an Mord, wenn mehreren hochrangigen politischen Figuren auf nicht gerade sehr zimperliche Art und Weise das Lebenslicht ausgepustet wird. Martinos Giallo-Vergangenheit ist dabei kaum zu übersehen, die Bluttaten geschehen explizit, die (teilweise subjektive) Kamera bleibt nah an den schreckverzerrten Gesichtern. Im Zusammenspiel mit den dazu eingeblendeten Schlagzeilen, dem unruhigen, realistischen Bild und der nüchtern-unprätentiösen Ruppigkeit ergibt sich daraus, trotz durchschaubarer Tricktechnik, ein aufwühlender Dokumentarcharakter, der Stil und Atmosphäre der kommenden 90 Minuten maßgeblich mitbestimmen soll.

Diesem knalligen Auftakt, der mit der Sensationslust des Publikums geschickt zu spielen versteht, folgt die übliche, genretypische Ermittlungsarbeit der Polizei, die, wie man es von ihr nicht anders gewohnt ist, nach allen Regeln der Kunst auf dem Schlauch steht und sich deshalb bald Unterstützung von außerhalb kommen lassen muss. Mit dem Auftauchen Kommissar Solmis, der auf spannend erzählte Weise Hinweise entschlüsselt, Spuren verfolgt und sich (fast selbstverständlich) mit seinem Vorgesetzten anlegt, verschiebt sich der Kontext zwar langsam, aber doch sicher in eine andere Richtung. Befasst sich der Poliziotteschi in seiner Gesamtheit hauptsächlich mit blutigen Kriegen und Intrigen zwischen und im Polizei- und Gangsterapparat, kombiniert Martino die bekannten Zutaten mit den Versatzstücken des politischen Paranoia-Thrillers, welcher das Kino, resultierend aus dem erwachsenden Misstrauen der Bevölkerung gegenüber ihrer Führungskräfte, zu dieser Zeit ebenfalls fest im Griff hatte. Während die USA unter der Regie Sidney Pollaks DIE DREI TAGE DES CONDORS erlebten, verstrickten in Europa Regisseure wie Damiano Damiani [→ DER TERROR FÜHRT REGIE] ihre Protagonisten bereits seit mehreren Jahren in politische Skandalgeschichten mit anklagender Note und pessimistischer Weltsicht. 

DIE KILLERMAFIA übernimmt deren Motiv der permanenten Bedrohung und setzt auf das ohnmächtige Gefühl des ständigen Verfolgungswahns: Solmi merkt bald, dass die Mächte, gegen die er antritt, tatsächlich mächtig sind, sein Feind nicht etwa der kleine Ganove ist, mit dem er es sonst zu tun hat, noch nicht einmal der kaltblütige Mörder, der die ihm befohlenen Taten lediglich ausführt und dabei auch nur ein Rädchen ist im unfassbar großen Gesamtgetriebe, sondern die unsichtbaren Dunkelmänner, die quasi ungestraft im Hintergrund agieren und deren Einfluss und Möglichkeiten jede Vorstellungskraft übersteigen. Obwohl eigentlich ein guter Mann in seinem Job, merkt Solmi, ohne jede Frage die Identifikationsfigur des Publikums, immer mehr, dass er dieser überlebensgroßen Aufgabe nicht gewachsen sein kann. Der Feind scheint jeden seiner Schritte vorauszuahnen, Zeugen werden postwendend beseitigt.

Einem kompetent durchgeführten Belastungstest würde das Drehbuch dabei freilich nicht standhalten: Warum die geheimnisvollen Hintermänner so ziemlich jeden ermorden, der dem Kommissar in irgendeiner Weise hilfreich sein könnte, anstatt ihn kurzerhand einfach selbst über die Klinge springen zu lassen, wird so wirklich plausibel nicht erklärt. Hier kommt halt doch wieder die reine Reißer-Attitüde zum Vorschein, die einfach nur ihr nach Spannung geiferndes Publikum an sich binden möchte. Doch findet DIE KILLERMAFIA eine durchaus passende Balance aus Anspruch und simpler Attraktion, zumal man sich auch in Sachen Action lange Zeit bedeckt hält, um erst im Finale wirklich aufzutrumpfen. Die großkalibrige Attacke einer kampfbereiten Hubschraubergarnison sorgt dann auch für so einige Schauwerte.

Auf eine geschönte Optik wurde verzichtet, die gute wie die böse Seite ist gesäumt mit einem illustren Haufen herrlich hässlicher Hackfressen. Als einzige Ausnahme geht da noch am ehesten Hauptdarsteller Luc Merenda durch, der sein Geld zuvor immerhin als Model verdiente. Dieser macht Robert De Niro zwar niemals ernsthaft Konkurrenz, spielt jedoch solide und hat allein aufgrund seiner Rolle als ehrbarer, doch in hilfloser Verzweiflung gefangener Kommissar die Sympathien auf seiner Seite. Als sein Vorgesetzter agiert Mel Ferrer [→ DER LÄNGSTE TAG], der als unnahbare Persönlichkeit mit aristokratischer Aura zwar einfallslos, allerdings auch treffend besetzt wurde. Der bekannteste Name auf der Besetzungsliste ist Tomas Milian [→ TÖTE, DJANGO], damals völlig zu Recht einer der bekanntesten und beliebtesten Mimen Italiens. Der gebürtige Kubaner war meistens in Hauptrollen zu sehen und bestach dabei nicht selten durch sein extravagantes, wenn nötig auch überkandideltes Schauspiel. In dieser eher kleinen Rolle des Captains Sperling hingegen hält er sich ungewohnt zurück, was einen viel größeren, da authentischen Eindruck hinterlässt.

Die finale Übeltäterenttarnung schließlich wirkt zwar nur wenig überraschend, wurde jedoch, mit vorhergehender Zu-Fuß-Verfolgung über Stock und Stein, ausgezeichnet inszeniert. Der darauf folgende politische Schlagabtausch geriet zwar etwas naiv formuliert, spiegelt die damals in Italien grassierende Angst vor einem Staatsstreich allerdings eindrucksvoll wider. Nicht nur wegen dieses starken Schlussaktes ist DIE KILLERMAFIA eine gelungene Melange aus Polizeikrimi und Politthriller, für die Martino auch seine Wurzeln nicht völlig ignorieren musste: Der mittige Moment, in dem eine junge Frau vor ihren Verfolgern flieht, eine Telefonzelle erreicht und es noch schafft, den Kommissar zu benachrichtigen, bevor sie ebenso unglückselig wie vorhersehbar zu Tode stranguliert wird, erweckt den Eindruck, als hätte man sie direkt aus einem Giallo hineingeschnitten.

Die hiesige Synchronisation des Ganzen liegt die meiste Zeit dermaßen neben der Spur, dass man sie eigentlich eher als Asynchronisation bezeichnen müsste, geriet dazu im Dialog oftmals seltsam steif und bieder – ganz im Gegensatz zum deutschen Titel, der reichlich reißerisch gewählt wurde. Aber davon sollte man sich nicht abschrecken lassen. Für Freunde spannender Kinounterhaltung mit 70er-Jahre-Charme ist Martino eine kleine wunderbar-ungeschliffene Perle geglückt, gegen die nicht mal die Polizei was sagen kann. 

Laufzeit: 93 Min. / Freigabe: ungeprüft

Samstag, 24. Mai 2014

HETZJAGD OHNE GNADE


LA CITTÀ GIOCA D'AZZARDO
Italien 1974

Regie:
Sergio Martino

Darsteller:
Luc Merenda,
Dayle Haddon,
Corrado Pani,
Enrico Maria Salerno,
Lino Troisi,
Giovanni Javarone,
Salvatore Puntillo,
Carlo Alighiero


Inhalt:

Luca Altieri [Luc Merenda], lächerlich lässig mit Motorroller und Nelke im Knopfloch unterwegs, betritt eine schummerige, eher schlecht besuchte Kneipe und bestellt beim Barmann einen ganz besonderen Cocktail: Milch und Champagner. Dieser ungewöhnliche Wunsch öffnet ihm eine verborgene Tür hinter den Waschräumen: die Tür zum illegalen Spielcasino des „Präsidenten“ [Enrico Maria Salerno]. Die dort anwesenden Spieler belächeln seine alberne Erscheinung ebenso wie seine vermeintliche Ahnungslosigkeit beim Pokerspiel und müssen erst, nachdem er sie nach Strich und Faden ausgenommen hat, einsehen, dass er ein besserer Trickbetrüger ist als sie selbst es jemals waren. Dieser Umstand beeindruckt den „Präsidenten“, den an den Rollstuhl gefesselten Chef des Etablissements, so sehr, dass er den jungen Mann vom Fleck weg als neuen Mitarbeiter engagiert. Nun beginnt Luca die Karriereleiter emporzusteigen, freilich nicht, ohne dabei den Hass von „Präsidenten“-Sohn Corrado [Corrado Pani] auf sich zu ziehen. Als Luca auch noch mit dessen ‚Freundin‘ Maria [Dayle Haddon] anbandelt, die von Corrado wie ein Hund an der Leine gehalten wird, ist das der Beginn einer katastrophalen Ereigniskette.

Kritik:

Sergio Martino ist ein Name, den Freunde des italienischen Kinos in erster Linie mit seinen Beiträgen zum Giallo-Genre verbinden. Mit DER SCHWANZ DES SKORPIONS und DER KILLER VON WIEN inszenierte er zwei der beliebtesten Vertreter dieser italienischen Thriller-Variante, beides stilistisch ausgefeilte, blutgetränkte Kriminalgeschichten, in welchen schwarzbehandschuhte Rasiermessermörder gutaussehenden Frauen brutal den Lebensfaden zerschneiden. Tatsächlich jedoch beackerte der emsige Regisseur im Laufe seiner Karriere so ziemlich jede erfolgversprechende Kategorie und erarbeitete sich dabei den Ruf des grundsoliden Handwerkers, in dessen Arbeiten sich künstlerischer Anspruch und profane Massenunterhaltung die Klinke in die Hand geben. Mit HETZJAGD OHNE GNADE versuchte er sich am Gangsterdrama und zeichnete die zwar wenig innovative, doch nichtsdestoweniger durchgehend kurzweilige Story des Falschspielers Luca, der sich nach bewährtem Muster zum Liebling des Paten hocharbeitet, um sich im Anschluss, durch das Verlieben in die falsche Frau, wieder um Geld und Glück zu bringen und eine nicht enden wollende Gewaltspirale in Gang zu setzen.

Die zeitliche Nähe zu DER CLOU mag womöglich kein Zufall sein, doch geht Martinos Werk einen ganz anderen, deutlich radikaleren Weg als George Roy Hills kauziger Klassiker und tauscht dessen lässige Eleganz gegen lasterhaftes Treiben – das Duell am Spieltisch wird zum Kampf auf Leben und Tod. Vor allem zu Beginn geht es dabei mit beachtlichem Tempo voran; allzu zeitraubende Erklärungen betreffend Motivation und Zielsetzung sparte man sich kurzerhand, und auf eine unnötig umständliche Charakterzeichnung wurde bereits allein dadurch verzichtet, dass die auftretenden Figuren nach sattsam bekannten Schablonen auf den Punkt skizziert wurden: Hier Luc Merenda [→ DER MANN OHNE GEDÄCHTNIS] als von jugendlicher Ungestümheit erfüllter Spitzbube, der mit losem Mundwerk und flinkem Finger so ziemlich jede Situation zu meistern versteht und bereits in der Eröffnungsszene lässig mit seinem Motorroller ins Bild fährt, dort Corrado Pani [→ PINOCCHIO] als sein Gegenspieler, Papas Sohn, Frauenschläger, Mörder und schlechter Verlierer obendrein. Und mittendrin Dayle Haddon [→ BIG BOY] als rehäugige Schutzbedürftige, die fast schon sinnbildlich für den Traum von Frieden und Freiheit steht. Und über allem thront Enrico Maria Salerno [→ DAS SYNDIKAT] als mobilitätseingeschränkter Mentor, der, trotz seiner Funktion als oberster Käse der Mafia, noch am meisten Ehre im Leibe hat.

Mögen einem die Figuren in ihrer Reißbrettartigkeit auch merkwürdig vertraut verkommen, so funktioniert deren Konstellation über weite Strecken dennoch, obwohl selbst die Charakterentwicklung in bekannten Bahnen verläuft: Luc Merendas Fassade als jugendlicher Heißsporn bekommt Risse, als ihm – DJANGO lässt grüßen! - seine Hände, die Instrumente, die ihn regelmäßig zum Sieg führten, die quasi seine Existenz bedeuten, unerbittlich zertrümmert werden. Aus dem unbeschwerten Lebemann wird ein Besessener, der wie wahnsinnig für seine große Rückkehr trainiert. Dayle Haddon lernt, sich in der Rolle des Opfers nicht mehr länger zu gefallen und ein Leben in Freiheit vorzuziehen (es liegt an der für die Zeit typischen Machismus’ des Drehbuchs, dass sie dennoch bis zum Schluss das schutzsuchende Duckmäuschen bleibt und ihre Funktion letztendlich nur darin liegt, dem Hauptcharakter ein Kind versprechen zu können). Corrado Pani steigert sich indes mehr und mehr zum Monster, dessen unbedachter Leichtsinn ihn schließlich – wenn auch auf sträflich banale Art und Weise – in seinen Untergang führen soll.

Die Möglichkeiten, die sich daraus sowohl auf darstellerischer als auch narrativer Ebene ergeben, werden allerdings lediglich im Ansatz ausgeschöpft, besonders die Rolle Luc Merendas wirkt fast schon irritierend verschenkt: Sein Weg vom Leichtfuß zum Fanatiker nutzt das vorhandene Potential nicht wirklich aus, zieht sein Spiel doch kaum Trennlinien zwischen den einzelnen Phasen. Auch seine quasi aus heiterem Himmel hereinbrechenden Gefühlswallungen für die Frau seines Feindes wirken nicht nachvollziehbar. Wirklich aufrüttelnde oder gar prägende Momente gelingen HETZJAGD OHNE GNADE nur selten. Einer davon ist die Szene, als Corrado, in ohnmächtiger Verzweiflung darüber, dass seine Geliebte Maria (die er in ständiger Selbsterhöhung als „sein Eigentum“ bezeichnet) sich einem anderen hingegeben hat, seinem Leibwächter befiehlt, sie zu vergewaltigen. Während der Mann über die hilflose Frau herfällt, spiegelt sich in Corrados Gesicht eine ekelhafte Mischung aus Lust und Verzweiflung, wird ihm seine eigene Impotenz, die er regelmäßig durch seinen Reichtum zu kompensieren versucht, doch bewusster als je zuvor.

Der schwelende Konflikt zwischen Enrico Maria Salerno als unantastbare Vaterfigur (die sich selbst „Präsident“ nennt), die viel lieber den gewieften Luca als seinen Nachfolger sähe, und Corrado Pani als dessen machthungriger und unbeherrschter Sohn, der seine Minderwertigkeit durch Gewaltausbrüche auszugleichen versucht, birgt eine Menge Zündstoff, wenn der Ausgang auch vorhersehbar ist. Dass die Wege aller Beteiligten in eine sichere Katastrophe führen, ist ohnehin von Anfang an gewiss, rasen ihre Schicksale doch wie unaufhaltsame Schnellzüge aufeinander zu – es bleibt nur die Frage, wer am Ende am wenigsten Schaden davontragen wird. Diese trostlose Prädestination ist der Grund dafür, dass HETZJAGD OHNE GNADE trotz allem so dicht und mitnehmend geriet, obwohl er seiner Innovationsarmut noch nicht einmal besonders ausgeklügelte Spannungs- oder gar Actionmomente entgegenhält: Die Hetzjagd, die plakativ in den deutschen Titel gehievt wurde, dauert nur wenige Minuten, und wurde genretypisch mit Blechschaden und Explosion garniert. Sonstige Attraktionen beschränken sich auf Dinge wie eine übertrieben unblutig inszenierte Massenerschießung und diverse, wiederum von einer Extraportion knallroten Kunstbluts getränkte Verformungsarbeiten an Lucas Greifwerkzeugen.

Es ist schön, dass an mancher Stelle trotz vorherrschender Konventionalität der Spieltrieb Martinos die Oberhand gewinnen konnte, z. B. wenn er seine Hauptfigur in einem Raum voller Schaufensterpuppen zusammenschlagen lässt und damit ein herrlich surreales Bild erzeugt. Und wenn etwas später in selber Kulisse bereits erwähnte Hinrichtungsorgie stattfindet und man statt zersiebter Gangstervisagen lediglich zerfetzende Puppengesichter zu sehen bekommt, dann ist das schon eine wahrhaft beklatschenswerte Verweigerung an die Erwartungshaltung des Publikums, welche einen die abgeschmackt kitschigen Liebesszenen, inklusive obligatorischem schmalzmusikumhüllten Strandspaziergang, beinahe wieder vergessen lässt. Der träge Soundtrack Luciano Michelinis [→ DIE KILLERMAFIA] erntet ohnehin wenig Applaus, die generelle Großartigkeit italienischer Filmmusik weicht hier langweiligem (zudem häufig unpassend eingesetztem) Standard-Gedudel.

Zwar werden hier nicht nur Karten ausgeteilt, insgesamt jedoch ist HETZJAGD OHNE GNADE weitaus weniger atemlos unterwegs, als einem sein deutscher Titel suggerieren möchte. Im Grundton ruppig, in der Umsetzung mit Ecken und Kanten, sorgt das schroffe Zocker-Drama im Gangstermilieu dennoch und trotz seiner Formelhaftigkeit für anständige Zerstreuung. 

Laufzeit: 95 Min. / Freigabe: ungeprüft

Donnerstag, 15. Mai 2014

GODZILLA


GODZILLA
USA, Japan 2014

Regie:
Gareth Edwards

Darsteller:
Bryan Cranston,
Aaron Taylor-Johnson,
Juliette Binoche,
Ken Watanabe,
David Strathairn,
Elizabeth Olsen,
Sally Hawkins,
Victor Rasuk



"Oh no, there goes Tokyo, go go Godzilla“ [Blue Oyster Cult]
 

Im Jahre 1954 verbreitete 'Godzilla' das erste Mal Angst und Schrecken. Entstanden als Reaktion auf die Erfolge amerikanischer Monsterfilme, inszenierte der japanische Regisseur Ishirō Honda die düstere Utopie einer dem Meer entsteigenden, atomar verseuchten Superbestie, welche, mit tödlichem Feueratem und markerschütterndem Schrei ausgestattet, die pulsierende Großstadt Tokio in ein gigantisches Trümmerfeld verwandelt. Während GODZILLA im Ausland vor allem wegen seiner Schauwerte erfolgreich wurde, war das von melancholischer Stimmung geschwängerte Schauermärchen für das japanische Publikum viel mehr als nur eine simple Jahrmarktsattraktion: Das riesige Untier, das auf seinem Weg nichts als Tod und Trauer hinterlässt, stand sinnbildlich für die Schrecken der amerikanischen Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki – ein urjapanisches Trauma, welches damals noch nicht einmal 10 Jahre alt war.

Die simple (wenngleich auch effektvolle) Tricktechnik mit Kostümen und Modellen wurde im Westen eher belächelt, verlieh Hondas Schwarz-Weiß-Epos jedoch individuellen Charakter. In den zahlreichen Fortsetzungen wandelte sich das finstere Schreckensszenario des Erstlings dann langsam, aber sicher zur schreiend bunten Karnevalsveranstaltung, die mit dem pessimistischen Charakter des Ursprungs so rein gar nichts mehr zu tun hatte. Zwar gab es im Laufe der Zeit durchaus Bestrebungen, die einstige Ernsthaftigkeit wieder zurückzuholen, letztendlich jedoch überwog der infantile Spieltrieb. Dem Unterhaltungswert war das kaum abträglich, blieb die GODZILLA-Serie auf diese Weise doch trotz ihres Wiedererkennungswertes stets abwechslungsreich und bediente von düster bis infantil so ziemlich jeden Publikumsgeschmack.

Obwohl es fraglos riskant war, einer dermaßen stark mit der japanischen Kultur verwurzelten Galionsfigur einen westlichen Stempel aufzudrücken, reichen die ersten amerikanischen Annexionsversuche bis in die 80er Jahre zurück, als es Pläne gab, 'Godzilla' in Stop-Motion-Technik San Francisco angreifen zu lassen – wozu es niemals kommen sollte. Erst dem auf aufwändige Weltuntergangsszenarien geeichten Regisseur Roland Emmerich gelang es im Jahre 1998 nach langen Verhandlungen, die erste US-Version des Kultmonsters ins Kino zu bringen. Doch Emmerichs GODZILLA geriet jämmerlich: Ohne jeden Respekt vor der Vorlage verwandelten Autor und Regie den atomar verseuchten Saurier in einen riesigen Leguan und veränderten Gestalt und Gebaren so radikal, dass vom Original (bis auf den Namen) nichts mehr übrigblieb. Nach diesem sowohl künstlerischen als auch finanziellen Flop dauerte es über 15 Jahre, bis der Brite Gareth Edwards einen zweiten Versuch unternahm, der übergroßen Berühmtheit zu einem ehrenhaften USA-Auftritt zu verhelfen:

Inhalt:

1999: Bei Bohrungen auf den Philippinen stoßen Arbeiter auf die Überreste einer unbekannten gigantischen Lebensform. Kurze Zeit später kommt es in einem japanischen Atomkraftwerk zur nuklearen Katastrophe, bei welcher der dort stationierte amerikanische Ingenieur Joe Brody [Bryan Cranston] seine Frau verliert. 15 Jahre später: Nach wie vor ist Brody der felsenfesten Überzeugung, dass die offizielle Behauptung, ein Erdbeben habe den damaligen Zwischenfall verursacht, eine Lüge ist. Auf dem ehemaligen Gelände des Atommeilers vermutet er ein von der Regierung streng gehütetes Geheimnis. Als er sich eines Tages mit seinem erwachsenen Sohn Ford [Aaron Taylor-Johnson] ins Sperrgebiet schleicht, kommt es erneut zu gewaltigen Erschütterungen. Fassungslos werden die beiden Zeuge, wie ein riesiges Monster aus seinem Schlaf erwacht und eine Schneise der Verwüstung hinterlässt. Das Militär ist verzweifelt und betrachtet Atomwaffen als einzigen Ausweg. Nur der Wissenschaftler Ichiro Serizawa [Ken Watanabe] zieht noch eine andere Möglichkeit in Betracht: den Kampf gegen ein anderes, sagenumwobenes Monster. Godzilla!

Kritik:

Tatsächlich schafft es die Neuauflage der Neuauflage, die gröbsten Fehler zu vermeiden und erzählt ihre Geschichte mit deutlich mehr Wertschätzung für die Ursprünge und Wissen um den Grund des weltweiten Kultes. Der GODZILLA des Jahres 2014 ist dabei nicht etwa eine Fortsetzung des GODZILLAs von 1954, wie im Vorfeld häufiger spekuliert wurde, sondern ein kompletter Neubeginn, wenn auch gespickt mit massig Reminiszenzen an vergangene Zeiten. Bereits der Umstand, dass große Teile der Handlung in Japan stattfinden, sorgt für heimelige Gefühle, und auch den Hauptfauxpas der 98er Version hat man natürlich vermieden: Godzilla ist hier – trotz einiger kleinerer Modifizierungen - ganz eindeutig Godzilla, und kommt einem, obwohl mittels Hochleistungsprozessor statt Latexanzug zum Leben erweckt, in Bewegung und Betragen doch angenehm vertraut vor.

Überraschenderweise verzichtete das Skript darauf, den Neustart einzig und allein seiner Titelfigur zu widmen, wie man es eigentlich erwarten könnte, sondern bediente sich stattdessen auch hier bei einem der prägnantesten Konzepte der Originalserie, in welcher es in der Regel weniger um den Kampf Mensch gegen Monster ging, als vielmehr um den Kampf verschiedener Monster gegeneinander. Aus diesem Grunde entwarf man mit M.U.T.O (nur ausgewiesene Supernerds müssen wissen, wie der vollständige Name lautet, nämlich 'Massiver, Unidentifizierter, Terrestrischer Organismus') ein weiteres gigantisches Untier, das in seiner Mischung aus CLOVERFIELD-Bestie, H.-R.-Giger-ALIEN und GAMERA-Unhold 'Gyaos' eine absolut gelungene Neukreation ganz im Stile der japanischen Schöpfungen darstellt. Bis die riesigen Ungeheuer zum großen Finale aufeinandertreffen dürfen, vergeht allerdings einige Zeit, die überwiegend durch Vorahnungen, Schicksalsschläge und militärische Planarbeit überbrückt wird.

Dem Team um Gareth Edwards gelang es dabei bedauerlicherweise nicht, die korrekte Balance zwischen Gemenschel und Getöse herzustellen. Immer wieder werden die an sich großartig inszenierten Bombastaufnahmen brachialer Massenverwüstung und pompöser Monstergefechte durch schlichtweg uninteressante, nach sattsam bekanntem Schema dargebotene Drama- und Militarismus-Momente unterbrochen, die das Tempo massiv ausbremsen. Jedes Mal, wenn man gerade der Meinung ist, nun ginge es richtig los, wird auch schon wieder weggeschaltet, was einen auf Dauer unbefriedigt zurücklässt (das geht so weit, dass von einem ganzen, für die Handlung nicht unerheblichen Kampf nach vielversprechendem Beginn lediglich noch ein paar Fernsehbilder zu sehen sind). Die gegebenen Möglichkeiten eines entfesselten Effektspektakels werden so lediglich leicht angekratzt.

Nun wäre das alles halb so schlimm, hätte man es mit interessanten Charakteren zu tun, für die sich ein Wegschalten tatsächlich lohnen würde. Doch auf dieser Ebene versagt Edwards' Arbeit fatalerweise auf ganzer Linie, obwohl man sich doch gerade dadurch von der Konkurrenz abheben wollte. Blassnase Aaron Taylor-Johnson in der Hauptrolle bleibt einem trotz diverser Heldentaten stets fremd, und selbst ein so großartiger Schauspieler wie Bryan Cranston kann beim Publikum trotz des tragischen Hintergrundes seiner Figur kaum Emotionen auslösen. Am Ende liegen sich die Überlebenden zwar schluchzend in den Armen, das ratlose Publikum hingegen zuckt eher die Schultern - wer hier überlebt und wer nicht, das war einem dann letztendlich doch reichlich egal. Lediglich der in Hollywood berühmt gewordene Ken Watanabe als Wissenschaftler sowie David Strathairn als Militäroberhaupt stehlen dem Rest bereits durch ihre bloße Präsenz die Show, haben jedoch beide so gut wie nichts zu tun.

Im Nachhinein wirkt der anfängliche Fokus auf das menschliche Drama und die inneren Konflikte ohnehin fast lachhaft, läuft die ganze Sache doch letzten Endes auf eine denkbar banale Monsterschlacht hinaus, für welche die zu Beginn so emsig überbetonten Schicksale dann überhaupt keine Rolle mehr spielen. So stolpert GODZILLA 2014 schließlich über seine selbst auferlegten Ansprüche, und auch der bekräftigte „realistische Ansatz“ stellt sich mehrfach ein Bein: Dass in Zeiten von Twitter & Co. niemand so wirklich das Auftauchen eines haushohen Ungeheuers mitbekommt, ist ebenso schwer zu glauben wie die Behauptung, dass das Militär wirklich keine bessere Ideen hat, als die Monster immer wieder mit simplen Pistolen und Gewehren zu attackieren (was allein aus dem Grunde bedauerlich ist, dass der in den Originalen so genüsslich zelebrierte Raketenbeschuss hier keine Verwendung findet). In einem etwas weniger ambitionierten Monsterkracher wären solche Dinge kaum der Rede wert, wer sich jedoch 'Realismus' auf die Fahnen schreibt, sollte im wahrsten Sinne des Wortes größere Geschütze auffahren.

Wirklich begeistern können hingegen die Spezialeffekte, die nahezu makellos geraten sind. Die Monster wirken in Gestik und Mimik dermaßen glaubhaft, dass man fast meint, sie würden gleich von der Leinwand steigen. Vor allem bei Godzilla gewinnt man den Eindruck, das Gummikostüm der Vergangenheit sei zu realem Leben erwacht und zum waschechten Koloss mutiert. Für manche Fans der ersten Stunde mag das ein hartes Brot sein, war die sympathische Durchschaubarkeit der angewandten Tricks, die willentliche Aussetzung der Ungläubigkeit doch immer auch essentieller Bestandteil der Magie, die von dem Leinwandriesen ausging. Doch die digitale Generalüberholung steht dem etwas in die Jahre gekommenen Monsterkönig ausgezeichnet und sorgt für den dringend benötigten Frischwind im Franchise. Die Kampfhandlungen bestechen dazu durch wirklichkeitsgetreue Bewegungsabläufe und lassen einen komplett vergessen, es lediglich mit einer Animation zu tun zu haben - umso bedauerlicher, dass eben solche Szenen eher Seltenheitswert besitzen.

Trotz dramaturgischer Schwächen und mangelnder Charakterzeichnung bleibt Edwards' engagiertes Werk eine gelungene Wiedergeburt der Leinwandlegende, die über weite Strecken voll und ganz den Geist der Vorlage atmet. Wenn Ken Watanabe Godzilla in geradezu mystischer Verbrämung als Stabilisator der Kräfte bezeichnet oder mit in die Ferne entrücktem Blick moralinsaure Botschaften in die Welt hinausschwadroniert („Die Arroganz des Menschen ist es, zu glauben, er hätte die Natur unter Kontrolle - und nicht andersherum“), dann merkt man, dass die Macher das zu Grunde liegende Konzept verstanden haben, und fühlt sich dem Original in wohliger Nähe. GODZILLA 2014 ist somit vor allem eines: Die erste wirkliche Ehrerbietung des Westens an eine Ikone des Ostens. Nur 60 Jahre hat's gedauert.

Laufzeit: 123 Min. / Freigabe: ab 12

Freitag, 9. Mai 2014

THE RIFFS 3 - DIE RATTEN VON MANHATTAN


RATS – NOTTE DI TERRORE
Italien, Frankreich 1984

Regie:
Bruno Mattei,
Claudio Fragasso

Darsteller:
Ottaviano Dell'Acqua,
Geretta Geretta,
Massimo Vanni,
Richard Cross,
Ann-Gisel Glass,
Jean-Christophe Brétigniere,
Fausto Lombardi



„Im Jahre 2015 hat die Starrsinnigkeit des Menschen endlich triumphiert. Hunderte von Atombomben haben alle fünf Kontinente verwüstet. Aus Angst vor Tod und Zerstörung haben die wenigen Überlebenden der Katastrophe Zuflucht im Untergrund gesucht. Nun beginnt die Ära der zweiten menschlichen Rasse, bekannt als „Zeit nach der Bombe“. Ein Jahrhundert später beschließen ein paar Männer, unzufrieden mit dem System, das die neue Menschheit ihnen auferlegte, zu revoltieren und wie ihre Vorfahren wieder an der Erdoberfläche zu leben. So entsteht eine weitere Rasse, die der „Neuen Primitiven“. Lange Zeit haben beide Gemeinschaften keinen Kontakt miteinander. Die Menschen, die noch immer unter der Erde leben, sind hochnäsig, verachten die „Primitiven“ und betrachten sie als Wilde. Diese Geschichte beginnt auf der Erdoberfläche im Jahre 225 nach der Bombe.“

Holla! Ganz schön episch, was einem die vorgeschaltete (und reichlich unsauber durchs Bild gezogene) Texttafel da so alles verkündet. Die beschriebenen Ereignisse hätten ganz gewiss das Zeug zu einem richtig guten (oder zumindest nicht vollkommen schlechten) Endzeitabenteuer gehabt. Schade nur, dass die mit solch blumigen Worten ersponnene Vorgeschichte so rein gar nichts mit der danach folgenden Handlung zu tun hat. Diese entwickelt sich nämlich auffallend unepisch in deutlich beengtem Raum und besticht dabei weder durch erzählerische Dichte, noch durch ausschweifende Fabulierlust:

Inhalt:

King [Richard Raymond] ist Anführer einer kleinen Racker- und Rockerbande, die zu den letzten Überlebenden des Atomkriegs gehören. Ziellos durchstreifen sie das Land auf der Suche nach Zivilisation. In einem alten Saloon finden sie schließlich Nahrung für mehrere Wochen. Im Keller entdeckt die Bande nicht nur ein geheimnisvolles Labor, sondern auch ein Gewächshaus mit künstlich gezüchteten Pflanzen und einer Destellieranlage mit klarem Wasser. Anhand von Tonbandaufzeichnungen wird klar, dass Wissenschaftler hier bis zum Schluss versucht haben, der Menschheit das Überleben zu sichern. Zunächst ist die Freude groß, doch schon bald häufen sich Merkwürdigkeiten: Die Kaschemme ist bevölkert von aggressiven Ratten und überall liegen grauenvoll verunstaltete Leichen herum. Schon bald kommt es auch in den Reihen von Kings Bande zu ersten Todesfällen. Was zuerst nur ein Verdacht ist, wird bald Gewissheit: Die Ratten sind nicht mehr so harmlos wie noch vor Beginn des Krieges. Und für sie sind die Menschen die Störenfriede. Ein gnadenloser Kampf beginnt.

Kritik:

Man muss nicht erst auf den Originaltitel schielen, um zu bemerken, dass hier irgendetwas nicht stimmt. Wer hier auf eine weitere Fortsetzung von Enzo G. Castellaris apokalyptischem Gang-Reißer THE RIFFS hofft, dürfte spätestens nach 20 Minuten reichlich ernüchtert aus der Wäsche blicken. Der deutsche Verleih war vom finanziellen Erfolg des kernigen Action-Zweiteilers offenbar so angetan, dass er sich händeringend einen dritten Teil herbeiwünschte, der allerdings niemals gedreht wurde. Dafür jedoch war Billigfilmer Bruno Mattei nett genug, seinen im Folgejahr entstandenen Endzeit-Grusler RATS mit ein paar motorradfahrenden Knallchargen zu eröffnen. Das reichte für die hiesigen Verleiher bereits vollkommen aus: Schnell die publikumswirksamen Zauberwörtchen THE RIFFS in den Titel gemeißelt, das Plakat dem bekannten Design der Vorbilder angepasst und die wenigen Actionszenen des Geschehens in den Mittelpunkt der Werbung gerückt. Den Rest besorgte dann halt die Synchronisation, welche die Figuren hin und wieder mal behaupten lassen darf, dass die 'Riffs' früher mal New York beherrschten und niemals aufgeben werden. Und schon hatte man es mehr oder minder erfolgreich geschafft, die Abenteuer der kassenträchtigen Rockerbande zur Trilogie auszuweiten.

Funktionieren tut das freilich nur bedingt bis gar nicht, zumal THE RIFFS III auch eine völlig andere Kategorie bedient: Waren die Ereignisse von Trash und seinen Kumpanen in DIE GEWALT SIND WIR und FLUCHT AUS DER BRONX noch eindeutig dem Actionkino zuzuordnen, ist DIE RATTEN VON MANHATTAN trotz staubiger Endzeitkulisse ein lupenreiner Beitrag zur Gattung des Tierhorrorfilms. Dank der deutschen Distributionsmaßnahmen schrammt Matteis kosteneffizient gestalteter Schundfetzer nun natürlich an jeder Erwartungshaltung komplett vorbei, was einen unter Umständen übersehen lassen könnte, dass dem häufig belächelten Ramsch-Regisseur hier ein insgesamt doch recht passables Produkt geglückt ist – selbstverständlich lediglich im eng abgesteckten Rahmen der gegebenen Voraussetzungen und des beackerten Genres, welches ja in der Regel nicht gerade durch überragende Qualitätsarbeiten besticht. Denn natürlich ist auch RATS ein reichlich mülliger Horrorverschnitt, befüllt mit dem üblichen Kontingent an Abstrusität, Nonsens und bescheidener Effektkunst.

Doch trotz aller fraglos vorhandenen Defizite schafft es THE RIFFS III dennoch, eine gelungene, weil angenehm irreale Atmosphäre aufzubauen und einen damit einen Großteil der Handlung bei Laune zu halten. Der Schauplatz des alten Saloons ist gut gewählt (was aber eher Zufall sein dürfte, vermutlich war es einfach billiger in einem Saloon zu drehen als irgendwo anders) und das unterirdische Labor mit angegliedertem Gewächshaus nebst merkwürdiger Bewässerungsanlage besitzt in seiner unbeholfenen Mischung aus behauptetem Zukunftslook und tatsächlichem Retro-Chic seinen ganz eigenen eigentümlichen Charme. Auch ist die Idee, die Motive des Tierhorror- mit denen des Endzeitfilms zu kreuzen, so dumm gar nicht mal, bietet sie doch ausreichend Möglichkeit zur unterschwelligen Gesellschaftskritik: Die Rasse des Menschen löscht sich durch ihre ständigen Grabenkämpfe quasi im Alleingang aus, während die vermeintlich primitiven Lebewesen es nicht nur schaffen, das durch menschliche Dummheit entfachte Inferno zu überleben, sondern im Anschluss auch über die verbleibenden Exemplare zu triumphieren.

So macht sich dann selbst die durch Rattenattacken bereits deutlich dezimierte Gruppe lieber gegenseitig das Leben schwer und fechtet Kompetenzstreitigkeiten aus, anstatt sich zusammenzuraufen und der Gefahren gemeinsam Herr zu werden. „Wir sind menschliche Wesen mit menschlicher Intelligenz und keine Ratten!“, versucht Anführer King seine Mannen dann auch verzweifelt zu überzeugen, als man mal wieder dabei ist, sich gegenseitig an die Gurgel zu springen – doch die mahnenden Worte können die Wogen nur vorübergehend glätten und verlieren schon bald wieder ihre Wirkung. Natürlich sollte man sich davor hüten, in einen Billigheimer wie diesen allzu viel Subtext hineinzuinterpretieren, doch die Intention des Ganzen ist tatsächlich so unübersehbar wie lobenswert. Dass die Ausführung dennoch nur halbherzig gelang, ist vor allem der eher schluderigen Regie geschuldet, der es nicht gelingt, die interessanten Ansätze zu einem überzeugenden Ganzen zu verdichten.

Vermutlich war der hauptsächlich als Kopist von Hollywood-Ware bekannte Bruno Mattei viel zu sehr damit beschäftigt, die Angriffe der Ratten angsteinflößend wirken zu lassen – was gehörig in die Beinkleider ging. Das Hauptproblem RATS' ist es dann auch, dass die Nager zu keinem Zeitpunkt auch nur im Ansatz wie eine ernstzunehmende Gefahr wirken, sitzen sie doch die meiste Zeit vollkommen unbeteiligt in der Gegend herum, schnüffeln ihre Umgebung oder ihren Nachbarn ab und wundern sich über all die Leute um sie herum, die aus vollem Halse Zeter und Mordio schreien. Dass die eigentliche Bedrohung eher als niedlich empfunden wird (zumal zumindest ein Teil der Ratten auch noch aus angemalten Meerschweinchen besteht!), ist natürlich so ziemlich das schlimmste, was einem Tierterrorfilm passieren kann. Um der eher Gemütlichkeit ausstrahlenden Horde doch noch zu einem aggressiven Eindruck zu verhelfen, wurden die possierlichen Tierchen kurzerhand eimerweise über die dazu wie am Spieß brüllenden Protagonisten geschüttet oder wie wild vom Rand ins Bild geworfen – mit eher zweifelhaftem Erfolg. Zudem ist auch nicht zu übersehen, dass nur eine sehr eingeschränkte Anzahl an Ratten zur Verfügung stand, so dass immer wieder die selben Tiere vor die Kamera gescheucht werden mussten. Wenn einer der Darsteller dann panisch schreiend behauptet, „Millionen von Ratten“ würden sich nähern, müssen hier schon ein paar Gummiattrappen herhalten, die auf einem Teppich über den Boden gezogen werden.

Warum man sich immer wieder in dem rattenverseuchten Gebäude verschanzt, anstatt anständig Fersengeld zu geben, wird in dem Zusammenhang natürlich auch nicht wirklich plausibel erklärt. Zwar wird erwähnt, dass die Tiere die Motorräder unbrauchbar gemacht haben, aber gegen eine gute alte Flucht zu Fuß wäre im Prinzip nichts einzuwenden gewesen. Auch war man sich offensichtlich nicht so recht im Klaren darüber, wie genau die Ratten ihre Gegner jetzt eigentlich ins Gras beißen lassen. So verwandelt man sich nach erfolgtem Biss in der Regel in eine mit knallroter Farbe und diversen Wundmalen verzierte Schaufensterpuppe, manchmal jedoch liegt man auch mit Fieber im Bett, und während die einen auf Anhieb sterben, wandeln die anderen noch stundenlang schwankenderweise durch die Gänge, bevor sie sich dann irgendwann einfach aufblähen und zerplatzen. Und wer es sich besonders simpel machen möchte, kommt einfach rattenbehangen und „Tötet mich!“-röchelnd in den Saal gewankt und lässt sich kurzerhand von des Kumpanen Flammenwerfer bearbeiten, bevor er reichlich ungelenk und eher vorsichtig taumelnd (schließlich soll der Aluminiumanzug nicht versehentlich auch noch andere Dinge in Brand setzen) wieder hinausstolpert. Ob das nun wirklich der geilere Tod ist, sei mal dahingestellt.

Das klingt nun alles recht martialisch, doch selbst ausgewiesene Schwachmägen können DIE RATTEN VON MANHATTAN ohne größere Schwierigkeiten goutieren, werden die insgesamt auch eher selten auftretenden Brutalo- und Ekelszenen aufgrund ihrer bescheidenen Technik doch niemandem den Schlaf rauben. Die Darsteller der ganzen Chose gehören zwar fraglos nicht zur Oberliga, spielen jedoch ganz anständig, wobei die guten Sprecher der deutschen Fassung hier noch einige Kastanien aus dem Feuer holen können. Fast durch die Bank unerträglich geriet allerdings das weibliche Personal, das zuverlässig bei jedem Leichen- oder Ratten-Anblick in eine hemmungslose Kreisch-Arie verfällt (was zu dem Bild der angeblich so harten Rockerbraut irgendwie gar nicht passen will). Wahnsinnig kreativ gerieten auch die Namen der Figuren wie King (im Original fast noch schlimmer: Kurt – manchmal mit Helm, immer ohne Gurt), Chocolate (natürlich für eine dunkelhäutige Amazone), Video oder Lucifer.

Wer nicht mit falschen Erwartungen an die Sache herangeht und keine Straßenschlachten im heruntergekommenen New York erwartet, kann hier bei heruntergeschraubten Ansprüchen zumindest leidlich unterhaltsame, mattei-typisch von billigen Orgelklängen begleitete und mit Spruchgut wie „Computern und Leichen sollte man möglichst aus dem Weg gehen!“ garnierte 90 Minuten erleben, bevor einen die doch sehr gelungene und reichlich garstige Schlusspointe wieder aus dem Geschehen entlässt. Dass man sich bei der Produktion allerdings der Tierquälerei schuldig machte und mindestens ein Tier (vermutlich aber deutlich mehr) den grausamen Flammentod sterben ließ, lässt einen fast wünschen, die süßen Nager hätten dem primitiven Produktionsteam tatsächlich mal ein wenig das Fürchten gelehrt.

Laufzeit: 92 Min. / Freigabe: ungeprüft

Dienstag, 6. Mai 2014

THE RIFFS 2 - FLUCHT AUS DER BRONX


FUGA DAL BRONX
Italien 1983

Regie:
Enzo G. Castellari

Darsteller:
Mark Gregory,
Henry Silva,
Valeria D'Obici,
Giancarlo Prete,
Paolo Malco,
Ennio Girolami,
Antonio Sabàto,
Alessandro Prete


Inhalt:

„Verlassen Sie die Bronx! Tragen Sie sich ein für ein neues Zuhause im zauberhaften New Mexico!"

So schallt es mantrahaft aus den Lautsprechern des bewaffneten Säuberungskommandos. Und die präsidentiellen Putzmänner haben ihre eigenen Methoden, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen: Wer sich weigert, sein Zuhause zu verlassen, wird, wenn er Glück hat, brutal misshandelt, wenn er Pech hat, gut durchgeröstet. Hintergrund der gewaltsamen Aktion ist das geplante Bauprojekt des mächtigen Immobilienkonzerns "General Constructions", dessen gewissenloser Vorsitzender Henry Clarke [Enio Girolami] die abgehalfterte Bronx in ein schniekes Hochhausparadies für Bestverdienende verwandeln möchte. Auch ein älteres Ehepaar weigert sich, seine Heimat aufzugeben. Beide enden als ein Haufen Asche. Es waren die Eltern von Trash [Mark Gregory], dem knallharten Anführer der Rockerbande 'Riffs', der nun ein persönliches Interesse an blutiger Rache hegt. Trash begibt sich in den Untergrund und beginnt, gemeinsam mit der mutigen Reporterin Moon Grey [Valeria D'Obici], dem Rebellen Toblerone [Antonio Sabàto] sowie dem Einzelkämpfer Strike [Giancarlo Prete] den Widerstand zu formieren. Der Plan: die Entführung des Mannes, der alles zu verantworten hat – Präsident Clarke. Doch die Regierung schickt ihren eigenen Mann auf die Widersacher: den eiskalten Schlächter Floyd Wrangler [Henry Silva].

Kritik:

DIE GEWALT SIND WIR behaupteten 1982 die titelgebenden 'Riffs' und waren damit tatsächlich – nicht zuletzt aufgrund ihrer kosteneffizienten Machart - gewaltig erfolgreich. Nur ein Jahr dauerte es bis zur unvermeidlichen Fortsetzung, wieder inszeniert von Genreprofi Enzo G. Castellari und abermals mit dem wandelnden Muskelberg Mark Gregory in der Hauptrolle. Während die Besetzung also vertraute Gefühle erweckt, beschreitet man inhaltlich eher neue Wege: Die 'Riffs' sind zerschlagen (der deutsche Titel ist daher strenggenommen nicht ganz korrekt), ihr Anführer 'Trash' das einzige Überbleibsel der ehemaligen Biker-Gang. So ist THE RIFFS 2 dann auch – im Gegensatz zum Vorgänger - weniger Bandendrama als viel mehr klassische Einzelkämpferaction in bewährter RAMBO-Manier. Das Element der rivalisierenden Straßengangs wurde in dem Zusammenhang ebenfalls fast vollkommen eliminiert. Der gemeinsame Feind kommt hier von außen und trägt Anzug und Krawatte.

Diese Kontraste sind es, die THE RIFFS 2 so fabelhaft auszuloten versteht: Die elitäre Schicht gibt sich gönnerhaft und grenzt sich in blitzeblanker Umgebung ganz bewusst ab vom bildungsfernen Straßenleben in Schmutz und Schutt, ist in Wahrheit jedoch verlauster, als der dreckigste Slum-Bewohner es je sein könnte. Geradezu gottgleich stehen die Mächtigen des Landes vor dem Modell ihres protzigen Bauprojektes (welches sie ganz bescheiden als „Achtes Weltwunder“ titulieren), während sie in beinahe schon erotischer Verzücktheit mit dem Finger über dessen glitzernde Fassaden streichen. Das ist natürlich nicht frei vom Klischee, im Grunde sogar der Inbegriff desselben, funktioniert aber durchgehend großartig, zumal auch ansonsten mit Zynismen nicht gespart wurde: So ertönt das so wohlwollend scheinende „Tragen Sie sich ein für ein neues Zuhause im zauberhaften New Mexico!" bereits, noch bevor die erste Szene überhaupt zu sehen ist. Erst nach der folgenden Aufblende wird deutlich, wie sehr Verheißung und Realität auseinanderklaffen: Die Säuberungstruppen haben das Gebiet bereits in ein grauenhaftes Schlachtfeld verwandelt, zwischen den Spruchbändern und Schildern mit den verheißungsvollen Zukunftsbotschaften werden die Menschen wie Vieh zusammengetrieben oder massenhaft hingerichtet.

Die Sympathien des Publikums liegen also forcierterweise eindeutig auf Seite der unterjochten Unterschicht, so dass die Gewaltakte der 'Helden' dann auch ungefragt beklatscht werden dürfen. Dabei geht es nicht gerade zimperlich zu, THE RIFFS 2 stapelt tatsächlich ganze Leichenberge. Wahre Heerscharen der mit silbernen Schutzanzügen und Motorradhelmen zur konformen Anonymität kostümierten Widersacher laufen punktgenau in die rebellischen Kugeln, werden in Zeitlupe in die Luft gesprengt oder bekommen vom Racheengel Trash den Helm mitsamt sich dahinter befindlichem Gesicht zertrümmert (denn wie sang die norddeutsche Kapelle 'Torfrock' doch schon so überaus treffend?: "Das matscht so schön und tut so gut.“). Zwar ist deutlich zu erkennen, dass hier keine Menschen zerrissen werden, sondern menschenähnliche Puppen und die zermalmten Visagen lediglich mit blutähnlicher Masse befüllte Attrappen sind, doch sorgen gerade die käsigen Effekte für die Extraportion Charme.

Der Gewaltpegel wurde gegenüber dem Vorgänger tüchtig angezogen, und ab einem gewissen Zeitpunkt gibt es kaum noch eine Szene, die nicht damit endet, dass die Helden aus dem Hinterhalt angegriffen werden und sich ihrer Haut erwehren müssen. Dabei nimmt das massenhafte Meucheln zeitweise fast schon bedenkliche Züge an, wenn der etwas vorlaute Bengel einer der Kämpfer ('Strike'-Darsteller Giancarlo Pretes tatsächlicher Sohn Alessandro Prete) fleißig mittöten darf und dafür bei Erfolg ausgiebig vom Papi gelobt wird. Bis ins Absurde übersteigert sich die Vernichtungsarie, wenn Trashs Kugeln nicht nur zuverlässig jedes noch so weit entfernte Ziel treffen, sondern dieses aus unerfindlichem Grunde auch noch in einem Feuerball versinken lassen. So darf er mit seinem simplen Sechsschüsser ohne jede Schwierigkeit einen Helikopter vom Himmel holen, welcher natürlich nicht besseres zu tun hat, als mal eben zu explodieren. Sollte sich Trash allerdings zufällig mal selbst in einem explodierenden Haus befinden, so ist das auch kein größeres Problem: Eilig aus den Trümmern rausgewühlt, das schmucke Westchen abgeklopft und die Wunderwumme nachgeladen.

Natürlich schaden solche Momente der Glaubwürdigkeit (um nicht zu sagen: sie wird dadurch vollkommen vernichtet), letztendlich sind es jedoch gerade diese kleinen Verrücktheiten, die das Stimmungsbarometer immer wieder steil nach oben treiben. So dürften Trashs Eltern auch weltweit so ziemlich die einzigen sein, die einen lebensgroßen 'Bravo'-Starschnitt ihres Sohnes in der Wohnung hängen haben (welcher zudem auf dem Bild auch keinen Deut jünger aussieht als zur Zeit der aktuellen Handlung). Trashs Rachemotive aufgrund ihres erzwungenen Ablebens spielen zwar im weiteren Verlauf dann gar keine Rolle mehr (zumal das Drehbuch den Kampf der Unterdrückten gegen das Establishment ohnehin unabdingbar macht), doch nur die Allerspitzfindigsten dürften sich an diesem Umstand stören. Letztendlich ist die Prämisse sowieso nur das Mittel zum Zweck, die 90 Minuten Spielzeit mit möglichst vielen Actionsequenzen zu strecken.

Diese sind dann auch ohne Wenn und Aber ausgezeichnet in Szene gesetzt: Wenn die Protagonisten durch verfallene Ruinen und versiffte Kanäle schleichen und sich, die Kamera stets im Nacken, mit ihren Gegnern aufwändig produzierte, effektreiche Feuergefechte liefern, sich alles in Bewegung befindet und gleichzeitig doch wunderbar übersichtlich bleibt, dann ist das astreines, sauberes Actionkino der dreckigen Art, das den vielbemühten Vergleich mit Hollywood nicht zu scheuen braucht. Fast drängt sich einem dabei der Eindruck auf, Castellari und sein Team hätten die Fortsetzung nur gedreht, weil ihnen beim Erstling die Idee mit den Flammenwerfern erst so spät gekommen war und sie nun diesbezüglich mal so richtig vom Leder ziehen wollten. So wird bereits in der Anfangsszene fleißig Gebrauch gemacht von dem feurigen Utensil, welches bis zum Finale dann auch noch einige Male zum Einsatz kommen darf. Leider versäumte man es, den einzelnen Actionszenen individuellen Charakter zu verleihen, so dass die ständigen Schusswechsel insgesamt ebenso ununterscheidbar voneinander daherkommen wie die behelmten Bösewichte in ihren Silberanzügen. Auch findet kaum eine Steigerung statt, die letzte Szene ist wie die erste ist wie die mittlere. Besonders dem Hauptantagonisten hätte man ein etwas schäbigeres Ende gewünscht als dem Rest, das Finale geriet ernüchternd unspektakulär.

Mark Gregory hat seine Drohung wahrgemacht und sich seit Teil 1 einen zweiten Gesichtsausdruck antrainiert (so irgendetwas zwischen Erstaunen und Verwirrtheit). Damit spielt er jetzt automatisch besser als Steven Seagal in jedem seiner Filme. Gleichzeitig ist er auch einer der wenigen, der seinen Namen erneut auf die Besetzungsliste schreiben durfte. Ein weiteres Wiedersehen gibt es mit Ennio Girolami, dessen Rolle zwar anders heißt, im Prinzip jedoch die gleiche ist. Als arroganter Anzugträger wirkt er überaus überzeugend und stellt einen gelungenen Gegenpart zu den schrill kostümierten Bronx-Bewohnern dar. Für die Frauenquote sorgt Valeria D'Obici als Reporterin Moon Grey, die vergeblich versucht, die Öffentlichkeit auf die Missstände in der Bronx aufmerksam zu machen (dass es keine sehr kluge Taktik ist, zu diesem Zwecke auf Pressekonferenzen wie eine Geisteskranke herumzuschreien, hätte man ihr allerdings mal mitteilen sollen).

Als zu erwartendes Highlight entpuppt sich Italo-Ikone Henry Silva, der als sadistischer Staatsdiener nahezu perfekt besetzt ist und keine Not damit hat, Häuser zu sprengen, die noch nicht vollkommen geräumt sind, allerdings fast selbst kollabiert, wenn sein Kaffee falsch gezuckert wurde (wobei er in der deutschen Fassung interessanterweise ausrastet, weil sein Kaffee ohne Zucker serviert wird, während er selbiges in der Originalfassung tut, weil er mit Zucker serviert wird). Der Rest der Belegschaft agiert zwar überwiegend nur als Stichwortgeber, ist aber durch die Bank treffend besetzt. Selbst das vollkommen übertriebene Schauspiel von Antonio Sabàto passt zur Figur des extravaganten Untergrundkämpfers, und Giancarlo Prete nimmt man den Sprengstoffexperten trotz (oder gerade wegen?) eingeschränkter Mimik ebenfalls sofort ab. Der eigentliche Hauptdarsteller ist aber natürlich ohnehin wieder der Schauplatz des Ganzen, dieser grandios verranzte Moloch, der die perfekte Kulisse für das dreckige Schießen und Sterben abgibt.

THE RIFFS 2 ist eine überraschend konsequente Weiterentwicklung der Ereignisse des ersten Teils, ein exzellent gefilmter, von erlesenen Zeitlupen-Sequenzen im Stile Sam Peckinpahs durchsetzter Budenzauber mit deutlich erhöhten Schauwerten und einer nicht geringen Dosis bitteren Spotts, inhaltlich zeitweise zwar etwas flügellahm und überraschungsfrei, doch für Freunde zünftiger B-Action eigentlich unverzichtbar. Zu erwähnen bliebe höchstens noch, dass der Titel FLUCHT AUS DER BRONX inhaltlich Unsinn ist (und wohl nur gewählt wurde, um an eines der Vorbilder – ESCAPE FROM NEW YORK 
 zu erinnern), da es ja gerade darum geht, in der Bronx bleiben zu dürfen, aber daran soll es nicht scheitern. Verlassen Sie nicht die Bronx, lehnen Sie sich zurück, und genießen Sie ein weiteres zauberhaftes B-Movie von Castellari. Und vergessen Sie den Flammenwerfer nicht!

Laufzeit: 86 Min. / Freigabe: ungeprüft

Samstag, 3. Mai 2014

THE RIFFS - DIE GEWALT SIND WIR


1990 – I GUERRIERI DEL BRONX
Italien 1982

Regie:
Enzo G. Castellari

Darsteller:
Mark Gregory,
Stefania Girolami Goodwin,
Joshua Sinclair,
Rocco Lerro,
Fred Williamson,
Vic Morrow,
Christopher Connelly,
George Eastman



„In der Bronx ist das Leben weniger wert als ein müder Joint. Da geht der Tod mit ner mächtig großen Harke durch.“
[Der Trailer informiert]


Inhalt:

1990: Die Bronx wurde zum ‚Niemandsland‘ erklärt. Die Behörden haben jede Bemühung, Recht und Ordnung wieder herzustellen, aufgegeben. Stattdessen beherrschen nun verschiedene Gangs das Gebiet. Eine davon sind die 'Riffs', die auf betotenschädelten Motorrädern durch die Gegend kesseln und vom muskelbepackten 'Trash' [Mark Gregory] angeführt werden. Eines Tages retten Trash und seine Männer die junge Ann [Stefania Girolami Goodwin] vor einem Gewaltverbrechen. Ann kommt aus reichem Hause und ist aus dem gutsituierten Manhattan in die Bronx geflüchtet, um den kapitalistischen Zukunftsplänen ihres herzlosen Vaters zu entkommen. Dieser hegt natürlich den innigen Wunsch, sie aus dem Hort der Gesetzlosigkeit zurückzuholen und engagiert den für seinen Wahnsinn berüchtigten Polizisten Hammer [Vic Morrow], der selbst von seinen Kollegen gefürchtet wird. Die 'Riffs' sehen nur eine Möglichkeit: die Zusammenarbeit mit der verfeindeten Gang von Ogre [Fred Williamson]. Eine gefährliche Reise durch das gewaltzersetzte Land beginnt.

Kritik:

THE RIFFS ist ein weiterer lupenreiner Beitrag zum italienischen Trivialkino der 80er Jahre, dessen Zielsetzung es war, es ungleich größeren amerikanischen Vorbildern nachzueifern, um in deren Fahrwasser noch ein paar Lire in des Produzenten Portokasse zu befördern. Walter Hills rüder Gangstreifen THE WARRIORS war es hauptsächlich, der dieses Mal Pate stehen durfte und mit diversen Elementen ähnlich gearteter Erfolge angereichert wurde. Ganz ohne Scham kreiert das Drehbuch auf diese Weise ein angenehm-schmuddeliges, von apokalyptischer Weltuntergangsstimmung geprägtes Endzeitszenario mit einer Fülle schräger Figuren und Frisuren, das trotz seiner unbestrittenen Realitätsferne ein eigentümlich-authentisches Flair versprüht. Das liegt vor allem daran, dass überwiegend an Originalschauplätzen in den USA gedreht wurde (wenn auch immer mal wieder Brooklyn die Bronx doubeln darf) und man einen Großteil der Gangmitglieder mit tatsächlichen Gangmitgliedern der Hells Angels besetzte.

Mag die zu Grunde liegende Intention auch eindeutig sein, wäre es dennoch vermessen, THE RIFFS einfach nur als simples Abziehbild begreifen, besitzt das engagierte Werk doch genug eigenen Charakter, um sich vom Vorwurf des plumpen Plagiats ausreichend distanzieren zu dürfen. Bereits eine der ersten Szenen ist in ihrer individuellen Einzig- und Eigenartigkeit nahezu unschlagbar: Eine gepfählte Leiche liegt am Ufer des East River, ein Schlagzeugspieler sitzt samt Instrument daneben und trommelt coole Beats, während die 'Riffs' (die im Original eigentlich die 'Riders' heißen) dazu in ihrer absonderlichen Montur ergriffen Spalier stehen und melancholisch in die Ferne starren. Die fetzige Montage dieser Sequenz, welche ihre extravaganten Bilder taktgenau aneinanderreiht, sowie die teils ungewöhnlichen Perspektiven, aus welchen diese eingefangen sind, rockt in ihrer verschrobenen Mischung aus schrägem Surrealismus, künstlerischem Anspruch und sonderbarer Sinnbefreitheit bereits tüchtig die Hütte. Etwas später stehen die Bandenmitglieder am selben Ufer, um, dieses Mal begleitet von infernalischem Schrammelrock, die Asche ihres verblichenen Gefährten hinaus in den Fluss zu streuen – eine nahezu unverschämt blindwütige Romantisierung eskapistischen Aussteigertums.

Bereits hier hat THE RIFFS gewonnen, wenngleich sein stärkstes Pulver auch schon verschossen. Die folgende Story über Aufwiegelung zum Bandenkrieg, Verrat in den eigenen Reihen und Korruption von außerhalb bleibt unerwartet ungeschlossen, die Reise ihrer Protagonisten insgesamt eher ereignisarm. Etwaige Hindernisse sind schnell überwunden, retardierende Momente kaum der Rede wert. Zudem werden die Beweggründe der Figuren vom Skript überwiegend im Nebel gelassen. Warum Ann aus der sicheren Welt des Reichtums ausgerechnet in die gewalttätige Bronx flieht, wird ebenso unzureichend erklärt wie die Frage, was genau an dem gefürchteten Polizei- und Gangsterschreck Hammer nun eigentlich so entsetzlich sein soll, verhält er sich im Prinzip doch auch nicht weniger skrupellos als der ganze Rest. Nun erwartet man in der Regel von einem Beitrag wie diesem nicht zwangsläufig bis ins Mark ausgefeilte Zusammenhänge, doch kommt man nicht umhin zu sagen, dass hier durchaus vorhandenes Potential verschenkt wurde. 

Dass das Geschehen dennoch anständig bei Laune hält, liegt vor allem daran, dass THE RIFFS das, was ihm an Spannung fehlt, durch seine besondere Atmosphäre locker wieder wettmacht. In charmant-ranzigem Umfeld präsentiert sich eine illustre Parade skurriler Gestalten in flotten Klamotten, die das an sich düstere Bandendrama bisweilen in einen grellbunten Comicstrip verwandeln. Die dazu stattfindenden Actionszenen wirken zwar teilweise ein wenig holprig in Szene gesetzt (was vor allem für die Kampf-Choreographie gilt), doch gefallen trotz allem durch ihre unbefangene Ruppigkeit. Das Finale schließlich schlägt angenehm über die Stränge, präsentiert eine Armada berittener Gesetzeshüter, die ihre Gegner entgegen jeder Logik mit Flammenwerfern malträtieren, und zelebriert blutige Schuss- und Stichwechsel zwischen Opferbereitschaft und Heldentod.

Unverbesserlichen Spöttern wird dabei gewiss jede Menge Angriffsfläche geboten, läuft man den Sehgewohnheiten der Masse doch von Grund auf zuwider. So wirken die 'Riffs' mit ihrem lächerlichen Aufzug (inklusive leuchtender Plastiktotenköpfe auf den Motorradlenkern) weniger wie eine wirkliche Gefahr, sondern vielmehr wie eine Horde ungezogener Jungs, die mal so richtig einen auf dicke Hose machen möchte. Und dafür, dass die Bronx ein Schmelztiegel der Gewalt sein soll, geht es hier insgesamt doch ziemlich gesittet, teilweise fast schon gemütlich zu. Dass man den Hauptcharakter in sympathischer Selbstironie ‚Trash‘ taufte, nimmt manchem Kritiker natürlich schon im Vorfeld etwas Wind aus dem Segel, tatsächlich jedoch ist von eben diesem trotz aller Banalität verblüffend wenig vorhanden. Sicherlich mag es ein paar Miesepeter geben, die Straßengangs, die mit Rollschuhen und Hockeyschlägern unterwegs sind oder stepptanzend eiserne Melonen auf ihren geschminkten Häuptern tragen, als müllig bezeichnen würden, doch in diesem Genre und während dieser Periode hat man tatsächlich schon sehr viel härtere Kaliber erlebt.

Die Hauptrolle des fröhlichen Unfugs ging an den davor (und auch noch danach) völlig unbekannten Mark Gregory [THUNDER]. Der damals gerade mal 17 Lenze zählende Jüngling wurde der Legende nach direkt aus dem Fitnessstudio heraus gecastet und verkörpert die Titelfigur ‚Trash‘ als muskelbepackte Supertucke mit offenem Hemd, hautenger Hose und lobenswertem Hang zum Zweitgesichtsausdruck. Ihm gegenüber steht ausgerechnet Fred Williamson [→ GIANT KILLER], einer der ungekrönten Könige des B-Movies, der selbst, wenn er gar nichts macht, noch besser spielt als alle anderen. Locker steckt er auch hier wieder die komplette Restbesetzung in die Tasche, lässt eine Spruchsalve nach der nächsten raus und ist lässig genug, sich selbst im Angesicht des drohenden Flammentodes noch eine Zigarre anzustecken. Dazu sind mit Vic Morrow [→ STERNENKRIEG IM WELTALL] als grimassierender Nazibulle, George Eastman [→ DJANGO UND DIE BANDE DER GEHENKTEN] als Bandenführer im Mongolenkostüm und Christopher Connelly [→ DIE JÄGER DER GOLDENEN GÖTTIN] als zwielichtigem Grenzgänger noch ein paar nicht vollkommen unbekannte Mimen an Bord, die ihren Stiefel artig herunterspielen.

Auf dem Regiestuhl nahm mit Enzo G. Castellari ein echter Routinier Platz, der von Western [→ TÖTE ALLE UND KEHR ALLEIN ZURÜCK] über Kriegsabenteuer [→ EIN HAUFEN VERWEGENER HUNDE] bis zum Polizeikrimi [→ DER TAG DER COBRA] so ziemlich jedes Genre zuverlässig beackerte und hier seine halbe Familie auf die Besetzungsliste hievte: Seine Tochter Stefania Girolami [METROPOLIS 2000] ist als Ann zu sehen, sein Bruder Enio Girolami [DIE RÜCKKEHR DER WILDGÄNSE] gibt den bösen Waffenfabrikanten und er selbst dessen korrupten Anwalt.

THE RIFFS ist wunderbar launiges Actionkino aus zweiter Reihe, dessen siffige Endzeitatmosphäre auf eine quietschbunte Comicästhetik trifft. Angereichert mit ein paar garstigen, wenn auch nicht übermäßig expliziten Brutalitäten und attraktiven Western- und Horrorelementen, gelingt dem durchaus ambitionierten Ghetto-Reißer das Kunststück, im selben Atemzug sowohl DIE KLAPPERSCHLANGE als auch UHRWERK ORANGE zu zitieren, ohne dabei seinem schrulligen Stil untreu werden zu müssen. Ein paar uninspirierte Humoreinlagen (wie der Betrunkene, der anfangs ein paar Mal sinnlos durch die Gegend taumelt) sowie das provozierende Ins-Bild-Rücken von Hakenkreuzen zu Beginn hätte man sich zwar schenken können, dem Vergnügen jedoch ist das kaum abträglich. Das Publikum sah das wohl ähnlich, kam es doch nur ein Jahr später zur fortsetzenden FLUCHT AUS DER BRONX. Und sogar das bei Trash-Freunden berühmt-berüchtigte 'Lexikon des Internationalen Films' sprach seine Empfehlung aus: „Brutal und gewaltverherrlichend.“ So einfach kann man das zusammenfassen.

Laufzeit: 89 Min. / Freigabe: ungeprüft