Eigene Forschungen

Sonntag, 17. Februar 2019

ANGRIFF DER RIESENKRALLE


THE GIANT CLAW
USA 1957

Regie:
Fred F. Sears

Darsteller:
Jeff Morrow,
Mara Corday,
Morris Ankrum,
Louis Merrill,
Edgar Barrier,
Robert Shayne,
Frank Griffin,
Clark Howat



Ist es ein Vogel? Ist es ein Flugzeug? Nein, es ist ... Oh! Nein, halt, es ist doch ein Vogel. Aber was für einer!

„Datum: der 17. des Monats. Wetter: trübe, bedeckt. Zeit: 13.32 Uhr. Ein bedeutsamer Moment in der Menschheitsgeschichte. Der Moment, in dem ein Elektronikingenieur namens Mitch MacAfee etwas am Himmel entdeckte. Etwas, das beinahe der Anfang vom Ende allen Lebens auf dieser Erde war“, verkündet die für Billighorror der 50er Jahre typische neutrale Erzählstimme aus dem Off. Und sie hat sehr Recht. Ein bedeutsamer Moment in der Menschheitsgeschichte. Und ein noch bedeutsamerer für die Geschichte des unfreiwilligen Komik-Kinos. Denn obwohl ANGRIFF DER RIESENKRALLE im Prinzip ein stinknormaler Riesenmonsterstreifen ist, wie es ihn zu seiner Zeit zu Dutzenden gab, erarbeitete er sich im Laufe der Jahre den Ruf eines geradezu unfassbaren Lachschlagers und erspielte sich somit eine treue Fangemeinde, von deren Ausmaß die Macher zum Zeitpunkt des Entstehens höchstens träumen konnten. Aber der Reihe nach!

Inhalt:

Mitch MacAfee [Jeff Morrow] arbeitet als Elektronikingenieur für die U. S. Air Force. Während eines Kalibrierungsfluges sichtet er eines Tages ein unbekanntes Flugobjekt. Über Funk alarmiert er das Militär, das sofort eine Fliegerstaffel losschickt. Diese jedoch kehrt unverrichteter Dinge zurück - es war schlicht nichts Außergewöhnliches auffindbar. Major Bergen [Clark Howat] hält Mitch für nen Kasper und macht ihn richtig rund („Wenn ich mit Ihnen fertig bin, Mr. Elektronikingenieur, werden Sie froh sein, wenn Sie noch irgendwo Lichtschalter putzen dürfen.“) Doch kaum ist die Standpauke vorüber, klingelt auch schon das Telefon. Ein Passagierflugzeug ist verschwunden – kurz nachdem der Pilot ein UFO gemeldet hatte. Zwar wird Mitch nun Glauben geschenkt, aber die Suche nach dem mysteriösen Objekt bleibt auch weiterhin erfolglos. Erst nach vielen weiteren Unglücksfällen entpuppt sich der Übeltäter als ein gigantischer Vogel vermutlich außerirdischen Ursprungs, dessen Schutzschild aus Antimaterie ihn unverwundbar macht. Verzweifelt suchen Wissenschaft und Militär nach einer Möglichkeit, das aggressive Großtier aufzuhalten, das mittlerweile New York erreicht hat, um dort ordentlich Schaden anzurichten.

Kritik:

Das alles folgt üblichen Mustern. Eine Bedrohung, die zunächst niemand ernstnimmt, gefolgt von bösem Erwachen, Hilflosigkeit im Angesicht der scheinbaren Übermacht, Tüfteleien, um der Katastrophe Herr zu werden, und nach mehreren Fehlschlägen schließlich Triumph von Technik, Forschung und schimmernder Wehr. Regisseur Fred F. Sears inszenierte mit ANGRIFF DER RIESENKRALLE eine handelsübliche Monsterfabel, die das für die Zeit typische Hohelied auf militärische Intervention anstimmt und deren außerirdische Bedrohung sich einmal mehr allzu leicht als Panikmache vor kommunistischen Umtrieben umdeuten lässt. Dabei zieht er sein Programm straff und überaus unterhaltsam durch und ist damit etlichen Mitbewerbern voraus, die trotz stets kurzer Laufzeit oft auch mit einer Menge Leerlauf zu kämpfen hatten. Auffallend ist hier auch der freundliche Grundton, der die Streitkraft wirken lässt wie einen fidelen Kegelverein. Man scherzt, man lacht, man schimpft zwar auch mal, verträgt sich aber auch gleich wieder. Es ist tatsächlich so, wie der einleitende Off-Kommentar verspricht: „Ein Elektronikingenieur, ein Radar-Offizier, eine Systemanalytikerin, ein Fluglotse und ein paar Zeichner. Menschen, die ihre Aufgabe erfüllen. Gut. Effizient. Mit Spaß bei der Sache. Ernsthaft bei der Arbeit.“

Der Grund für eine derart sympathische Zeichnung der Protagonisten liegt auf der Hand: ANGRIFF DER RIESENKRALLE sollte das Vertrauen der amerikanischen Bevölkerung in die Landesverteidigung stärken, sollte suggerieren, dass hier gute Männer (und Frauen) am Werke sind, die etwaige Bedrohungen effektiv abwehren können. Nicht ohne Grund werden, noch bevor es überhaupt richtig losgeht, erst einmal die technischen Errungenschaften in den Fokus gerückt (obwohl diese in den folgenden 70 Minuten quasi überhaupt keine Rolle mehr spielen). Und auch das weibliche Personal darf hier deutlich mehr tun als den Kaffee zu servieren und ein besorgtes Gesicht zu machen. Die von Mara Corday [→ TARANTULAeinnehmend verkörperte Analytikerin Sally Caldwell mischt aktiv mit und bringt wichtige Geistesblitze ein, die zur Problemlösung beitragen – nicht schlecht in Anbetracht des vorsintflutlichen Frauenbildes der 50er Jahre. Dass ANGRIFF DER RIESENKRALLE seit seinem Erscheinen als mächtige Spaß-Granate gilt, liegt daher weder an einer mangelhaften Inszenierung noch an der naiven Handlung (die sich ohnehin nicht unterscheidet von anderen Vertretern der damaligen Zunft). Der Grund dafür ist der Antagonist, die 'Riesenkralle', der außerirdische Monstervogel, der so sagenhaft bescheuert aussieht, dass es einem schier die Schuhe auszieht.

Obwohl ursprünglich angedacht war, das Untier per Stop-Motion-Technik von Effekt-Pionier Ray Harryhausen entstehen zu lassen, entschied man sich (sicherlich aus Kostengründen) dann doch für eine Attrappe, die man bei einem Puppenbauern in Mexiko anfertigen ließ. Ob die Entscheidung, den Entwurf dann tatsächlich abzunehmen und auch zu verwenden, aufgrund von Zeitnot oder Inkompetenz erfolgte, lässt sich nicht genau sagen. Fest steht: Das Monstermodell hätte rein realistisch betrachtet niemals Verwendung finden dürfen, wollte man sich nicht vollends der Lächerlichkeit preisgeben. Doch zum Glück betrachtete man die Sache damals unrealistisch und schenkte der Filmwelt somit eine der wohl schrägsten Kreaturen, die jemals erschaffen wurden. Die 'Riesenkralle' sieht aus wie eine wilde Mixtur aus Geier und Truthahn, inklusive dämlicher Glubschaugen, unpraktischem Giraffenhals und schriller, stets auf halb Acht hängender Punk-Frisur. Das Vieh wirkt, als habe es die letzte Nacht durchgezecht, sei dann um 8 Uhr in der Früh vom Postboten geweckt worden und müsse nun jeden Augenblick kotzen, weswegen es hochgradig angepisst alles kaputtschlägt, was ihm in die Quere kommt. Nun konnte man den Leuten in den 50er Jahren noch deutlich mehr Unfug auftischen als nur wenige Jahrzehnte danach und vieles aus der Zeit wirkt selbst bei eigentlich guter Machart aus moderner Sicht ein wenig albern. Die 'Riesenkralle' jedoch sorgte auf Anhieb für allgemeine Heiterkeit – laut Cast und Crew brach das Premierenpublikum beim ersten Erscheinen des fiesen Federviehs in schallendes Gelächter aus und hörte bis zum Schluss auch nicht mehr damit auf.

Die Legende sagt, dass Hauptdarsteller Jeff Morrow das Monster bei der Premiere selbst erstmals zu Gesicht bekam und daraufhin den Saal vor lauter Scham noch während der Vorstellung verließ (falls das stimmt, hat er sich allerdings schnell wieder erholt, immerhin trat er 1971 gegen den OCTAMAN an – ein weiteres unfassbar beknacktes Ungetüm, abermals mexikanischen Ursprungs). Tatsächlich ist es nicht unwahrscheinlich, dass Trick- und Realaufnahmen getrennt aufgenommen und erst später kombiniert wurden. Das würde auch die Diskrepanz zwischen den albernen Monsterszenen und dem restlichen Material erklären. Morrow und Konsorten agieren nämlich sehr anständig und wirken keineswegs so, als sei ihnen bewusst, durch was für eine Unfassbarkeit sie hier eigentlich stolpern. Dass die Dialoge dabei genregerecht wissenschaftlichen Nonsens der Extraklasse verbreiten, macht die Sache freilich noch mal um einiges amüsanter. "Dieser Vogel ist extraterrestrisch, vielleicht sogar extragalaktisch. Er kommt aus einer gottverlassenen Antimaterien-Galaxis Millionen, Abermillionen Lichtjahre von uns entfernt. Das müssen wir aus den Beweisen folgern“, verkündet ein Wissenschaftler da mit bierernster Miene und guckt dabei maximal betroffen aus der Wäsche. Zu diesen vermutlich eher versehentlich erheiternden Auswüchsen - so viel sei zugestanden - gesellen sich allerdings auch welche, die gewollt amüsant und durchaus pointiert sind. So erinnern die verbalen Kabbeleien zwischen männlicher und weiblicher Hauptrolle an amerikanische Screwball-Komödien, was gut funktioniert. Und als einer der Piloten Jagd auf den Vogel macht, ruft er über Funk: „Jetzt kann ich meine Schwiegermutter nie wieder 'Hässlicher Vogel' nennen.“

Abseits des verunglückten Riesenkrallen-Designs sind auch die restlichen Trickeffekte insgesamt eher unterdurchschnittlicher Natur. Zwar spricht alles immer bestürzt davon, wie unfassbar viel Schaden das Monster in New York anrichtet, wirklich viel sehen jedoch tut man nicht davon. Sicher, ANGRIFF DER RIESENKRALLE ist eine Billig-Produktion, aber wenn man bedenkt, wie viel effektive Destruktion der japanische GODZILLA bei seinem ersten Auftritt bereits drei Jahre zuvor mit ähnlichen Mitteln angerichtet hat, ist das Gebotene doch sehr bescheiden. Da man die Zerstörungssequenzen auch noch mit Material aus früheren Katastrophenfilmen anreicherte, ergibt das zudem jede Menge Anschlussfehler. In der einzigen etwas imposanteren Szene hockt der Supervogel auf dem UN-Gebäude, um es im Anschluss in gewohnt schlechter Laune mit einem beherzten Schnabelhieb in Stücke zu hacken. Ansonsten schnappt er hauptsächlich Fallschirmspringer-Püppchen vom Himmel und klaubt eine Modelleisenbahn wie eine Wiener-Würstchen-Kette vom Schienenstrang. Auch über die Ausmaße der Kreatur hat man sich keine großen Gedanken gemacht. Mal passt gerade mal ein Mensch in deren Schnabel, später dann plötzlich doch ein ganzes Flugzeug. Aber das schert zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon längst niemanden mehr. ANGRIFF DER RIESENKRALLE ist ein Fest für Freunde des fröhlichen filmischen Unfugs, und man muss den Machern Dank sagen für die Traute, die bizarre Kreation durchgewunken zu haben. Der garstige Gummi-Geier wird garantiert noch Generationen beeindrucken.

Laufzeit: 74 Min. / Freigabe: ab 12

Samstag, 9. Februar 2019

MASSAKER IN KLASSE 13


MASSACRE AT CENTRAL HIGH
USA 1976

Regie:
Rene Daalder

Darsteller:
Derrel Maury,
Andrew Stevens,
Ray Underwood,
Robert Carradine,
Kimberly Beck,
Steve Bond,
Rex Steven Sikes,
Lani O'Grady



Pass dich an, dann geht’s dir hier gut.“


Inhalt:

David [Derrel Maury] ist neu auf der Central High. Die Freude, seinen Jugendfreund Mark [Andrew Stevens] wiederzutreffen, ist allerdings schnell verflogen, gibt sich dieser doch seltsam reserviert. Aber auch viele weitere Mitschüler verhalten sich merkwürdig, wirken unsicher und verschüchtert. Bald wird David klar, was hier Sache ist: Die Central High wird kontrolliert von der Gang des herrschsüchtigen Bruce [Ray Underwood], die es bestens versteht, den Rest der Schülerschaft zu schikanieren. Mark, mittlerweile selbst Mitglied dieser Terrorbande, ist nun hin- und hergerissen zwischen Loyalität zur Gang und Verbundenheit mit seinem alten Freund. Er rät David, sich ruhig zu verhalten und die Machtverhältnisse nicht anzuzweifeln. Doch als dieser sich die Freiheit herausnimmt, eine Vergewaltigung zu verhindern, schlagen Bruce & Co. mit aller Härte zurück – David landet im Krankenhaus. Sein Bein ist zwar gebrochen, nicht jedoch sein Kampfgeist. Nach Entlassung wandelt sich das ehemalige Opfer zum humpelnden Rachegespenst. In Folge erschüttern mehrere bizarre Todesfälle die Central High – und die Gang um Bruce wird immer kleiner und kleiner …

Kritik:

Die Schulzeit wird auf der Leinwand meist arg verklärt dargestellt. Glaubt man dem Kino, so scheint die Schule in erster Linie ein heiterer Ort zu sein, mit lustigen Typen, attraktiven Frauen und jeder Menge Spaß und Party. In der Realität allgegenwärtige Themen wie Leistungsdruck, Gruppenzwang oder Mobbing hingegen werden in der Regel ausgeklammert. Das vom gebürtigen Holländer Rene Daalder geskriptete und inszenierte MASSAKER IN KLASSE 13 schickt sich an, zumindest ein paar dieser Defizite auszugleichen. Seinem martialischen Titel wird das Geschehen dennoch nicht gerecht, weswegen begeisterte Blutbauern ihre Hosen auch gleich wieder schließen dürfen. Auf knatternde Kettensägen, fliegende Körperteile und jedwedes Gesudel hofft man hier vergebens. Stattdessen wird man Zeuge eines mit sarkastischen Spitzen gewürzten Sozialdramas im Jugend-/Teenie-Milieu, das mit ein paar (zum Teil herrlich perfiden) Mordmomenten angereichert wurde. Die Methoden, die Protagonist David anwendet, um seine Kontrahenten aus dem Weg zu räumen, strapazieren zwar massiv die Glaubwürdigkeit, sind aber gleichzeitig so wunderbar verschlagen, dass man sich eines breiten Grinsens kaum erwehren kann. Der beherzte Sprung ins leere Schwimmbecken ist sogar ein waschechter Brüller und gereicht jedem Cartoon zur Ehre.

Trotz Blutarmut und Verzicht auf ausgespielte Spannungsszenarien nimmt MASSAKER IN KLASSE 13 dabei bereits einige Elemente des typischen Teenie-Slashers vorweg, eines Genres, das erst wenige Jahre später zu voller Blüte kommen und ganze Heerscharen mysteriöser Meuchler auf die arme amerikanische Jugend loslassen sollte. Doch obwohl es fraglos das Hauptanliegen gewesen dürfte, das Publikum mit ein paar reißerischen Effekten zu unterhalten, ist das Skript doch clever genug, einen weder weit hergeholten noch uninteressanten Blick auf gesellschaftliche Phänomene zu werfen. So entwickeln sich die Ereignisse nämlich doch ein wenig anders, als man es zunächst erwarten würde, sind doch die vermeintlichen Hauptantagonisten bereits nach relativ kurzer Dauer ausradiert. Bei der Mehrheit vergleichbarer Werke läutet das in der Regel den Abspann ein. Hier jedoch herrscht nun nicht etwa Friede, Freude, Eierkuchen. Die einstigen Mobbingopfer genießen ihre neu gewonnene Freiheit so sehr, dass sie arrogant werden und selbst damit beginnen, Schwächere in ihrer Umgebung zu drangsalieren. Es beginnt ein Kampf um die neue Vorherrschaft an der Schule. Eine neue Hackordnung entsteht, welche der alten in nichts nachsteht. Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. David sieht sich gezwungen, seinen Tötungsmarathon fortzusetzen – eine Gewaltspirale also, die niemals enden kann.

Ebenso wie die Machtverhältnisse sich verschieben, ändern sich damit einhergehend auch die Sympathieträger. Hielt man anfangs noch eindeutig zu David, der den Laden als einsamer Racheengel mal so richtig durchputzte, schlägt man sich im weiteren Verlaufe plötzlich auf die Seite von dessen Kumpel Mark, der zu Beginn noch so verachtenswert mitläuferisch und feige blieb, während David sich langsam, aber stetig zum Psychopathen entwickelt, der als eine Art Mini-MacGyver mit Bombe im Gepäck und Trauma im Kopf zur größten Gefahr wird. Der einstige Held wandelt sich somit zum Bösewicht. Dieser kritische Blick auf gesellschaftliche Entwicklungen und Eigenarten ist der eigentliche Clou der Erzählung. Ebenso wie in der realen Welt gibt es auch hier keine eindeutig guten oder bösen Menschen; alles bedingt sich und steht in Wechselwirkung zueinander. Je nach Situation und Umstand können aus Opfern Täter werden, aus Helden Schurken oder aus Feiglingen Lebensretter. Gut und Böse sind also relativ. Böses gewaltsam ausmerzen zu wollen, wäre demnach sinnlos. Zum einen, weil man sich damit selbst auf die böse Seite begibt, zum anderen, weil bereits der nächste Schurke darauf wartet, den freien Platz einzunehmen.

Solch zart philosophische Sprengsel machen MASSAKER IN KLASSE 13 zwar interessanter als den Durchschnitt, aber freilich noch lang nicht zum gewieften Intellektuellenstück. Dafür ist die ganze Chose dann doch eine Spur zu plump und auf Radau gebürstet. Die formalen und inhaltlichen Schwächen des Werks sind zahlreich und kaum zu übersehen. Das beginnt damit, dass die Gang um Bruce tatsächlich ziemlich armselig ist und niemals so wirkt, als ginge von ihr eine ernsthafte Gefahr aus. Eigentlich ist es nicht mal eine richtige Gang, sondern lediglich ein aus vier, fünf Leuten bestehender Haufen reichlich ungezogener Rüpel, denen eine zünftige Schelle bereits den Kompass richten könnte. Immer wieder wird zudem erwähnt, dass Mark bei David aufgrund vergangener Ereignisse in der Schuld stünde, ohne dass jemals erklärt würde, worin diese denn nun eigentlich besteht. Auch die Inszenierung wirkt ein wenig eigentümlich-verschroben. Das beginnt bereits beim Vorspann, in dem Protagonist David Strand und Straße entlang joggt, musikalisch untermalt von einer Schnulze, die man eher in einem Liebesdrama vermuten würde, und mehrfach unterbrochen von kurzen Szenen, die erst im weiteren Verlaufe folgen werden (Explosionen, Schlägereien, Gefummel am Kamin). Das ist schon eine etwas seltsame Art und Weise der Eröffnung.

Die größte Merkwürdigkeit allerdings besteht darin, dass hier außer den (zumindest behauptet) jugendlichen Hauptfiguren niemand sonst zu existieren scheint. Bei einer Schule als Schauplatz sollte man ja meinen, dass ab und an mal ein Lehrkörper, Hausmeister oder sonst irgendein erwachsenes Personal auftaucht. Aber das ist nicht der Fall. Auf den Gängen tummeln sich ausschließlich Schüler, die zudem immer Pause zu haben scheinen – man sieht keine einzige Unterrichtsstunde (da es offensichtlich eben keine Lehrer gibt). In Klassenzimmer, Schwimmbad oder Sporthalle beschäftigen sich die Heranwachsenden stets allein und ohne Aufsicht. Nun mag man sich einreden, Daalder wolle sich eben voll und ganz auf Konflikte und Seelenleben seiner adoleszenten Hauptfiguren beschränken. Aber auch außerhalb des Schultrakts scheint die Welt wie leergefegt. Wenn sich die Jugendlichen im Park lümmeln, dann sind sie die einzigen Menschen dort. Elternteile existieren ebenso wenig wie die Polizei, die bei dieser extremen Anhäufung obskurer Todesfälle früher oder später zwangsläufig auf den Plan treten müsste. Das wirkt auf Dauer dermaßen absurd, dass es schon fast post-apokalyptisches Flair verbreitet: MASSAKER IN KLASSE 13 scheint in einer Welt zu spielen, in der alle Erwachsenen vom Erdball getilgt wurden. Wo bei MAD MAX & Co. nur die Rockerbanden das infernale Feuer überlebt haben, waren es hier eben die Pennäler.

Das ändert sich erst im Finale, das aber nicht weniger abstrus anmutet. Wie aus heiterem Himmel findet hier nämlich ein Schulball statt, der niemals zuvor angekündigt wurde, der aber dennoch plötzlich einfach da ist und von dem auch alle zu wissen scheinen. 'Student Alumni Prom' steht auf dem Plakat, tatsächlich aber erinnert die Veranstaltung an Tanztee im Altenheim. So erstaunt man ist, hier mit einem Male Figuren anzutreffen, die das 20. Lebensjahr überschritten haben, desto erstaunter ist man, wenn einem klar wird, dass diese alle um die 80 sind. Ohnehin ist bis zum Schluss auch überhaupt nicht ersichtlich, wo man sich hier eigentlich die ganze Zeit befindet: Der Originaltitel behauptet eine Highschool, die deutsche Synchronisation spricht von einem College (was de facto nicht das Gleiche ist). Gebäudearchitektur (nebst angeschlossener Riesen-Bibliothek) und Alter der Protagonisten lassen hingegen eher auf eine Universität schließen (was einem College immerhin am ähnlichsten wäre). Der deutsche Titel sorgt für zusätzliche Verwirrung, denn eine Klasse 13 gibt es hier schlicht und ergreifend nicht (ebenso wenig wie eine Klasse 12 oder gar 14). Es ist Fakt: MASSAKER IN KLASSE 13 bleibt in vielerlei Hinsicht nebulös. Eindeutig allerdings ist, dass das Treiben trotzdem tüchtig Stimmung in die Bude bringt. Die Ereignisse sind durchgehend spannend, man erlaubt sich keine Hänger und David beim Rabauken-Pauken zuzusehen, ist eine kleine innere Freude. Das Klassenziel erreicht diese leicht obskur angehauchte Mixtur aus Früh-Slasher, Selbstjustiz-Posse und Jugend-Drama daher mit einer guten 3+. Setzen, weitermachen!

Laufzeit: 84 Min. / Freigabe: ab 18