Hongkong 1971
Regie:
Chor Yuen
Darsteller:
Tsung Hua,
Chin Han,
Wang Ping,
Chiang Nan,
Ching Miao,
Yang Chi-Ching,
Ku Feng,
Cheng Kang-Yeh
Inhalt:
Anfang des 20. Jahrhunderts: In einer chinesischen Kleinstadt floriert der Opiumschmuggel. Wang Hsin-Tien [Ching Miao], Leiter der Kung-To-Kampfkunstschule, will dem illegalen Treiben ein Ende bereiten und stört die Geschäfte der Schmuggler erheblich. Bandenmitglied Chiao Tzu-Fei [Chiang Nan] will ihn daher beiseite schaffen und ersinnt einen sinistren Plan: Er schreibt einen Brief an seinen ehemaligen Vertrauten Hsieh Chun [Tsung Hua], der die Stadt vor über 10 Jahren verlassen hat. Hsieh, einst Messerwerfer im örtlichen Zirkus und bekannt für sein aufbrausendes Temperament, wird von Chiao mit einer Lüge in die Irre geführt: Wang und seine Schüler, so die Behauptung, würden die Gegend tyrannisieren. Unwissend, dass sein früherer Freund der wahre Feind ist, mischt Hsieh daraufhin die Schule auf und verletzt einen der Männer schwer. Doch dann trifft er überraschend seine ehemalige Zirkuskollegin Yu [Wang Ping] wieder, die ihm ins Gewissen redet. Mehr noch: Auch sein damaliger Gefährte Ma [Chin Han], einst ebenfalls in die Ferne gegangen, um Arbeit zu finden, taucht plötzlich wieder auf. Inzwischen hat er Karriere bei der Polizei gemacht und nur ein Ziel: den Drogenhandel in seiner alten Heimat zu zerschlagen. Als Chiao erkennt, dass sein Täuschungsmanöver aufzufliegen droht, heckt er einen noch perfideren Plan aus: Er lässt mehrere von Wangs Schülern ermorden und schiebt Hsieh die Schuld in die Schuhe. Die Intrige trägt Früchte: Es dauert nicht lang, da stehen sich die einstigen Brüder Hsieh und Ma als Feinde gegenüber.
Kritik:
Im Jahre 1971 drehte Chor Yuen [→ DAS TODESDUELL DER TIGERKRALLE] für die Shaw Brothers diesen kompliziert erzählten, im Kern jedoch sehr simplen Kung-Fu-Krimi, für dessen Umsetzung man die bewährten Studiohallen und -areale augenscheinlich nur selten verließ. Viel Mühe in eine plausible Story investierte man dabei nicht. Das Skript wurde offenbar mit heißer Nadel gestrickt und steht auf ziemlich wackeligen Beinen. Bereits die Prämisse erscheint recht seltsam, wird hier doch offenbar ein kompletter Ort ausschließlich von der örtlichen Kung-Fu-Schule verwaltet und kontrolliert. Würde die Geschichte gut 100 Jahre früher spielen, wäre das nicht einmal allzu weit hergeholt, aber für die abgebildete Zeit (vermutlich so um 1910 rum) erscheint die generelle Abwesenheit von Staat und Behörde nur wenig schlüssig. Aber weil das hier nun einmal der Fall ist, muss sich der örtliche Kung-Fu-Lehrer Wang höchstpersönlich um die Verbrechensbekämpfung bemühen. Direkt in der Eröffnungssequenz überfallen er und seine Schüler daher einen Drogentransport durch die Botanik, verteilen tüchtig Keile und verbrennen die heiße Ware noch an Ort und Stelle. Wie sinnvoll es ist, massenhaft Opium in Brand zu stecken, während man direkt danebensteht, wird bei der Gelegenheit leider nicht beantwortet.
Was dann folgt, ist dermaßen an den Haaren herbeigezogen, dass guter Wille allein kaum ausreicht, um die Konstruiertheit der Ereignisse ignorieren zu können. Denn die Idee, die der schurkische Schmuggler Chiao ausheckt, um Wang (buchstäblich) ans Messer zu liefern, ist schlichtweg hanebüchen: Er lockt seinen früheren Freund Hsieh in die Stadt, füttert ihn mit Falschinformationen, wonach Wang und seine Kung-Fu-Kollegen brutale Bösewichter sind, und hofft dann einfach darauf, dass dieser den Gegner aufgrund seines hitzigen Temperaments im Alleingang auslöscht. Ein einziges klärendes Gespräch mit dem vermeintlichen Feind hätte freilich schon ausgereicht, um das fragile Lügenkonstrukt in sich zusammenbrechen zu lassen, und in der Realität wäre es fraglos auch so gekommen. Aber in dieser Welt erlaubt das natürlich das Drehbuch nicht, weswegen Chiaos zweifelhafter Plan zunächst tatsächlich aufzugehen scheint. Als sich die Dinge dann doch anders entwickeln als erhofft, richtet Chiao ein Massaker an und schiebt Hsieh dafür die Schuld in die Schuhe. Das geschieht jedoch auf solch plumpe Weise, dass dabei auch noch das letzte bisschen Glaubwürdigkeit über Bord geht: Er lässt einfach Hsiehs Zeichen auf die Mordwerkzeuge gravieren, was als Beweis genügen soll (und es laut Skript auch tut). Wie ausgefuchst! Warum hat er nicht gleich noch dessen Visitenkarten nachgedruckt und den Leichen in die Taschen gesteckt?
Schluckt man diese haarsträubenden Ideen, dann funktioniert DIE BANDE DES GELBEN DRACHEN allerdings ziemlich gut. Einen nicht erheblichen Anteil daran haben die stilsichere Inszenierung Chor Yuens und die energiegeladenen Kampfsequenzen. Für letztere war Yuen Wo-Ping [→ THE GRANDMASTER] verantwortlich, der damit eine seiner ersten Arbeiten ablieferte, viele Jahre, bevor er zum wohl bekanntesten Choreographen Asiens – vielleicht sogar der Welt – aufstieg. Von der späteren Perfektion ist er hier zwar noch entfernt, aber wenn sich die Kämpfer gegenseitig schwungvoll in und durch die Requisiten schleudern, besitzt das schon eine Menge destruktiver Wucht. Zwar gleichen sich die Bilder ziemlich und die Masche wird auch kaum variiert, aber unterhaltsam (und nicht zuletzt von allen Beteiligten gekonnt dargeboten) ist das Schauspiel allemal. Reichen die eigenen Extremitäten zur Verteidigung nicht mehr aus, werden überwiegend Messer gezückt. Das führt hin und wieder zu recht blutigen Ergebnissen, wobei diese nicht einmal ansatzweise so intensiv zelebriert werden wie z. B. bei DUELL OHNE GNADE oder DER PIRAT VON SHANTUNG, zwei weiteren Shaw Brothers-Werken mit leidenschaftlicher Messer-Macke. Die Wahl dieser Waffe ergibt in Anbetracht der Vergangenheit der Hauptfigur auch absolut Sinn, denn einst war Hsieh, mehrere Rückblicke verdeutlichen es, Messerwerfer der ansässigen Zirkusfamilie. Dementsprechend trägt er seine Wurfwerkzeuge nun wie Patronen am Gürtel mit sich herum, was schon ziemlich lässig rüberkommt. Dabei schleudert er seine Klingen überwiegend jedoch nicht, um seinen Gegnern das Lebenslicht auszupusten, sondern lediglich, um sie irgendwo festzunageln.
Die Qualitäten DIE BANDE DES GELBEN DRACHENs erschöpfen sich allerdings nicht allein in der Darbietung gewalttätiger Konfrontationen. Genaugenommen sind es gerade die leisen Zwischentöne, die das Interesse wecken und halten können. Denn hinter der harten Oberfläche schimmert dezent der zarte Zauber nostalgischer Wehmut. Ein sentimentaler Schleier schwebt über dem Geschehen, wenn der verlorene Sohn heimkehrt an die Stätte seiner Jugend, auf alte Weggefährten trifft und längst vergessen geglaubte Sorgen, Hoffnungen und Sehnsüchte neu erwachen. Durch böse manipulierende Mächte im Hintergrund droht die glückliche Zukunft des schließlich im Zentrum stehenden Dreiergespanns auf ewig zu zerbrechen und einstige Freundschaft zu Feindschaft zu werden. Geschickt wird dabei unterschwellig auf der Gefühlsklaviatur geklimpert, wenn Begegnungen und Aussprachen beispielsweise an Orten stattfinden, die sinnbildlich für die Vergangenheit stehen. Wie das Zirkuszelt, einst gemeinsames Domizil, mittlerweile alt, abgerockt und verlassen - ein Relikt verblichener Tage, wie die Figuren selbst. Oder wenn wiederkehrend die Seerose ins Bild gerückt wird, als Symbol für die Verbundenheit und unterdrückte Liebe zwischen Hsieh und Yu, die als einzige aus dem Trio in der Heimatstadt verblieb. Dass zwischen Hsieh und Ma, dem Dritten aus der Zirkusfamilie, ein latenter Wettbewerb um ihre Gunst besteht, wird dabei ebenfalls lediglich angedeutet, nie verbalisiert. Aber wenn die einstigen „Brüder“ sich am Ende, durch Lüge und Intrige aufeinandergehetzt, auf unterschiedlichen Seiten zum Duell gegenüberstehen, dann ist zu vermuten, dass sie auch durch eine verkappt schwelende Rivalität bezüglich der Zuneigung Yus angetrieben werden.
Der Umstand, dass genug Interpretationsspielraum gelassen wird und das Publikum nicht alles aufs Butterbrot geschmiert bekommt, ist eine der großen Stärken DIE BANDE DES GELBEN DRACHENs, der seine eingangs erwähnten Defizite gut auszugleichen versteht. Die Inszenierung ist durch und durch sauber, die Bilder sind prall gefüllt und die Sets werden stilsicher ins rechte Licht gerückt. Dazu wimmelt es von Statisten und ständig in der Luft hängender Rauch sorgt für eine stimmungsvolle Atmosphäre. Lediglich bei der Hafenkulisse war man ein wenig zu sorglos und ließ die Darsteller einfach vor einer einfarbigen Wand agieren, was nicht besonders überzeugend aussieht. Dass am Ende urplötzlich mit Schusswaffen hantiert wird und ein japanischer Strippenzieher die Bühne betritt, will auch nicht so recht ins Bild passen und soll Resultat einer kurzfristigen Planänderung sein. Grund dafür war angeblich der bahnbrechende Erfolg FIST OF FURYs, in dem es Knochenbrecher-Koryphäe Bruce Lee ebenfalls mit Scharlatanen aus Nippon zu tun bekam. Da dieses Feindbild deswegen gerade mächtig in Mode war, so heißt es, entschied man sich für Storyänderungen und Nachdrehs, die das ursprüngliche Konzept ein wenig auf den Kopf stellten. Das klingt zwar zunächst plausibel, zumal ein Stilwechsel zum Finale nicht zu leugnen ist und der Auftritt des schwertschwingenden Ku Fengs [ → DIE TÖDLICHEN ZWEI] als neuer Endgegner doch arg forciert wirkt. Allerdings scheint DIE BANDE DES GELBEN DRACHEN das Licht der Leinwand doch ein paar Wochen früher erblickt zu haben als FIST OF FURY, was die Behauptung ein wenig widersprüchlich macht.
Als echtes Ärgernis entpuppt sich die deutsche Sprachfassung, welche Hintergründe und Motivationen der Figuren nach Lust und Laune umdeutet, was die ohnehin nicht sonderlich plausible Story endgültig ins tiefe Tal der Verwirrung führt. In dieser Version ist Hsieh nicht etwa ein Messerwerfer, der nach vielen Jahren an den Ort seiner Jugend zurückkehrt, sondern ein externer Auftragsmörder, der von Chiao extra engagiert wird, um dessen Feinde auszuschalten. Dass beide Männer sich eigentlich von früher kennen und ein altes Schuldverhältnis zwischen ihnen besteht, wird komplett unterschlagen, wie auch die Tatsache, dass die Ereignisse in Hsiehs alter Heimat stattfinden. So wirkt es nun, als laufe er seinen ganzen alten Freunden und Bekannten hier rein zufällig über den Weg. Auch verliert dadurch natürlich nahezu alles an Bedeutung, seien es die symbolträchtigen Orte, wie das zerfallene Zirkuszelt, oder die nun regelrecht zweckfreien Rückblenden in Hsiehs Schaustellervergangenheit. Warum Chiao, in der deutschen Version simpler Auftraggeber eines Attentats, seinem Bediensteten einen Bären bezüglich der Zielpersonen aufbindet, erscheint zudem ebenso nebulös wie der Umstand, dass Hsieh, angeblich ja ein Killer mit Mordmission im Gepäck, tatsächlich niemanden umbringt, sondern einfach nur ein wenig Wirbel veranstaltet. Da man in dieser Fassung außerdem versucht war, es so aussehen zu lassen, als habe die eigentlich unschuldige Kung-Fu-Schule tatsächlich irgendwie Dreck am Stecken, ergibt am Ende kaum noch etwas einen nachvollziehbaren Sinn.
Wenngleich auch im Original erzählerisch alles andere als stressresistent, punktet DIE BANDE DES GELBEN DRACHEN am Ende mit seiner eleganten Mixtur aus Stil, Action und emotionaler Tiefe. Nicht jeder Wurf ist ein Treffer. Aber jeder Treffer sitzt.
Laufzeit: 90 Min. / Freigabe: ungeprüft