Eigene Forschungen

Montag, 30. Dezember 2013

SHAOLIN


XIN SHAO LIN SI
China 2011

Regie:
Benny Chan

Darsteller:
Andy Lau,
Nicholas Tse,
Fan Bingbing,
Jackie Chan,
Jacky Wu,
Bai Bing,
Xing Yu,
Yu Shaoqun



Inhalt: 

China in den 20er Jahren: Kriegsherren liefern sich brutale Kämpfe um die Machtansprüche im Land. Einer von ihnen ist General Hao [Andy Lau]. Gemeinsam mit seinem Schüler Tsao [Nicholas Tse], den er aufgrund seiner jugendlichen Temperaments häufig zurechtweisen muss, geht er rücksichtslos gegen seine Feinde vor. Als einer seiner Kontrahenten in einem Shaolin-Kloster Zuflucht sucht, können selbst die dort lebenden Mönche ihn nicht daran hindern, den Mann zu töten. Aufgrund seines Erfolgs übermütig plant er als nächstes, General Song [Shi Xiao-Hong], dem er eigentlich Blutsbrüderschaft schwor, bei einer familiären Zeremonie zu ermorden. Doch Hao wiederum wird von Tsao verraten, der die Gelegenheit am Schopfe packt, sich gleich mehrerer Konkurrenten zu entledigen. Nur mit Müh und Not entkommt Hao der angeheuerten Killerbande und schleppt sich – seine schwer verletzte Tochter im Arm – ausgerechnet in das Shaolin-Kloster, welches er einst entweihte. Zwar bemühen sich die Mönche um das Leben des Kindes, doch können sie dessen Tod nicht mehr verhindern. Fassungslos vor Trauer zerbricht der einst so stolze Mann und mit ihm sein Lebenswille. Tsao errichtet in der folgenden Zeit eine wahre Schreckensherrschaft im gesamten Land. Während Hao aus den Lehren Buddhas nach und nach neuen Mut schöpft, erfährt Tsao, mittlerweile mit ausländischen Invasoren im Bunde, von seinem Aufenthaltsort. Mit einer riesigen Armee im Schlepptau und mit den modernsten Feuerwaffen ausgerüstet stattet er dem Kloster einen Besuch ab.

Kritik:

SHAOLIN – der aufs Wesentliche heruntergebrochene Titel macht es mehr als deutlich – versteht sich als Rückkehr zum klassischen chinesischen Shaolin-Kino, welches in den 70er und 80er Jahren auf einer niemals zu enden scheinenden Erfolgswelle durch die Lichtspielhäuser rollte und die Kassen im Takte stahlharter Fäuste und unbezwingbarer Todeskrallen tüchtig klingeln ließ. Quasi in Dauerschleife traf das Publikum die volle Wucht aus Kung Fu und Konfuzius, und auch in Deutschland verging während dieser Zeit kaum eine Woche, ohne dass sich ein Titel mit dem zugkräftigen „Shaolin“-Wort in das Kinoprogramm verirrte. Dass dieser Wahnsinns-Output neben einigen Glanzlichtern auch jede Menge Graupen hervorbrachte, versteht sich dabei fast von selbst, konnte dem anhaltenden Interesse jedoch kaum etwas anhaben.

Der actionerprobte Regisseur Benny Chan [→
INVISIBLE TARGET] sorgte 2011 für diese gediegene und von reichlich Produktionsmitteln gestützte Neuauflage des Stoffes, welche zwar, von großen Dingen wie Loyalität, Verrat und Rache erzählend, die bewährten Themen abhandelt, sich in vielen Punkten allerdings von der klassischen Phase unterscheidet: Mit reichlich Emotionswallung und dem apokalyptischen Überzug einer großen griechischen Tragödie ausgestattet schickt die
im Grunde recht konventionelle Geschichte ihre Figuren auf eine moralgetränkte Sinnsuche durch Tod und Verderben, Shakespeare stets näher als Shaw und Zhang Yimous schwelgerischem FLUCH DER GOLDENEN BLUME am Ende weitaus ähnlicher als Chang Ches eher geerdetem TEMPEL DER SHAOLIN. Ausufernden Actionmomenten stehen somit auch immer wieder zahlreiche Augenblicke der Ruhe gegenüber, in welchen Handkante und Streitaxt pausieren und die Protagonisten zu sich selbst finden dürfen. 
Dabei gab man sich auffallende Mühe, die Charaktere nicht zum stupiden Reißbrettprodukt verkommen zu lassen, sondern sie so ambivalent wie möglich zu zeichnen. Das gilt in besonderem Maße für den Hauptprotagonisten Hao: Lernt man ihn zunächst als machtbesessenen Tyrannen kennen, entpuppt er sich im weiteren Verlauf als dennoch aufrichtig liebender Ehemann und Vater, was im beinharten Kontrast steht zu seinem von gefühlskalten Gewaltaktionen dominierten Vernichtungsfeldzug. Seine spätere Wandlung von der brutalen Dreckschleuder zum friedvollen Pazifisten geht zwar insgesamt ein wenig zu schnell, eine ausführlichere Beschreibung allerdings hätte die Laufzeit von zwei Stunden gewiss gesprengt.

Trotz der grundsätzlich erkennbaren Bestrebung, sich von der klassischen Ära abzugrenzen, von deren erstarrten Mustern und Motiven, in einer seiner Hauptkomponenten, der Darstellung der Shaolin-Mönche nämlich, geriet SHAOLIN jedoch abermals reichlich klischeeversetzt und hat der stereotypischen Inszenierung vergangener Zeiten kaum etwas entgegenzusetzen: Natürlich gibt es auch hier den alten Zausel, der selbst in Gegenwart allergrößter Gefahr immer noch ein paar Glückskeksweisheiten im Gepäck hat, und das Können der Schüler grenzt einmal mehr eher an Zauberei, denn an tatsächliche Kampfkunst. Das beißt sich zwar ein wenig mit der selbstauferlegten intellektuellen Attitüde, geriet jedoch nicht wirklich störend, zumal Übertreibung in dem Genre beileibe nichts Neues ist.

Angenehm übertrieben und von achtbarer Kinetik gerieten auch die Actionszenen, die, anfangs noch recht rar gesät, wenn sie denn stattfinden, richtig Freude machen: So liefert sich Hao auf der Flucht vor seinen Häschern eine halsbrecherische Verfolgungsjagd per Kutsche, während er von allen Seiten mit riesigen Streitäxten malträtiert wird. Das ist freilich arg realitätsfern, aber in seiner Rasanz verdammt schick anzusehen. Ähnliches gilt auch für die obligatorischen Kampfsequenzen, die, trotz kaum zu übersehendem Drahtseil-Einsatz, sehr gefallen können. Je weiter die Handlung voranschreitet, desto stärker liegt die Betonung schließlich auf dem religiösen Aspekt der Geschichte – gegen Ende gar dermaßen penetrant, dass man fast den Eindruck gewinnen könnte, es mit einem Werbefilm für den Buddhismus zu tun zu haben. Mutige Zuschauer können SHAOLIN daher zu einem kleinen Trinkspiel nutzen: Wem es gelingt, jedes Mal, wenn der Satz „Gelobt sei Buddha!“ fällt, einen zu heben, dem dürfte der Schlussakt verborgen bleiben.

In der Hauptrolle des sich auf dem Wege der Läuterung befindlichen General Hao erlebt man den gewohnt souverän agierenden Andy Lau [→ DETECTIVE DEE UND DAS GEHEIMNIS DER PHANTOMFLAMMEN]. Nun mag Lau nicht unbedingt der beste Darsteller Asiens sein, und vor allem in den emotionalen Momenten SHAOLINs wirkt er bisweilen auch ein wenig überfordert, doch trotz kaum zu leugnendem Autopilotschauspiel gelingt es ihm, die schwierige Rolle ausreichend auszufüllen (wobei ihm nicht zuletzt auch sein unverändertes Charisma zugutekommt). Als die Frau an seiner Seite sieht man die attraktive Fan Bingbing, welche bereits beim Schlachtenepos BATTLE OF KINGDOMS gemeinsam mit Lau vor der Kamera stand. Trotz relativ kurzer Präsenz verkörpert sie ebenfalls eine sehr interessante Figur, die die grausamen Taten ihres Mannes zwar verabscheut, ihm aber trotz allem bis zum Schluss loyal bleibt. 
Der Part des Antagonisten in Form des despotischen Widerlings Tsao ist mit Nicholas Tse [→ NEW POLICE STORY] nahezu perfekt besetzt: Sein noch jugendliches Äußeres und seine zunächst so unscheinbare Aura täuschen auch den Zuschauer lange Zeit über die Gefahr, die er darstellt, hinweg, bevor er spätestens im Finale als ultimativ hassenswertes Scheusal den Wutz von der Kette lassen darf. Scheußlich unpassend ist in dem Zusammenhang allerdings auch seine viel zu alt klingende Synchronstimme, welche seinem Charakter in der (ansonsten gut gelungenen) deutschen Fassung einiges an Wirkung raubt.

Als zusätzliches Zugpferd darf auch Leinwandlegende Jackie Chan [→ CITY HUNTER] als kauziger Shaolin-Koch durch das Szenario turnen und dabei – eigentlich keine große Überraschung – für die humoristische Komponente zuständig sein. Auch wenn seine Rolle im Prinzip ziemlich unnötig scheint und allzu auffällig nur ins Skript geschrieben wurde, um die Besetzungsliste mit seinem prominenten Namen schmücken zu können, geriet sein Auftritt doch keinesfalls störend und ausreichend amüsant. Wenn er behauptet, früher mal ein ganz guter Kämpfer gewesen zu sein, aber Kung Fu bereits seit Jahren verlernt zu haben, kann man sich ein Schmunzeln kaum verkneifen. Gerade seine Kampf-Einlage jedoch passt nicht so wirklich ins Konzept, bedient sie doch hauptsächlich eher seine Slapstick-Freunde, was sich mit der eigentlich eher düsteren und brutalen Grundstimmung nicht so recht vertragen will.

Letztendlich ist SHAOLIN gewiss kein Meilenstein – dafür ist er schlichtweg nicht originell, nicht besonders, nicht innovativ genug. Doch trotz kleinerer Schwächen bleibt er nicht nur für eingefleischte Kung-Fu-Jünger absolut lohnenswerte Unterhaltung. Mag die ersponnene Erzählung auch nicht neu und weitestgehend überraschungsfrei sein, so ist hier doch eindeutig der Weg das Ziel: Wenn Hao sich publikumswirksam von Saulus zum Paulus wandelt, um in eiseskalter Nacht unter glasklarem Sternenhimmel mit einem Shaolin-Jungen an seiner Seite seine Übungen zu zelebrieren, erfüllt von Einkehr und innerem Frieden, dann sind das – allem prätentiösem Protz zum Trotze – doch wunderschöne Momente, die sich ins Gedächtnis brennen. Und wem der Anfang noch zu verlabert ist, der kommt spätestens beim explosiven (wenn auch viel zu offensichtlich mit CGI aufgemotzten) Finale auf seine Kosten. Zudem ist SHAOLIN einer der wenigen großen Hongkong-Blockbuster des neuen Jahrtausends, der nicht als Propaganda für die chinesische Regierung herhalten muss. Gelobt sei Buddha!

Laufzeit: 126 Min. / Freigabe: ab 12

Freitag, 27. Dezember 2013

DAS RASTHAUS DER TEUFLISCHEN SCHWESTERN


THE NAME OF THE GAME IS KILL
USA 1968

Regie:
Gunnar Hellström

Darsteller:
Jack Lord,
Susan Strasberg,
Tisha Sterling,
Collin Wilcox Paxton,
T. C. Jones,
Marc Desmond,
Mort Mills
Lou Lombardo



Inhalt:

Der ungarische Tramper Symcha Lipa [Jack Lord] wird in der Wüste Arizonas von der attraktiven Mickey [Susan Strasberg] aufgegabelt. Diese nimmt ihn mit zu einer nahegelegenen Tankstelle, welche sie, gemeinsam mit ihrer Mutter und ihren beiden Schwestern, auch bewohnt. Nachdem er seinen Durst stillen konnte, bietet Mickey ihm an, auch bei ihr übernachten zu können – ein Angebot, das er, in freudiger Aussicht darauf, nach seinem Durst auch eine ganz bestimmte Art von Hunger stillen zu können, gern annimmt. Mickeys ältere Schwester Diz [Collin Wilcox Paxton] begegnet dem unerwarteten Gast allerdings mit offener Feindseligkeit, und auch die jüngere Nan [Tisha Sterling] und die Mutter [ T. C. Jones] benehmen sich bei aller Freundlichkeit auch etwas merkwürdig. Nachdem Mickey seine Avancen zurückgewiesen hat, wird auf Symcha, als er den Ort am kommenden Morgen verlassen möchte, ein Mordanschlag verübt. Vom Auto angefahren bleibt er bewusstlos liegen und wird in ein Krankenhaus eingeliefert. Nach seiner Genesung kehrt er zur Tankstelle zurück und versucht in den folgenden Tagen, das Vertrauen der geheimnisvollen Familie zu gewinnen. Als jede der vier Frauen ihm schließlich eine andere Version vom tragischen Tode des Vaters erzählt, wird ihm allmählich bewusst, dass ein schreckliches Trauma auf den Geschwistern liegen muss.

Kritik:

Im Jahre 1968 drehte der Schwede Gunnar Hellström in den USA diesen weitestgehend vergessenen Thriller mit dem phänomenalen Originaltitel THE NAME OF THE GAME IS KILL. Der deutsche Titel trifft den Sinn der Sache hingegen nicht so ganz, handelt es sich beim titelgebenden Schauplatz doch eigentlich nicht um ein Rasthaus, sondern um eine Tankstelle, aber da DIE DREI VON DER TANKSTELLE als Titel bereits vergeben war … Was soll’s … !? Vom deutschen Verleih seinerzeit grandios überschäumend als „höllisch heißes Gebräu aus Hollywoods Horror-Schocker-Giftküche“ an den Mann gebracht, dürfte dieses vollmundige Versprechen damals für so einige enttäuschte Gesichter gesorgt haben. Tatsächlich kommt DAS RASTHAUS DER TEUFLISCHEN SCHWESTERN nämlich überraschend handzahm daher und verspricht letztendlich deutlich mehr, als er dann wirklich zu halten vermag. Dabei gelingt es Hellström durchaus, ein gesundes Maß an unheilvoller Atmosphäre aufzubauen: ein karges Haus in ungastlicher Gegend, drei seltsame Schwestern nebst zwar freundlicher, doch merkwürdig-distanzierter Mutter, widersprüchliche Schauergeschichten aus der Vergangenheit, dazu pelziges Krabbel- und klapperndes Kriechgetier und strangulierte Puppenköpfe – das RASTHAUS sorgt zeitweilig in der Tat für ein wohliges Gänsehaut-Gefühl.

Um dieses durchgehend halten zu können, fehlt es dem morbiden Gruselstück letztendlich jedoch ein wenig an der notwendigen Konsequenz. Immer wieder, wenn es THE NAME OF THE GAME IS KILL gerade wieder gelingt, Interesse zu wecken an seiner Geschichte, seinen Figuren, den mysteriösen Hintergründen des Geschehens, wird der begonnene Faden auch schon wieder halbherzig fallengelassen und die aufkommende Spannung verpufft brutal im luftleeren Raum. Wenn man dann noch ins Bewusstsein ruft, dass das RASTHAUS eine schmalbudgetierte Independent-Produktion war, die den Auflagen des manierlichen Massengeschmacks trotzen durfte und ihr Geld vor allem reißerisch beworben in den Grindhouse-Kinos wieder hereinholen sollte, darf man sich angesichts der letztendlichen Harmlosigkeit des Gebotenen auch gut und gern etwas betrübt zeigen. Zwar liegt ständig eine unterschwellige sexuelle Spannung in der Luft und irgendwie hat man das Gefühl, dass sich alle am Rande einer heftigen Gewalteruption befinden und sich jeden Moment unfassbare Abgründe auftun, so richtig getraut, die Sau rauszulassen, hat man sich allerdings doch nicht. So verpulvert das RASTHAUS eine enorme Menge an explosivem Potential und nutzt seine Ressourcen lediglich im Ansatz. 

Womöglich verließ man sich auch allzu sehr auf die Schockwirkung der finalen Wende, mit welcher damals sogar explizit beworben wurde („Sie dürfen diesen Film nur sehen, wenn Sie das Versprechen abgeben, das schockierende Ende niemandem zu verraten“, bedrohte einen das Plakat). Tatsächlich geriet diese auch nicht ineffektiv und kann sich nachhaltig ins Gedächtnis graben. Auch auf handwerklicher Ebene hat man sich rein gar nichts vorzuwerfen – die Inszenierung leistet sich keinen Patzer und gefällt mit leicht experimentellem Anstrich. Kameramann Vilmos Zsigmond [→ ASSASSINS] gelingen zudem einige starke Bilder (wenn sich z. B. die Silhouetten Symchas und Mickeys, beide in einem Torbogen stehend, gegen den strahlend blauen Himmel abheben) und stimmungsvolle Kompositionen, die das Werk sogar oftmals hochwertiger aussehen lassen, als es eigentlich ist. 

Jack Lord [→ 007 JAGT DR. NO] übernahm die männliche Hauptrolle, wirkt in dieser allerdings manchmal ein wenig zu trantütig und zudem fatalerweise auch nicht immer unbedingt sympathisch. Zudem versäumt es das Drehbuch sträflich, die Motive für sein Handeln erklärend herauszustellen, so dass sein Verhalten nicht selten nebulös bleibt. Warum genau kehrt er zur unheimlichen Tankstelle zurück, nachdem er nur knapp einem Mordanschlag entkommen war? Neugierde? Liebe? Geilheit? Man weiß es nicht … Deutlich hochwertiger agieren hingegen die weiblichen Darsteller. Susan Strasberg [→ ACHTERBAHN] wirkt im gleichen Maße selbstbewusst, wie verletzlich und geheimnisvoll und ist außerdem auch attraktiv genug, um Jack Lords Rückkehr zumindest im Ansatz plausibel erscheinen zu lassen. Collin Wilcox Paxton [→ DER WEISSE HAI 2] kann als ihre ältere Schwester ebenfalls punkten und verkörpert sehr glaubwürdig die Rolle der vom Leben gezeichneten Frau mit dunkler Vergangenheit. Der Hauptgewinn allerdings geht an die damals 24-jährige Tisha Sterling [→ COOGANS GROSSER BLUFF], die als jüngste der drei Schwestern eine großartige Schauspielnummer aufs Parkett legt, wenn sie in einem Moment tränenüberströmt vom tragischen Schicksal ihres Vaters berichtet, um sich ein paar Minuten später in eine wild fluchende Furie zu verwandeln. 

Lohnt sich ein Besuch im RASTHAUS DER TEUFLISCHEN SCHWESTERN nun? Zumindest schadet er nicht, vor allem, wenn man ein Faible besitzt für das urige Kino der 60er Jahre, in dem man so langsam, aber sicher begann, moralische Bedenken zur Seite zu schieben und thematisch auch mal heißere Eisen anzupacken. Dass THE NAME OF THE GAME IS KILL die meiste Zeit dennoch mit angezogener Handbremse fährt und bei weitem nicht der Knaller geworden ist, der er hätte werden können, ist zwar etwas bedauerlich, einen zaghaften Blick ist das makabre Geschehen allerdings trotzdem wert. Wer sich wohlfühlt im schaurigen Netz aus Ahnungen, Andeutungen und Intrigen, der darf sich hier ohne Reue seine mit sympathischem Billigcharme gestreckte Dosis abholen. Aber Vorsicht: Wer hier zu lang rastet, wird geröstet! 

Laufzeit: 80 Min. / Freigabe: ab 16

Samstag, 14. Dezember 2013

DER HOBBIT - SMAUGS EINÖDE


THE HOBBIT – THE DESOLATION OF SMAUG
USA/Neuseeland 2013

Regie:
Peter Jackson

Darsteller:
Martin Freeman,
Ian McKellen,
Evangeline Lilly,
Orlando Bloom,
Cate Blanchett,
Hugo Weaving,
Richard Armitage,
Luke Evans



„Ich bin Feuer. Ich bin Tod.“ 


Inhalt:

Der Hobbit Bilbo Beutlin, die Zwerge unter der Führung Thorin Eichenschilds und der Zauberer Gandalf befinden sich immer noch auf dem Weg zum Einsamen Berg, um das einstige Zwergenreich Erebor vom Drachen Smaug zurückzuerobern. Bilbo erfährt bald, worin dabei seine Aufgabe besteht: Er soll dem gefährlichen Untier den Arkenstein stehlen, einen Edelstein, dessen Besitz Thorin dazu legitimieren würde, die Zwergenvölker zu vereinen. Der Weg der Gemeinschaft wird nicht nur durch immer wieder angreifende Orkherden erschwert, sondern führt auch durch unwirtschaftliche Gegenden wie den Düsterwald, welcher von blutdürstenden Riesenspinnen bewohnt wird. Während Bilbo und die Zwerge sich ihrer Haut erwehren müssen, trennt sich Gandalf aufgrund eines Versprechens von der Gruppe und bahnt sich seinen Weg zur Festung Dol Guldur, um dort eine immer stärker werdende dunkle Macht zu bannen. Dort begegnet er dem bösen Sauron, welcher ihn zu seinem Gefangenen macht. Bilbo und seine Gefährten können inzwischen zwar, nicht zuletzt durch die magische Kraft des von Gollum entwendeten Rings, ihre Haut vor den Spinnen retten, geraten aber in die Hand der Elben, die den Zwergen nicht wohlgesonnen sind. Nach erfolgter Flucht aus den elbischen Verliesen und einigen weiteren mal mehr, mal wenigen gefährlicheren Begegnungen und Ereignissen, ist es schließlich der Hobbit Bilbo, welcher allein und Aug in Aug dem Drachen Smaug gegenüber steht.

Kritik:

SMAUGS EINÖDE setzt EINE UNERWARTETE REISE fort und bildet somit das Mittelstück der Fantasy-Trilogie um die Abenteuer des Hobbits Bilbo Beutlin, der sich mit einer Schar von Zwergen und dem Zauberer Gandalf auf eine gefährliche Reise ungewissen Ausgangs begibt. Die berühmte Buchvorlage, von John Ronald Reuel Tolkien in den 30er Jahren verfasst, musste sich für eine solch monumentale Abhandlung freilich erneut auf die Streckbank legen lassen, galt es doch auch hier, das inhaltlich eher überschaubare Werk auf eine ausreichend epochale Länge zu zerren. Der Grund dafür war natürlich, den HOBBIT als Korrelat zum vorhergehenden Dreiteiler DER HERR DER RINGE ins Rennen schicken zu können, welcher als kraftstrotzendes Fantasy-Geschoss für ein überwiegend begeistertes Publikum sorgen und sich seinen Platz im Kinoolymp sichern konnte. Doch während man dort, gemäß Vorlage, tatsächlich eine Fülle an Handlungssträngen und Figuren zur Verfügung hatte, rackerten sich Regisseur Peter Jackson und sein Autorenteam hier hingegen tüchtig ab, um aus dem Vorhandenen das Maximum an erzählerischer Essenz herauszuquetschen.

So entfacht SMAUGS EINÖDE an so ziemlich jeder im Buch erwähnten Station ein größtmögliches Actiongewitter oder verfällt alternativ in ausladende visuelle Schwelgereien. Das besitzt zugegebenermaßen nicht immer wirklich inhaltliches Gewicht, geriet letztendlich aber dennoch zu einer runden Sache. Die ausgewogene Mischung aus brachialer Kinetik und besinnlichem, zur Not auch ausgewalztem Dialog inmitten einer perfekt zum Leben erweckten Fantasiewelt, die so glaubwürdig wirkt, als existierten all diese magischen Orte, der bedrohliche Düsterwald, die marode Seestadt, die finstere Ruinenfestung, tatsächlich, funktioniert hervorragend und sorgt für notwendige dramaturgische Dichte. Lediglich die sich anbahnenden Gefühle zwischen dem Zwerg Kili [Aidan Turner] und der (hinzuerfundenen) Elbin Tauriel [Evangeline Lilly] wirken wenig überzeugend eingebracht und mehr wie ein Mittel zum Zweck, aber daran soll es nicht scheitern (zumal derlei Anspielungen auch eher unaufdringlich eingeflochten wurden).

Die eigentlich simple Idee, SMAUGS EINÖDE mit einer Szene beginnen zu lassen, welche ein Jahr vor den Ereignissen von EINE UNERWARTETE REISE ansetzt, erweist sich als geschickter Schachzug, wird doch auf diese Weise eine bestmögliche Verknüpfung der Ereignisse hergestellt und eine gelungene Brücke zum Vorgänger geschlagen. So erlebt man eingangs, wie Zwergenkönig Thorin Eichenschild [Richard Armitage], auf der Suche nach seinem verschollenen Vater, in einem Gasthaus die Bekanntschaft des Zauberers Gandalf [Ian McKellen] macht und beide erste Pläne schmieden, das Zwergenreich Erebor wieder zurückzuerobern – wobei der Zauberer auch ein nicht ganz uneigennütziges Interesse am Tode des Drachens Smaug hegt. Nach dieser achronistischen Einleitung, welche nicht nur den Rahmen für eine zeitliche Orientierung innerhalb der Ereignisse schafft, sondern zudem auch der Vertiefung der Beweggründe für Handlungen und Motive der Figuren dient, setzt die Fortsetzung nahtlos an den Vorläufer an und liefert ein prall geschnürtes Paket aus Action und Abenteuer mit deutlich angezogenem Erzähltempo: Lies man sich bei der UNERWARTETEn REISE noch ausreichend Zeit, bis das eigentliche Abenteuer überhaupt erst begann, so ist man hier innerhalb weniger Minuten mittendrin im Ereignisstrudel. Der Humorpegel wurde dabei ebenso zurückgefahren, wie der Härtegrad gesteigert wurde (vor der Idee, pro abgeschlagenem Orkkopf einen Kurzen zu sich zu nehmen, wird ausdrücklich gewarnt).

Als erstes Glanzlicht kristallisieren sich schnell die Erlebnisse Bilbos und der Zwerge im Düsterwald heraus: Dank angenehm-morbider Waldatmosphäre, schaurig-schöner Bilder (welche besonders in der dreidimensionalen Variante zur Geltung kommen) und tadellosem Gespür für funktionierende Grusel- und Spannungsmomente wird der trickreiche Kampf gegen eine Brut garstiger Riesenspinnen zu einem inszenatorischen Bravourstück, das noch nachhaltig beeindrucken kann. Als erwarteter Höhepunkt und mit fiesem Cliffhanger versehener Rausschmeißer fungiert hingegen Bilbos finale Begegnung mit dem hinterlistigen Drachen Smaug, der mit seinem kleinen Kontrahenten zu spielen versteht wie die Katze mit der Maus. Ebenso wie Gollum in den Vorgängern wurde auch Smaug mithilfe des Motion Capture-Verfahrens zum Leben erweckt, was bedeutet, dass sich hinter den animierten Gesichtszügen Mimik und Gestik eines echten Schauspielers (in diesem Fall Benedict Cumberbatch) verbergen. Auf diese Weise wird die am Rechner erschaffene Figur zu einer waschechten Persönlichkeit, die erstaunlich realistisch agiert.

Das geistige Kräftemessen zwischen dem mächtigen Drachen und dem kleinen Hobbit geriet auch deswegen zum Highlight, weil Martin Freeman hier endlich seine Schauspielkunst wieder angemessen ausspielen darf. Stand sein Bilbo im ersten Teil noch eindeutig im Fokus, verkommt er bei der Fortsetzung nämlich eher zur Randfigur. SMAUGS EINÖDE konzentriert sich insgesamt mehr auf den schwelenden Konflikt zwischen Zwergen und Elben. Diesbezüglich ist es auch wenig überraschend, dass man die Möglichkeit, die Figur des Elben Legolas zurückzuholen, nicht ungenutzt ließ. Bei der Verwendung des beliebten, von Orlando Bloom verkörperten, DER HERR DER RINGE-Charakters schoss man bisweilen allerdings ein wenig über das Ziel hinaus: Der ursprünglich würdevoll gezeichnete Charakter mutiert hier zur nimmermüden Kampfsau, die, gemeinsam mit Kumpanin Tauriel, komplette Ork-Armeen quasi im Alleingang ausradiert. Fast gerät es dabei zum 'Running Gag', dass, kaum, dass Unschuldige von den bösen Orks bedroht werden, urplötzlich Legolas nebst Begleitung hinter der Tür steht, um die Angreifer pflichtschuldigst und mit bluttriefendem Ergebnis niederzumähen. Bei dem realitätsfernen Herumgespringe und Abgeschlachte fehlt eigentlich nur noch die Einblendung der mit Bimmelgeräusch unterlegten Punktevergabe, um sich vollends wie in einem Computerspiel zu fühlen.

Solche eigentlich unnötige Übertreibungen trüben ein wenig das Gesamtbild, zudem kann die volle Breitseite ausufernder Actionsequenzen und großer Panoramen auch nicht vollkommen übertünchen, dass hier mit vollen Bombast-Kanonen auf inhaltliche Spatzen geschossen wird: Die Substanz der Handlung bleibt, vorlagenbedingt, mager. Die Ereignisse reihen sich ohne große Raffinesse aneinander wie die Perlen auf der Kette, die inhaltliche Tiefe DER HERR DER RINGEs wird zu keinem Moment erreicht. Doch geht es beim HOBBIT auch weniger um das Was, sondern vielmehr um das Wie. Wer gewillt ist, sich für ein paar Stunden in eine ferne, fantastisch umgesetzte Welt entführen zu lassen, für den ist und bleibt Mittelerde die erste Adresse. Diese Einöde ist gar nicht öde.

Laufzeit: ca. 161 Min. / Freigabe: ab 12