Eigene Forschungen

Sonntag, 23. August 2015

THE TRANSPORTER REFUELED


THE TRANSPORTER REFUELED
Frankreich, China 2015

Regie:
Camille Delamarre

Darsteller:
Ed Skrein,
Loan Chabanol,
Ray Stevenson,
Lenn Kudrjawizki,
Tatiana Pajkovic,
Radivoje Bukvic,
Mikael Buxton,
Cédric Chevalme



Inhalt:

Frankreichs Unterwelt kennt Frank Martin [Ed Skrein] nur als den „Transporter“. Er gilt als der beste Fahrer, den man für Geld bekommen kann; er erledigt illegale Lieferungen, an die sich sonst niemand herantraut. Seine neue Kundin ist die geheimnisvolle Anna [Loan Chabanol], die Rachegelüste mit sich herumträgt: Ein skrupelloser Bandenchef zwang sie seit ihrer Kindheit zur Prostitution. Nach vorgetäuschtem Tod befindet sie sich nun auf der Flucht und dürstet nach Vergeltung. Dabei hat sie ihre ganz eigenen Methoden, Frank zur Mitarbeit zu überreden: Sie entführt dessen Vater [Ray Stevenson] und injiziert ihm ein tödliches Gift. Frank hat keine Wahl und nimmt gemeinsam mit Anna und zwei weiteren Mitstreiterinnen den Kampf mit brutalen Menschenhändlern auf.

Kritik:

Als TRANSPORTER glückte dem Briten Jason Statham einst der Durchbruch. Das 2002 von Louis Leterrier inszeniere Action-Vehikel kreuzte Look und Dynamik des Hongkong-Kinos mit europäischem Flair und wurde in Kombination mit seinem charismatischen Hauptdarsteller überraschend zum Kassenschlager. Es folgten ein TV-Ableger und zwei Leinwand-Fortsetzungen, die der Marke eher schadeten als nutzten – wobei speziell der 2008 veröffentlichte, vollkommen an die Wand gefahrene dritte Teil den Nagel eigentlich schon dermaßen fest in den Sarg schlug, dass wohl niemand mehr ernsthaft mit einer Wiederkehr des prügelnden PS-Profis gerechnet hätte. Aber das ungeschriebene Gesetz, dass alles, was einmal Erfolg hatte, nicht ohne mindestens einen Reanimationsversuch zu Grabe getragen werden darf, gilt nicht nur in Hollywood, sondern auch in Frankreich. So durfte der Lieferheld sieben Jahre später tatsächlich noch ein weiteres Mal aufs Gaspedal treten, um Räubern wie Gendarmen gleichermaßen das Leben schwer zu machen. Da Jason Statham mittlerweile jedoch ebenfalls raus war aus der Nummer, war man gezwungen, ihm dafür ein neues Gesicht verpassen. Dieses fand man in dem des englischen Schauspielers und Rappers Ed Skrein [→ GAME OF THRONES], der damit fraglos ein schweres Erbe antrat. Kann ein „Transporter“ funktionieren ohne Jason Statham – ohne den Mann, für den diese Rolle Ruhm und Ehre bedeutete und der in eben dieser so prägend war, dass man ihn selbst Jahre später immer noch fast ausschließlich damit identifizierte?

„Refueled“ wurde der „Transporter“ also – neu aufgetankt – womit man das Vorhaben bereits im Titel verankerte: Die Sause heißt zwar noch gleich, aber die Füllung ist eine andere. Dass man zur Einführung des „neuen“ Transporters die Anfangsszene aus TRANSPORTER 2 nahezu 1:1 nachstellte, beißt sich hingegen sehr unsanft mit der selbst auferlegten Ambition und bietet letztendlich dann doch wieder nur Altbekanntes und Aufgewärmtes: Im Parkhaus klopft der Super-Kämpfer erst lästige Lümmel, dann lässige Sprüche und im Anschluss sich selbst das schnieke Sakko wieder zurecht, bevor er sich in sein Luxusgefährt schwingt und den Schauplatz unbeschadet verlässt. Kopie also statt Kreativität, Ideenmangel statt Innovation. Doch gerade aufgrund ihrer Ähnlichkeit zum Original taugt diese Szene natürlich bestens, um gleich auf Anhieb Vergleiche anstellen zu können. Und so ist auch schnell erkannt, dass Skrein seinem Vorgänger erwartungsgemäß nicht das Wasser reichen kann: Seine Coolness wirkt aufgesetzt, die Lockerheit erzwungen und den harten Kerl will man ihm trotz mehrerer Tage ausgebliebener Rasur auch nicht so recht abkaufen. Seine Kung-Fu-Einlagen absolviert er dank schneller Schnitte und fester Tritte zwar sehr anständig, seinen Milchbubi-Appeal jedoch kann er bis zum Schluss nicht wegknüppeln. Zweifelte man bei einem Jason Statham nicht eine Sekunde daran, dass er bei entsprechendem Missmut ganze Horden an Unholden auf die Bretter schicken konnte, wirkt die gleiche Aktion bei Skrein ebenso unglaubwürdig wie albern.

Schafft man es, zu akzeptieren, dass der neu aufgetankte TRANSPORTER keine Ausgeburt an Charisma mehr ist, können einem die folgenden 90 Minuten allerdings recht viel Freude bereiten – zumal einem nach gewisser Zeit so langsam, aber sicher bewusst wird, dass hier gar nicht so sehr der Titelheld im Mittelpunkt steht, sondern eher dessen Auftraggeberin. Tatsächlich erzählt REFUELED in erster Linie die Geschichte der flüchtigen Zwangs-Prostituierten Anna, die sich im großen Stil an ihrem Zuhälter rächen will und dafür mit ein paar Leidensgenossinnen einen hochkomplizierten Plan austüftelt, der zwar streckenweise absolut haarsträubend ist (wer versetzt schon eine ganze Diskothek in den Tiefschlaf, nur, um sich ein paar Informationen zu beschaffen?), aber die meiste Zeit doch angenehm bei Laune hält. Die Fokussierung auf den Vergeltungsschlag dreier Frauen rückt den Beitrag zeitweise sogar weg vom simplen Stunt- und Krawall-Kino der Vorgänger und dafür mehr in Richtung einer gemäßigten Exploitation-Variante der Marke Rape'n Revenge – in deutlich zahmerer Ausführung, versteht sich, aber dennoch nicht ohne Reiz. Dass Loan Chabanol [→ PLÖTZLICH GIGOLO] in der Rolle der Anna nicht einen Augenblick lang so wirkt, als habe sie ein Trauma hinter sich, ist nun wieder eine andere Sache. Und dass die Ausbeutung weiblicher Körper inhaltlich zwar verurteilt wird, die optischen Vorzüge der Damen aber dennoch immer wieder lüstern ins Bild geschoben werden, ebenfalls.

Nun kann man aber natürlich auch kein feministisches Manifest erwarten von einem Werk, dessen Kamera bereits während des Vorspanns in erotischer Verzückung über das funkelnde Blech eines Audis fährt. Denn selbstverständlich ist der „Transporter“ auch mit neuer Tankfüllung ein simpel gestricktes Unterhaltungs-Produkt, das stets an der Oberfläche bleibt. Fast exemplarisch dafür steht die Rolle von Frank Martins Vater, erstmals mit dabei und von Ray Stevenson [→ PUNISHER - WARZONE] als reichlich abgeschmackte Altherrenfantasie verkörpert, als alternder Dandy und Weiberheld, der es sich selbst als Entführungsopfer nicht nehmen lässt, bei seiner Kidnapperin auf Tuchfühlung zu gehen. Gleichzeitig raubt das plötzlich vorhandene Elternteil der Hauptfigur auch ihren Einzelkämpferstatus – noch einer der Gründe, warum man Ed Skrein bis zum Schluss nicht als autark operierende Persönlichkeit toleriert: Der einst einsame Kämpfer ist plötzlich ein ergebenes Vatersöhnchen, das mit seinem eitlen Erzeuger im permanenten Zwist liegt. Die daraus resultierenden Kabbeleien gemahnen ein wenig an Sean Connery und Harrison Ford in INDIANA JONES UND DER LETZTE KREUZZUG – freilich ohne dabei auch nur annähernd in der Nähe dieser Spritzigkeit zu sein.


Die Action ist insgesamt seltener geworden (speziell die Fahrkünste Frank Martins spielen gar keine allzu große Rolle mehr), wenn sie stattfindet, geht sie allerdings passabel über die Bühne – nicht zu übertrieben, nicht zu bodenständig, eine gesunde Mischung. Regisseur Camille Delamarre sammelte bereits im Schneideraum von Teil 3 und am Set der Fernseh-Adaption TRANSPORTER-Erfahrung und inszenierte sauber und ohne Mätzchen. Irgendwo zwischen Reboot (also kompletten Neustart) und verspäteter Fortsetzung erspinnt sich so eine abstruse Rache-Mär mit diversen Geschwindigkeits- und Kampfkunst-Intermezzos, die insgesamt sogar ziemlich gut goutierbar ist – die Maschine läuft gut geschmiert und kommt trotz leichtem Schlingerkurs gegen Ende souverän und ohne allzu großes Stottern ins Ziel. Das Rad wurde zwar nicht neu erfunden (höhö!), aber REFULED ist zumindest doch deutlich erträglicher als der letzte Beitrag der Original-Reihe. Lediglich Jason Statham fehlt. Aber man kann nicht alles haben.


Laufzeit: 97 Min. / Freigabe: ab 12

Mittwoch, 19. August 2015

HITMAN - AGENT 47


HITMAN – AGENT 47
USA 2014

Regie:
Aleksander Bach

Darsteller:
Rupert Friend,
Hannah Ware,
Zachary Quinto,
Ciarán Hinds,
Thomas Kretschmann,
Emilio Rivera,
Dan Bakkedahl,
Mona Pirzad



"640509-040147" [Strichcode von Agent 47]


Inhalt:

Die junge Katia van Dees [Hanna Ware] staunt nicht schlecht, als ihr plötzlich ein glatzköpfiger Mann [Rupert Friend] hinterhersteigt – allerdings kommt der nicht zum Kaffeetrinken vorbei, sondern offensichtlich eher, um sie mit ein paar Kugeln zu spicken. Mit Müh und Not kann sie dem Angreifer entkommen – nicht ohne Hilfe des aus dem Nichts auftauchenden John Smith [Zachary Quinto], der ihr erklärt, dass sie es mit einem gefährlichen Gegner zu tun hat: Der 'Hitman' ist ein im Genlabor gezüchtetes Killerwesen, ohne Emotion, ohne Gewissen, dafür aber mit übermenschlichen Fähigkeiten und unbändiger Tötungslust. Katias Vater [Ciarán Hinds] war in die Erschaffung einer ganzen Armee dieser Mordmaschinen verwickelt. Nun beginnt eine blei- und gewalthaltige Verfolgungsjagd, denn der Hitman hat eine Mission, von der noch niemand etwas ahnt.

Kritik:

'Reboot' ist des Produzenten Lieblingswort, wenn er der Meinung ist, einen potentiellen Kassenhit an der Angel zu haben, der seinen ersten Kinoeinsatz zwar bereits hinter sich hat, aus irgendeinem Grunde jedoch nicht in alter Form fortgesetzt werden kann – sei es aufgrund personeller Veränderungen, Knatsch hinter den Kulissen oder ganz einfach deswegen, weil sich die vermeintlich große Nummer am Ende dann doch als finanzieller Rohrkrepierer erwies. Das Vorgängerprojekt wird dann einfach ignoriert und das ganze Ding noch einmal komplett von vorn gestartet. Besonders Comic-Helden können ein Lied davon singen: Ob nun SUPERMAN, SPIDER-MAN oder BATMAN - kaum ein 'Man', dem nicht die Ehre eines Neubeginns zuteilwurde. Der HITMAN hingegen hat seine Wurzeln nicht in der Welt der Sprechblasen und Lautmalereien, sondern in der der Bits und Bytes und erblickte im Jahre 2000 als Titelfigur eines Computerspiels das Licht der Popkultur. Trotz (oder gerade auch wegen) der Vielzahl mahnender Kritikerstimmen, welche den hohen Gewaltpegel tadelten (und dabei überwiegend ignorierten, dass man auch ohne eine einzige Kugel abfeuern zu müssen ans Ziel gelangen konnte), wurde der im Labor gezüchtete Auftragskiller mit der markanten Glatze ein weltweiter Erfolg, der 2007 auch seinen Weg auf die Leinwand fand.

Dort allerdings konnte er keinen Treffer landen und erntete überwiegend Verrisse – besonders die gegenüber der Vorlage stark abgeänderte Vorgeschichte des Killers stieß vielen Fans sauer auf. Der HITMAN floppte und die geplante Fortsetzung war vom Tisch. Da man jedoch trotzdem nicht gewillt war, die Flinte einfach so ins Korn zu werfen, entschied man sich für einen kompletten Neuanfang und schickte die Tötungsmaschine acht Jahre später ein zweites Mal in den Kampf um die Publikumsgunst. Und tatsächlich durfte der Titelheld dieses Mal auch wirklich ein Produkt von Genmanipulation sein und dem Reagenzglas entspringen, wie einem das Intro in Hypergeschwindigkeit erklärt. Dass Nähe zur Vorlage jedoch nicht alles ist, worauf es ankommt, machen einem die folgenden 90 Minuten dann nur allzu schmerzhaft bewusst – AGENT 47 mag zwar originalgetreuer sein als der Vorgänger, besser ist er deswegen noch lange nicht. Und nicht nur, dass er im direkten Vergleich den Kürzeren zieht – das Reboot entpuppt sich auch generell als fast schon desaströses Debakel, das selbst geringsten Ansprüchen nicht gerecht werden kann, was angesichts des gewiss vorhandenen Engagements, dieses Mal wirklich einen Treffer abzuliefern, eigentlich kaum erklärbar ist.

Die nur rudimentär vorhandene Story ist dabei nicht einmal das Problem - inhaltlicher Minimalismus kann für anständige Action-Unterhaltung unter Umständen ein wahrer Segen sein. Dass man sich frei von dramaturgischem Zusammenhang salopp von Szene zu Szene hangelt, ist hingegen schon weitaus gravierender. Falls jemals so etwas Ähnliches wie ein die Ereignisse verbindender Spannungsbogen vorhanden war – spätestens der hektische, ohne Fingerspitzengefühl gesetzte Schnitt hat ihn ins Nirwana befördert. Dabei sind gute Ansätze durchaus vorhanden. So liegt der Fokus zu Beginn nicht auf dem Hitman, sondern stattdessen auf der Protagonistin Katia van Dees [Hannah Ware], die offenbar ein Geheimnis hütet und deshalb aus zunächst unerfindlichen Gründen vom Titelgeber gejagt wird. Unterstützung bei der Flucht gewährt ihr dabei der aus heiterem Himmel auftauchende John Smith [Zachary Quinto], der sich ihrer annimmt und sie um die Absichten des kahlköpfigen Killers aufklärt. So entwickelt sich zunächst eine zwar nicht unbedingt originelle, aber durchaus brauchbare TERMINATOR-Variante, die lange Zeit von der Frage lebt, wer Freund und wer Feind ist. Doch spätestens, nachdem die Fronten geklärt sind, geht es endgültig den Bach runter. AGENT 47 springt ziellos von einem Schauplatz zum nächsten, streut unüberlegte Action-Sequenzen dazwischen und erstickt damit jeden Anflug von Ambition und Atmosphäre bereits im Keim.

Die unmotivierten Schlag- und Schusswechsel, eigentlich das Herzstück eines derartigen Genre-Beitrags, mögen teilweise nett konzipiert sein, sind jedoch dermaßen unübersichtlich geraten, dass sie keine Freude mehr bereiten: Zwar verteilt der Hitman eifrig Blei in gegnerische Köpfe und Körper, doch die Kamera wirbelt dabei so unstet durch das Szenario, dass man, in Kombination mit dem nervösen Schnitt, davon höchstens noch etwas erahnen kann. Verzweifelt wünscht man da die Ruhe und Entspanntheit eines JOHN WICK herbei, dessen durchaus vergleichbares Tagwerk selbst im größten Trubel stets noch strukturiert und nachvollziehbar blieb. Besonders bedauerlich ist das in Momenten, in welchen es einem immerhin dämmert, wie viel Potential hier eigentlich verschleudert wurde: Wenn der Retorten-Killer gegen Ende seine Widersacher in einer viel zu kurzen Szene in klinisch reiner, strahlend weißer Umgebung mit Patronen spickt und die daraus resultierenden Blutfontänen bizarre Muster auf dem blitzeblank polierten Untergrund hinterlassen, dann ist das genau die Mischung aus roher Gewalt und künstlerischem Anspruch, die man sich gern dauerhaft erbeten hätte.

Die zur Unterstützung der Massaker herangezogenen Digital-Effekte sind derweil für eine Kino-Produktion des Jahres 2015 schon beinahe blamabel und wirken, als wären sie mindestens 20 Jahre früher entstanden - umso erstaunlicher, dass sich die renommierte Schmiede 'ILM' dafür verantwortlich zeichnete. Das Niveau der permanenten Pixelei ist dabei durchgehend dermaßen tief angesiedelt, dass man diesen Umstand schon fast wieder als gewolltes Stilmittel anerkennen könnte. Im Sinne des Erfinders dürfte das wohl allerdings eher nicht sein. Zu allem Überfluss scheinen auch die Darsteller noch reichlich hilflos in ihren Rollen, obwohl sie zumindest rein theoretisch nicht vollkommen verkehrt besetzt sind. Nach Timothy Olyphant entledigte sich hier Rupert Friend [→ DIE LETZTE LEGION] seiner Haarpracht, um mit finsterer Miene den emotionslosen Super-Killer zu geben. Er müht sich redlich, wirft sich alle naslang in lachhaft-coole Posen, doch so recht will man ihm den harten Kerl dann doch nicht abkaufen. Hannah Ware [→ OLDBOY] wirkt als Fräulein auf der Flucht fast schon amateurhaft und auch Zachary Quinto [→ STAR TREK] scheint irgendwie gar nicht so richtig zu wissen, was genau er eigentlich tun soll. Lediglich der alte Schauspiel-Hase Ciarán Hinds [→ ROAD TO PERDITION] strahlt bei seinem Kurzauftritt eine souveräne Würde aus, obwohl er insgesamt natürlich sträflich unterfordert ist.

Dass das produzierende Studio tatsächlich die Hoffnung hegte, mit einem derartigen Produkt eine neue Erfolgsreihe auf den Weg schicken zu können, nimmt Wunder – zumal man mit Aleksander Bach auch noch einen Debütanten auf dem Regiestuhl parkte, der mit einem Projekt dieser Größenordnung merklich überfordert war. AGENT 47 wirkt phasenweise reichlich unbeholfen und erweckt den Anschein, als hätte eine im Fahrwasser des Erstlings entstandene Videopremiere Jahre später auf Umwegen doch noch irgendwie den Weg ins Kino gefunden. Der 2007er HITMAN mag nicht unbedingt dem Original entsprechen, war jedoch lupenrein inszeniertes, konsequent und kompetent in Szene gesetztes Actionkino. Der Neustart hingegen ist eine zerfahrene Ruine ohne Stil, Stimmung und sichtbares Konzept. Dass die deutsche Filmförderung das Projekt auch noch finanzkräftig unterstützte (eben dieselbe Filmförderung, die niemals auf die Idee käme, einem rein deutschen Action-Projekt auch nur einen müden Heller zuzuschanzen), macht betroffen, sorgt aber immerhin für den attraktiven Schauplatz Berlin und ein paar Gastauftritte gern gesehener heimischer Schauspieler. Retten kann das freilich nichts. AGENT 47 ist und bleibt ein Rohrkrepierer allererster Kajüte. Eliminieren! Jetzt! 

Laufzeit: 97 Min. / Freigabe: ab 16

Sonntag, 16. August 2015

CODENAME U.N.C.L.E.


THE MAN FROM U.N.C.L.E.
GB 2015

Regie:
Guy Ritchie

Darsteller:
Henry Cavill,
Armie Hammer,
Alicia Vikander,
Jared Harris,
Elizabeth Debicki,
Christian Berkel,
Sylvester Groth,
Hugh Grant



Inhalt:

1960: Der Kalte Krieg befindet sich auf dem Höhepunkt; die USA und Russland sind bis aufs Blut verfeindet. Inmitten dieser angespannten Situation werden CIA-Agent Napoleon Solo [Henry Cavill] und KGB-Agent Illya Kuryakin [Armie Hammer] gezwungen, zusammenarbeiten: Sie sollen eine von Altnazis unterwanderte Verbrecherorganisation ausfindig machen, die in den Besitz einer Atombombe gelangt ist. Das Gleichgewicht der Mächte steht auf dem Spiel! Vermutlich soll der als tot geltende deutsche Wissenschaftler Udo Teller [Christian Berkel] dazu gezwungen werden, die Bombe zusammenbauen. Solo und Kuryakin suchen in Ost-Berlin dessen Tochter, die taffe Automechanikerin Gaby Teller [Alicia Vikander], auf, um an ihn herankommen. Tatsächlich gelingt es ihnen, die junge Frau zur Zusammenarbeit zu bewegen. Die Spur führt nach Italien zu Gabys Onkel Rudi [Sylvester Groth]. Dieser scheint nicht ganz so harmlos zu sein, wie er tut …

Kritik:

SOLO FÜR O.N.K.E.L. lautet der Titel der Agentenserie, die in den 60er Jahren als amerikanisches Pendant zu James Bond entworfen wurde und sich schon bald als Straßenfeger erwies. Die Ähnlichkeit zum großen Vorbild hatte dabei nicht ausschließlich kommerzielle Gründe: Bond-Erfinder Ian Fleming selbst war an der Konzeption beteiligt und erdachte die Figur des Napoleon Solo, der im Auftrage der titelgebenden Organisation erst um die Welt jettet, um sie im Anschluss dann vorschriftsmäßig zu retten. Noch bevor er damit auch die deutschen Fernsehschirme erreichte, brachte er es hierzulande in mehreren Zusammenschnitten sogar zu Kinoehren und konnte dort im Fahrwasser seines britischen Kollegen trotz deutlich kostengünstigerer Machart beachtliche Erfolge einheimsen. Am Anfang noch um Seriosität bemüht, verließ die Serie diesen Pfad im Laufe der Zeit und wurde nach und nach zur schrillen Selbstpersiflage. So dient THE MAN FROM U.N.C.L.E., wie der Spaß im Original heißt, nun in erster Linie als Dokumentation der ausgelassenen Attitüde der Swingin' Sixties, an deren knalliger Übertreibung von Kitsch und Klischee wohl auch Austin Powers seine helle Freude gehabt hätte. Ungewöhnlich für damalige Verhältnisse war dabei der Umstand, dass der Hauptfigur ein russischer Partner zur Seite gestellt wurde, der – nach etwas vorsichtig-zaghaftem Einstieg – bald gleichberechtigt und auf Augenhöhe mit dem Amerikaner agieren durfte, was zu Zeiten des Kalten Krieges schon ein ziemliches Novum darstellte.

Eben diese Idee griff das Team um Regisseur Guy Ritchie auf, als man sich fast 50 Jahre nach Einstellung der Serie an eine Kino-Neuauflage wagte. Dabei versetzte man die Ereignisse nicht etwa in die Moderne, sondern verortete sie abermals in den 60er Jahren, als sich die Feindschaft zwischen Russen und Amerikanern auf ihrem Höhepunkt befand. Ein ernsthaftes Zeitdokument ist das natürlich trotzdem nicht: Der historische Hintergrund wurde lediglich dazu genutzt, einen amüsierten Blick auf damalige Zustände zu werfen und auf dieser Basis eine launige Kumpel-Komödie zu kreieren, die sich der bewährten Genre-Formel bedient: Zwei vollkommen verschiedene Charaktere treffen aufeinander, kabbeln sich um die Wette und werden nach Überwindung äußerer und innerer Widerstände schließlich ein Herz und eine Seele. CODENAME U.N.C.L.E. erzählt somit strenggenommen die Vorgeschichte zur Serie, wenn berichtet wird, wie Napoleon Solo und Illya Kuryakin zum ersten Male aufeinandertreffen und sich erst zu einem Team zusammenraufen müssen – zumindest theoretisch, denn mit den Originalen haben diese beiden Figuren fast nur noch die Namen gemein. So machte man den in der Vorlage eine blütenreine Weste spazierentragenden Solo zum Ex-Kriminellen und -Knastbruder und seinen Kollegen Kuryakin zum traumatisierten Waisenkind mit leicht psychotischen Zügen.

Allerdings hätte eine schlichte 1:1-Umsetzung wohl auch kaum funktioniert, waren die einstigen Titelhelden doch reichlich konturlose Gestalten, die, außer, dass sie jede noch so gefährliche Situation mit einem Achselzucken und einem flotten Spruch zu kommentieren wussten, keine besonderen Merkmale vorzuweisen hatten. Henry Cavill [→ KRIEG DER GÖTTER] und Armie Hammer [→ LONE RANGER] sind in den Rollen deutlich verwundbarer und liefern sich, wenn auch keine sonderlich innovativen, so doch durchaus amüsante Machtspielchen, die angenehm bei Laune halten können. Ergänzt werden sie dabei von Alicia Vikander [→ SEVENTH SON], die für die unverzichtbare weibliche Note sorgt und ihre Rolle als Gaby Teller mit einnehmendem Charme absolviert. Woran es hingegen mangelt, ist ein wirklich ernstzunehmender Gegner: Kämpfte man in der Serie noch pro Folge gegen ein meist größenwahnsinniges Verbrechergenie mit sinistren, der Realität enthobenen Vernichtungs- und Beherrschungsplänen, präsentiert man hier gleich eine ganze Handvoll Finstermänner und -frauen, die für sich genommen zwar reizvoll sind, in ihrer Vielzahl jedoch unnötig verschenkt wirken.

Ohnehin ist es etwas betrüblich, dass man bei der Neuauflage, obwohl ein durchaus beträchtliches Fass an Ironie und schwarzem Humor geöffnet wurde, insgesamt doch eher auf dem Teppich blieb, betrachtet man die völlig verrückten Ausschweifungen, die das Original zum Teil einst betrieb. CODENAME U.N.C.L.E. verzichtet auf die Möglichkeit zur Rundum-Satire, was die Vorlage mit all ihrer Hemmungslosigkeit und ihrem arglosen Sexismus fast zur größeren Komödie macht. Ritchies Werk gibt sich im Vergleich eher zurückhaltend und suhlt sich stattdessen im attraktiven Retro-Look, der allerdings so gut gelungen ist, dass letztendlich auch das nicht sonderlich originelle Drehbuch hinter ihm zurückstecken muss. Wirklich aufregend ist die ausgelutschte Story vom Kampf gegen eine atomar bestückte Schurken-Organisation nämlich beileibe nicht. Dafür beweist Ritchie abermals sein Talent und serviert elegantes, bisweilen sogar meisterhaft komponiertes Nostalgie-Kino mit zum Teil hervorragenden darstellerischen Leistungen. Exemplarisch dafür sei die Szene genannt, in welcher einer der Protagonisten seine Maske fallenlässt und zur fröhlichen Folterstunde einlädt: Die großartige Regie entfacht, in Kombination mit grandiosem Schauspiel, ein alptraumhaft angehauchtes Szenario, das einem, obwohl immer noch ironisch gebrochen, einen wohligen Schauer über den Rücken jagt, bevor es schließlich in einer überaus makabren, doch befreienden Pointe gipfelt.

Trotz aller inszenatorischer Brillanz wurde auf allzu viele Extravaganzen verzichtet. Anders, als bei SHERLOCK HOLMES, dem Guy Ritchie 2009 auf ähnliche Art und Weise eine erfolgreiche Wiederbelebung spendierte, geriet die Darbietung hier weitaus weniger verspielt und, ganz im Sinne der Vorlage, beinahe schon klassisch - so sehr, dass eine im aufgeregten Split-Screen erzählte Aktion in der Mitte fast schon ein wenig fehl am Platze wirkt. Dass es dabei durchgehend nur so sprüht vor Stil, Esprit und Leichtigkeit, gereicht nicht zum Schaden und ist zudem ein erfrischender Kontrast zur einstigen Blaupause James Bond, welcher spätestens seit SKYFALL mit nie zuvor erlebter Schwermut operiert. Der Mann von U.N.C.L.E. hat sich somit endgültig von seinem Vorbild emanzipiert und empfiehlt sich als amüsante, augenzwinkernde Alternative zum überwiegend freudlosen Agentenalltag der Konkurrenz – ein knallbunter Rückwärts-durch-die-Zeit-Trip mit etwas Action, viel Humor und einer gehörigen Portion Schwung und Schick. Nicht nur für Onkel. Auch für Tante.

Laufzeit: 116 Min. / Freigabe: ab 12