Eigene Forschungen

Montag, 30. November 2020

DER MAFIA-KILLER


LIKE FATHER, LIKE SON
USA 1974

Regie:
Duke Mitchell,
Jefferson Richard

Darsteller:
Duke Mitchell,
Vic Caesar,
Lorenzo Dodo,
Louis Zito,
Cara Peters,
Fred Otash,
John Strong



„Du bist dabei oder du bist im Weg.“ 


Inhalt:

Mimi Miceli [Duke Mitchell], Sohn des emeritierten Mafiosos Don Miceli [Lorenzo Dodo], kommt nach Sizilien, um im Mafia-Business auch endlich so richtig durchzustarten. Seinen Einstand feiert er gleich mit einem Knaller: Er lässt den amtierenden Unterwelt-Boss Chucky Tripoli [Louis Zito] entführen, ihm einen Finger abhacken und erst gegen ein hohes Lösegeld wieder auf freien Fuß setzen. Die halsbrecherische Kamikaze-Aktion hat Erfolg: Miceli erntet sich Respekt und zählt quasi auf Anhieb zu den großen Tieren. Zusammen mit seinem alten Kumpel Jolly Rizzo [Vic Caesar] beginnt er eine klassische Mobster-Karriere, beherrscht von Mord, Prostitution und Pornograhie. Doch nach jedem Aufstieg folgt der Fall: Micele überschätzt sich von Tag zu Tag mehr und schaufelt sich damit langsam, aber sicher sein eigenes Grab.

Kritik: 

LIKE FATHER, LIKE SON, wie DER MAFIA-KILLER am Tage seiner Erstaufführung noch ganz dezent hieß, beginnt gleich mit einem Paukenschlag: Zwei Männer laufen durch einen Bürokomplex und richten ohne jeden Federlesens ein blutiges Massaker an. Ein Rollstuhlfahrer wird per Kabel und Pissbecken unter Strom gesetzt, der Rest der Belegschaft bekommt ebenso kommentar- wie mitleidlos Kugeln in Kopf, Brust oder Bauch verpasst, bis keiner mehr steht. Untermalt wird die brutale Vernichtungsarie mit beschwingter Gute-Laune-Musik, was ihre Kaltblütigkeit nochmals maximal potenziert. Dann gehen die Killer wieder lässig Richtung Fahrstuhl, als sei nix passiert. Zu diesem Zeitpunkt weiß das Publikum noch nicht, dass diese Szene (die zuvor bereits effektiv den Trailer zum Film schmückte) eine Vorausschau ist und später im Handlungskontext nochmals abgespult wird. Die Schützen, so weiß man dann, sind Mimi Miceli und Jolly Rizzo, zwei eigentlich kleine Fische, die sich mit kaltblütigen Aktionen wie diesen den Respekt der Unterwelt verdient haben und nicht vorhaben, ihn sich wieder abluchsen zu lassen. 

Der Macher dieser siffigen Räuberpistole, der nicht nur Drehbuch, Produktion und Regie übernahm, sondern obendrein auch die Hauptrolle bekleidete, hieß Duke Mitchell. Das heißt, eigentlich hieß er mit Familiennamen Miceli, wie die Filmfigur, und unterhielt ebenfalls Kontakte zum halbseidenen Milieu, was MASSSACRE MAFIA STYLE (international bekanntester Titel) einen gewissen halbbiographischen Anstrich verleiht. Zuvor hauptsächlich als Komiker und Sänger in Nachtklubs unterwegs, begann er schließlich, auf eigene Kosten billige Reißer für die Leinwand zu produzieren. Ausschlaggebend, so heißt es häufig, war seine Sichtung von Francis Ford Coppolas Kino-Meilenstein DER PATE, nach der er der Meinung war, so etwas eigentlich viel besser hinbekommen zu können. Natürlich stimmte das nicht. Von der eleganten Erzählweise des angeblichen Vorbilds ist hier nicht das Geringste zu spüren. Salopp gesagt: Wäre DER PATE eine filigrane 16jährige Ballerina im Russischen Staatsballett, so wäre DER MAFIA-KILLER eine trächtige Seekuh auf dem Tresen einer Hamburger Hafenspelunke um 4 Uhr morgens. Auf gewisse Weise ist Mitchells Interpretation damit vermutlich sogar näher an der Realität als die opulente Portraitierung Coppolas, denn seine grobschlächtige Umsetzung sorgt für ein ausnehmend hässliches, ungastliches Bild des Verbrechertums. Mitmachen möchte man nach dieser Lehrstunde jedenfalls nicht. 

Wirklich etwas zu erzählen hat Mitchell dabei freilich nicht. Sein Werk speist sich aus sattsam bekannten und lieblos aneinander gereihten Versatzstücken, die man alle irgendwo schon mal besser gesehen hat. Nicht selten erweckt das Stück dabei den Eindruck einer Improvisation, in der die Geschichte stets so weitergeht, wie es Mitchell am Drehtag gerade eben in den Sinn kam. Eklatant dafür ist die plötzlich eingeleitete Episode, in der Miceli quasi aus heiterem Himmel beschließt, in die Pornofilm-Branche einzusteigen. Weil er dafür Darsteller benötigt, aber keine findet (was man gut und gern als Quatsch verbuchen kann, willige Akt-Akteure dürften zu der Zeit keine Mangelware gewesen sein), beschließt er, die Mädchen eines bekannten Zuhälters dafür zu rekrutieren. Da dieser sich vehement der Zusammenarbeit verweigert und auch noch ausfallend wird, muss man nicht studiert haben, um dessen Schicksal korrekt erraten zu können. Wer hier die leise Hoffnung hegt, DER MAFIA-KILLER könnte von nun an einem roten Faden folgen und weitererzählen, wie es dem engagierten Mafia-Spross im Filmgeschäft erginge, welche Erfolge und unerwarteten Probleme ihn dort heimsuchen, welche Lehren er daraus zieht und wie diese sein weiteres Tun und Handeln beeinflussen, der irrt sich gewaltig. Nach Tötung des widerspenstigen Zuhälters ist dieses Fragment nämlich auch schon wieder abgeschlossen und das Bumskino-Business wird nie wieder auch nur erwähnt. Immerhin heben die bis dahin zum Thema abgesonderten Dialoge das Stück (vielleicht sogar unfreiwillig) auf eine schelmische Meta-Ebene, wenn Miceli und sein Busenkumpel Rizzo darüber plachandern, dass sie vom Filmemachen ja eigentlich gar keine Ahnung hätten, dann aber beschließen, trotzdem einfach durchzustarten. Das vorliegende Werk dürfte ganz ähnlich entstanden sein. 

Das einzig wirklich stets wiederkehrende Motiv (und deswegen vielleicht sogar eines, das Mitchell tatsächlich wichtig war), schlägt sich direkt im Originaltitel wieder: das der Familienbande. In einer arg ausgewalzten Szene referiert Mitchells Miceli über die Achtung vor der Mutter, immer wieder wird der Wert des Zusammenhalts betont. Gewiss, letztendlich ist das auch nur ein weiteres Mafiafilm-Klischee, aber immerhin ein Konzept, das sich auffallend konsequent durch die ansonsten reichlich zerfaserte Erzählung zieht. Als reizvoller Nebeneffekt steigern diese von Respekt und Liebe geprägten Aussagen abermals erheblich den Zynismus des ganzen Rests, stehen diese doch im krassen Kontrast zu den sonstigen menschenverachtenden Handlungen Micelis. Das Töten passiert lapidar, ruppig und ohne ausgefeilte Pläne. Die Inszenierung passt sich dem in ihrer Billigkeit an. Wenn hier geschossen wird, dann sieht man das Mündungsfeuer und in der nächsten Szene hält sich der Getroffene das perforierte Körperteil, während ihm ein Päckchen Kunstblut zwischen den Fingern hervorquillt. Nur ganz selten gönnte man sich tatsächlich ein paar platzende Blutpäckchen. Die reißerische Darbietung erinnert dabei eher an Slasher der Marke Freitag, der 13. Da hängt das Opfer schon mal recht unschön mit dem Auge am Fleischerhaken. 

In solchen Momenten wird dann auch die eigentliche Intention Mitchells deutlich, der einfach nur einen barschen Beitrag fürs einschlägige Bahnhofskino vom Stapel ließ. Seine Figuren bekamen keine besonderen Beweggründe verpasst. Warum Miceli z. B. unbedingt der große Boss werden will, wird niemals klar. Sympathiefiguren gibt es nicht. Mitchell selbst poltert als bildungsferner, öliger Fatzke durch die Kiste. Das ist alles fern von Geschick und Geisteswissenschaft, aber allzu hart sollte man mit Mitchells launigem Lausbubenstreich trotzdem nicht ins Gericht gehen. Aus der rüpelhaften Do It Yourself-Attitüde ist etwas ganz Eigenes, Urwüchsiges entstanden, ein Gegenpol zum herausgeputzten Hollywood, bei dem alles nach Schmutz und Schweiß und Blut riecht. Als roughiger Zeitverschwender funktioniert das schon. Wem DER PATE immer zu ausladend und intellektuell war, der findet hier seine Alternative.

Laufzeit: 83 Min. / Freigabe: ab 18

Sonntag, 29. November 2020

DIE RACHE DER CAMORRA


I GUAPPI
Italien 1974

Regie:
Pasquale Squitieri

Darsteller:
Franco Nero,
Fabio Testi,
Claudia Cardinale,
Raymond Pellegrin,
Rita Forzano,
Nino Vingelli,
Antonio Orlando,
Sergio Serafini



Inhalt:

Anfang des 20. Jahrhunderts: Nicola Bellizzi [Franco Nero], einst ein gefürchteter Gangster, kehrt nach mehreren Jahren im Gefängnis ins Elendsviertel Neapels zurück. Sein Ruf eilt ihm voraus, noch immer fürchten ihn die Leute. Aber Bellizzi hat sich geändert: Er verachtet mittlerweile das Verbrechen und möchte Rechtsanwalt werden. Mittlerweile regiert der brutale Don Gaetano [Fabio Testi] das Viertel. Schnell gerät Bellizzi mit ihm aneinander, kränkt ihn in seiner Ehre. Beim unausweichlichen Duell jedoch erkennen beide Männer, dass sie zwar auf verschiedenen Seiten stehen, aber dennoch ähnliche Moralvorstellung haben. Die einstigen Todfeinde beginnen zunächst, sich zu respektieren, schließlich werden sie gar Freunde. Bellizzi arrangiert sich mit der verbrecherischen Camorra – bis die Zweckgemeinschaft zu einem Problem wird.

Kritik:

Cineastische Darstellungen der Mafia gibt es viele. DER PATE [1972] ist nicht nur Platzhirsch des Genres, sondern war auch Initialzündung für zahlreiche Filmschaffende, sich ebenfalls mit der berühmt-berüchtigten Institution zu beschäftigen. Nicht wenige Beiträge kamen dabei aus Italien – kaum überraschend, war das Land doch a.) nie darum verlegen, auswärtige Leinwand-Erfolge zu kopieren und b.) stets Hauptleidtragender der organisierten Kriminalität. Oft wurde die Thematik dabei für reißerische Kolportagen genutzt. Aber auch, wenn der deutsche Titel es mit dem Blick auf ein sensationslüsternes Klientel zu suggerieren versucht – DIE RACHE DER CAMORRA gehört nicht dazu. Die Banditen, wie die Nummer eigentlich im Original heißt, ist tatsächlich sogar weniger Gangsterfilm als vielmehr ein mit nüchternem Understatement inszeniertes Zeitbild über die gesellschaftlichen Verhältnisse Italiens an der Schwelle zum 20. Jahrhundert. Regisseur Pasquale Squitieri [→ DIE RACHE BIN ICH] stammt ursprünglich aus dem Journalismus-Bereich, was sich in einer analytischen Herangehensweise und einem dokumentarischen Duktus niederschlägt. Squitieri (der auch für das Drehbuch verantwortlich war) beschreibt in unaufgeregtem, sachlichem Ton, wie in den südlichen Gefilden des Landes langsam, aber sicher die Camorra erstarkt – autonome Familienclans, die nach und nach ihre eigenen Gesetze installieren und immer mehr an Macht und Einfluss gewinnen.

Mit einigem Aufwand an Kostüm und Kolorit entstand so ein durch und durch authentisch wirkender Blick auf die Rituale und Kodizes der neapolitanischen Verbrechervereinigung, die – fast völlig unbehelligt von überforderter und geschmierter Polizei – ihre ganz eigenen Strukturen entwickelt hat, ein perverser Staat im Staat, der sich die Armut und die daraus resultierende Hilflosigkeit der Bevölkerung zunutze macht, um ihre Macht zu erhalten und zu erweitern. Wie Könige herrschen die Anführer des Camorra-Clans in den Vierteln – wer es wagt, ohne ihre Zustimmung Geschäfte zu machen, endet mit dem Messer im Bauch. Ein Ausweg aus den Verhältnissen scheint unmöglich. Von Geburt an lernen bereits die Kinder, dass der einzige Weg zu überleben das Stehlen und das Morden ist. Anstatt Lesen lehrt man ihnen das korrekte Hantieren mit der Klinge. Die Verhältnisse sind trist, die Aussichten trostlos, Werte wie Tugend oder Gerechtigkeit scheinen nicht mehr existent.

Vor diesem historischen Hintergrund entspinnt Squitieri die Studie zweier Männer, Gaetano und Bellizzi, die zwar unterschiedlichen Prinzipien huldigen, sich aber dennoch gegenseitig respektieren, woraus eine eigentlich völlig absurde Freundschaft erwächst. Mit Fabio Testi [→ DIE PERFEKTE ERPRESSUNG] und Franco Nero [→ DIE KLETTE] holte man sich dafür zwei echte Schwergewichte an Bord, die sich (und dem Publikum) ein wahrlich packendes Schauspielduell liefern, das vor allem deswegen glaubhaft wirkt, da beide Mimen ihr Spiel nicht durch eitle Übertreibungen verwässern, sondern sich überwiegend auf ihre grundsätzliche Leinwandpräsenz verlassen. Vor allem Nero gelingt es dabei, den Zwiespalt seiner Figur intensiv herauszuarbeiten: Zwar ist Gerechtigkeit sein Ziel, doch stürzt ihn das Wissen, dass sein Arrangement mit dem Verbrechen Gerechtigkeit eigentlich ad absurdum führt, in einen quälenden Konflikt. Auch Testi nimmt man die Rolle des mächtigen Gangsterbosses spielend ab. Sein ruhiges und scheinbar beherrschtes Auftreten strahlt unantastbare Überlegenheit aus, doch liegt die Gefahr eines plötzlichen Gewaltausbruchs jederzeit spürbar in der Luft. Weibliche Unterstützung bekommt das Duo von Claudia Cardinale [→ PETROLEUM-MIEZEN], die hier ebenfalls beweisen kann, dass sie zu den großen ihrer Zunft gehörte. Denn ihre Rolle ist zum Glück alles andere als reine Staffage, sondern von ebensolcher Relevanz wie die männlichen Figuren. Ein weiterer wichtiger Name auf der Besetzungsliste ist der des Franzosen Raymond Pellegrin [→ PULVERFASS BAHIA]. In blendender Verbissenheit verkörpert er den temperamentvollen Hauptmann Aiossa, der mit Wut und Leidenschaft versucht, den kriminellen Gaetano hinter Schloss und Riegel zu bringen. Bezeichnenderweise muss er irgendwann einsehen, dass ihm dieses auf rechtschaffendem Wege nicht möglich ist, weswegen er zur Erreichung des Zieles schließlich selbst zum Verbrecher werden muss.

Somit hat man es hier auch mit einer Bestandsaufnahme des damaligen italienischen Rechtssystems zu tun. Man sieht Richter, die völlig überfordert sind und oftmals nicht wissen, wie sie sich entscheiden sollen. Die Folge ist eine völlig willkürliche Pseudo-Rechtsprechung vor dem Hintergrund des nett gemeintes Schriftzugs „Vor dem Gesetz sind alle gleich“. Doch bei Squitieri läuft das Versagen von Recht und Gesetz nicht etwa auf einen finalen Befreiungsschlag, einen kathartischen Akt entfesselter Selbstjustiz hinaus. Am Ende bleibt hier nicht mehr als Betroffenheit und Frustration. Freunde von Krawall und Krudelität kommen hier deshalb auch kaum auf ihre Kosten, auch wenn zwischendurch mal Fäuste, Peitschen und frisch gewetzte Rasiermesser fliegen. Trotzdem ist DIE RACHE DER CAMORRA kein Actionspektakel, sondern ein um Authentizität bemühter Historienfilm, der sich zum Teil auch ein wenig zu viel Zeit lässt. Speziell der Beginn geriet etwas sehr spröde und schleppend, ein paar Straffungen hätten gewiss nicht geschadet. Und dafür, dass man anfangs fast ein wenig zu betulich daherkommt, passiert am Ende dann auch alles etwas zu hopplahopp - ohne Erklärung werden da mehrere Monate einfach mal übersprungen. Dennoch entwickelt das mit viel merklicher Leidenschaft in Szene gesetzte Kriminellen- und Gesellschafts-Portrait eine morbide Faszination, die einen in ihren Bann zieht. Nach niederschmetternder Schlusspointe wird man schließlich mit überraschendem Sprung in die (damalige) Gegenwart entlassen, so dass man sich die Frage stellen muss: Wie viel hat sich in Neapel im Laufe der Jahre denn eigentlich geändert?

Laufzeit: 126 Min. / Freigabe: ab 16

Freitag, 27. November 2020

DAS GEHEIMNIS DER DREI DSCHUNKEN


DAS GEHEIMNIS DER DREI DSCHUNKEN
BRD, Italien 1965

Regie:
Ernst Hofbauer

Darsteller:
Stewart Granger,
Rosanna Schiaffino,
Sieghardt Rupp,
Margit Saad,
Harald Juhnke,
Horst Frank,
Helga Sommerfeld,
Paul Klinger



„Das Ding sieht aber gefährlich aus. Ist die geladen?“
„Ich kann ja mal abdrücken.“


Inhalt:

CIA-Agent Michael Scott [Stewart Granger] reagiert zunächst ein wenig unwirsch, als sein Chef ihn während seines wohlverdienten Urlaubs anruft. Doch das ändert sich, als er den Grund dafür erfährt: Sein Freund und Kollege ist bei einem Einsatz in Hongkong ermordet worden. Sofort lässt er die Freizeit Freizeit sein, trennt sich von seiner Modelleisenbahn und schaltet sich in den Fall ein. Sein Kollege ermittelte vor Ort gegen den unnahbaren Verbrecher Pierre Mirot [Sieghardt Rupp], welcher seine drei Dschunken als Tarnung nutzt, um Einzelteile für den Bau von Atomwaffen (!) zu schmuggeln. FBI-Agentin Carol Eden [Rosanna Schiaffino] soll sich nun als Tippse bei Mirot einschleusen und Scott so mit nötigen Informationen versorgen. Während sie sich das Vertrauen Mirots (wenn auch nicht das seiner Liebsten) erschleicht, sind Scott und sein neuer Partner, der Dolmetscher Smoky [Harald Juhnke], damit beschäftigt, diverse Mordanschlägen zu überleben, denn Mirot hat längst seinen brutalen Killer Pereira [Horst Frank] losgeschickt. 

Kritik:

DAS GEHEIMNIS DER DREI DSCHUNKEN erzählt, deutlich beeinflusst von den Erfolgen der James Bond-Reihe, eine im realitätsfernen Szenario angesiedelte, reichlich abstruse Agentengeschichte und fährt dabei so ziemlich jedes einzelne Klischee auf, das in späteren Jahren nur allzu dankbar als willkommene Steilvorlage für entsprechende Genre-Parodien genutzt wurde. Im Erscheinungsjahr vermutlich noch ernstgemeint und auch so empfunden, taugt die hemdsärmelige Mischung aus banalem Groschenkrimi und bunt bebildertem Reisebericht Jahrzehnte später lediglich noch als amüsantes Dokument damaliger deutscher Befindlichkeiten. Das beginnt schon beim völlig fehlbesetzten Stewart Granger in der Hauptrolle, dessen Figur Michael Scott laut kühner Drehbuchbehauptung eigentlich ein erfahrener CIA-Mann sein soll, der in seinem biederen Auftreten und Gebaren aber so urteutonisch wirkt, dass man ihm direkt die Puschen reichen möchte. Reichlich tapsig stolpert der stets leicht überfordert wirkende Aushilfsagent durch allerhand exotische Kulissen, ohne rechten Plan, wie er seinen Auftrag denn eigentlich ausführen soll. Seine Gegner fürchten ihn aus irgendwelchen Gründen allerdings trotzdem und stellen ihm deswegen alle naslang tödlich gemeinte Fallen (in die er auch immer brav hineintappt) oder setzen ein paar kaum minder tollpatschige Killer auf ihn an. Diesen vehementen Tötungsbemühungen entgeht Scott dabei nicht etwa durch altehrwürdige Geheimdienst-Tugenden wie List, Tücke oder gar Geschick, sondern einzig und allein durch Zufall oder unverschämtes Glück. Als er sich beispielsweise in einem Auto befindet, das gerade im Begriff ist, einen Steilhang hinunterzustürzen, springt er kurzerhand einfach zur Tür hinaus, landet ohne eine zusätzliche Schramme auf dem Schotter und macht weiter, als sei nichts geschehen. 

Und in diesem Duktus geht es weiter. Michael Scotts Überleben basiert entweder auf einer Extraportion Dusel, unerklärter Unverwundbarkeit oder darauf, dass seine Gegner noch ungeschickter agieren als er selbst. Derart einfallsloses Drehbuchschreiben geht natürlich tüchtig auf Kosten der Spannung. Gewiss rechnet auch beim großen Kollegen Bond niemand damit, er könne jemals ernsthaft zu Schaden kommen, aber durch die Frage, wann und wie er der andauernden Leib- und Lebensgefahr entkommt, entsteht ein gewisser Nervenkitzel. Wenn der Held jedoch, wie hier, aus jedem Steinschlag, jeder Explosion und jedem Schusswechsel ohne erkennbare Mühe lebendig hervorgeht, stellt sich doch recht rasch Verdruss ein. Dass Michael Scott zudem auch nicht die hellste Kerze auf der Torte ist, macht die Sache nicht unbedingt besser. Als er sich gegenüber dem Bösewicht als Versicherungsvertreter ausgibt, nennt er dabei doch tatsächlich seinen richtigen Namen. 

Viele Gedanken an Zusammenhang und Kausalität hat das Autorenduo (bestehend aus Werner P. Zibaso [→ KOMMISSAR X JAGT DIE ROTEN TIGER] und Hanns-Karl Kubiak [→ HOTEL DER TOTEN GÄSTE]) also wahrlich nicht verschwendet. Stattdessen kopierte es eifrig Situationen und Stereotype aus größeren Vorbildern in der Hoffnung, das sei schon irgendwie ausreichend. Auch Motivationen und Hintergründe der Charaktere blieben nur vage umrissen. Der Schurke ist einfach nur der Schurke, und er ist das, weil er schurkische Dinge tut. Mehr braucht man gar nicht zu wissen. Auch Regisseur Ernst Hofbauer [→ TIM FRAZER JAGT DEN GEHEIMNISVOLLEN MR. X] ging maximal uninspiriert zu Werke und lieferte kaum mehr als drögen Dienst nach Vorschrift. Die „Action“ (wenn man sie denn so nennen möchte) besteht aus ein paar undynamisch abgefilmten Autojagden, hüftsteif ausgeführten Schlägereien und ein bisschen „Peng, Peng“ mit dem Revolver wie beim präpubertären Cowboy- und Indianer-Spiel. Und wenn doch mal kurzzeitig Gefahr besteht, es könnte etwas turbulenter werden, ist es meistens auch schon wieder vorbei, bevor es richtig angefangen hat. Man merkt an allen Ecken und Enden: DAS GEHEIMNIS DER DREI DSCHUNKEN wollte niemals einen Innovationspreis gewinnen und entstand auch nicht aus einer großen Vision heraus. Er wurde gedreht, um mit möglichst geringem Aufwand möglichst viel Geld einzuspielen. Mit dem allernötigsten Aufwand an Finanz- und Schaffenskraft wurde hier ein Produkt zurechtgezimmert, das den Ansprüchen des Publikums gerade so sehr entspricht, dass sich trotz eisernem Sparstift am Ende der finanzielle Erfolg einstellt. 

Der Schauplatz Hongkong war dabei bereits die halbe Miete. Der damals noch als geheimnisvoll und exotisch empfundene Ort kitzelte den Eskapismus des deutschen Durchschnittsbürgers, sorgte für attraktive Aufnahmen und günstige Arbeitsbedingungen. Durch eine Kooperation mit Produzenten aus Italien konnte man die Kosten zusätzlich gering halten. Und bei der Besetzung orientierte sich man sich an dem, was man damals in der BRD gern auf Leinwand und Mattscheibe sah. Stewart Granger stand dank der Karl-May-Verfilmung OLD SUREHAND auf der Beliebtheitsskala ganz oben, sein Gegenspieler Sieghardt Rupp [→ FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR] war noch aus diversen Heimatfilmen wohlbekannt, der stets gern gesehene Horst Frank [→ VIER FÄUSTE SCHLAGEN WIEDER ZU] bekleidet als brutaler Bezahl-Killer eine auf ihn zugeschnittene Nebenrolle, während als ebenso obligatorische wie redundante Witzfigur Harald Juhnke [→ DER MÖRDER MIT DEM SEIDENSCHAL] ein paar seichte Lacher vom Stapel lassen darf. Für den weiblichen Part engagierte man die bildhübsche Rosanna Schiaffino [→ THE KILLER RESERVED NINE SEATS], die – auch nur wenig überraschend – eine für die Produktionszeit typische Frauenfigur aufgedrückt bekam: Keck und adrett, aber im gleichen Maße auch naiv und im Ernstfall auf die Rettung ihres großen Beschützers angewiesen (in welchen sie nach lausigen fünf Minuten unsterblich verliebt ist). Gut, der Augenblick, in welchem sie ihrem Folterknecht einen saftigen Tritt verpasst, worauf dieser wie von der Kanonenkugel getroffen auf der Glatze durchs Zimmer kegelt, ist zugegebenermaßen nicht von schlechten Eltern. 

Dazu gesellen sich die unvermeidliche Portion Sexismus („Es müsste beim CIA verboten sein, Frauen zu beschäftigen“, stellt Michael Scott einmal fest) sowie wie der damals übliche arrogante westliche Blick auf den Fernen Osten. Granger und Juhnke poltern durch die Stadt wie die Elefanten im Porzellanladen, zeigen Respekt weder vor der Kultur, noch vor der Bevölkerung, klopfen Sprüche übers Essen mit Stäbchen („Kein Wunder, dass die Chinesen alle so dünn sind!“) und reden mit den Einheimischen (die im Übrigen fast alle Deutsch verstehen und sprechen) wie mit zurückgebliebenen Kleinkindern. Dass die blauäugige Abenteuer-/Agenten-/Kriminalfilm-Melange trotz all ihrer Defizite gut bei Laune hält, liegt an ihrer eigentümlichen Schrulligkeit, die tief im Zeitgeist verwurzelt ist und sich daher auch nicht reproduzieren lässt, an ihrem radikalen Widerspruch aus behaupteter Weltoffenheit und tatsächlichem bundesdeutschen Spießbürgertum. Sich selbst fett CIA auf die Fahnen zu schreiben und dann einen feixenden Harald Juhnke auf Mission zu schicken, dazu gehört schon eine ganze Menge Verstiegenheit. Wie viele ähnlich gelagerte Werke dieser Zeit und Gattung entspringt der Reiz somit in erster Linie aus der schönen Atmosphäre längst vergangener Kinotage. Das exotische Flair Hongkongs geschickt nutzend, werden alle möglichen attraktiven Schauplätze abgegrast und jede Szene atmet den Geist verklärter Kinoromantik. Angereichert mit der für die Zeit üblichen locker-flockigen Dialogen, erlebt man hier flauschig abgelichteten Kintopp mit all den zu erwartenden Ingredienzien. Eine gewisse Affinität sollte man allerdings mitbringen.

Laufzeit: 85 Min. / Freigabe: ab 12

Donnerstag, 26. November 2020

IN DEN KLAUEN DER CIA


SAAI SAU YING
Hongkong 1982 

Regie:
John Liu

Darsteller:
John Liu,
Mirata Miller,
Raquel Evans,
José María Blanco,
Casanova Wong,
Danny Lee,
Christian Anders,
Victor Israel



„Noch zwei Tote. Bedeutet das, dass wir Mörder sind?“
„Es ist kein Mord gewesen. Ungeziefer muss man leider mitunter vertilgen, damit die Anständigen, die Sauberen ne Überlebenschance haben.“ 

(John Liu argumentiert stets rational.) 


Inhalt:

Der KGB hat im stillen Kämmerlein einen neuen Kampfstil ausgeklügelt, der garantiert jeden Gegner auf die Bretter schickt: eine Kombination aus klassischem Kung Fu und der Kunst zur Selbsthypnose, welche den Killerinstinkt aus ihrem Anwender herauskitzelt. Die CIA will da nicht hinten anstehen und gelüstet ebenfalls nach einer in dieser Technik bewanderten Spezialeinheit. Schnell ist klar, dass die Ausbildung nur ein einziger Mann übernehmen kann: der verdiente Vietnam-Veteran John Liu [John Liu]. Dieser jedoch hat nach Ende des Krieges jede Kooperation mit der Regierung abgeschworen und muss daher erst vom zwielichtigen Agent Sanders [Christian Anders] zur Mitarbeit erpresst werden. Tatsächlich kann die CIA den renommierten Superfighter eine Zeit lang gefügig halten, doch als diesem gewahr wird, dass sein Arbeitgeber noch viel mehr Dreck am Stecken hat als bereits vermutet, setzt er sich kurzerhand nach Paris ab – mit hochbrisanten Geheimdokumenten im Gepäck. Die Jagd beginnt. 

Kritik:

John Liu war niemals Jackie Chan. Der taiwanesische Schauspieler und Kampfkünstler (dessen eigentlicher Name Liu Chung Liang lautet), mühte sich zwar um eine ähnlich erfolgreiche Karriere wie Chinas bekannter Star-Export und beackerte ähnliche cineastische Felder, der große Durchbruch jedoch blieb aus. Dennoch konnte er im Laufe der Zeit eine kleine Fan-Gemeinde um sich scharen, die seinen Stil (eine Mischung aus Karate und Mixed Martial Arts) zu schätzen wusste und seinen billig produzierten Zweite-Reihe-Produktionen wie DIE ZWILLINGSBRÜDER VON BRUCE LEE [1976] ihr Wohlwollen entgegenbrachte. 1981 gründete Liu seine eigene Produktionsfirma und drehte mit sich selbst auf dem Regie- und Hauptrollenstuhl drei reichlich unbeholfene Action-Vehikel, die bei Kritik und Publikum einhellig durchfielen. Eines davon ist IN DEN KLAUEN DER CIA, eine himmelschreiend hanebüchene Agentennullnummer, die inhaltlich schon fast als absurdes Theater durchgeht. Das groteske Skript wirkt wie das Nachmittagselaborat eines hyperaktiven 12-jährigen, der zu viele James-Bond- und Bruce-Lee-Filme gesehen hat und nun selbst seiner Fantasie freien Lauf ließ. 

Bereits die Prämisse der obskuren Prügelschote lädt zu exzessivem Kopfschütteln ein. Aber selbst, wenn man im Rahmen der Suspension of Disbelief großzügig die Annahme akzeptierte, bei der CIA bestünde tatsächlich ernsthafter Bedarf an einer halbseidenen Hypnose-Kampftechnik, kommt man nicht umhin, sich einzugestehen, dass auch die auf dieser Idee aufbauenden Ereignisse nichts anderes sind als eine riesengroße Extraportion ausgemachten Schwachsinns. Der erste Brüller ist schon die Tatsache, dass als CIA-Ausbildungslager hier eine arg mittelalterlich anmutende Burg herhalten muss, die gewiss überall steht, nur ganz sicher nicht – wie hier trotzdem tollkühn behauptet – in den USA. Die CIA selbst ist ein Haufen spinnerter Vollpfosten, der aus unerfindlichen Gründen ständig versucht, vorbeikommende Frauen zu vergewaltigen. Vielleicht sind das ja Nebenwirkungen der höchst merkwürdigen Ausbildungsrituale, werden Neuanwärter doch zur Begrüßung erstmal zünftig unter Strom gesetzt („Durch dieses Härtetraining muss jeder durch. Es ist die einzige Art, sich zu stählen.“). Die angeblich so geheime KGB-Kampftechnik, nach der sich die CIA hier so verzweifelt ihre schmierigen Finger leckt, ist indes dermaßen streng geheim, dass Hauptfigur John Liu (deren Rollenname praktischerweise mit dem ihres Schauspielers identisch ist) sie in seiner Schule höchst offiziell und für jedermann zugänglich unterrichtet. 

Keine Frage: Logik und Realitätsbezug haben hier Hausverbot. Das Motto lautet: Nicht fragen, einfach sehen, hören und staunen! Unfassbare Szenen spielen sich ab, wobei der Höhepunkt des Irrsinns sicherlich der Moment ist, in dem eine eigens dafür angeheuerte Agentin versucht, den Helden aus seiner Trainings-Trance zu holen, indem sie ihm auf freiem Feld ausgiebig am Schniepel rumschlabbert („Wenn er darauf nicht abfährt, ist er kein Mensch!“). Dazu gesellen sich gleich mehrere Nebenhandlungsstränge, die mit der eigentlichen Erzählung quasi nichts zu haben und ohne jedwede Erklärung im luftleeren Raum verbleiben. Da wird einer der Rekruten von einem klischeetriefenden Triadenboss irgendwie dazu gezwungen, eine Kampfausbildung bei der CIA zu machen. Weil dieser aber ob der grausamen Trainingsmethoden so gar nicht will, sucht er besagten Bandenführer in seinem Garten auf und erschießt ihn scheinbar im Affekt, weswegen er im Anschluss panisch durch das Buschwerk auf- und davonstolpert. Der böse Boss ist aber gar nicht tot, sondern hat sein Ableben nur vorgetäuscht, weswegen er sich nun ausgiebig kaputt lacht. Was die komische Nummer eigentlich sollte? Weiß der Geier! Dass Cheftreter John Liu außerdem noch einen Zwillingsbruder hat, dem er zu Beginn einmal kurz einen Besuch abstattet, ist – wenig überraschend – inhaltlich ebenfalls ohne jeden Belang. 

Den finalen Vogel allerdings schießt fraglos die deutsche Synchronisation ab, die sich der Absurdität der Ereignisse völlig bewusst war und sie daher lediglich als Vorlage für diverse feuchtfröhliche Verbalauswüchse gebrauchte. „Ich hab euch beim Training beobachtet und festgestellt, ihr seid Pflaumen“, erklärt John Liu da im furztrockenen Tonfall seinen Zöglingen, und verabschiedet sich später schimpfend mit: „Hochschulabsolventen sollen das sein? Das sind die letzten Arschlöcher.“ Ein Kontaktmann wird lapidar als „dieser Verbindungsheini da“ bezeichnet; der Angriff eines Gegners wird kommentiert mit „Noch so'n Alete-Hippie!“ Und als eine Dame von mehreren Männern bedrängt wird, ruft sie ihren potenziellen Vergewaltigern doch tatsächlich zu: „Verzieht euch oder wichst!“ Das alles ist dermaßen drüber, dass man irgendwann schlichtweg die Segel streicht und beginnt, sich in diesem paradoxen Paralleluniversum pudelwohl zu fühlen. Genrefreunde können sich zudem noch die Zeit damit vertreiben, Gastauftritte völlig unerwarteter Darsteller zu zählen. Gleich zu Beginn schaut Shaw-Brothers-Ikone Danny Lee [→ THE KILLER] mal kurz vorbei, Italo-Recke Victor Israel [→ AUCH DIE ENGEL ESSEN BOHNEN] hat einen (natürlich ebenfalls gänzlich sinnlosen) Auftritt als verschrobener Nervenarzt (den braucht man auch bei so viel Käse), und die Rolle des kickenden Colonel Sanders ging doch tatsächlich an den deutschen Schlagerbarden Christian Anders [→ DIE BRUT DES BÖSEN], der hier den doch leicht inkorrekten Spruch „Sie sind ja ein ganz schön schlitzäugiges Schlitzohr“ aufsagen darf. 

Nein, IN DEN KLAUEN DER CIA wird garantiert niemals jemand mit einem guten Film verwechseln – zumal nicht mal die Kampfszenen (also der eigentliche Grund, weswegen man sich so etwas ja ansieht) überzeugen können und ähnlich unbeholfen daherkommen wie der ganze Rest. Der Unterhaltungswert allerdings ist vor allem in Verbindung mit der deutschen Spaß-Vertonung sehr enorm. Wem James Bond schon immer etwas zu seriös war, der stelle sich ein paar Kannen Gerstensaft kalt, bestelle sich ein oder zwei Gesinnungsgenossen in die Stube und lasse den Tag feuchtfröhlich mit John Lius grenzdebiler Geheimdienst-Gaga-Saga ausklingen. Oder wichst.

Laufzeit: 75 Min. / Freigabe: ab 18

Sonntag, 22. November 2020

ZEHN GELBE FÄUSTE FÜR DIE RACHE


E KE
Hongkong 1971

Regie:
Chang Cheh

Darsteller:
Ti Lung,
David Chiang,
Chen Sing,
Kurata Yasuaki,
Ching Li,
Chang Cheh,
Bolo Yeung,
Fang Jen-Tzu



Inhalt: 

Die schlagkräftigen Brüder Fan Ke [David Chiang] und Wen Lieh [Ti Lung] brachten einst den gefährlichen Verbrecher Chiang Ren [Chen Sing] hinter Gitter. Dieser ist jedoch gar nicht so dumm, wie er aussieht, und kann mithilfe einer unfassbar billigen List aus dem Gefängnis entkommen. Aus Rache tötet er zunächst Wens Familie und entführt im Auftrage der japanischen Unterweltgröße Yamaguchi [Chang Cheh] dann auch noch dessen Freundin Yu Lan [Ching Li]. Fan und Weh reisen nach Tokio, um Yu buchstäblich wieder rauszuhauen. Zwar geht die Aktion erfolgreich über die Bühne, doch Yamaguchi gibt nicht auf: Er schickt seinen besten Kämpfer Katsu [Yasuaki Kurata] mit seinem Team [unter anderen: Bolo Yeung] nach China, um dort mit den Brüdern abzurechnen. Doch die lassen sich nicht so ohne weiteres die Wurst vom Brot ziehen.

Kritik:

Zehn gelbe Fäuste, das macht rein rechnerisch fünf gelbe Menschen. Wie genau der deutsche Anbieter auf diese Zahl kam, wird wohl ewig ein Geheimnis bleiben. Hauptfiguren existieren nämlich im Prinzip lediglich zwei, Grund zur Rache hingegen hätte so ziemlich jeder der Beteiligten. Allerdings ist es müßig, sich mit schnöder Mathematik zu beschäftigen, wenn so wunderbar konsequent feindliche Scheitel geradegerückt werden wie bei ZEHN GELBE FÄUSTE FÜR DIE RACHE. Der kompromisslose Kino-Klopper fährt nämlich das volle Programm 70er-Jahre-Hongkong-Action auf und erfüllt dabei so ziemlich alle Erwartungen, die man in solch einen Beitrag setzen könnte. Um ihren seriösen Ruf besorgte Kritiker rümpfen in Anbetracht dünner Story, dummer Dialoge und überzogener Brutalitäten natürlich pflichtschuldig die Nase, und in der Tat sind diverse Defizite nicht von der Hand zu weisen. Wirklich inspiriert oder von großer Vision beseelt ging man hier wahrlich nicht zu Werke, und es ist offensichtlich, dass man einige Mühe hatte, die überschaubare Handlung auf die obligatorischen 90 Minuten zu zerren. So muss man sich manche Gangster-Erläuterungen gleich mehrfach anhören und wird auch immer wieder Zeuge inhaltlich sinnfreier Autofahrten durch das wahlweise nächtliche oder tägliche Tokio, die aber schon allein deswegen von Nutzen sind, weil sie, mit groovigem Score unterlegt, ein wunderbar mondänes Großstadt-Flair verbreiten und damit essentieller Bestandteil des immens wichtigen Wohlfühl-Faktors sind.

Faktisch hat man es zwar mit der Fortsetzung von FAN CHU – TÖDLICHE RACHE zu tun, der im Vorjahr mit fast identischer Besetzung vor und hinter der Kamera entstand. Tatsächlich aber ist dessen Kenntnis abdinglich – ZEHN GELBE FÄUSTE FÜR DIE RACHE funktioniert, nicht zuletzt aufgrund der sehr simplen Story, auch ohne Vorwissen als eigenständiger Kung-Fu-Snack für zwischendurch. Das von Ni Kuang [→ DIE TÖDLICHEN ZWEI] verfasste Skript sät die Action vergleichsweise sogar eher spärlich; dafür geht es bei Stattfinden alles andere als zimperlich zur Sache: Bei der ausschließlich aus Prügeleien bestehenden Konfliktbewältigung suppt das Blut stets in anständiger Dosis, und immer wieder hagelt es neben Faust und Fuß manch fiese kleine Gemeinheit. Die Choreographie besorgte das bewährte Duo Liu Chia-Liang und Tong Kai, das unter anderem bereits dem Klassiker DAS GOLDENE SCHWERT DES KÖNIGSTIGERS kinetisches Leben einhauchte. Mit dessen eleganten Duellen hat das hier vorliegende Hieb- und Stichfest allerdings herzhaft wenig am Hut. Die Ästhetik entspricht dem rauen Straßenkampf; statt taktischem Belauern und effizientem Zuschlagen geht es hier ohne Federlesens schnurstracks zur Sache. Das ist eine willkommene Abwechslung zum gewöhnlichen Œuvre der produzierenden Shaw Brothers-Studios, die ihre Darsteller überwiegend in kaiserzeitliche Kostüme steckten, um sie mit Lanze und Schwert aufeinander losgehen zu lassen. Beiträge, die in der Moderne spielen, genießen daher automatisch sympathischen Exotenbonus.

In den Hauptrollen harmonieren Ti Lung [→ DAS BLUTIGE SCHWERT DER RACHE] und David Chiang [→ DIE EROBERER], die damaligen Aushängeschilder des Studios, abermals überaus prächtig als zuschlagendes Geschwistergespann, das die gegnerische Gangsterbande quasi im Alleingang aufreibt. Chang Cheh [→ DER MANN MIT DER TIGERPRANKE], der die ganze Chose extrem schmissig in Szene setzte, spielt höchstpersönlich die Rolle des schmierigen japanischen Obermuftis, der genussvoll seine Monsterzigarre schmaucht und die Sonnenbrille wohl nicht mal auf dem Donnerbalken zur Seite legt. Dass der Regie-Gigant sich auch mal vor die Kamera wagte, geschah tatsächlich so selten, dass man es an einer Hand abzählen kann. Ein weiterer Höhepunkt ist der Auftritt Chen Sings [→ TAG DER BLUTIGEN RACHE], der in der Rolle des Killers Chiang Ren auf fast schon rührende Art und Weise putzig wirkt: Als er sich nach einem vollkommen planlosen und deshalb auch grandios gescheiterten Attentatsversuch beim Boss seine wohlverdiente Schelte abholt und dabei aus der Wäsche guckt wie ein geprügelter Hund, möchte man ihm glatt das Ganovenhändchen halten. Nicht besser wird es dadurch, dass er zusätzlich noch die meiste Zeit hilflos auf Krücken herumhumpelt. Wenn er sich mitsamt seinen Gehhilfen unkoordiniert auf seine Gegner stürzt, überkommt einen aufrechte Sorge, er könne sich als nächstens versehentlich auch noch den Hals brechen. Interessanterweise ist sein Charakter später plötzlich auch gar kein Thema mehr, obwohl man anfangs noch den Eindruck gewinnt, er sei der Hauptgegner.

Eine weitere wichtige Rolle spielt in hiesigen Breitengraden die deutsche Sprachfassung aus dem bewährten Hause Karlheinz Brunnemanns. Der ungeniert zwischen geschmackloser Zote und zünftigem Klamauk pendelnde Kneipenjargon ist zwar nicht immer ganz stubenrein, passt zu der dreckigen Straßen-Attitüde aber wie die Faust aufs Auge.


„War hier ein Verkehrsunfall oder was ist?“ - „Ach was, im Gebüsch raucht einer.“

„Jetzt kommt der Onkel mit dem ganz langen ... Gewand.“

„Je mehr sich die Damen wehren, desto heißer wird’s in der Hose.“

„Falls du ihn siehst, dann sag ihm, er soll nicht wagen, gegen uns zu schießen! Sonst schlagen wir ihm die Schnauze weg, und das halten die Vorderzähne nicht aus.“


ZEHN GELBE FÄUSTE FÜR DIE RACHE erreicht zwar niemals die Königsklasse, und selbst aus dem Hause Shaw kam im Bereich der Modern Times Action bereits wesentlich besseres Material. Freunde gepflegter Handkanten-Applikation werden sich dennoch auf Anhieb heimisch fühlen. Ti Lung und David Chiang beweisen erneut, dass sie ein großartiges Duo sind, das Tempo passt und die Action macht keine Gefangenen. Vor allem das finale Baustellen-Massaker heizt dem Betrachter noch mal tüchtig ein, wenn die Protagonisten per Schaufel, Brecheisen und Bagger aufeinander losgehen und das fröhliche Verwemsen beginnt. Bäume reißt das nicht aus. Aber es sorgt für 90 schöne Minuten für Fans gewalt(ät)iger Kloppe. Nicht mehr. Aber auch auf gar keinen Fall weniger.

Laufzeit: 89 Min. / Freigabe: ab 16