Eigene Forschungen

Sonntag, 15. Juli 2012

DIE BRUT DES BÖSEN


DIE BRUT DES BÖSEN
BRD 1979

Regie:
Christian Anders

Darsteller:
Christian Anders,
Deep Roy,
Fernando Bilbao,
Dunja Rajter,
Maribel Martín,
Ria Kemp,
Wolfgang Schutte,
José María Guía



„Dead end! – The road to revenge! Dead end! – Don't make any sense!“
[Zitat aus dem Titelsong – wie wahr, wie wahr!] 


Christian kann auch Anders: Ende der 70er Jahre hielt sich der ehemalige Schlagerstar nämlich kurzzeitig für Bruce Lee. Zweifelsfrei angestachelt von den jüngsten Kung-Fu-Erfolgen aus Hongkong, entschied er, dass es an der Zeit sei, die Welt an seinen Kampfeskünsten teilhaben zu lassen. Das Produkt dieses Vorhabens schimpft sich DIE BRUT DES BÖSEN. Anders schrieb, inszenierte, choreographierte, musizierte und hauptrollte in Personalunion und bescherte der Menschheit damit einen waschechten Rohrkrepierer, für dessen Existenz Freunde filmischen Unfugs in aller Welt dankbar auf die Knie sinken müssen.

Inhalt:

Frank Mertens [Christian Anders], von Beruf stahlharter Karatekämpfer, betreibt in Madrid die nach ihm benannte „Karate Academy“. Er ist der mit Abstand beste Kämpfer im Dojo. Seine Schüler respektieren ihn, seine Sekretärin verzehrt sich nach ihm. Eigentlich alles schick also. Und dennoch trauert Frank noch immer ob des Todes seines Meisters Tikamura, der laut Mertens alljährlicher tränenziehender Gedenkrede unbesiegbar war (offenbar ja nicht, denn sonst wäre er jetzt ja nicht tot). 

Eines Tages fährt Van Bullock [Deep Roy] in seiner Limousine vor. Der ist zwar nicht größer als ne Haribo-Tüte, aber dennoch ein ebenso reicher wie gefürchteter Gangsterboss. Als solcher erwählt er nun fatalerweise genau die Straße, in welcher bereits Mertens seine Schüler unterrichtet, als Standort für seine eigene Karateschule. Als er erblickt, dass hier schon eine existiert, steht sein Entschluss fest: Mertens muss weichen! Der eiligst engagierte Makler (nicht nur ein wahrer Schmierlappen, sondern geschmacksunsichererweise auch noch ein Klischee-Jude wie aus dem Nazi-Bilderbuch) kann Mertens nicht vertreiben, weswegen Van Bullock ihm ein paar chinesische Schläger auf den Hals hetzt. Doch deren Kung Fu kann gegen Mertens makellose Karatekünste nichts ausrichten. Van Bullock hält den beiden Versagern erst eine zünftige Standpauke („Ihr müsst mehr trainieren!“), um gleich im Anschluss seine nächste Geheimwaffe auf ihn anzusetzen: Seine Geliebte Cora [Dunja Rajter] soll Mertens becircen, um ihm ein Päckchen Drogen unterzujubeln. Gesagt, getan! Nach exzessiver Liebesnacht klingeln bereits die Bullen beim Karatechampion – und werden in Mertens Manteltasche fündig. Dieser versteht die Welt nicht mehr. 


Polizist (mit gefundenem Heroinbeutel in der Hand):
„Sie sind verhaftet!“

Mertens (völlig verwirrt):
„Ja, aber warum denn das?“


Mertens wandert hinter schwedische (besser gesagt: spanische) Gardinen und verbringt den Tag fortan damit, stoisch die Wand anzustarren. Doch Cora plagt das schlechte Gewissen, ist sie dem gutherzigen Karate-König doch insgeheim verfallen. Van Bullock hingegen zwingt sie zu immer grausameren Ritualen, z. B. ihm im Drogenrausch ein Liedchen trällern (als sie mitten im Gesang weinend zusammenbricht, verstummt die Orchestermusik im Hintergrund gleich mit). Als sie ihre Missetat Franks Sekretärin Ingrid beichtet, erwischt Van Bullock sie fatalerweise beim entlarvenden Telefonat. Erzürnt über den Verrat, rammt er ihr mehrmals mit Volldampf eine Schere in die Niere. Während die Malträtierte langsam auf dem Bett verendet, tut es Van Bullock nun doch plötzlich leid, und er fängt bitterlich zu weinen an: „Ich wollte das nicht! Bitte verlass mich nicht!“ 

Als Frank, nach wie vor inhaftiert, die wahren Umstände seiner Verhaftung erfährt (als wäre es so schwer gewesen, mal selbst eins und eins zusammenzuzählen), gibt es kein Halten mehr: Mit gellendem Zornesruf („Van Bullock! Dieses SCHWEEEIIIIIIN!“) vermöbelt er kurzerhand die gesamte Polizeistation und flitzt wie vom Gummiband gefedert in Richtung Van Bullocks Villa! Nach einer Rauferei mit Van Bullocks rechter Hand, dem hünenhaften Komo [Fernando Bilbao], flüchtet Frank in den Wald, um sich dort zu verstecken. Doch Van Bullock hat bereits einen neuen teuflischen Plan: 


Van Bullock (zu Komo):
„Ruf in den Wald, dass du der Mörder seines Meisters bist! Dann wird er wütend und kommt heraus!“ 


Und natürlich tut Mertens das, stand er doch auch gut sichtbar hinter dem erstbesten Gebüsch. Freilich kennt Mertens ob dieses Geständnisses nun erst recht kein Halten mehr und schon wackelt die Heide bis nach Lüneburg. 

Kritik:

Falls noch Zweifel bestehen sollten: DIE BRUT DES BÖSEN ist stümperhaft produzierter Nonsens jenseits aller Schmerzgrenzen. In heilloser Selbstverliebtheit inszeniert Christian Anders hauptsächlich sich selbst als quasi unbesiegbaren Übermenschen, das Herz ebenso golden wie das perfekt geföhnte Haupthaar, quasi keine Gelegenheit auslassend, sich des Oberhemds zu entledigen, um die (gewiss mit viel Schweiß antrainierte) Muskelpracht zu präsentieren (und falls es mal keinen triftigen Grund gibt, das zu tun, verfängt sich das lästige Shirt halt im Dornenstrauch und muss deswegen entfernt werden). Genüsslich zelebriert er in ausladenden Trainingsmontagen seine ihm eigene Männlichkeit, macht Liegestütze ohne Hand und Fuß (vermutlich stemmt er sich mit seinem Penis nach oben) und lässt seine Bauchmuskulatur Saltos schlagen. Höhepunkt der Narzissmus-Offensive dürfte die obligatorische Sex-Szene sein, in welcher außer Christian Anders und seinem in puffiges Licht gehüllten Oberkörper eigentlich nichts zu sehen ist. Keine Frage: ein Kerl aus echtem Schrot(t) und Korn. Dass Anders' Auftreten dabei mitnichten irgendeinem propagierten Männlichkeitsideal entspricht, sondern er in seinen ledernen Shorts ganz im Gegenteil durchgehend wirkt wie direkt vom anderen Ufer, scheint ihm entweder nicht aufzufallen oder egal zu sein. Aber auch sein arg weinerliches Gehabe steht im harten Gegensatz zum behaupteten Maskulinität. Als Unholde das Foto seines verblichenen Meisters schänden, schlägt er sich die Hände vors Gesicht und fängt an zu schluchzen wie ein 13-jähriger, dem man sein Modellauto geklaut hat: „Wie kann man nur so gemein sein?“ 

Alles an DIE BRUT DES BÖSEN ist bekloppt: Das beginnt beim Hauptdarsteller und seinen verzweifelten Versuchen, heroisch zu wirken, und endet noch nicht mal bei dem von Deep Roy [→ DIE UNENDLICHE GESCHICHTE] verkörperten kleinwüchsigen Gegenspieler, der von seinem Handlanger auf den Schultern durch die Gegend getragen wird, wenn er nicht gerade, eine zünftige Orgie zelebrierend, jubelnd und jauchzend auf dem Rücken einer Nutte hockt und ihr Champagner über den nackten Hintern schüttet. Die Kampfszenen sind lachhaft, keiner der Darsteller hatte auch nur im Ansatz eine Ahnung, wie man Action mitreißend auf die Leinwand befördert. Mertens Gegner stehen einfach nur stocksteif in der Landschaft herum, schauen zu, wie ihre Kollegen verdroschen werden, und warten geduldig ab, bis sie selbst eins vor den Pullunder bekommen und endlich umkippen dürfen. Dialoge, Story und eigentlich alles andere wurden von anderen Genrevertretern rüberkopiert und kommen so eigentlich in jedem zweiten philippinischen Billig-Klopper vor. Der Titelsong, von Allzweckwaffe Anders höchstpersönlich intoniert, passt sich mit sagenhaft tief- und unsinnigem Text der restlichen Qualität spielend an.

In Nebenrollen erkennen Liebhaber europäischen Kommerzkinos zahlreiche bekannte Gesichter.  Als des Schurkens rechte Hand sieht man Fernando Bilbao [→ DJANGO SPRICHT KEIN VATERUNSER], und in einer Szene darf Italo-Import Cris Huerta [→ FÄUSTE, BOHNEN UND KARATE] Anders selbst- und siegessicher entgegenrufen: „Ich bin Sumo-Ringer!“ Beeindruckt diesen aber herzlich wenig: Sumuerta bekommt eins vor die Nuschel wie jeder andere auch und bleibt betäubt liegen.

DIE BRUT DES BÖSEN ist in seiner grandiosen Unbeholfenheit am Ende vor allem eines: ein astreiner Partyfilm! Hirn aus, Bier auf, Brut rein. 

Laufzeit: 85 Min. / Freigabe: ab 16

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