Eigene Forschungen

Samstag, 14. Juli 2012

KALTER HAUCH


THE MECHANIC
USA 1972

Regie:
Michael Winner

Darsteller:
Charles Bronson,
Jan-Michael Vincent,
Keenan Wynn,
Jill Ireland,
Linda Ridgeway,
Frank DeKova,
James Davidson,
Lindsay Crosby



„Mord ist bloß Töten ohne Lizenz.“


Inhalt:

Arthur Bishop ist Mechaniker. Doch repariert er keine Autos – er beendet Menschenleben. Auf Bestellung. Ohne Spuren zu hinterlassen. Nach erfolgtem Mordauftrag an dem reichen Gangster Harry McKenna [Keenan Wynn], lernt er dessen Sohn kennen: Steve [Jan-Michael Vincent], ein eitler, doch intelligenter junger Mann mit leicht sadistischer Ader, der seinen Vater gehasst hat, erkennt sofort, dass Bishop dessen Mörder ist. Doch anstatt ihn zu verpfeifen, möchte er ins Mordgeschäft einsteigen. Tatsächlich nimmt Bishop den noch recht ungestümen Hallodri unter seine Fittiche. Ihr erster gemeinsamer Auftrag jedoch wird durch Steves Impulsivität beinahe vermasselt. Die Organisation, für die Bishop arbeitet, kann derartige Fehlschläge nicht hinnehmen. Den kommenden Auftrag soll Bishop daher nicht überleben. Und die Organisation hat sich für dessen Ableben einen ganz besonderen Vollstrecker ausgesucht …

Kritik:

Der Anfang ist Schweigen. Fast zehn Minuten dauert die nahezu lautlose Eröffnungssequenz, in welcher Charles Bronson als Arthur Bishop seinen Mordanschlag plant, vorbereitet und ausführt – fachmännisch und mit eiskalter Präzision. Freunde rasanter Schnitte und dauerwackelnder Kamera werden sich daher bis zur folgenden Explosion schon längst abgewendet haben.

Dass die Kraft in der Ruhe liegt, ist nicht nur eine Binsenweisheit, sondern auch die Grundprämisse des sparsam angelegten Thrillers KALTER HAUCH. Höchst konzentriert verkörpert Charles Bronson darin seine Rolle des wie ein Uhrwerk funktionierenden Mietmörders Arthur Bishop, der bei entsprechendem Auftrag selbst alte Freunde ohne mit der Wimper zu zucken über die Klinge springen lässt. Eine Aura des Geheimnisvollen umgibt den eiskalten Mann, der zwar im Luxus lebt, ein Herz für Kunst hat und in seiner Freizeit klassischer Musik lauscht, doch ein Leben in absoluter Einsamkeit führt. Das Morden hat ihn stumpf gemacht, ein Menschenleben bedeutet ihm nichts mehr. Doch tötet er nicht aus Hass oder Frustration, sondern weil er in seinem Beruf ganz einfach ein Profi ist – ein perfekt ausgebildeter Mechaniker.

Die Rolle des unnahbaren Auftragskillers ist Bronson geradezu auf den patriarchalischen Leib geschneidert. Zu keinem Zeitpunkt zweifelt man auch nur im Entferntesten daran: Gäbe es einen Arthur Bishop tatsächlich, er sähe aus wie Charles Bronson, er handelte wie Charles Bronson, er wäre Charles Bronson. Noch bevor er in späteren Jahren sein Image als harter Bursche bis ins Absurde überstrapazierte und zum rüpeligen Rentner-Rambo mutierte, veredelte der als Charles Dennis Buchinsky geborene Mime mit seiner stoischen Aura so manche Kinoperle. Nach seinem legendären Auftritt in SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD, einem der größten Klassiker der Filmgeschichte, gab sich Bronson eher bescheiden und hielt seine kantigen Gesichtszüge in den folgenden Jahren in deutlich kleiner produzierte Werke. Nachdem er bereits 1970 für BRUTALE STADT sehr überzeugend in die Rolle eines bedrängten Auftragskillers geschlüpft war, kehrte er mit KALTER HAUCH in dieses Metier zurück. Die meiste Zeit erlebt man seinen Arthur Bishop zunächst schweigend, minimalistisches Mienenspiel ersetzt das gesprochene Wort.

Das ändert sich auf gewisse Weise erst, als Steve McKenna in dessen Leben tritt. Das Interesse des jungen Mannes an seiner Arbeit und seinem Lebensstil, führt, verbunden mit der unfreiwilligen Konfrontation mit seinem eigenen Alter, schließlich dazu, dass er nach einigem Zögern einwilligt, ihn zu seinem Partner auszubilden. Die Beziehung zwischen diesen beiden grundsätzlich doch sehr verschiedenen Männern, die zugleich angezogen als auch abgestoßen voneinander sind, bildet die Basis, aus der KALTER HAUCH seine Spannung schöpft. Dabei erweist sich Steve, welcher den Tod seines Vaters erst einmal bei einer zünftigen Party begießt, nach und nach als überdurchschnittlich grausamer Mistkerl: Als seine unglückliche Freundin ihn und Arthur in ihre Wohnung einlädt, schneidet sie sich vor ihren Augen die Pulsadern auf. Doch Steve unternimmt nicht etwa verzweifelte Rettungsversuche, worauf sie eigentlich spekulierte, sondern macht es sich stattdessen in einem Sessel bequem, um ihr bei einem Gläschen Wein beim Ausbluten zuzusehen. Auch bei Arthur zuckt kein Muskel. Doch wo für ihn ein Menschenleben mittlerweile schlichtweg keinen besonderen Wert mehr hat, genießt es Steve geradezu, einem anderem Menschen beim Sterben beizuwohnen.

Jan-Michael Vincent [ VIGILANTE FORCE] verkörpert McKenna als arroganten Schnösel mit ausnehmend hässlicher Haarpracht und Attitüde. Gegen die übermächtige Präsenz Bronsons konnte er als Darsteller im Grunde nur verlieren – und so kam es dann auch. Aufgrund des Umstandes, dass Steve niemals so wirkt, als könnte er einem alten Hasen wie Arthur Bishop tatsächlich auch nur im Ansatz das Wasser reichen, verschießt KALTER HAUCH eine beträchtliche Menge an Pulver. Das überaus interessante Thema einer ungewöhnlichen Männerfreundschaft wirkt somit über weite Strecken geradezu ernüchternd verschenkt – allerdings veränderte John Woo das Kino diesbezüglich mit A BETTER TOMORROW auch erst 14 Jahre später.

Nichtsdestotrotz wartet KALTER HAUCH mit einigen Momenten auf, deren Intensität eine unerwartete Tiefe erreichen: So kehrt Arthur nach erfolgreich verrichtetem Auftrag zurück zu seiner vermeintlichen Freundin (damals Bronsons Ehefrau: Jill Ireland [ DER MANN OHNE GNADE]), welche ihn sehr vermisst zu haben scheint und ihm einen glühenden Liebesbrief vorliest. Nach vollzogenem Liebesakt bedankt sich der Killer artig für Idee und Engagement und zahlt die Dame aus. Die Einsamkeit eines Mannes wurde selten eindringlicher in Szene gesetzt. Actionszenen sind eher rar gesät und wirken, sofern sie tatsächlich mal stattfinden, fast schon ein wenig fehl am Platze in dem ansonsten so bedächtigen Szenario, zumal sie der eigentlichen Prämisse, der unauffälligen Arbeit im Verborgenen, auch massiv widersprechen. Und dennoch liefern sich die Profis nach einem verpatzten Auftrag eine hochgradig ungeheime Motorradjagd mit explosivem Ausgang. Das bietet zwar schickes Augenfutter, muss sich den Vorwurf des Selbstzwecks jedoch gefallen lassen. 

Dass der kühl kalkulierte Killerthriller trotz etwas Sand im Getriebe trotzdem äußerst geschmeidig ins Ziel kommt, liegt vor allem an der gekonnten Regie Michael Winners, der mit Charles Bronson insgesamt satte sechs Male kollaborierte. Zwar schaffte es Winner nie, mit den ganz großen Regisseuren Hollywoods in einem Atemzug genannt zu werden, erarbeitete sich jedoch völlig zurecht den Ruf eines überaus versierten Handwerkers, dessen Werke sich durch ihre angenehm-unaufgeregte Inszenierung nicht selten als kleine Geheimtipps entpuppten. Der in Sachen kühler Atmosphäre durchaus mit KALTER HAUCH zu vergleichende SCORPIO (dort mit Alain Delon in der Rolle als Profikiller) geht ebenso auf sein Konto, wie Charles Bronsons größter eigener Kassenerfolg, die sorgfältig durchdachte Selbstjustizmär EIN MANN SIEHT ROT, welche seinen Hauptdarsteller quasi für immer auf die Rolle des einsamen Rächers festnageln sollte.

KALTER HAUCH endet schließlich, nach einer mit rasanten Spannungsmomenten angereicherten Extraportion Lug und Trug, im wahrsten Sinne des Wortes mit einem Knalleffekt. Obwohl einige seiner Möglichkeiten leichtfertig verspielend, ist das elegische Mörder-Drama dank seines Minimalismus', seiner Ruhe und Geradlinigkeit, zudem veredelt durch das großartig-abgeklärte Spiel seines Hauptdarstellers, doch eine äußerst wohlgeratene Angelegenheit. Töten muss man dafür nicht. Aber einen Blick ist das allemal wert.

Laufzeit: 96 Min. / Freigabe: ab 16

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