Eigene Forschungen

Dienstag, 30. Oktober 2012

TRUCKS - OUT OF CONTROL


TRUCKS
Kanada 1997

Regie:
Chris Thomson

Darsteller:
Timothy Busfield,
Brenda Bakke,
Aidan Devine,
Roman Podhora,
Jay Brazeau,
Brendan Fletcher,
Amy Stewart,
Victor Corwie



Inhalt:

In dem abgelegenen Kaff Luna liegt der Hund begraben. Hier möchte man nicht tot über dem Zaun hängen. Und doch stapeln sich schon bald die Leichen. Denn urplötzlich beginnen in Luna und Umgebung sämtliche Kraftfahrzeuge ein Eigenleben zu entwickeln und amok zu fahren. Ob die Ereignisse ggf. mit den gelegentlichen UFO-Sichtungen zusammenhängen, die es in der Gegend immer wieder gibt? Man weiß es nicht. Einigen Leuten, darunter der Tankwart Ray (Timothy Busfield), die Gästehaus-Betreiberin Hope (Brenda Bakke) und der Althippie und UFO-Gläubige Jack (Ray Brazeau), gelingt es, sich in einem Restaurant des Ortes zu verschanzen. Ungläubig beobachteten sie das Geschehen draußen vor der Tür, wo LKW mit leeren Fahrerhäusern patrouillieren. Als dann auch noch das Fernsehen berichtet, dass es ganz in der Nähe ein schweres Unglück mit einem Chemie-Transporter gegeben habe und Luna aufgrund der entstandenen Verseuchung von der Außenwelt abgeschnitten sei, sind die Überlebenden der Katastrophe auf sich allein gestellt. Und die Trucks drohen, die Menschen umzubringen, wenn diese ihnen nicht das geben, was sie verlangen: Benzin ...

Kritik:

1986 beschloss Stephen King: "Wenn du willst, das etwas richtig gemacht wird, dann musst du es selber machen." Also ließ sich der erfolgreiche Autor von Produzent Dino de Laurenttis einen Schnellkurs im Regieführen und ein Budget von zehn Millionen US-Dollar geben, arbeitete seine Kurzgeschichte TRUCKS aus der Sammlung NIGHT SHIFT in ein Drehbuch um und schuf  MAXIMUM OVERDRIVE. Der Film fiel bei Kritik und Publikum durch, wurde ein kommerzieller Flop und der King of Horror blieb zukünftig bei seinem Leisten.

Man mag von Kings bis heute einzigem Ausflug ins Regiefach halten, was man will. Fakt ist jedoch: So schlecht MAXIMUM OVERDRIVE objektiv auch sein mag (subjektiv ist er imo spaßiger Actiontrash, der bestens unterhält), dieses kanadische TV-Remake von 1997 ist nochmal um einige (so ca. 100) Klassen schlechter. Was hier an stumpfsinnigem Schwachsinn abgeht und dem Zuschauer allen Ernstes als "spannende" Unterhaltung verkauft wird, ist mit Worten eigentlich nicht mehr zu beschreiben. War es bei MAXIMUM OVERDRIVE schon eine reichlich blöde Idee, die Ursache für die sich verselbständigenden Maschinen einem Kometen in die Schuhe zu schieben, ergeht man sich hier in haarsträubenden Schwafeleien über Area 51 und Regierungsverschwörungen. Die absolute Krone setzt dem Ganzen aber der Subplot mit dem verunglückten Tanklaster auf, denn dieser ist dermaßen einfältig und inkonsequent aufgezogen, dass man sich wirklich fragt, warum man ihn überhaupt in den Film eingebaut hat. Ich zähl hier einfach mal einige Highlights auf:

  • Der verunglückte Truck ist ein Militärfahrzeug (zumindest trägt der Fahrer Tarnuniform), hat angeblich ultragefährliches Zeug geladen, fährt aber völlig ohne Begleiteskorte. Nicht mal einen Beifahrer gibt es.
  • Luna wird durch das Unglück angeblich von der Außenwelt abgeschnitten. Hat der Ort nicht mal eine Durchgangsstraße, oder was? Wie wäre es mal damit, in der vom Unfallort entgegengesetzten Richtung aus dem Kaff abzuhauen?
  • Im Fernsehen wird laufend darauf hingewiesen, wie hochgefährlich das aus dem Truck ausgetretene Zeug ist, und dass man besser im Haus bleiben soll. Scheint in Luna aber keine Sau zu interessieren. Nach kurzer Zeit laufen alle wieder draußen herum, als wäre nie irgendwas gewesen. Selbst die Post wird ganz regulär ausgetragen.
  • Wie gesagt: Die Chemikalie ist das absolut obergefährliche Horrorzeug, eine ganze Stadt ist von der Außenwelt abgeschnitten, eine ganze Region verseucht. Aber alles, was zur Beseitigung dieser Umweltkatastrophe anrückt, ist ein einziges (!!!) Fahrzeug mit zwei (!!!) Männern, von denen einer auch noch aussieht, als wäre er ein abgehalfterter Ex-Knacki auf dem Weg zum nächsten Bruch. Wie ein Experte zur Beseitigung hochgiftiger Chemikalien sieht der jedenfalls nicht aus.

Des Weiteren wird uns hier doch tatsächlich ein Spielzeuglaster gezeigt, der einen Briefträger zu Mus fährt. Wieso ein batteriegetriebenes Spielzeug ausrastet, obwohl der Filmlogik folgend eigentlich nur Kraftfahrzeuge lebendig werden? Keine Ahnung. Und warum der Kerl das Spielzeug nicht einfach mit einem kräftigen Tritt in die Büsche befördert oder es einfach nimmt und aufs Dach stellt bleibt ebenfalls mysteriös. Überhaupt ist die Szene für den Rest des Films völlig überflüssig und wurde wohl nur gedreht, damit man wenigstens ein bisschen mit Ketchup rumsauen konnte und der Film wenigstens auf 90 Minuten kommt. Ebenso überflüssig und dämlich ist eine Sequenz, in der ein Elektriker einen Verteilerkasten an einem Strommast reparieren will. Leider hat es sein Kranwagen auf den guten Mann abgesehen, crasht die Arbeitsgondel in die Stromleitung und sorgt so dafür, dass Mr. Repairman ordentlich durchgeröstet wird. Meine Frage lautet hier nur: Stellt man nicht vorher den Strom ab, bevor man sich an einer Starkstromanlage zu schaffen macht? Also ich würde das tun.

Auch die beiden Honks, die zur Beseitigung des Chemieunfalls anrücken, sind schon kurz darauf Geschichte, denn kaum am Ziel angelangt, bläst ihr Lieferwagen selbständig einen der mitgebrachten Schutzanzüge mit Luft auf, lässt das Teil zu einer Axt greifen und die Insassen in Stücke hacken. Dass in dem Schutzanzug deutlich sichtbar ein Mensch steckt und das Ding eh weniger nach wirksamem ABC-Schutz als vielmehr nach dürftig in Anzugform zusammengetackerten Müllsäcken aussieht? Geschenkt.

Den Darstellern in diesem Machwerk war offensichtlich nichts peinlich. Die knallchargieren durch die Bank vor sich hin, als hielten sie die oberpeinlichen Dialoge, die sie einen auf den anderen aufsagen müssen, tatsächlich für plausiblen Gesprächsstoff. Hab ich schon das ständige Geschwafel über Area 51 erwähnt? Ach ja, hab ich. Aber doppelt genäht hält bekanntlich besser. Wobei wir hier eh nur die übliche Zehn-kleine-Negerlein-Kohorte an Klischeefiguren haben, wie sie dümmer und einfallsloser kaum sein könnte. Obertumbe, mit weit offener Schnauze Kaugummi kauende Truckertölpel inklusive. Einen davon spielt Aidan Devine, der 2009 auch noch in einer weiteren Stephen-King-Verfilmung zu sehen war: In DOLAN'S CADILLAC spielt Devine einen der Henchmen von Dolan-Darsteller Christian Slater.

Hauptdarsteller Timothy Busfield hat zwar ein ordentliches Repertoire an diversen Auftritten in TV-Serien und -Filmen vorzuweisen, hier schleppt er sich als Tankwart Ray aber erschreckend lustlos durchs Geschehen und wirkt selbst in Szenen, die eigentlich dramatisch sein sollten, blass wie ein Bettlaken. Seinen Filmsohn Logan spielt Brendan Fletcher. Der hatte seine wohl bedeutendste Rolle 2003 in FREDDY VS. JASON, ist mittlerweile allerdings neben Michael Paré, Will Sanderson und Nastassia Malthe fester Bestandteil der Stammbesetzung von Uwe Boll. Das sagt, denke ich, alles.

Brenda Bakke wurde 1993 durch ihr Mitwirken in HOT SHOTS! - PART DEUX einem breiteren Publikum bekannt. Und verschwand kurz darauf zurecht wieder in der Bedeutungslosigkeit. Weniger Ausdrucksfähigkeit hat man selten gesehen.

Ein weiterer Darsteller, der seiner Vita zwei Stephen-King-Filme gutschreiben darf, ist Jay Brazeau. Brazeau war 1990 nämlich der Taxifahrer, der sich am Ende von IT ratlos am Kopf kratzt, als Richard Thomas und Olivia Hussey mit dem Fahrrad abdampfen, statt sich wie geplant in sein Taxi zu setzten. Amy Stewart nervt von der ersten bis zur letzten Minute als dauernörgelnde Teenie-Tochter von Roman Podhora, der als Ex-Soldat mit stoischer Mine alle Spekulationen der übrigen Protagonisten hinsichtlich Area 51 dementieren darf.

Autor Brian Taggert sollte man sein Drehbuch rechts und links um die Ohren hauen. Jeder Sechsjährige hätte eine plausiblere Storyline zu Papier gebracht. Dabei hat der Mann eigentlich was drauf. OK, POLTERGEIST 3 ist nicht unbedingt der beste Teil der Reihe und OMEN IV - THE AWAKENING brauchte auch absolut niemand, aber das Rudger-Hauer-Vehikel WANTED - DEAD OR ALIVE ist durchaus unterhaltsames 80er-Actionkino. Ulkigerweise ist TRUCKS der letzte Film in Brian Taggerts Filmographie. Wer weiß, vielleicht hatte jemand ein Einsehen und hat ihn für diesen Müll aus der Screenwriters Guild ausgeschlossen. 

Die Regie von Chris Thomson wirkt, als habe der Mann während der gesamten Dreharbeiten unter Valium-Einfluss gestanden. Lahmarschiger Spannungsaufbau und saumiese Darstellerführung sind hier Standard. Amateurniveau.

Angeblich war TRUCKS tatsächlich als Pilotfilm zu einer Serie gedacht (darauf deutet auch das offene Ende hin), die dann aber (Gott sei Dank!!) nie gedreht wurde. TRUCKS ist einfach obergrottig. Seht euch lieber weiterhin MAXIMUM OVERDRIVE an und freut euch, dass der King of Horror persönlich euch solch ein Meisterwerk geschenkt hat. Denn im Vergleich zu TRUCKS ist MAXIMUM OVERDRIVE tatsächlich pures Gold.

Als der Film 1998 hierzulande auf Video erschien, war er nur geschnitten zu haben. Der Vertrieb Highlight Video und dessen Sublabel New Vision betrieben damals nämlich konsequent die Firmenpolitik, dass absolut nichts mit einer höheren Freigabe als FSK-16 auf den Markt gebracht wurde. Und um das zu gewährleisten, wurde immer gleich mit der Heckenschere gekürzt. Vor allem die drei Füllszenen mit dem Postboten, dem Elektriker und dem axtschwingenden Schutzanzug fielen der Zensur zum Opfer. Auf DVD kam TRUCKS dann aber später auch ungekürzt von Screen Power mit einer FSK-18 heraus. Die Scheibe enthielt jedoch weder den englischen Originalton noch irgendwelche nennenswerten Extras. Dies änderte sich mit der Neuauflage des Films 2010 von HDMV. Bildqualitativ sieht die HDMV-Scheibe zwar ganz gut aus. Aber die Frage, welcher Oberhonk mal wieder die Idee hatte, einen ursprünglich in 4:3 (immerhin eine TV-Produktion der späten 90er) gedrehten Film auf 16:9 abzumatten, hätte ich dann doch ganz gerne mal beantwortet. Man merkt dem Bild die Beschneidung nämlich mehr als einmal deutlich an. Tonspurentechnisch sind die lahme deutsche Synchro in DD 2.0 und 5.1 (blecherner, unnötiger Upmix) sowie eine englische Sprachspur in DD 2.0 vorhanden. Sogar für deutsche Untertitel hat's gereicht. Im Bonusmaterial gibt's den deutschen und englischen Trailer zum Hauptfilm sowie die gut 40-minütige, recht interessante Doku STEPHEN KING: FEAR, FAME AND FORTUNE, einem Beitrag aus der BIOGRAPHY-Serie des amerikanischen Arts and Entertainment Network (Engl. mit dt. Untertiteln). Ein Wendecover, um den FSK-Flatschen verschwinden zu lassen, ist vorhanden. Die Innenseite zeigt ein alternatives, gezeichnetes Covermotiv.

Laufzeit: 95 Min. / Freigabe: ab 18

Donnerstag, 25. Oktober 2012

DIE INSEL DER BLUTIGEN PLANTAGE


DIE INSEL DER BLUTIGEN PLANTAGE
BRD, Philippinen 1983

Regie:
Kurt Raab

Darsteller:
Udo Kier,
Barbara Valentin,
Tet Antiquiera,
Karl-Otto Alberty,
Karen Lopez,
Hans Zander,
Karina Fallenstein,
Mike Monty



In den 1970er und 1980er Jahren erfreuten sich die Philippinen reger Beliebtheit. Der Grund: Aufgrund niedriger Gagen und laxer Sicherheitsbestimmungen ließen sich hier relativ unkompliziert und kostenschonend Filme produzieren - was zahlreiche Unternehmer sich zu Nutze machten, um hauptsächlich die Bahnhofskinos mit massig Material versorgen zu können. Meistens kamen die Produzenten dabei aus den USA, oft auch aus Italien. Dass bundesdeutsche Filmschaffende sich anschickten, dort ebenfalls ihre Zelte aufzuschlagen, geschah insgesamt eher selten. Und dennoch begab es sich Anfang der 1980er Jahre, dass Produzent Peter Kern beschloss, einen kostengünstigen Reißer auf den Philippinen zu drehen - vorgeblich, um mit den zu erwartenden Erträgen größere Wunschprojekte finanzieren zu können.

Kerns Erzählungen über das, was dann folgte, sind nahezu legendär. Denn als man vor Ort eintraf, stellte sich wohl heraus, dass der dortige Produzent Felipe G. Ortega Jr. pleite und das versprochene Set nicht mal im Ansatz errichtet worden war. Um zu retten, was zu retten war, begann man nach der Entlassung Ortegas damit, das benötigte Motiv noch im Eilverfahren zu arrangieren. Tatsächlich gelang es, den geplanten Drehbeginn einzuhalten. Doch die Freude währte nicht lang, stellte sich doch heraus, dass der angeheuerte Regisseur Celso Ad. Castillo nicht nur unfähig, sondern offenbar auch der Megalomanie anheimgefallen war, stundenlang vor sich hin starrte, Fusel in sich hineinschüttete, Untergebene ausschimpfte oder auf seine Intuition wartend über die Insel stiefelte.

Als nach drei Tagen außerplanmäßig Kurt Raab die Regie übernahm, entfachte das den Zorn Castillos - woraufhin die philippinischen Schauspieler von ihren Managern zum Abzug gezwungen wurden. Nachdem eine neue Darstellerriege zusammengestellt war, erschien der ursprüngliche Produzent Ortega Jr. wieder auf der Bildfläche und ließ laufend Material und Ausstattung beschlagnahmen. Als mittendrin die Finanzen versiegten, wurde hohe Summen an Bargeld ins Land geschmuggelt, um die Arbeiter bezahlen zu können. Und auch die weiteren Geschichten der Macher sind von teils faszinierender Absurdität: Crew-Mitglieder waren oft betrunken oder tagelang verschwunden. Karl-Otto Alberty war ständig auf Droge und konnte meist nur im Sitzen arbeiten. Der Effektmann war nicht in der Lage, Explosionen machen, weil er vergessen hatte, Dynamit zu kaufen. Dafür flog der Generator in die Luft. Da er nach Reparatur nur noch so semi funktionierte, musste der Rest der Szenen im Halbdunkel gedreht werden. Erdbeben brachen über die Insel herein. Taifune kündigten sich an. Und mittendrin stand die gebeutelte Crew und buckelte bis zum bitteren Ende an der vermeintlich schnellen Nummer, die am Ende wahre Unsummen kostete und das Team an die Grenze der Leistungsfähigkeit katapultierte.

Wie viel hier Dichtung ist und wie viel Wahrheit, lässt sich im Nachhinein zugegebenermaßen nicht mehr genau verifizieren. Letzten Endes basieren all diese Berichte auf späteren Erzählungen der Produzenten. Gut möglich also, dass hier bisweilen etwas übertrieben wurde. Fest steht nur, dass die Strapazen sich gelohnt haben. Denn das Ergebnis mit dem blumigen Titel DIE INSEL DER BLUTIGEN PLANTAGE ist nicht nur aufgrund seiner Entstehungsgeschichte ein grandioses Machwerk, dessen leidenschaftliche Infantilität einen nahezu überwältigt.

Inhalt:

Der ehemalige Nazi Otto Globocnik [Karl-Otto Alberty] errichtet gemeinsam mit seiner sadistischen Freundin [Barbara Valentin] (die gar liebevoll 'Blutige Olga' genannt wird und sich auch so benimmt) auf einer paradiesischen Insel eine grausame Schreckensdiktatur: Die Bevölkerung wird zur Arbeit gezwungen (die hauptsächlich darin besteht, den ganzen Tag Kokosnüsse aufzuspalten - denn wie jeder weiß, ist der illegale Kokosnuss-Handel ein Millionengeschäft), die Frauen zu Lustobjekten versklavt. Hermano [Udo Kier], einer der obersten Vertrauten Globocziks, verliebt sich jedoch in die attraktive Insulanerin Cora [Karen Lopez] und will sie heimlich von der Insel schaffen. Aber sein Plan fliegt auf. Cora wird ausgepeitscht, Hermano als Olgas persönlicher Lustsklave missbraucht. Doch Rita [Rosemarie Sarita], eine der Geknechteten, zettelt heimlich einen Aufstand an. Schon bald ist auf dem Eiland die Hölle los.

Kritik:

Einen simpel gestrickten, spekulativen Unterhaltungsfilm, der die niederen Bedürfnisse des Publikums befriedigen soll, wollten die Produzenten erschaffen (wie sie selbst in sympathischer Offenheit zugeben). Und dieses Unterfangen ist definitiv geglückt, werden doch tatsächlich so ziemlich alle Ingredienzen primitiver Filmkunst vereint. DIE INSEL DER BLUTIGEN PLANTAGE ist ein schier unglaubliches Werk, für dessen Existenz man einfach nur dankbar sein muss, ein kaum zu fassender, nahezu schwindelerregend abstruser Cocktail aus Frauenlagerfilm, Naziploitation und Söldner-Action, mit Horror-Elementen verrührt und vor paradiesischer Kulisse erzählt – in traumhaft schönen Bildern und in allerfeinstem Cinemascope, eingerahmt von einem gefährlich kitschigen Soundtrack, der selbst die härtesten Kerle zum Schluchzen bringt.

Mehr als einmal reibt man sich die Augen, wenn – zwischen Vergewaltigung, Voodoo-Zauber und feinfühligen Dialogen wie Ich dachte, du wärst ne gute Mösenakrobatin und „Früher hattest du mehr Feuer im Arsch!“ – plötzlich halbgare Bruce-Lee-Imitatoren über die Insel springen (die allerdings jämmerlich zu weinen anfangen, sobald sie jemand 'warmer Kanake' nennt), während völlig sinnlos über die Insel tobende Kleinwüchsige sich mit Kommentaren wie „Lass das, du geiler Zwerg!“ gegenseitig befummeln. Und mittendrin in diesem Wust aus perfektionierter Sinnbefreitheit begegnet man gestandenen Schauspielgrößen wie Udo Kier und Barbara Valentin, die den sagenhaften Unfug mit dermaßen tapferer Seriösität darbieten, als ginge es darum, die kommende Oscar-Verleihung im Alleingang abzuräumen. Und da DIE INSEL DER BLUTIGEN PLANTAGE jedoch trotz allem ein deutscher Film der 80er Jahre bleibt und das Team sogar aus dem Dunstkreis der Autorenfilm-Ecke stammt, schleicht sich zu guter Letzt auch noch ein Hauch FITZCARRALDOesker Züge in das absurde Geschehen.

Die zarten Anflüge von Gesellschaftskritik und Faschismusanalyse versinken freilich nahezu völlig im tosenden Meer der Merkwürdigkeiten, was den Kuriositätsfaktor zusätzlich nochmal ins fast Unermessliche steigert. Dazu passt es dann schon fast wieder, dass die Darstellerinnen aus der Eröffnungssequenz ihre Rollen in einem Preisausschreiben gewonnen hatten. Die Zeitschrift Neue Revue agierte nämlich als eine Art Werbepartner und bot zwei Laien die Möglichkeit, in einem Kinofilm mitspielen zu dürfen. Folglich besitzt DIE INSEL DER BLUTIGEN PLANTAGE nun eine recht sinnlose Einleitung, in der zwei junge Frauen zur Insel schippern, um dort von einem Wachmann gefangengenommen zu werden. Alle Beteiligten tauchen später freilich nie wieder auf.

Im Ergebnis ist das alles Exploitation in Vollendung, eine sich aus Drogennebel manifestiert zu haben scheinende, realitätsuntaugliche Eigenart in formal perfekten, epischen Hochglanzbildern, abgeschmeckt mit einem Hauch künstlerischen Anspruchs und von solch mitreißendem Engagement, dass es einem die Tränen in die Augen treibt. Das APOCALYPSE NOW des Trashfilms.

Großes Kino! Endlich!

Laufzeit: 84 Min. / Freigabe: ab 18

Mittwoch, 24. Oktober 2012

DIE GO-GO-GIRLS DER APOKALYPSE


GO GO GIRLS OF THE APOCALYPSE
USA 2009

Autor:
Victor Gischler

Übersetzer:
Andreas Brandhorst

Verlag:
Piper

ISBN:
978-3-492-29194-1




Inhalt:

Mortimer Tate überlebt das Ende der Welt in einer Höhle in den Bergen von Tennessee. Neun Jahre später macht er sich auf den Weg zurück in die Zivilisation – doch alles kommt anders als erwartet: Aus Versehen erschießt er die ersten Menschen, denen er begegnet. Und das Einzige, was in dieser Welt noch funktioniert, ist „Joey Armageddon's Sassy A-Go-Go“-Strip-Club. Hier ist das Bier noch kalt, und die Tänzerinnen sind heiß. Zusammen mit der hinreißenden Sheila, Buffalo Bill und dem Bergsteiger Ted macht sich Mortimer auf nach Atlanta, um seine Ex-Frau zu finden. Und ganz nebenbei über das Schicksal der Menschheit zu entscheiden …

Kritik:

So, werte Leser, jetzt ist es so weit. Wie angekündigt bekommt ihr nun hier unsere erste Buchbesprechung vor die Glotzbuchten. Und wie versprochen legen wir mit einem postapokalyptischen Schmankerl los.

Das Backcover von DIE GO-GO-GIRLS DER APOKALYPSE verspricht einen „ungewöhnliche[n] Endzeitroman mit Witz, bizarrem Einfallsreichtum und jeder Menge Action“ und damit eigentlich genau das, was man bekommt. Etwas irreführend sind eigentlich nur der Titel und das Cover, denn die Go-Go-Girls kommen im Roman zwar vor, spielen aber nur eine kleinere Nebenrolle.

Hauptprotagonist ist Mortimer Tate, der nach neun Jahren als Einsiedler versucht, seinen Weg zurück in ein normales Leben zu finden. Doch Mortimer muss schnell feststellen, dass inzwischen Gewalt und Wahnsinn die Welt regieren. Nur Joey Armageddon's Sassy A-Go-Go Clubs, eine Mischung aus Strip-Club, Hotel, Warenhaus und Bank, bieten noch kleine Horte der Zivilisation, in denen, wer das entsprechende Kleingeld hat, sich von den Strapazen der Außenwelt erholen und für kurze Zeit wieder Mensch sein kann. Da Mortimer über all die Jahre kistenweise Johnnie-Walker-Whiskey in seiner Höhle gehortet hat, die er nun als Tauschmittel anbieten kann, steigt er auch direkt zum Platinmitglied auf und wird hofiert wie ein König. Hier könnte man bleiben und die Apokalypse Apokalypse sein lassen.

Aber Mortimer muss weiter. Was ihn vorwärts treibt, ist die Suche nach seiner Ex-Frau Anne. Die hat Mortimer nämlich, kurz bevor die Welt durch diverse Kriege und andere Katastrophen endgültig zum Teufel ging, einfach sitzen lassen, weil er damals ohnehin mit ihr im Scheidungsklinsch lag. Jetzt will er wissen, ob sie noch lebt, und wenn ja, ob es ihr gut geht. Schnell erfährt er, dass Anne als Go-Go-Tänzerin in einem von Joey Armageddons Clubs angeheuert hat. Die Spur führt ihn und seine Begleiter, den gutmütigen Revolverhelden Buffalo Bill, der sich als Rächer der Unterdrückten verdingt und der Mortimer das Leben rettet, und die junge Sheila, die Mortimer und Bill aus den Klauen eines perversen Vergewaltigers befreien, nach Cleveland, ins Herz von Joey Armageddons stetig wachsendem Imperium. Ihr Weg ist gesäumt von zahlreichen Gefahren. So geraten sie unter anderem in eine wilde Schießerei mit den sogenannten Rotstreifen, einer Gruppe von Banditen, die im Auftrag des „Roten Zaren“ ihr eigenes martialisches Gesetz durchzusetzen versuchen, werden von Kannibalen verschleppt und schließlich landet Mortimer in einer ehemaligen Nervenklinik, in der ein männerhassender Transsexueller ein scharfes Regiment führt. Schließlich in Cleveland angekommen, muss Mortimer feststellen, dass Anne nicht mehr dort ist. Stattdessen hat Joey Armageddon persönlich einen Auftrag für ihn: Er soll nach Atlanta in die Zentrale des Roten Zaren vordringen und diesem den Garaus machen. Zuerst lehnt Mortimer rigoros ab, aber Joey Armageddon hat überzeugende Argumente: Anne ist von den Männern des Roten Zaren nach Atlanta verschleppt worden …

Victor Gischlers Roman liest sich fast wie ein Literatur gewordener Exploitationfilm mit allem, was dazu gehört. Dementsprechend gestaltet sich auch Gischlers Schreibstil. Die Sprache ist dreckig wie die Szenerien und unflätig wie die Charaktere. Es gibt jede Menge Anspielungen auf die Popkultur, und Action und Sleaze sind wirklich reichlich vorhanden. Hier werden kaum Gefangene gemacht. Hier wird erschossen, aufgeschlitzt, Gliedmaßen abgetrennt, gefoltert und verbrannt, dass es eine wahre Freude ist. Der Showdown hält dann sogar Anleihen an MAD MAX 2 bereit, als Joey Armageddons Leute mit spritsparenden Mini-Coopern gegen die gepanzerten Ami-Schlitten des Roten Zaren in die Schlacht ziehen.

Durchzogen ist das Ganze von einem mal absurden, mal makabren Humor, der aber nie zu aufdringlich wird, sondern sich meist hintergründiger Witze und Doppeldeutigkeiten bedient. Was dem Buch ein wenig fehlt, ist Stringenz. Ähnlich, aber nicht ganz so explizit wie Dmitri Glukhowskys METRO 2033 zerfällt auch DIE GO-GO-GIRLS DER APOKALYPSE stellenweise in einzelne Episoden, wobei die meisten davon durch den Running Gag verbunden sind, dass Mortimer Tate andauernd von hinten einen Schlag über die Rübe bekommt oder mit einem Elektroschocker außer Gefecht gesetzt wird, wodurch ihm für einige Zeit das Bewusstsein schwindet und er sich postwendend in der nächsten, ausweglos erscheinenden Situation wiederfindetZudem verläuft Mortimers Entwicklung vom Eremiten zum Actionhelden ein wenig zu schnell, um wirklich glaubwürdig zu sein. Aber um Glaubwürdigkeit oder gar den Anspruch, eine tiefgründige Gesellschaftskritik abzuliefern geht es Victor Gischler ohnehin nicht. Vielmehr merkt man dem Buch deutlich an, dass der Autor einfach nur eine kurzweilige Actiongeschichte vor postapokalyptischer Kulisse schreiben wollte. Wer in der Geschichte eine tiefere Moral sucht, ist hier definitiv beim falschen Buch gelandet. Trotzdem verkommt der Roman aber nicht zum reinen Guilty Pleasure, denn in den wenigen ruhigen Momenten seiner Odyssee lässt Gischler Mortimer Tate immer wieder für kurze Zeit über dessen neue Umwelt und den Sinn seiner Suche nach Anne reflektieren und verleiht der Figur dadurch die nötige Tiefe, damit sie als Identifikationsfigur für den Leser nachvollziehbar bleibt.

Für alle Liebhaber anspruchsloser Actionware mit hohem Blutzoll ist DIE GO-GO-GIRLS DER APOKALYPSE ein echter Page-Turner. Atmosphärisch stimmig, flott geschrieben, actionreich und prall gefüllt mit schrägen Ideen, was aus der Menschheit werden könnte, wenn die Regeln der modernen Zivilisation plötzlich nicht mehr gelten. 
Darauf einen Jack Daniels (denn wenigstens der wird nach dem großen Knall immer noch hergestellt) und eine uneingeschränkte Leseempfehlung.

Umfang: 390 S.

Donnerstag, 18. Oktober 2012

Demnächst: Neue Rubrik!

Tach zusammen!

Zwar heißt unser Blog "Jäger der verlorenen Filme", aber das heißt ja nicht zwangsläufig, dass wir unsere gesamte Zeit vor der Glotze oder im Kino verbringen. Ab und zu muss man ja auch mal was essen, schlafen oder lästigerweise auch mal arbeiten. Oder aber man hat einfach mal keine Lust auf einen Film und greift stattdessen zu einer schon etwas älteren Form der geistigen Stimulation: dem Buch.
Da eure abenteuerlichen Filmjäger neben all ihrer Leidenschaft für das kinematografische Medium auch recht fleißige Leseratten sind, habe ich mir gedacht, dass es doch nett wäre, unseren Blog um eine neue Rubrik zu erweitern, nämlich um Buchbesprechungen. Und um den Bezug zum eigentlichen Thema des Blogs nicht völlig ausser Acht zu lassen, habe ich mir weiterhin gedacht: "Bücher kann man schließlich auch verfilmen!" Daher heißt die zukünftige neue Rubrik nun auch

"Filmreife Schätze"

Die erste Buchrezension ist bereits in Arbeit und wird demnächst veröffentlicht. Kleiner Appetizer: Es geht um die Zeit nach dem großen Knall, freizügige Weiber und einen Mann, der sich von heute auf morgen in dieser Welt zurechtfinden muss.

Also: Stay tuned and keep watching this blog!

Mittwoch, 17. Oktober 2012

CANNIBALS - WELCOME TO THE JUNGLE


WELCOME TO THE JUNGLE
USA 2007

Regie:
Jonathan Hensleigh

Darsteller:
Sandy Gardiner,
Callard Harris,
Nick Richey,
Veronica Sywak,
Rich Morris,
D. Kevin Epps
John R. Leonetti,
Clifton Morris



Inhalt:

Die beiden Freundinnen Mandi (Sandy Gardiner) und Bijou (Veronica Sywak) und ihre Urlaubsflirts Mickey (Nick Richey) und Colby (Callard Harris) kommen auf eine grandiose Idee: Warum gelangweilt bei Sommer, Sonne, Strand und Meer auf Fidschi abhängen, wenn man doch gemeinsam nach Papua-Neuguinea fahren und dort nach dem seit 1961 spurlos verschwundenen Milliardärssohn Michael Rockefeller suchen könnte? Angeblich ist der nämlich erst vor Kurzem lebend dort gesehen worden. Da käme bestimmt eine ordentliche Stange Geld bei heraus, wenn man es schaffen würde, den Mann zu finden und zu interviewen. Also schnell Rucksäcke gepackt, die Digicam geschnappt, zur Feier des Tages nochmal ordentlich einen gehoben und ab geht’s. Dass das Verschwinden des Rockefeller-Erben damals eine der größten Suchaktionen der US-Geschichte nach sich zog und hunderte wesentlich besser ausgerüsteter Leute den Vermissten nicht aufspüren konnten, kann unsere naiven Abenteurer ebenso wenig entmutigen wie die Tatsache, dass sie bereits die Anreise zu einem der gefährlichsten Gebiete dieses Planeten zweimal beinahe mit dem Leben bezahlen. Einmal werden sie von einer Bande Straßenräuber überfallen, dann beinahe an der Grenze zum indonesischen Teil der Insel erschossen, weil Mickey einen auf große Schnauze machen muss. Zu Fuß dringen die vier Rich-Kids dann in den dichten Dschungel vor. Doch schnell kommt es zu massiven Interessenskonflikten. Denn während Colby und Mandi die Suche professionell angehen wollen, möchten Mickey und Bijou lieber kiffen, saufen, Party machen und morgens lange pennen. Schon bald geht Mickey und Bijou das spießige Gehabe vom Colby und Mandi auf den Zeiger und sie machen sich mit einem Großteil der Ausrüstung und des Proviants auf einem Floß davon. Zu dumm nur, dass die beiden dabei auf Kannibalen-Turf vordringen …

Kritik:

Manchmal sieht man Filme, bei denen bedauert man hinterher, dass man auch nur einen einzigen Cent dafür ausgegeben hat, um sie zu sehen. CANNIBALS – WELCOME TO THE JUNGLE gehört eindeutig in diese Kategorie. Ich weine bis heute den neun Euro hinterher, die mich der Kinoeintritt auf dem Fantasy Filmfest damals gekostet hat. Denn was Regisseur Jonathan Hensleigh (THE PUNISHER) und Produzentin Gale Ann Hurd (THE ABYSS) hier abliefern, ist unterster Bodensatz. Als Revival des Kannibalenfilms und inoffizielles Remake des umstrittenen Klassikers CANNIBAL HOLOCAUST (dt. NACKT UND ZERFLEISCHT) wurde der Streifen angekündigt. Doch für diesen unerträglichen Schund hätten sich Genre-Altmeister wie Lenzi, Deodato und Martino in Grund und Boden geschämt. Denn statt eines einigermaßen soliden Abenteuerplots und einer ordentlichen Portion Blut und Gedärme bekommen wir hier nur einen billigen BLAIR WITCH PROJECT-Abklatsch zu sehen, der an Dilettantismus und Langeweile nicht zu überbieten ist.

Über 60 Minuten wird hier nur dumm rumgelabert und ziellos durch den Wald gerannt. Die beiden Möchtegern-Abenteurer-Pärchen gehen sich dabei nicht nur gegenseitig, sondern auch dem Zuschauer zunehmend gehörig auf den Zeiger. Diese Vollasis sind einfach so unerträglich unsympathisch, dass man sich schon nach kurzer Zeit sehnlichst wünscht, sie mögen schnellstmöglich zum versprochenen Kannibalenfutter werden. Doch die Menschenfresser lassen und lassen sich einfach nicht blicken. Als man als Zuschauer die Hoffnung auf eine Erlösung schon aufgegeben hat und glaubt, der Titel „Cannibals“ sei evtl. metaphorisch gemeint, tauchen sie kurz vor Schluss doch noch auf, wirken dabei aber so bedrohlich wie Roberto Blanco beim Sonntagskonzert im Altersheim. Denn sie stehen erstmal nur untätig in der Gegend herum. Erst als Mickey und Bijou eine Kultstätte schänden, werden die karnivor veranlagten Menschenfreunde sauer und frönen ihrer Lieblingsbeschäftigung. Dank der Kopfschmerzen und Übelkeit fördernden Wackel-Digicam-Optik des Films (denn schließlich „bewundern“ wir hier das wieder aufgefundene Filmmaterial der vier Dummbeutel) bekommt man davon aber bis auf ein/zwei Ausnahmen nichts oder nur Sekundenbruchteile zu sehen, bevor wieder sinnlos in der Pampa herumgeschwenkt wird. So kommt nicht mal in diesen kurzen Momenten ansatzweise Spannung auf.

Den vier Hauptdarstellern gelingt es dabei auch absolut nicht, ihre stereotypen Figuren mit so etwas wie Leben zu füllen. Sandy Gardiner sieht imo recht lecker aus. Aber das reicht leider nicht aus, das Ganze auch nur halbwegs erträglicher zu machen. Jonathan Hensleigh hingegen beweist nach seinem misslungenen THE PUNISHER-Aufguss einmal mehr, dass er als Regisseur nichts taugt.

Es lohnt sich nicht, noch mehr Worte zu diesem Dreck zu verlieren. Ich kann nur jedem dringend davon abraten, seine Zeit mit diesem Film zu verschwenden. Da hat man mehr davon, wenn man 85 Minuten lang seinen Kopf vor eine Wand haut.

Die FSK-18-DVD ist übrigens uncut. Dabei ist die hohe Freigabe angesichts des Gebotenen ohnehin ein Witz. In der bisher nur als Zeitschriften-Beilage erhältlichen FSK-16-Fassung fehlen trotzdem fast viereinhalb Minuten. Aber ehrlich: Das bedeutet zumindest viereinhalb Minuten weniger Leiden für die Zuschauer!!!

Laufzeit: 83 Min. / Freigabe: ab 18

Freitag, 12. Oktober 2012

DAS TODESDUELL DER TIGERKRALLE


SAN SHAO YE DE JIAN
Honkong 1977

Regie:
Chu Yuan

Darsteller:
Derek Yee,
Ling Yun,
Candice Yu,
Cheng Ping,
Ti Lung,
Lo Lieh,
Ku Feng,
David Chiang



„Wo ist dein Schwert?“ - „Ich besitze kein Schwert.“ - „Umso schneller wirst du sterben.“


Inhalt:

Ah Chi [Derek Yee] lebt als Bettler auf der Straße. Kurz vor dem Hungertod wird er von dem gutherzigen Bauern Miao Tzu [Ku Feng] unter die Fittiche genommen. Was keiner ahnt: Ah Chi ist der ‚Dritte Meister‘, der beste Schwertkämpfer des Landes. Des Kampfes überdrüssig täuschte er seinen Tod vor. Als Miao Tzus Schwester Hsiao Li [Candice Yu] bedrängt wird, muss Ah Chi seine Identität jedoch offenbaren. Bald spricht es sich herum, dass der Dritte Meister noch am Leben ist. Alte Rivalen tauchen wieder auf: Neben der durchtriebenen Mu-Yung Chiu-Ti [Cheng Ping], die noch ein Hühnchen mit ihm zu rupfen hat, fordert ihn auch Schwertkämpfer Yen Shih-San [Ling Yun] zum Duell. Er will ihn vom Thron des größten Kampfkünstlers stoßen und diesen Platz selbst einnehmen. Als es Mu-Yung durch eine List gelingt, ihm ein Gift zu verabreichen, welches ihn innerhalb von drei Tagen töten wird, macht sich Ah Chi auf die Suche nach dem als Wunderheiler bekannten 'Meister der Gifte'. Als er ihn tatsächlich findet, ahnt er noch nicht, dass er es mit seinem Rivalen Yen Shih-San zu tun hat.

Kritik:

Die gar tüchtige Produktions-Schmiede der Gebrüder Runme und Run Run Shaw entwickelte sich ab Mitte der 60er Jahre langsam, aber sicher zur führenden Adresse für das Genre des Martial-Arts-Films. Dabei wich man – von einigen Experimenten mal abgesehen – recht selten von der bewährten Erfolgsformel ab, so dass sich – oft vor historischem Hintergrund – immer wieder dieselben Darsteller durch dieselben Kulissen kämpften, wobei auch der Grund für ihr Tun nur selten variiert wurde: Es geht um Ehre, Treue, Heldentum – und eine gehörige Portion Dresche.

DAS TODESDUELL DER TIGERKRALLE macht in dem Zusammenhang keine Ausnahme: Erneut muss ein quasi unbesiegbarer, doch eigentlich friedfertiger Held immer wieder seinen Mann stehen, um nach einem von Opfern und Entbehrungen gesäumten Weg im finalen Duell schließlich zu sich selbst zu finden. Schlecht ist das nicht, weder thematisch noch in der Ausführung, und bietet manch ansprechenden Ansatz, wobei vor allem das ambivalente Verhältnis zwischen Hauptfigur Ah Chi und seinem Kontrahenten Yen Shih-San sehr reizvoll geriet. Letzterer ist nämlich nicht etwa einfach nur der klassische böse Kontrahent, sondern erweist sich schon bald als ein geistiger Bruder Ah Chis, ist er doch der ständigen Herausforderung ebenso überdrüssig. Als 'Meister der Gifte' rettet er ihm zunächst unerkannt das Leben. Bereits bei dieser Gelegenheit lässt er anklingen, wie sehr der Name Yen Shih-San und dessen Reputation ihn ins Unglück treiben. Zu diesem Zeitpunkt missversteht Ah Chi die Aussage noch. Erst, als beide sich im Finale zum Duell gegenüberstehen, erkennt Ah Chi in ihm seinen Rivalen. Bevor der Kampf beginnt, spielt Shih-San nun mit offenen Karten und beklagt den unerlässlich drängenden Zwang zur ständigen Selbstbehauptung, die Pflicht, seinen Ruf als einer der besten Kämpfer immer wieder beweisen und verteidigen zu müssen.

„Weißt du noch, was ich zu dir sagte, als ich dein Leben rettete?“ - „Du sagtest, du verabscheust den Namen Yen Shih-San.“ - „Und auch seinen Ruhm. Wenn es ihn nicht gäbe, müsste ich jetzt nicht kämpfen.“

Ebenso wie Ah Chi ist also auch Yen Shih-San ein Gefangener seines eigenen Nimbus’. Doch während Ah Chi den Drang, sich selbst beweisen zu müssen, inzwischen bändigen kann, unterliegt Yen Shih-San ihm nach wie vor und besiegelt damit sein Schicksal.

Das Los zweier einander respektierender Männer, die dennoch auf verschiedenen Seiten stehen und ihrer Bestimmung folgen müssen, obwohl sie eigentlich Freunde sein könnten, ist ein immer wieder gern verwendetes Motiv des Kung-Fu-Films, das seinen Ursprung in den alten chinesischen Ritterlegenden findet. Vor allem John Woo rettete das Thema später aus dem Historienspektakel hinüber ins moderne Gangsterdrama. DAS TODESDUELL DER TIGERKRALLE verwässert den packenden Stoff jedoch ungeschickterweise durch allerhand Nebenfiguren und -ereignisse, die unnötig zur Verwirrung beitragen. Da wird das finale Duell dramaturgisch äußerst holprig durch das Auftauchen Chiu-Tis hinausgezögert – eine weitere Rivalin, welche für die Handlung eine nur untergeordnete Rolle spielt und sich lediglich an Ah Chi rächen möchte, da sie von ihm abgewiesen wurde. Wenn sie ihren geisteskranken Bruder [David Chiang] aus dem Käfig lässt, um ihn Ah Chi töten zu lassen, dieser jedoch stattdessen seine Schwester abmurkst, um im Anschluss wie ein Gummiball in den Wald davonzuhüpfen, schadet das der angestrebten Ernsthaftigkeit der Story ungemein.

Überhaupt sorgt die Vielzahl der Parteien, die Ah Chi aus den schwammigsten Gründen ans Leder möchten, ebenso für Konfusionen, wie deren unplausiblen Methoden, um dieses Ziel zu erreichen (nach einem komplizierteren Plan, jemandem ein Gift zu verabreichen, muss man wohl ziemlich lang Ausschau halten). Als Ausgleich für mangelnde Geradlinigkeit ist die Story immerhin gespickt mit mehreren Gastauftritten verschiedener Shaw-Brothers-Stars, die zum Teil ihre Rollen aus vergangenen Werken wieder aufnehmen: So spielt Lo Lieh abermals die Figur des Han Tang aus DIE HERRSCHAFT DES SCHWERTES und Ti Lung taucht als Fu Hung Hsueh (aus DER TODESSCHLAG DER STAHLFINGER) wieder auf.

Wie viele Shaw-Brothers-Produktionen profitiert auch DAS TODESDUELL DER TIGERKRALLE von seinem wirklichkeitsentrücktem Märchenflair – welcher freilich vor allem daraus resultiert, dass die vermeintlichen Außenaufnahmen sichtbar im Studio entstanden. Von künstlichem Licht bestrahlt und synthetischem Nebel eingehüllt, bewegen sich die Figuren, wie im Traum wandelnd, durch oftmals surreal scheinende Kulissen, dem Theater stets näher als dem Film, während sich im Hintergrund ein zwar endloser, doch lediglich gemalter Horizont erstreckt. Die auf diese Weise erschaffene spezielle Atmosphäre ist auch hier von einigem Reiz.

Für Derek Yee (der Bruder von Shaw-Brothers-Star David Chiang, der hier einen Auftritt als verrückter Käfiginsasse hat) war das die erste Rolle in einem Film der Shaws. Als Ah Chi bleibt er jedoch recht ausdruckslos und erweckt in seiner Jungenhaftigkeit eigentlich niemals wirklich den Eindruck, ein herausragender Schwertkämpfer zu sein. Später verlagerte Yee sich aufs Regieführen und inszenierte harte Großstadtepen wie ONE NITE IN MONGKOK und STADT DER GEWALT. Ling Yun macht als sein Widersacher Yen Shih-San eine weitaus bessere Figur. Besonders in der melancholischen Sequenz, in welcher er als 'Meister der Gifte' seinem Feind zunächst das Leben rettet, überzeugt er durch unnahbare Aura und traurigen Hundeblick.

Für unnötige Verwirrung sorgt die lieblose deutsche Synchronfassung, bei der die Stimmen fröhlich von einem Darsteller zum anderen wechseln. Da haben dann schon mal drei Personen dieselbe Stimme, während Lin Yung – als Yen Shih-San immerhin eine der wichtigsten Rollen spielend – sein Organ in der Mitte kurzweilig an jemand anderen verleiht und mit neuer Stimme spricht, um am Ende wieder so zu klingen wie zu Beginn. Offenbar gab man sich keine große Mühe, die Charaktere zu differenzieren, was als Folge nun auch beim Publikum zu Irritationen führt.

Trotz erneuter professioneller Präsentation ist DAS TODESDUELL DER TIGERKRALLE insgesamt zwar keine misslungene, aber doch eher zwiespältige Angelegenheit. Das recht planlose Skript kredenzt ein reichlich konfuses Kabinett relativ abstruser Albernheiten, welches den Gehalt des eigentlich ansprechenden Themas sinnlos schwächt. Die Schlusssequenz geriet aufgrund ihrer Versöhnlichkeit und gleichzeitigen Tragik zu einem der seltenen Höhepunkte und lässt erahnen, was mit einem etwas weniger überladenen Drehbuch möglich gewesen wäre. Nennenswert ist allenfalls noch der Moment, in welchem Yen Shih-San zwecks Giftentfernung im aufgeschnittenen Arm Ah Chis herumwühlt – herrlich ekliger Splattermatsch, der jedem Horrorfilm zur Ehre gereicht.

Laufzeit: 90 Min. / Freigabe: ab 12

Sonntag, 7. Oktober 2012

SASORI - GRUDGE SONG


JOSHÛ SASORI – 701-GÔ URAMI-BUSHI
Japan 1973

Regie:
Yasuharu Hasebe

Darsteller:
Meiko Kaji,
Masakazu Tamura,
Toshiyuki Hosokawa,
Yumi Kanei,
Akiko Mori,
Sanae Nakahara,
Kaoru Kusuda,
Akemi Negishi



„Polizistenmord in 8 Fällen, Gefängnisflucht in 3 Fällen, Fluchtversuch in 28 Fällen … Im Interesse unseres Ansehens darf dieser Frau niemals verziehen werden! Sie ist das personifizierte Böse!“


Inhalt:

Nami Matsushima [Meiko Kaji] ist mal wieder auf der Flucht. Erbittert verfolgt vom sadistischen Inspektor Kodama [Toshiyuki Hosokawa] trifft sie auf den verbitterten Kudo [Masakazu Tamura], der hinter den Kulissen eines Strip-Lokals arbeitet. Nach einer Studentenrevolte wurde Kudo einst von der Polizei schwer misshandelt. Seitdem hinkt er und hat seinen Lebensmut verloren. Doch als er auf Nami trifft, beginnt sein Panzer zu bröckeln: Er nimmt sich ihrer an, gewährt ihr Unterschlupf und fühlt sich bald als ihr Beschützer. Doch dann gerät Kudo in die Hände Kodamas. Erneut wird er schwer misshandelt, um Namis Aufenthaltsort preiszugeben. Zwar schweigt Kudo beharrlich, doch wieder auf freiem Fuß führt er die Polizei unwissentlich zu ihrem Versteck. Nami und er können entkommen und beschließen, Kodamas Ehefrau als Geisel zu nehmen. Doch der Coup misslingt - Kodamas Frau fällt einem Unfall zum Opfer und stirbt. Der Inspektor schwört ewige Rache …

Kritik:

1972 wurde der Skorpion erstmals auf das staunende Publikum losgelassen: Sicherlich angestachelt von amerikanischen Exploitation-Erfolgen wie FRAUEN HINTER ZUCHTHAUSMAUERN schickte der japanische Regisseur Shun’ya Itō die bildschöne Meiko Kaji in den Frauenknast, um sie dort ebenfalls ein Martyrium durchleben zu lassen. Anstatt dabei jedoch der belanglosen Ästhetik der Vorbilder zu folgen, gelang ihm das Bravourstück, die gewohnt schmuddelige Bahnhofskino-Atmosphäre mit einer geballten Ladung künstlerischen Anspruchs zu kombinieren. Mit höchster experimenteller Attitüde und schier überbordendem visuellen Einfallsreichtum erzählte er mit SASORI die auf einem Manga Tōru Shinoharas basierende mit Sex und Gewalt getränkte Geschichte der jungen Nami Matsushima, die – von ihrem Geliebten verraten – nach Misshandlung und Vergewaltigung und daraus resultierendem Mordversuch ins härteste Frauengefängnis Japans gesperrt wird. Obwohl sie dort weitere Demütigungen von Personal und Mithäftlingen durchleiden muss, lässt sie sich nicht brechen, um schließlich, nach geglückter Flucht, als schwarz gekleidete Rachegöttin 'Sasori' neu aufzuerstehen und einen gnadenlosen Tötungsfeldzug zu starten.

Der gekonnten Mischung aus schmieriger Exploitation und niveauvollem Kunstkino gelang der überaus seltene Coup, sowohl das sensationslüsterne, als auch das anspruchsvolle Publikum gleichermaßen zu befriedigen und wurde zur stilbildenden Ikone nicht nur innerhalb des Genres. Der Erfolg zog fünf Fortsetzungen nach sich, von denen Shun’ya Itō noch die ersten beiden inszenierte. Erwähnenswerterweise genügte es ihm dabei nicht etwa, das Erfolgsrezept des Vorgängers lediglich neu aufzukochen, sondern grenzte die weiteren Episoden inhaltlich und stilistisch so stark voneinander ab, dass jeder Teil seinen eigenen individuellen Charakter erhielt. GRUDGE SONG hingegen – der vierte Teil der Reihe – wurde nun erstmals von Yasuharu Hasebe inszeniert. Dieser war sich der Verantwortung gegenüber der nicht unbeträchtlichen Fangemeinde offenbar bewusst genug, um den extravaganten Stil seines Vorgängers beizubehalten. Tatsächlich fällt der Wechsel auf dem Regiestuhl kaum ins Gewicht: Auch Teil 4 präsentiert sich als surrealistisches, von wilden Farbspielereien beherrschtes und in ungewöhnlich verwinkelten Perspektiven eingefangenes Gewaltmärchen, dessen avantgardistische Umsetzung sich inhaltlich und formal quasi nahtlos ins bereits begonnene Opus einfügt.

Dennoch gibt es auf narrativer Ebene ein paar geringfügige Unterschiede: So war man offenbar der Meinung, das Schicksal Namis mittlerweile zur Genüge ausgeschlachtet zu haben, weshalb dieses Mal längere Zeit die neue Figur des ehemaligen politischen Aktivisten Kudo im Vordergrund steht. Dieser stellt dann auch einen äußerst interessanten Charakter dar: Ebenso wie Nami wurde auch Kudo in der Vergangenheit schwer misshandelt und ihm dabei sämtlicher Lebensmut genommen. In jahrelanger Katatonie erstarrt lässt ihn erst die Bekanntschaft mit Nami wieder Gefühle empfinden, erkennt er in ihrer Opferrolle doch auch seine eigene. Langsam wieder ins Leben zurückfindend, kümmert er sich um die Verfolgte und findet in seiner Beschützerrolle seine einstige Würde wieder. Als er später von der Polizei abermals gefoltert wird, um ihn zu zwingen, Namis Versteck preiszugeben, bettelt er am Ende um die Schläge und beweist sich auf diese Weise seine zurückgewonnene Stärke und Menschlichkeit.

Interessanterweise verlässt GRUDGE SONG seinen bis dahin erfreulich innovativen Weg in dem Augenblick, als Kudos Figur wieder fallengelassen wird, um abermals Nami in den Mittelpunkt (und ins Gefängnis) zu rücken. Meiko Kaji hinter Gittern ist zwar freilich genau das, was das Publikum erwartet, doch verkommt ihr weiterer Knastaufenthalt zu einem eher schwachen Aufguss bereits bewährter Ingredienzien, ohne der Saga großartig Neues hinzufügen zu können (zumal auch die obligatorischen Demütigungen im Vergleich zu den Vorgängern hier eher moderat ausfallen). Erst, als Nami (wenig überraschend) wiederholt entkommt und zum Racheengel mutiert, findet Teil 4 zu seiner Stärke zurück: Der schicksalhafte Kreis um Kudo und Nami schließt sich auf tragische Weise und hinterlässt in seiner bitteren Konsequenz nachhaltigen Eindruck.

Doch nicht nur inhaltlich, auch visuell geriet das Ende zum unbestreitbaren Höhepunkt GRUDGE SONGs: Das in surrealen Alptraumbildern ausgetragene finale Duell zwischen Nami und ihrem Todfeind Kodama erinnert in seiner Darstellung inklusive grotesk verzerrter Kulissen und schiefer Blickwinkel gar an den expressionistischen Stummfilm DAS CABINET DES DR. CALIGARI – wenn auch in ein tiefes Fass knallbunter Farbe getaucht. Ein wahrer Augenschmaus ist freilich auch erneut die betörende Hauptdarstellerin Meiko Kaji (welche in LADY SNOWBLOOD noch eine ähnlich geartete Rächerrolle verkörperte und zudem auch noch das Titellied singt), die mittlerweile völlig mit ihrer Figur verschmolzen zu sein scheint. Mit ihrer Präsenz und unergründlichen stoischen Aura quasi jede einzelne Szene beherrschend, dabei in den gesamten 90 Minuten vielleicht gerade mal zehn Wörter sprechend, sagt ihr minimalistisches Mienenspiel mehr aus als 100 Sätze es je könnten. Gegen Blickfang Kaji kann man gewiss nur verlieren, dennoch gelingt auch ihren Mitstreitern eine überzeugende Darstellung: Toshiyuki Hosokawa glaubt man den von Hass zerfressenen Inspektor zu jeder Sekunde und Masakazu Tamura geht in der Rolle des Kudo bis an die Grenzen.

So ist auch GRUDGE SONG (der letzte Teil der Reihe mit Meiko Kaji in der Hauptrolle) ein gefundenes Fressen für Cineasten jeden Couleurs, ein Feuerwerk an inszenatorischen Einfällen, überspitzte Comic-Gewalt zelebriert in umwerfenden Bildkompositionen, zwischen anrüchig und anspruchsvoll, zwischen Exploitation und Expressionismus. Dieser Skorpion haut jeden um!

Laufzeit: 88 Min. / Freigabe: ab 18

Freitag, 5. Oktober 2012

INVASION OF THE STAR CREATURES


INVASION OF THE STAR CREATURES
USA 1962

Regie:
Bruno VeSota

Darsteller:
Robert Ball,
Frankie Ray Perilli,
Joanne Arnold,
Dolores Reed,
Trustin Howard,
Mark Ferris,
Jim Almanzer,
Anton Arnold



Inhalt:

Zu behaupten, die beiden Privates Philbrick (Robert Ball) und Penn (Frankie Ray) wären nicht gerade mit Intelligenz gesegnet, darf wohl als ziemliche Untertreibung gewertet werden. Die beiden sind dumm wie Brot und als Soldaten absolute Nieten. Als sie ihrem Vorgesetzten Colonel Rank mal wieder mit ihrer Unfähigkeit mächtig auf den Sack gehen, lässt dieser sie zur Strafe die Ausrüstung für einen Expeditionstrupp schleppen, dessen Ziel die Erforschung einer kürzlich in einem Atombombenkrater entdecken Höhle ist. Da auch ihre Kameraden wissen, mit was für Dumpfbacken sie es zu tun haben, werden Philbrick und Penn am Eingang der Höhle zurückgelassen, um diesen zu bewachen. Glück im Unglück, denn die Soldaten stoßen in der Höhle auf seltsame Pflanzenwesen, mit denen die beiden außerirdischen Amazonen Prof. Tanga (Gloria Victor) und Dr. Puna (Dolores Reed) die Erde erobern wollen und die den Jungs in Grün ziemlich zügig die Lebenslichter ausblasen. Nun hängt das Schicksal der Welt am seidenen Faden … und an den beiden Vollidioten Philbrick und Penn …

Kritik:

Lange bevor man Pauly Shore in den BIO DOME sperrte oder uns Leslie Nielsen in DIE RÖMISCHE KANONE schmerzlich deutlich machte, was Humor NICHT ist, ließen ein paar Knallschoten in den 1950er Jahren diesen 70-minütigen Sci-Fi-Flachwitz auf die Menschheit los. Hier ist wirklich jeder Witz so flach und billig, dass es eigentlich weh tun müsste. Der "Running-Gag“ des Films besteht z. B. darin, dass die Protagonisten immer wieder durch ein und denselben Höhlenabschnitt laufen! Sie laufen hin. Schnitt. Sie laufen wieder zurück. Schnitt. Sie laufen hin. Schnitt. Sie laufen wieder zurück. Und das gefühlte drei Dutzend Mal! Szenen, die wohl nur gedreht wurden, damit der Film überhaupt über eine Stunde Laufzeit kommt. Dazu gibt’s Slapstick- und Grimassen-Humor mit der Holzkeule und jede Menge debile Dialoge. Aber irgendwie kann man den Beteiligten diese geballte Ladung Infantilität nicht wirklich übel nehmen. Irgendwie hat das Ganze tatsächlich einen ungezwungenen Charme und punktet zudem mit einem hohem Trashfaktor, der seine Krönung in den fast schon grenzgenialen Monsterkostümen aus Jutesäcken und der Art findet, wie diese Monster in Otto-Waalkes-Manier durch den Wald hüpfen. Einfach zum Wegschmeißen schlecht!

„Dir Stangenspargel verlöt ich den Auspuff …
Sobald mein Arm so weit gewachsen ist, dass ich an dich rankomme!“

Sollte man mit der hier aufgefahrenen Kalauer-Parade absolut nichts anfangen können, dann bietet INVASION OF THE STAR CREATURES zumindest für männliche Zuschauer immerhin noch was fürs Auge, denn die Alien-Leader Prof. Tanga und Dr. Puna entpuppen sich als zwei ziemlich heiße Bräute, die zur freudigen Überraschung von Philbrick und Penn keine Ahnung von körperlicher Liebe haben und denen die beiden Weltretter-wider-Willen daher mit größtem Vergnügen die Vorzüge des Küssens beibringen. Was dann auch schlussendlich zur Folge hat, dass die außerirdischen Sexbomben ihre Eroberungspläne ad Acta legen.

„Ich seh dir in die Augen, Großes!“

Die Darsteller geben sich dem kindischen Treiben gänzlich hin. Wahrscheinlich hatten die Macher bei der Ausarbeitung des Duos Philbrick-Penn so etwas Ähnliches wie Dick und Doof im Sinn, nur ist hier keiner von beiden dick, aber dafür sind beide doof. Robert Ball und Frankie Ray bemühen sich redlich, so dämlich wie möglich zu erscheinen, was ihnen auch durchaus gelingt. Die beiden passen als Duo auf jeden Fall gut zusammen.

Gloria Victor und Dolores Reed erfüllen ihren Zweck schon allein durch ihr wirklich ansehnliches Äußeres.

Sowohl Regisseur Brono VeSota als auch Drehbuchautor Jonathan Haze waren an sich eher als Schauspieler tätig. Ihre Credits hinter der Kamera beschränken sich auf gerade mal eine Hand voll Titel, was wohl auch besser so ist, denn Hazes Drehbuch fehlt es abgesehen von der niedrigen Qualität der Gags deutlich an Struktur. VeSotas Regie ist recht lahm geraten und weiß mit der unzureichenden Vorlage nicht wirklich etwas anzufangen. Viele Gags verpuffen einfach im Nichts, weil das Timing nicht stimmt oder sie einfach überstrapaziert werden (wie etwa das Laufen durch die Höhle).

Objektiv gesehen ist INVASION OF THE STAR CREATURES sicherlich nahe am Bodensatz der Comedy-Geschichte anzusiedeln, aber ich war bei der Sichtung dieses unbeschwerten Kokolores genau in der richtigen Stimmung. Eine Blödelshow auf Kindergarten-Niveau mit zwei Bombshells in knappem Dress und High Heels? Für mich jederzeit gerne wieder.

In Deutschland ist diese C-Movie-Bombe nie erschienen. In den USA gibt es den Film im Double Feature mit dem (meiner Meinung nach extrem sehenswerten) INVASION OF THE BEE GIRLS von MGM in ihrer Midnite Movies Collection. Der verwendete Print ist in recht gutem Zustand, wurde jedoch leider nicht anamorph abgetastet. Das Ganze ist wahlweise englisch, französisch und spanisch untertitelbar und mit dem Kinotrailer als Bonus ausgestattet.

Laufzeit: 69 Min. / Freigabe: ungeprüft