Eigene Forschungen

Mittwoch, 24. Mai 2017

ALIEN - COVENANT


ALIEN - COVENANT
USA, Großbritannien, Australien, Neuseeland 2017

Regie:
Ridley Scott

Darsteller:
Katherine Waterston,
Michael Fassbender,
Billy Crudup,
Carmen Ejogo,
Danny McBride,
Callie Hernandez,
Jussie Smollett,
Guy Pearce



„Wenn Sie mich erschaffen haben, wer hat dann Sie erschaffen?“


Inhalt:

2104: Das Kolonieschiff USCSS Covenant ist mit 2000 sich im Tiefschlaf befindlichen Menschen auf dem Weg zum weit entfernten Planeten Origae-6, um diesen zu besiedeln. Aufgrund eines Unfalls erwacht die Mannschaft vorzeitig aus ihrem Kälteschlaf und nimmt einen unbekannten Funkspruch auf. In der Hoffnung, bereits noch vor ihrer Ankunft bei Origae-6 auf einen bewohnbaren Planeten zu treffen, ändert die Covenant ihren Kurs und folgt dem unbekannten Signal. Tatsächlich findet man einen Planeten vor, der nahezu paradiesisch wirkt und der Erde sehr ähnlich zu sein scheint. Doch die Idylle trügt und als zwei Crew-Mitglieder sich unbemerkt mit fremdartigen Sporen infizieren, beginnt ein Alptraum: Kleine, unbekannte Wesen brechen kurze Zeit später aus ihren Körpern und machen Jagd auf die restliche Besatzung. Eine Flucht erscheint unmöglich, da das Landungsschiff bei einer Explosion zerstört wurde. In höchster Not trifft die verzweifelte Crew auf den vor Ort lebenden Androiden David [Michael Fassbender], der das gleiche Modell ist wie der Android Walter [auch Michael Fassbender], welcher ebenfalls zur Crew gehört. David bringt die Überlebenden zunächst in Sicherheit. Doch diese ist nicht von Dauer.

Kritik:

1979, als das ALIEN erstmals die Leinwände unsicher machte, wurde noch nicht allzu viel gegrübelt. Zwar lässt sich Regisseur Ridley Scotts düsterer Weltraum-Horror durch seine Verknüpfung von Gewalt und Geburtsmetaphern und seine starke Frauenrolle (die dem fremden Wesen final in Unterwäsche den Garaus macht) durchaus und sogar mit relativer Leichtigkeit als Sinnbild für sexuelle Ängste deuten, im Großen und Ganzen jedoch ging es noch darum, Menschen in Todesangst durch enge Schächte zu scheuchen und dem Publikum damit eine gehörige Gänsehaut zu verpassen. In ALIEN – COVENANT, dem sechsten Beitrag des aus dem damaligen Erfolg erwachsenen Franchises (den unsäglichen Ableger ALIEN VS. PREDATOR nicht mitgerechnet), sieht es hingegen deutlich anders aus. Aus der simplen Monstershow des Originals ist ein philosophischer Exkurs erwachsen, der nicht mehr das titelgebende Untier in den Fokus rückt, sondern sich in Dialog und Inhalt mit existenziellen Fragen beschäftigt. COVENANT erzählt dabei die Vorgeschichte des 70er-Jahre-Kino-Meilensteins und ist gleichzeitig die Fortsetzung des vier Jahre zuvor entstandenen PROMETHEUS, welcher bereits damit begann, eine Erklärung für die Ursprünge der tödlichen Lebensform zu liefern. Eine direkte Weiterführung ist es dennoch nicht, denn COVENANT führt nicht etwa die Reise von PROMETHEUS' Protagonistin Elizabeth Shaw weiter, sondern überspringt 10 Jahre und widmet sich den Erlebnissen einer neuen Crew, welche den Bogen zum Vorgänger erst im Laufe der Zeit schlagen.

Diese kommen einem dann allerdings auch arg vertraut vor: Eine Crew, die aus dem Kälteschlaf erwacht, ein unbekanntes Signal, eine ungeplante Landung in fremden Gestaden, ein feindlicher Organismus, der in Körper eindringt und alsbald platzende Leiber, schreiende Menschen und heillose Panik zur Folge hat. Tatsächlich wird hier im Grunde über weite Strecken lediglich die Handlung von Teil 1 wiederholt, die – so ehrlich muss man sein – auch 1979 schon nicht unbedingt neu war. So läuft dann alles in zwar großartig bebilderten, letztendlich jedoch vertrauten Pfaden ab, bis mit dem Auftauchen des Androiden David schließlich die Brücke zu PROMETHEUS geschlagen und es urplötzlich wieder arg tiefgründig wird. Die Verquickung der dreckigen ALIEN-Atmosphäre mit dem eher klinisch reinen PROMETHEUS-Ambiente bildet dabei einen steilen, wenn auch nicht uninteressanten Kontrast, der bereits in den ersten Minuten ins Auge fällt: COVENANT beginnt mit einer Rückschau auf Ereignisse, die bereits vor dem Vorgänger stattfanden, mit einem Dialog, der in einem blitzsauberen, massiv überbelichteten Raum geführt wird, in dem alles geordnet, keimfrei und tadellos arrangiert zu sein scheint, bevor man mit der Titeleinblendung wieder in die Weiten des Alls geworfen und mit dem bekannt-schmutzigen Look des Originals konfrontiert wird. Ein wenig unentschlossen wirkt dieses Konzept auf Dauer schon, zumal es der eher gemäßigten Gangart des Vorgängers widerspricht. Scott betonte in Interviews immer wieder, dass PROMETHEUS zwar im ALIEN-Universum spiele, letztendlich jedoch eine andere Geschichte erzähle. Bei COVENANT hingegen war ihm offenbar daran gelegen, sowohl die Vorgeschichte weiterzuverfolgen, als auch die konservativen ALIEN-Fans zufriedenzustellen, die sich nichts anderes wünschten als eine bissige Kreatur.

Dafür, dass das offenbar nicht von Anfang an der Plan war, spricht, dass die Fortsetzung ursprünglich unter dem Titel PARADISE LOST angedacht war und die Weiterführung der auf einen Cliffhanger hinkonzipierten Ereignisse ernüchternd lapidar mittels weniger Dialogzeilen abgehandelt wird. Stattdessen kehrte nun Hals über Kopf das ALIEN sowohl in den Titel zurück, als auch in die Handlung, um dort ein bluttriefendes Schlachtfest anzurichten. Pflichtergeben lassen Ridley Scott und seine Autoren die Mordbestie erneut durch spärlich ausgeleuchtete Raumschiffgänge toben und Besatzungsmitglieder zu Kleinholz verarbeiten. Wirklichen Schrecken verbreitet das nicht mehr. Das einst so unheimliche Monster, welches das Grauen in der Regel dadurch beschwor, dass es auf leisen Sohlen durch dunkle Korridore schlich, um dann unvermittelt hinter der nächsten Ecke zu lauern, ist zu einer gefeierten Popikone geworden, zu einem tobenden Actionstar, der per Schädeldecke kraft- und CGI-strotzend Panzerglasscheiben zertrümmert und Menschen anspringt wie ein tollwütiger Hund. Die fleischlichen Protagonisten haben da deutlich das Nachsehen und können nicht wirklich Akzente setzen. Zwar sterben sie wie die Fliegen, aber es berührt einen nicht, da das Skript die Figuren deutlich zurückstellt zugunsten des Charakters des Androiden David, der sich im Vergleich zum Vorgänger charakterlich deutlich weiterentwickelt hat und nun nicht mehr LAWRENCE VON ARABIEN zitiert, sondern Percy Bysshe Shelleys Gedicht Ozymandias, Richard Wagners Einzug der Götter in Walhall hört und Blockflöte spielt. Wenn er dabei in einen Interessenskonflikt mit seinem Nachfolgemodell Walter gerät, kommen Fans des Schauspielers Michael Fassbender [→ SLOW WEST] voll und ganz auf ihre Kosten, denn dieser stemmt seine Doppelrolle mehr als souverän - COVENANT gehört quasi ihm.

Der offensichtliche Versuch, es mehreren Parteien Recht zu machen, lässt COVENANT letzten Endes irgendwo zwischen zwei Stühlen verharren. Man spürt, dass den Machern der Exkurs in philosophische Gefilde weitaus wichtiger war als die obligatorische Menschenhatz, die hier wie mit heißer Nadel hineingestrickt wirkt. Das Ergebnis ist ein manchmal etwas banal anmutendes, aber prinzipiell ansprechendes Potpourri aus mythologischen Motiven, religiösen Ideen und existenziellen Fragen, in welches kurzerhand noch ein ALIEN-Remake hineingedoktort wurde. Final noch garniert mit einer überraschenden Wende, die eigentlich keine ist, ist COVENANT dank gekonnter Regie, anregender Ideen und visuellem Reiz trotz durchaus gegebener Defizite einen Ausflug wert.

Laufzeit: 122 Min. / Freigabe: ab 16

Montag, 15. Mai 2017

DREI ENGEL AUF DER TODESINSEL


THE LOST EMPIRE
USA 1984

Regie:
Jim Wynorski

Darsteller:
Melanie Vincz,
Raven De La Croix,
Angela Aames,
Paul Coufos,
Robert Tessier,
Angus Scrimm,
Blackie Dammett,
Kenneth Tobey



„In einer Zeit vor der Geschichtsschreibung existierte eine vergessene Kultur, ein seltsames Volk. Sie wurden die Lemuren genannt. Um ihre große Macht zu schützen, pflanzten sie ihre Geheimnisse der Wissenschaft in ein paar unglaubliche Juwelen ein – schimmernde Steine, die ein völlig eigenes Leben besaßen: die Augen des Avatara. Dann wurden die Lemuren bei einer Schlacht im Weltall, bei der die Erde beinahe vernichtet wurde, besiegt und die Augen voneinander getrennt. Es steht geschrieben, dass, wer immer die Juwelen wieder zusammenbringt, mit absoluter Macht regieren wird. Danach trachtete ein skrupelloser, teuflischer Geist. Er wollte sich durch nichts und niemandem in seinem Plan stören lassen. Und so ist es – bis heute.“  

[grammatikalisch holprig, inhaltlich wirr – so müssen gesprochene Einleitungen sein!]


Inhalt:

Super-Bullette Angel [Melanie Vincz] verliert ihren Bruder, ebenfalls im Polizeidienst, als dieser versucht, einen Raubüberfall auf ein Juweliergeschäft zu verhindern. Angel dürstet es nach Vergeltung und versucht herauszufinden, wer für das Verbrechen verantwortlich ist. Die Spur führt schnell zum geheimnisvollen Dr. Sin Do [Angus Scrimm], der auf einer Insel haust und dort regelmäßig Kampfsport-Turniere veranstaltet. Angel beschließt, sich als Teilnehmerin einzuschleusen, allerdings kann sie das nicht allein tun, da sich aus Sicherheitsgründen immer nur Dreiergruppen anmelden dürfen. So holt Angel erst ihre indianische Gefährtin White Star [Raven De La Croix] ins Boot, mit welcher sie sich dann aufmacht, um eine weitere Kandidatin für die Mission zu rekrutieren: die Kleinkriminelle Heather [Angela Aames], die allerdings erst aus dem Knast geholt werden muss. Dermaßen formiert gelingt es den drei Grazien tatsächlich, sich Zugang zu Dr. Sin Dos Festung zu verschaffen. Schnell zeigt sich, dass der kriminelle Doktor auf die magischen Steine aus dem Einleitungstext scharf ist, um damit – logisch! - die Welt zu beherrschen. Die drei Engel versuchen das zu verhindern, müssen dafür aber ihre gesamten Kräfte mobilisieren.

Kritik:

In der Wissenschaft heißt es, die große Kunst eines jeden guten Films läge darin, dessen Thematik bereits innerhalb der ersten Szenen symbolisch auf den Punkt zu bringen. So beginnt Sam Peckinpahs Western-Abgesang THE WILD BUNCH mit einer Sequenz, in der spielende Kinder ein paar Ameisen per Lupe und Sonnenstrahl grausam über den Jordan schicken, während George Lucas Sternen-Oper STAR WARS mit dem Bild eines kleinen Rebellenschiffs eröffnet wird, das sich auf der Flucht vor einem übergroßen imperialen Sternenkreuzer befindet. DREI ENGEL AUF DER TODESINSEL beginnt mit dem von James Bond bekannten weißen Kreis auf schwarzem Untergrund, in welchem dann, während er immer größer wird und bald die ganze Leinwand ausfüllt, das erste Filmbild zu sehen ist - nur, dass das erste Filmbild hier aus den überdimensionalen Hupen einer klassischen 80er-Jahre-Dauerwellen-Blondine besteht, die gerade im Begriff ist, sich ein Diamant-Collier zuzulegen. Man kann also unmöglich behaupten, dass Autor und Regisseur Jim Wynorski seine Hausaufgaben nicht gemacht hätte, denn haargenau das erwartet einen in den nun folgenden 80 Minuten: altbewährtes Agenten-Allerlei mit großzügigem Atomtitten-Bonus. Den Rest an Assoziation besorgt dann der deutsche Titel, der das Werk nicht nur rein zufällig in die Nähe der bis in die 80er Jahre erfolgreichen TV-Serie DREI ENGEL FÜR CHARLIE rückt, in der drei attraktive Privatdetektivinnen dem Bösen regelmäßig in den Allerwertesten traten.

Die fröhliche Unbekümmertheit, mit welcher dieser hochgradige Blödsinn an den Mann (beziehungsweise 'an die Männer', denn diese dürften die Hauptzielgruppe gewesen sein) gebracht wird, ist dabei ziemlich ansteckend und sorgt von Beginn an für gute Laune. Denn THE LOST EMPIRE, wie die Nummer ein wenig langweilig im Original heißt, zögert nicht lang und präsentiert bereits nach wenigen Minuten eine Kette angenehm kurioser Verrücktheiten, was mit ein paar Ninjas beginnt, die in ihrer Maskerade eher so aussehen, als wären sie gerade aus einem Sadomaso-Schuppen geflohen, und einen Juwelierladen derart überfallen, dass sie stocksteif in der Gegend herumstehen und ihre Wurfsterne wie Jo-Jos an Schnüren baumeln lassen, bevor sie sie dem per Schusswaffengebrauch energisch dagegen protestierenden Ladenbesitzer beherzt in den Schädel treiben. Auch nachfolgend verzichtete man auf alles, was irgendwie Langeweile verbreiten könnte, und führt mit Angel (!) den ersten titelgebenden Engel ein, welche eine Geiselnahme in einem Schulgebäude dadurch beendet, dass sie mit dem Motorrad durch die Eingangstür brettert und so lang in der Gegend herumballert, bis nur noch einer der Gangster übrig ist. „OK, Schwein, das waren sechs. Jetzt hast du keine Kugeln mehr“, bemerkt der Überlebende, bevor er sich eine tödliche Kugel von der Angesprochenen einfängt. „Solltest mal in die Schule gehen, Punk! Und besser zählen lernen“, entgegnet diese, während ihr Gegenüber auf dem Lehrerpult verreckt. Besser kann man einen Charakter kaum etablieren - auch, wenn die Anleihe bei DIRTY HARRY mehr als nur offensichtlich ist.

Ungleich bizarrer geriet hingegen die Einführung des zweiten Engels, White Star genannt, die so komisch heißt, weil sie eine Indianerin ist, die erst irgendwie aus irgendeiner parallelen Geisterwelt herbeigerufen muss, aus welcher sie, von einem zünftigen Sternchen- und Funkenregen begleitet, ehrfurchtgebietend und mit stolz geschwellter Brust (wobei eine Brust dieses Ausmaßes streng genommen gar nicht ungeschwollen sein kann) hervorreitet und dabei ein schickes pseudoindianisches Faschingskostüm spazierenträgt, das ihre enorme Oberweite nochmals zusätzlich herausarbeitet. Und das dritte Mitglied der Truppe, Heather gerufen, muss erstmal aus dem Knast befreit werden, wo sie sich allerdings gerade – welch Zufall! - ein Schlammcatch-Match mit einer Mitgefangenen liefert, die sich allen Ernstes Peitschen-Lilly nennt. „Hey, du Tittenkönigin! Komm mal rüber und lass dich anfassen!“, heißt es da wenig galant, während die Gegnerin antwortet: „Du schwimmst in deinem Blut, Scheißtier! Nicht umsonst nennt man mich Peitschen-Lilly.“ Die anschließende Rekrutierung des Engels Nummer 3 findet natürlich – wie es eigentlich bei jedem diplomatischem Gespräch der Fall sein sollte! - unter der Dusche statt.

Wer es zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht begriffen hat, dem ist nicht mehr zu helfen: DREI ENGEL AUF DER TODESINSEL ist Quatsch im Quadrat, will aber auch gar nicht mehr sein als eben dieses. Kleine-Jungs-Träume werden wahr, wenn die drei Engel, zwar ohne Charlie, dafür aber mit reichlich Holz vor der Hütte, gegen ein kriminelles Superhirn antreten müssen, das auf einer einsamen Insel in einer (eindeutig nur gemalten) Festung haust und es für eine gute Idee hält, regelmäßig attraktive Frauen in einem mörderischen Wettkampf aufeinander zu hetzen, um die Siegerinnen im Anschluss der privaten Haus- und Hofarmee einzuverleiben. Wer es dennoch schafft, dem Unhold zu nah auf die Pelle zu rücken, muss dann noch an allerlei abstrusem Getier wie Roboterspinnen, Kampfgorillas und grobschlächtigen Killerglatzen vorbei. So kostengünstig dieser herrliche Unfug in der Herstellung auch gewesen sein mag - Jim Wynorski [→ DIE INSEL DER RIESEN-DINOSAURIER], welcher später der tiefergelegten Unterhaltung treu blieb, inszenierte sein launiges Debüt mit der nötigen Kompetenz und kreierte zusammen mit Kameramann Jacques Haitkin [→ NIGHTMARE] durchaus ansprechende Bilder, die sich - bis auf wenige Ausnahmen – hinter seriösen Produktionen dieser Epoche nicht zu verkriechen brauchen. Die musikalische Untermalung Alan Howarths [→ HALLOWEEN 4] lädt zum Mitwippen ein, ist für einen Beitrag dieser Kategorie allerdings eher ungewöhnlich und erinnert eher an die Soundtrack-Kompositionen John Carpenters (mit welchem Howarth allerdings auch oft zusammenarbeitete). Die Darsteller liefern im Rahmen des Benötigten ebenfalls zufriedenstellend ab. Zwar hapert es in den Hauptrollen auffallend an behaupteter Kampfkunst, dennoch machen die drei Damen tüchtig Dampf und dürfen im Finale besagten Kampfgorilla mit einem beherzten Tritt in die Klöten auf die Matte schicken.

Kurzum: DREI ENGEL AUF DER TODESINSEL wird seiner Intention voll und ganz gerecht und ist haargenau die kalkulierte Spaßbombe geworden, die er auch sein wollte. Die pubertäre Polizistinnen-Posse ist eine wilde Mische aus DREI ENGEL FÜR CHARLIE, DIRTY HARRY, DER MANN MIT DER TODESKRALLE und JAMES BOND (die Tarantelszene ist ein direkter Verweis auf 007 JAGT DR. NO und statt einer Katze streichelt der Oberschurke hier zärtlich eine Schlange), abgeschmeckt mit Mega-Möpsen, SM-Ninjas und einer kleinen Portion Fantasy-Firlefanz. Und selbst ausgemachte Emanzen dürften trotz der eindeutigen Fixierung auf nackte Haut und große Oberweiten nur wenig zu meckern haben haben, immerhin wird hier die geballte Ladung Frauen-Power geboten, gegen welche die Herren der Schöpfung nicht mal im Ansatz eine Chance haben. So kommt Angels Geliebter Rick zwar ziemlich sympathisch daher, ist ohne sie jedoch reichlich hilflos und holt sich selbst beim schmusigen Techtelmechtel mit seiner Angebeteten eine blutige Nase. Die deutsche Sprachfassung mogelt dem Ganzen dann abschließend noch ein gutes Dutzend dummer Sprüche unter ("Eine alte indianische Weisheit sagt: Trau niemals einem Vogel ohne Federn." - "Ich kenne auch eine: Wer vögelt, kann auch fliegen."), fertig ist die Gute-Laune-Laube! Ab auf die Insel!

Laufzeit: 81 Min. / Freigabe: ab 18

Freitag, 5. Mai 2017

SHIN GODZILLA


SHIN GOJIRA
Japan 2016

Regie:
Hideaki Anno,
Shinji Higuchi

Darsteller:
Hiroki Hasegawa,
Yutaka Takenouchi,
Satomi Ishihara,
Ren Ôsugi,
Akira Emoto,
Kengo Kôra,
Jun Kunimura



Inhalt:

In der Bucht von Tokio häufen sich merkwürdige Unglücksfälle. Eine der absurdesten Theorien über die Ursache bewahrheitet sich schneller, als allen lieb ist: Ein paar Handykameras nehmen ein unbekanntes riesenhaftes Lebewesen auf, das im Wasser zu leben scheint. Während sich der Krisenstab noch die Köpfe darüber zerbricht, womit man es zu tun haben könnte, geht die Kreatur an Land und schlägt eine Schneise der Verwüstung. Obwohl man zunächst noch zögerte, werden mangels Alternativen bald doch schwere Geschütze gegen das Urtier aufgefahren. Doch jede Waffe erweist sich als wirkungslos. Fassungslos nimmt man zur Kenntnis, dass das Wesen unberechenbar ist, da es ständig mutiert und zu einer noch größeren Gefahr heranwächst. Als die inzwischen 'Godzilla' getaufte Schreckgestalt plötzlich mit einem atomar aufgeheizten Feueratem die halbe Stadt in Schutt und Asche legt, scheint es keine Hoffnung mehr zu geben. Die UN beschließt über japanische Köpfe hinweg, dass nur Nuklearbeschuss die Bestie besiegen kann, der Zeitpunkt des Bombenabwurfes steht bereits fest. Doch innere Politik und Wissenschaft sind sich einig, dass das eine noch größere Katastrophe zur Folge hätte. Verzweifelt sucht man nach einer Alternative, das wütende Monster in die Knie zu zwingen. Es bleiben nur wenige Tage, bis die Bombe fällt und alles vernichten würde. 

Kritik:

Godzilla, das japanische Ungetüm, das eigentlich Gojira heißt, feierte sein Leinwand-Debüt im Jahre 1954. Inspiriert von dem amerikanischen Monsterspektakel PANIK IN NEW YORK, in dem etwas ganz Ähnliches passiert, ließ Regisseur Ishirō Honda das saurierähnliche Riesenreptil erstmals dem Meer entsteigen und die Großstadt verwüsten, verwandelte den eher trivialen Charakter der Vorlage allerdings in eine düstere Endzeitutopie, die überdeutlich auch eine Allegorie auf das japanische Trauma der Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki darstellte. Die 27 Fortsetzungen, die aufgrund des Erfolges bis 2004 entstanden, waren in der Regel auffallend weniger düster und ließen die Reihe aufgrund ihrer grellen Mischung aus Naivität, Infantilität und Eigenwilligkeit zum Kult werden. Nach 2004 dauerte es satte 12 Jahre, bis die Reihe – bereits zum dritten Male – neu gestartet wurde. Wie ernst die Macher es dieses Mal meinten, wird dabei bereits anhand des Titels deutlich (shin=neu). Basierten bis dahin alle Fortsetzungen auf dem Original aus den 50ern, wagte man dieses Mal einen radikalen Schnitt und schrieb die Entstehungsgeschichte des Monsters komplett um. Das war durchaus nicht unriskant; Fans können bekanntlich sehr eigen sein. Allerdings hatte zwei Jahre zuvor auch schon die zweite amerikanische Version der Geschichte [→ GODZILLA] die Ursprünge des Ungeheuers verändert, was vom Großteil des Publikums akzeptiert wurde und damit zusätzlich motivierend gewirkt haben dürfte.

Ein konsequenter Neubeginn war in gewisser Hinsicht auch sinnvoll, erstarrte die Reihe bis dahin doch immer wieder in bekannten Mustern, was zwar stets unterhaltsam, aber eben nicht sonderlich originell war. Neben einer nicht unerheblichen Portion Medienaufmerksamkeit brachte die Entscheidung, einen komplett umgestalteten 'Godzilla' zu erschaffen, somit auch gehörig frischen Wind in das Konzept und ebnete den Weg für bis dahin ungenutzte Möglichkeiten. Dabei geriet der Anfang noch überaus vertraut: SHIN GODZILLA beginnt fast haargenau wie das Original, mit dem markanten Godzilla-Schrei und den dazugehörigen Stampfgeräuschen. Danach ging Autor und Regisseur Hideaki Anno [→ CUTIE HONEY] allerdings vollkommen eigene Wege, liefert zwar recht hurtig die ersten verwackelten Monsterattacken, im Anschluss darauf jedoch noch mehr hyperaktive Krisen- und Beratungsgespräche, die einem im schwindelerregenden Stakkato-Stil solch eine Masse an Personal, Materie und Dialog um die Ohren hauen, dass man erstmal nach Luft japsen muss. Dabei ist es nicht unamüsant zu beobachten, wie die völlig überforderten Experten eine wilde Theorie nach der nächsten ausbrüten, wobei sich am Ende dann ausgerechnet immer genau diejenige bewahrheitet, die zuvor als einzige kollektiv verlacht wurde. Und im selben Augenblick, als man dem Volk selbstbewusst verkündet, es bestünde für das Festland keinerlei Gefahr, da die unbekannte Lebensform unmöglich an Land gehen könne, passiert eben haargenau genau dieses: Die Kreatur pfeift auf jede wissenschaftliche Erklärung, entsteigt dem Meer und verwüstet so ziemlich alles, was ihr vor die Füße kommt.

Dass sie dabei allerdings anfangs gar nicht so aussieht, wie der weltbekannte Titelheld, ist eine der originellsten Ideen SHIN GODZILLAs: Das Untier muss im Laufe der Handlung erst mehrere Metamorphosen durchleben, bis man es dann tatsächlich als die berühmte Monsterikone wiedererkennt. Dann aber legt der neue Godzilla dermaßen los, dass einem Hören und Sehen vergeht. Zerstörte der atomare Feuerstrahl des Monsters in früheren Tagen vielleicht gerade mal ein oder zwei Gebäude, radiert er hier, von apokalyptischer Choral-Musik begleitet, mit einem Atemzug gleich die halbe Stadt aus, holt zeitgleich die ihn angreifenden Flieger vom Himmel und entfacht somit innerhalb weniger Sekunden ein gigantisches Inferno aus Feuer, Tod und Vernichtung, für das der alte Godzilla mindestens einen ganzen Tag gebraucht hätte. Auf diese Weise gelingt es SHIN GODZILLA tatsächlich, seinen Star wieder so zu präsentieren, wie es ursprünglich mal intendiert war: als furchterregende, scheinbar unkaputtbare Destruktionsmaschine, vor der die Menschheit schlichtweg kapitulieren muss. „Godzilla ist die Reinkarnation Gottes“, heißt es an einer Stelle zwar recht pathetisch, aber in durchaus gebotener Ehrfurcht.

Die Effekte sind dabei eine gesunde und oft sehr eindrucksvolle Mischung aus klassischer Suitmation (also Schauspieler in Monsterkostümen) und digitaler Retusche – ein gelungener Mittelweg zwischen Klassik und Moderne, der alten Traditionen gehorcht, ohne sich der Lachhaftigkeit des Ewiggestrigen preiszugeben. Auch der bewährte Hintergrund der atomaren Gefahr blieb erhalten, wenn auch unter anderen Vorzeichen, erfuhr Japan im Laufe der Zeit doch eine weitere nukleare Katastrophe: Am 11. März 2011 kam es aufgrund von Umwelteinflüssen und technischer Mängel im Kraftwerk Fukushima Daiichi zu einer verheerenden Kernschmelze, welche das Gebiet weiträumig radioaktiv verstrahlte. SHIN GODZILLA ist durchaus als Reaktion auf diese Ereignisse zu verstehen, in einer Szene wird das Monster gar mit einem Atomreaktor verglichen. Doch auch die Bombe kommt wieder ins Spiel, will der Rest der Welt doch per gemeinsamen Beschluss das Untier durch den Abwurf nuklearer Waffen besiegen, was die japanische Regierung fassungslos zur Kenntnis nimmt. Die eindeutig politische Komponente, die SHIN GODZILLA an dieser Stelle bekommt, geriet dann unangenehm penetrant. Immer wieder wird betont, dass Japan endlich souverän werden muss und sich die Einmischung fremder Nationen in eigene Belange nicht mehr gefallen lassen darf. Vor allem die USA bekommen dabei tüchtig ihr Fett ab, wenn sie quasi ungefragt ein paar Flieger vorbeischicken, durch deren Beschuss die ganze Misere am Ende nur noch größer wird. „Was für ein unglaublich idiotischer Plan“, bellt einer japanischen Stabsmitglieder an einer Stelle, „die sind ja schlimmer als Godzilla!“

So wird die Monstershow dann am Ende zu einem patriotisch-politischen Panoptikum, was einen recht bitteren Beigeschmack hinterlässt. Doch auch abseits davon geriet SHIN GODZILLA etwas schwer verdaulich. Der inhaltliche und stilistische Bruch zu den Vorgängern ist so enorm, dass man sich oft erst wieder bewusst wird, gerade einen GODZILLA-Film vor sich zu haben, wenn hin und wieder mal der markante Soundtrack Akira Ifukubes ertönt, um an frühere Zeiten zu gemahnen. So versprüht die zwei Jahre zuvor entstandene Neuinterpretation aus den USA am Ende sogar mehr originales Flair als die Rekonstruktion des Mythos' in ihrem Ursprungsland. Zusätzlich erschwert wird der Zugang durch den Umstand, dass es hier im Grunde keine wirkliche Bezugsperson gibt, sondern lediglich eine Vielzahl an endlos diskutierenden Charakteren, die zwar alle per Einblendung mit Namen vorgestellt werden, letztendlich jedoch eine anonyme Masse darstellen, während die wenigen, die sich im Laufe der Entwicklung als Sympathiefiguren herausschälen, auch nur seelenlose Stichwortgeber bleiben.

Die besten Momente sind dann auch die, in welchen spöttisch die Ineffektivität der andauernden Dampfplauderei zum Ausdruck gebracht wird, wenn die Wissenschaft verzweifelt versucht, an Godzilla irgendwelche Verhaltensmuster zu erkennen, an der übergroßen Aufgabe jedoch jedes Mal grandios scheitert. „Keine Ahnung, er läuft einfach nur herum“, lautet die resignierte Antwort auf die Frage, nach welchen Kriterien sich die Kreatur wohl ihren Weg bahnt. So ist die Wiedergeburt des Kult-Kolosses am Ende zwar ein interessantes, aber auch zwiespältiges Vergnügen geworden, das unnötig politisch aufgeheizt wurde und oftmals ein wenig zu sehr bemüht ist, dem Thema neue Facetten abzuringen (man beachte auch die oft extrem verschrobenen Kameraperspektiven und -blickwinkel). Ein bisschen mehr Tradition hätte man sich ruhig bewahren dürfen.

Laufzeit: 118 Min. / Freigabe: ab 12

Montag, 1. Mai 2017

KUNG FU KILLER


YAT GOR YAN DIK MOU LAM
China 2014

Regie:
Teddy Chan

Darsteller:
Donnie Yen,
Wang Bao-Qiang,
Charlie Yeung,
Michelle Bai,
Alex Fong,
Fan Siu-Wong,
Xing Yu,
David Chiang



Inhalt:
 
Hongkong: Ein Mann kommt zerschlagen und blutverschmiert auf ein Polizeirevier. „Was ist Ihnen zugestoßen?“, fragt der schockierte Beamte. „Ich heiße Hahou Mo“, antwortet der Mann. „Ich habe jemanden getötet.“ 

Drei Jahre später: Auf der Salisbury Road wird ein zerschmetterter Körper gefunden. Die Untersuchung ergibt, dass nicht etwa ein Autounfall Grund für die Verletzungen des Mannes gewesen ist, wie zunächst angenommen, sondern er vermutlich mit bloßen Händen getötet wurde. Hahou Mo [Donnie Yen] erfährt im Gefängnis von dem Fall und zitiert die ermittelnde Polizistin Luk Yuen-Sum [Charlie Yeung] herbei (wofür er allerdings erst noch 17 Mithäftlingen das Fell gerben muss). Er behauptet zu wissen, wie der Killer tickt und bietet seine Hilfe an. Luk nimmt ihn nicht ernst und will wieder gehen, da ruft ihr Hahou sieben Namen hinterher. „Einer von diesen Männern wird das nächste Opfer sein“, behauptet er. Die Recherchen ergeben, dass jeder der Männer ein meisterlicher Kung-Fu-Kämpfer ist – ebenso wie Hahou Mo, der früher Kampfkunst-Trainer im Staatsdienst war. Als sich dessen Prophezeiung erfüllt und tatsächlich einer der genannten Männer ebenfalls getötet wird, wird Hahou aus seiner Zelle geholt und zum Berater ernannt. Seine Theorie: Der Killer will die Männer der Reihe nach in ihren Königsdisziplinen besiegen, um selbst der größte aller Meister zu werden. Die Reihenfolge der Morde richtet sich nach einer uralten Kung-Fu-Philosophie. Doch nach und nach kommen Luk Zweifel, ob Hahou nicht tatsächlich ein bisschen mehr weiß, als er zugibt.

Kritik:

Obwohl die Blütezeit des Martial-Arts-Films mit Beginn des neuen Jahrtausends eigentlich schon längst vorbei war, sträubte sich die Hongkonger Filmindustrie vehement gegen die nachlassende Nachfrage an ihrem Steckenpferd und produzierte eifrig und verbissen weiter. Der im Jahre 2014 von Regisseur Teddy Chan auf den Weg gebrachte KUNG FU KILLER versteht sich daher fast schon trotzig als Hommage an die goldene Ära des Kung-Fu-Kinos, wimmelt nur so von Gastauftritten altehrwürdiger Recken und klopft im Abspann mit Nachdruck dem gesamten Genre gehörig auf die Schulter. So richtig bewusst, dass man es hier mit einer ehrfurchtzollenden Respektsbekundung zu hat, wird es einem allerdings auch erst an dieser Stelle, vorher war davon nämlich eher wenig bis gar nichts zu spüren. Das Skript von Ho Leung Lau [→ THREE KINGDOMS] und Tin Shu Mak [→ 14 BLADES] durchbricht nämlich die festgefahrenen Formeln des Genres und geriet inhaltlich eher experimentell. So kreuzte man den bewährten brachialen Schlagabtausch hier mit den Motiven des amerikanischen Psycho-Thrillers vom Schlage eines DAS SCHWEIGEN DER LÄMMER und ersann eine zwar recht abstruse, auf ihre Art und Weise aber schon irgendwie funktionierende Geschichte, in dem Wang Bao-Qiang als eine Art Kung-Fuffalo-Bill scheinbar wahllos Leute per Kampfkunst hinrichtet, während der einzige, der ihn davon abhalten könnte, der ehemalige Trainer Hahou Mo, Kung-Funnibal-Lecter quasi, im Gefängnis schmort.

Verkörpert wird letzterer von Donnie Yen [→ SPECIAL ID], der als einer der letzten großen Stars nach der Jahrtausendwende als imposantes Aushängeschild der Knochenbrecher-Kategorie herangezüchtet wurde und somit seinen zweiten Filmfrühling erleben durfte. Sein Hahou Mo ist dann – trotz Knastaufenthalts – auch alles andere als ein böser Junge, obwohl er den Tod eines anderes Menschen zu verantworten hat (wobei sich das Drehbuch irgendwie nicht so recht entscheiden kann, was und wie und warum überhaupt). Seine Reumütigkeit ist dann auch fast schon etwas zu viel des Guten, immer wieder wird auf seine Musterknaben-Attitüde hingewiesen und nachdem er in einer aufsehenerregenden Sequenz gezwungenermaßen 17 Mithäftlinge vermöbeln musste, besteht er im Anschluss darauf, dass jeder dieser Männer als Entschädigung eine Schachtel Zigaretten zur Wiedergutmachung erhält (Jesus persönlich könnte kaum barmherziger sein). Dass man so viel Aufwand daran verschwendete, Hahou als eigentlich edlen Menschen zu präsentieren, lag gewiss einerseits daran, dass man um Yens Saubermann-Image besorgt war, andererseits sicherlich auch an diversen Auflagen von ganz oben, immerhin sind Hongkongs Filmschaffende seit der Rückgabe der ehemaligen Kolonie an China in ein enges moralisches Korsett gezwungen.

Donnie Yens oberste Direktive ist es hier dann auch, den Ruf des Kung Fu wieder reinzuwaschen, immerhin wird die an sich gute Kampfkunst von einem brutalen Sadisten schändlich missbraucht. Wer besagter Killer ist, wird dann auch relativ schnell aus dem Sack gelassen. KUNG FU KILLER ist kein Mitratekrimi, sondern beschränkt sich auf das hitzige Katz- und Maus-Spiel zweier Parteien. Wang Bao-Qiang [→ LITTLE BIG SOLDIER] figuriert den Martial-Arts-Mörder mit Namen Fung Yu Sau als ziemliches Psychopathen-Klischee, als verkrüppelten Klumpfußbesitzer, der, zusätzlich traumatisiert vom tragischen Tode seiner besseren Hälfte, seine Minderwertigkeitskomplexe dadurch bekämpft, dass er wie bessessen in allen möglichen Disziplinen trainiert und tötet, bis er zu einer Art unbesiegbarem Comic-Schurken herangereift ist. So realitätsfern das auch ist, in dieser von Kampfkunst-Ideologie aufgeheizten Welt erscheint das plausibel genug und ist zudem Teil bereits erwähnter Huldigung an das Wesen des Kung-Fu-Films. Die Story stolpert mittig ein wenig, dem Skript fällt eine zeitlang nicht mehr ein, als Fung immer wieder in Tötungsaktion zu zeigen, bevor Hahou und Luk zu spät am Tatort eintreffen und sich darüber austauschen, was als nächstes getan werden muss. Wirklich langweilig wird es dank dennoch flottem Tempo jedoch nie, zumal Regisseur Teddy Chan (der mit Donnie Yen auch schon das großartige Historienepos BODYGUARDS AND ASSASSINS realisierte) sein Handwerk versteht und die in die Handlung gestreuten Kampfszenen von Donnie Yen selbst höchst effektiv in Szene gesetzt wurden.

Ausgemachte Martial-Arts-Fans mögen dann eventuell auch ein wenig vergrätzt dreinblicken, denn tatsächlichen Schlagabtausch gibt es verhältnismäßig selten zu bestaunen. KUNG FU KILLER gehorcht in erster Linie den Regeln eines klassischen Thrillers amerikanischen Zuschnitts, der thematisch mit Kung-Fu-Weisheiten verknüpft wurde und nur ab und an von Kampfsequenzen unterbrochen wird. Donnie Yen wird erst im Finale so richtig von der Kette gelassen, legt dafür dann aber auch richtig los und liefert sich mit seinem Gegner, dezent unterstützt von Drahtseilen und Digitaleffekten, eine grandiose Entscheidungsschlacht auf einer viel befahrenen Autobahn zwischen und unter in Hochgeschwindigkeit heranpreschenden PKW und Lastwagen, was im Action-Segment ordentlich Kastanien aus dem Feuer holt. Wer den etwas ungewöhnlichen Mischmasch nicht scheut, erlebt somit einen kompetent gefertigten Action-Psycho-Thriller mit hervoragender Kameraarbeit und erstklassigen Kampfszenen, der einen vom effektiven Vorspann (der gewiss nicht nur zufällig an den von SIEBEN erinnert) bis zum draufgängerischen Finale hochklassig unterhalten kann. Als Genre-Hommage ist die Thematik zwar eher seltsam gewählt, da hier eben gerade nicht bewährte Schablonen genutzt werden, dafür macht Insidern das Ausspähen mehr oder minder bekannter Gesichter in kurzen Nebenrollen (u. a. David Chiang und Tony Leung) durchaus Freude, während man zwischendurch immer wieder Ausschnitte aus alten Jackie-Chan- und sonstigen Kung-Fu-Schinken auf Fernsehbildschirmen erhaschen kann (dass Jackie Chan dafür sogar im Abspann erwähnt wird, ist natürlich wiederum etwas übertrieben). Ein Killer ist das nicht, aber ein überaus passabler Zeitvertreib, den man sich ohne Reue geben kann. 

Länge: 96 Min. / Freigabe: ab 16