Italien 1972
Regie:
Luigi Vanzi
Darsteller:
Tony Anthony,
Lucretia Love,
Adolfo Celi,
Richard Conte,
Corrado Gaipa,
Irene Papas,
Lionel Stander,
Raf Baldassarre
Inhalt:
USA, 1931: Gangster Pete di Benedetto [Tony Anthony] bekommt den Auftrag, eine Leiche von Virginia nach Sizilien zu überführen. Dabei zählen ausschließlich die inneren Werte: In dem Leichnam steckt eine halbe Million Dollar. Benedetto ist die eigentliche Bezahlung für den Job zu niedrig, weshalb er Siziliens Boss Polese [Adolfo Celi] kontaktiert. Gemeinsam sprengen sie die Trauerfeier und reißen sich das Geld unter den Nagel. Doch dann offenbart Polese sein wahres Gesicht – er hat nämlich mitnichten vor, den Betrag zu teilen. Dass er den frisch Geprellten einfach nur auf die Straße setzt anstatt ihn noch vor Ort umzulegen, erweist sich als folgenschwerer Fehler. Benedetto denkt nämlich gar nicht daran, sich so einfach geschlagen zu geben. Da seinen alten Kumpels bereits bei bloßer Erwähnung des Namens Polese die Muffe saust und er daher keine Hilfe erwarten kann, zieht er die Nummer schließlich allein durch und entführt Pearl [Lucretia Love], die etwas naive Gespielin des Mafiabosses. Herausgabe, so der Deal, nur gegen Bares. Die Übergabe gelingt zwar zunächst, aber nun fühlt sich Polese natürlich arg ans Bein gepisst. Es beginnt ein brutaler Reigen aus Verrat, Marter und Mord.
Kritik:
Tony
Anthony war zu Zeiten seiner kurzen Kino-Karriere schon eine ziemlich
coole Socke. Der amerikanische Schauspieler (eigentlicher Name: Roger
Anthony Petitto), der sich im europäischen Raum ein kleines
Standbein erschuf, scheint generell nur die Rollen angenommen zu
haben, die er besonders geil fand. Den Rest ließ er einfach sausen.
Seine Figuren und Filme waren dabei immer sehr eindeutig von
wesentlich größeren Vorbildern inspiriert, und man wird partout den
Eindruck nicht los, Anthony wollte einfach immer nur das nachspielen,
was er auf der Leinwand so richtig knorke fand. Wie kleine Jungs das
in den 80ern mit Spencer, Hill, Schwarzenegger und Stallone auf dem Schulhof gemacht hatten. Zwischen der kauzigen Clint-Eastwood-Kopie [→ EIN DOLLAR ZWISCHEN DEN ZÄHNEN] und dem hemdsärmeligen
Indiana-Jones-Imitat [→ DAS GEHEIMNIS DER VIER KRONJUWELEN]
hatte er offenbar auch kurz mal Bock, den wilden Gangster zu mimen
und als eine Art Sparflammen-Scarface ein paar Patronen und
Blutpäckchen platzen zu lassen. Das Ergebnis: 1931 – ES GESCHAH
IN AMERIKA, ein kostengünstig erstelltes, aber durchaus
vorzeigbares Gaunerstück, das er nicht nur mit seiner Präsenz
beehrte, sondern auch mit dem dazugehörigen Drehbuch versorgte. Ach
ja: Produzent war er auch noch. Wenn schon, denn schon.
Der
Vorspann begrüßt einen mit den Klängen Louis Armstrongs und sorgt
somit auf Anhieb für das richtige Flair. Ein Off-Sprecher informiert
einen derweil freundlicherweise darüber, dass bereits eine Menge
Filme über die großen Gangster der 30er Jahre gedreht wurden, Pete
di Benedetto dabei aber konsequent ignoriert wurde. Wer danach noch
bis zum Abspann dranbleibt, weiß dann auch, warum. Exorbitant
aufregend geriet die Geschichte nämlich wahrlich
nicht. Dass der Unterhaltungswert dennoch deutlich über dem
Durchschnitt liegt, ist vor allem Verdienst der stimmungsvollen
Inszenierung. 1931 funktioniert in erster Linie als gediegenes
Kostüm- und Ausstattungsexponat, ohne dass dabei jemals der Eindruck
eines realistischen Zeitbildes erweckt würde. Stattdessen schielte
man in Richtung nostalgischer Verklärung und gerierte sich als
pulpig anmutende Theatervorführung mit leichtem Hang zur siffigen
Exploitation. Da werden Leichen geschändet, Rasiermesser
zweckentfremdet und Menschen generell ziemlich kaltblütig aus dem
Leben katapultiert (auf dem Scheißhaus eingesperrt an Bleivergiftung
zu sterben, muss echt entwürdigend sein). Wirklich geil ist das
Gaunerleben, dass Tony Anthony und sein Haus- und Hofregisseur Luigi
Vanzi [→ DER SCHRECKEN VON KUNG FU] hier entwarfen, wirklich
nicht. Wer zu gutmütig oder -gläubig ist, stirbt nicht an Altersschwäche. Jeder behummst jeden. Und Mann wie Frau
treibt ausschließlich die Gier nach dem großen Geld.
Tatsächlich
unterscheidet sich PIAZZA PULITA (Originaltitel) daher
herzlich wenig von den Brutalo-Western, in denen Anthony zuvor zu
sehen war. Die Zeit ist vorangeschritten, Menschen und Moral jedoch sind
gleich geblieben. Vor allem das weibliche Geschlecht, hier verkörpert
durch eine großartig aufspielende Lucretia Love, hat in dieser Welt
wenig zu lachen. Als naives Anhängsel des großen Bosses Polese
(ebenfalls hervorragend: Adolfo Celi) wird sie von diesem behandelt
wie Dreck, kassiert Ohrfeigen am laufenden Meter und muss sich dazu
Sätze anhören wie: „Gewöhn dir gefälligst an, nur zu reden,
wenn du gefragt wirst.“ Und als sie sich ob der dauernden
Watscherei beschwert, bekommt sie als Rechtfertigung: „Aber das
ist normal für ne Nutte.“ Nachdem sie zum Entführungsopfer
von Hauptprotagonist Benedetto wird, ändert sich ihr Status auch
nicht erheblich. Zwar ist der grundsätzlich etwas netter zu ihr,
aber er reißt ihr trotzdem ungefragt die Kleider vom Leib
(wohlgemerkt: um sie zu fotographieren), spendiert ihr tüchtig
Backenfutter, nötigt sie zum Kaffekochen und schubst sie zum lieben
Dank final aus dem fahrenden Auto. Ihr Charakter, der anfangs
lediglich den Eindruck einer unwichtigen Nebenfigur (eben der
typischen Frauenrolle) erweckt, schält sich im Laufe der Zeit
unerwartet als der interessanteste und auch wichtigste heraus. Sie
ist die einzige Person, die eine offenkundige Entwicklung durchmacht,
und ist essentiell für den Ausgang der Ereignisse und deren finales
Fazit.
Der
Rest der Belegschaft bleibt indes arg unterentwickelt und wird
lediglich grob umrissen. Ausgerechnet Tony Anthonys Benedetto kommt
dabei am belanglosesten daher (und das, obwohl er ja höchstselbst
das Skript verzapfte). Ein besonders guter Schauspieler war er
freilich nie, hier jedoch agiert er sogar noch etwas träger als
sonst – was sich vor allem im darstellerischen Duett mit der
deutlich ausdrucksstärkeren Lucretia Love [→ THE KILLER RESERVED NINE SEATS] bemerkbar macht, gegen die er fast
vollständig verblasst. Anthony verlässt sich auf seine Maskerade
aus Anzug, Hut, Bart und Glimmstengel, was aber nicht ausreicht,
um glaubhaft ein Gangster zu sein. Zu allem Überfluss fährt Adolfo
Celi [→ EISKALTE TYPEN AUF HEISSEN ÖFEN] als sein
Kontrahent auch noch richtig auf und liefert als arroganter Mafiaboss
eine herrliche Vorstellung. Höhepunkt ist die Sequenz, in welcher
er sturzbetrunken die Treppe hinauf ins Bettchen wankt, quietschfrivol
herumlallend wie ein besoffener Schuljunge nach dem Abiball, und mit
seiner Liebsten auf Tuchfühlung gehen will. Als sie keine Lust hat,
kassiert sie wieder mal ne Schelle. Als sie dann erstmals
zurückschlägt, sitzt er sekundenlang da wie vom Donner gerührt,
starrt sie fassungslos an, das Händchen an der schmerzenden Wange,
und meint schließlich in einem Tonfall, der keinen Zweifel daran
zulässt, dass für ihn gerade die Welt aus den Fugen gerät:
„Du hast mich geohrfeigt.“
Der
deutsche Titel versuchte dem Werk einen gewissen epischen Stempel
aufzudrücken, was nicht nur die knapp bemessene Laufzeit Lügen
straft. Auch inhaltlich backt man hier bescheidenere Brötchen. 1931
– ES GESCHAH IN AMERIKA ist letzten Endes nicht mehr als ein
kleiner Krimi im Unterweltmilieu, dessen Story sehr simpel gestrickt
wurde, geht es doch im Grunde nur darum, dass zwei Parteien sich
immer wieder gegenseitig übers Ohr hauen, um sich einen Batzen
Bargeld abzuluchsen (was zumindest in einer bösen Pointe endet).
Adolfo Celi und seine Mannen wirken zudem auch nicht wirklich, als
seien sie die großen Syndikats-Zampanos, sondern machen eher den
Eindruck einer ungezogenen Rabaukenbande. Überdies wundert man sich
über den zum Teil recht lockeren Tonfall, der so gar nicht zur
eigentlich recht gewalttätigen Atmosphäre passen will (was
allerdings auch lediglich autonome Ausgeburt deutscher Synchronkunst
sein könnte). Als Benedettos Wagen während einer Verfolgungsjagd
droht, schlappzumachen, schreit er die Karre an: „Wenn du mich
jetzt im Stich lässt, pisse ich dir in den Tank!“ Und
zum Thema Partnerschaft weiß er: „Schaffst du dir ein
Weib ins Haus, fliegt dein Geld zum Fenster raus.“
1972
– Es geschah in Italien. Tony Anthony drehte mal wieder das, was
großen Jungs wie ihm Freude macht. Mit viel Kostüm, Dekor und
Maske, dazu etwas Sadismus und Selbstjustiz, abgeschmeckt mit blanken
Brüsten und blauen Bohnen, erschafft er seine eigene Westentaschen-Version von
großem Kino. Das wird niemals irgendjemand mit einem
Meisterwerk verwechseln. Aber für den kleinen Genre-Hunger
zwischendurch reicht das locker aus.
Laufzeit: 89 Min. / Freigabe: ab 16
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