Eigene Forschungen

Donnerstag, 3. Oktober 2013

DIE BRONX-KATZEN


SWITCHBLADE SISTERS
USA 1975

Regie:
Jack Hill

Darsteller:
Joanne Nail,
Robbie Lee,
Monica Gayle,
Asher Brauner,
Chase Newhart,
Marlene Clark,
Kitty Bruce,
Janice Karman



„Mütter, versteckt eure Söhne – die Bronx-Katzen sind los!“


Inhalt:

Die 'Dagger Debs' sind eine brutale New Yorker Mädchengang, vor welcher das ganze Viertel zittern muss. Doch eines Tages kommt Maggie [Joanne Nail] in die Stadt, welche sich nicht so ohne Weiteres einschüchtern lässt und den 'Debs' ordentlich Paroli bietet. Nach einer zünftigen Rauferei landet die Gang gemeinsam mit Maggie im Kittchen. Bandenchefin Lace [Robbie Lee] ist von den Nehmerqualitäten des Neuankömmlings überaus beeindruckt, und als sie ihr auch noch dabei behilflich ist, die Übergriffe der lesbischen Wärterin Mom Smackley [Kate Murtaugh] abzuwehren, entsteht eine Freundschaft zwischen den beiden Mädchen. Maggie wird in die Bande aufgenommen. Dieses missfällt wiederum der einäugigen Patch [Monica Gayle], welche nach Haftentlassung der 'Dagger Debs' unverzüglich anfängt, gegen die neue Konkurrentin zu intrigieren. Dass sich Laces Freund Dom [Asher Brauner] in Maggie zu verlieben scheint, kommt ihr dabei gerade recht. Doch damit nicht genug der Anfeindungen: Als die konkurrierende Gang des schrägen Drogendealers Crabs [Chase Newhart] auf ihre Schule versetzt wird, bricht auch noch ein blutiger Bandenkrieg los.

Kritik:

Nachdem Jack Hill mit COFFY und FOXY BROWN Pam Grier zur ungekrönten Königin des Blaxploitation-Kinos erhoben hatte, widmete sich der Meister des kostengünstigen Leinwandspektakels den Schicksalen deutlich bleichgesichtigerer Slumbewohner und lies die BRONX-KATZEN los. Gewohnt realitätsfern und spekulativ ausschlachtend kredenzte er eine von obszönen Dialogen beherrschte, angenehm räudige Räuberpistole über eine frevelhafte Mädchenbande, die, zwischen internen Intrigen und kriegerischen Anfeindungen, im verruchtesten Viertel der Stadt ihren Mann stehen muss. Und obwohl der gefeierte B-Film-Regisseur zur Vorbereitung seiner Sause mehrere tatsächliche Bandenmitglieder interviewte und lange Zeit einen ernsthaften Themenbeitrag plante, entschied er sich letztendlich doch wieder für das, was er am besten konnte und servierte einmal mehr zwar anspruchsloses, aber überaus charmantes Bahnhofskino voll feinsten Rambazambas. Und während die seriöse Kritik erneut inbrünstig abwinkte, über Dilettantismus und Gewaltverharmlosung klagte, bot sich dem etwas weniger wählerischen Publikum abermals eine willkommene Abwechslung zu Schlöndorff und Shakespeare.

Alles Echauffieren über Mangel an Intellekt und Anstand wäre tatsächlich auch reinste Zeitverschwendung, denn SWITCHBLADE SISTERS (so der wohl bekannteste Titel) ist eigentlich purer Unfug und in keiner Weise ernstzunehmen. Das beginnt bereits bei Joanne Nail als Quasi-Hauptfigur Maggie, die, selbst im Frauenknast noch in Overknees und Hot Pants unterwegs, zwar einen optischen Leckerbissen erster Kajüte darstellt, doch niemals auch nur im Ansatz wie eine Person wirkt, die es mit einer ganzen Straßengang aufnehmen könnte. Andererseits wirkt auch Lace, die von Robbie Lee verkörperte Anführerin der rabiaten Truppe, alles andere als ehrfurchtsgebietend, sondern eher wie jemand, dem bereits die Tränen in die Augen steigen, wenn ihm die Plätzchen im Ofen anbrennen. So erwecken die angeblich so beinharten 'Dagger Debs' eher den Eindruck einer ungezogenen Sandkastenkombo, der man nur mal ein bisschen Wangenapplaus spendieren müsste, um sie wieder zur Besinnung zu bringen. Dass diese pseudocoole Püppchenparade eine der gefürchtetsten Gangs im ganzen Ghetto darstellen soll, glaubt man nicht eine einzige Sekunde.

Natürlich könnte man, sofern man gewillt ist, den Umstand, dass die taffen Mädels und Jungs, die tagtäglich fett einen auf dicke Hose machen, innerlich eigentlich verletzlich und voller Zweifel sind, auch als beabsichtigte Sozialkritik auffassen, und tatsächlich klingt etwas Ähnliches zumindest zeitweise durchaus an, wenn Dom, Freund von Lace und natürlich ebenfalls Anführer eines mehr oder minder knallharten Straßenmobs, ihr in einem haltlosen Emotionsausbruch entgegenschleudert: „Diese ganze verfluchte Gang kotzt mich an!“. Allzu weit aus dem Fenster lehnen sollte man sich aufgrund dessen allerdings trotzdem nicht: THE JEZEBELS (und noch ein Alternativtitel) ist und bleibt ein oberflächliches Bandendrama, das in Inhalt und Dialog über das Niveau einer gewöhnlichen Seifenoper zu keiner Zeit herauskommt und auch niemals einen reellen Versuch unternimmt, eine Erklärung für gesellschaftliche Probleme zu liefern. Als Dokumentation taugt das wahrlich nichts - als schicke Schmierenkomödie hingegen umso mehr.

Einmal mehr erhob Jack Hill Trivialität zur Tugend, indem er sie geradezu mustergültig zelebrierte: Ungelenke Schlägereien wechseln sich ab mit kitschigen Beziehungskisten, pubertäre Sex- und Gewaltphantasien mischen sich mit arglosem Geblödel. Ernste Themen verkommen dabei zu belanglosen Banalitäten, während Tötungen und Misshandlungen nahestehender Menschen lapidar, nach kurzem pflichterfüllendem Trauermoment fast schon schulterzuckend zur Kenntnis genommen werden. Auch Prostitution (denn natürlich schicken die Mitglieder der männlichen Gang ihre Freundinnen auf den Strich) wird hier zum feucht-fröhlichen Vergnügen, wenn die Dame (die zwar genervt ist vom langen 'Arbeitstag', aber ansonsten eigentlich keine nennenswerten Probleme hat) auf der Schultoilette dem nächstbesten Kunden zum Sonderpreis von nur fünf Dollar angeboten wird – selbst, wenn dieser eigentlich gar kein Interesse hegt: So kommt der Klassenstreber um die Ecke und wird vom zuständigen Zuhälter mit inbrünstig werbenden Worten in die Toilettenräume gestoßen, während der arme Junge lauthals protestiert, da er eigentlich dringend in den Chemieunterricht müsse. Die Geldbörse des unfreiwilligen Freiers behält der Kuppler dabei selbstverständlich gleich ein, um sich seine fünf Dollar höchstpersönlich einzuverleiben.

Momente wie dieser, die heiße Eisen zu harmlosem Entertainment degradieren, sind keine Seltenheit und machen DIE BRONX-KATZEN zu einem politisch höchst unkorrekten Vergnügen, das unverbesserlichen Moralaposteln zwar tüchtig die Pumpe hochtreiben dürfte, tatsächlich jedoch in seiner unverblümt naiven Weltsicht und kuscheligen Wohlfühlattitüde vorzügliche 70er-Jahre-Unterhaltung bietet, zumal auch die Gewaltdarstellung, bei Hill ohnehin immer eher gemäßigt, hier noch mal zusätzlich gezügelt wurde und explizite Brutalitäten nahezu völlig ausbleiben. Und um den ruchlosen Ereignissen auch noch den Rest an Schrecken zu nehmen, bevölkerte Hill sein Drehbuch zusätzlich mit einer erquickenden Vielzahl schreiend schriller Figuren, die das grausame Ghetto endgültig in ein quietschbuntes Kabarett verwandeln. Das gilt vor allem für den von Chase Newhart verkörperten Drogendealer Crabs, der mit kariertem Beinkleid, sternverzierten Hosenträgern und glitzerndem Herrenhemd aussieht wie ein lauwarmer Kanarienvogel und optisch vielleicht auf den Christopher Street Day passen würde, aber ganz bestimmt nicht als Gangsterboss in die Bronx.

Doch auch abseits von Modemerkwürdigkeiten und Charakterkuriositäten sind DIE BRONX-KATZEN ein Sammelbecken herrlich abstruser Albernheiten: Im Frauengefängnis herrscht natürlich eine dicke Matrone, die auch gern mal Hand an ihre Schäfchen legt („Besser, du kommst ihr nicht in die Quere - die ist scharf wie Affenscheiße!“), Drogenhändler jubeln ihren Stoff armen Kindern bei der Essensausgabe unter („Er macht sogar Kinder süchtig - mit präparierten Vitaminpillen!“), und der einzige Ort, an dem die harten Ghettogangster ihre Waffen ablegen, ist die örtliche Rollschuhbahn („Die Bahn ist neutrales Territorium“), an welcher sich die harten Jungs selbstverständlich einmal in der Woche treffen, um unbeschwert Rollschuh zu laufen. Und da es Hill auch nicht so ganz gelang, seine Blaxploitation-Affinität zu zügeln, mischt aus heiterem Himmel auch noch eine Horde afro-amerikanischer, militanter Frauenrechtlerinnen mit („Politische Power erwächst aus dem Lauf einer Knarre!“), weswegen am Ende dann auch wieder eine Black Mama die letzten Kohlen aus dem Feuer holen darf (wofür sie natürlich mit einem privaten Panzerfahrzeug anrollt – Erklärungen sind überflüssig!).

Kurzum: SWITCHBLADE SISTERS ist eine wirklichkeitsfremde, doch äußerst burleske Angelegenheit, deren Grundtenor, trotz einiger Entgleisungen (wie der Umstand, dass aus einer Vergewaltigung heraus romantische Gefühle resultieren) zudem unerwartet feministisch geriet. Natürlich wäre es maßlos übertrieben, zu behaupten, Hills Werk sei ein ernstzunehmendes emanzipatorisches Manifest, doch erweisen sich die weiblichen Figuren ihren männlichen Pendants gegenüber sowohl charakterlich als auch emotional als deutlich überlegen. So gibt es hier tatsächlich nicht eine einzige männliche Identifikationsfigur, so dass die Sympathien sich klar auf die Mitglieder der Mädchengang verteilen, welche dann auch schließlich erkennen, dass sie auf die Unterstützung des vermeintlich starken Geschlechts gar nicht angewiesen sind. „Hol dir einen Mann, wenn du was brauchst fürs Bett - dann wirf ihn weg!“, lautet die finale Quintessenz, ausgesprochen von der schwarzen Revoluzzerin Muff [Marlene Clark].

Das humorlose 'Lexikon des internationalen Films' gab sich mal wieder stocksteif und unterstellte den BRONX-KATZEN „ein Zeugnis menschenverachtender Gesinnung". Das ist nun freilich heillos übertrieben. Selbstverständlich ist und bleibt SWITCHBLADE SISTERS eine Billigproduktion (das Budget betrug lachhafte 320.000 Dollar und die Drehzeit gerade mal zwölf Tage), die mit spekulativen Elementen versucht, möglichst viel Umsatz zu machen und an der es auch formal Einiges zu bekritteln gäbe: So ist der Schnitt in den Actionszenen eine Katastrophe und auch die Choreographie kommt reichlich hüftsteif daher (man beachte vor allem die Gefängnisschlägerei, bei welcher sich die Personen bereitwillig in Positur stellen, um sich treffen zu lassen). Zudem schlagen manche Darsteller zeitweilen vollkommen über die Stränge und betreiben ein Overacting, dass die Bronx bebt (das gilt vor allem für die männlichen Darsteller, doch auch Joanne Nail übertreibt es in der Schlussszene maßlos).

Doch obwohl eine charismatische Hauptdarstellerin vom Schlage einer Pam Grier fehlt (Joanne Nail bleibt insgesamt deutlich zu brav), und manch ein Scherz in seiner Harmlosigkeit eher an bieder-deutschen Lustspielklamauk erinnert (so versteckt ein Bandenmitglied ein Unterhöschen in der Jacke ihres Lehrers – hach, wie rebellisch!), geriet Hills Ganovenstück zu einer runden Sache, die durchaus auch einige gelungene Regieeinfälle zu bieten hat (so erscheint der Schlusskampf zweier Mädchen lediglich als Schattenspiel an der Wand). Allen Defiziten zum Trotze geriet THE JEZEBELS somit geradezu unverschämt liebenswert und bietet trotz seiner ernsthaften Thematik jede Menge an Putzigkeiten. Dass die rabiate Schlägerbraut Patch einen Schmetterling auf ihrer Augenklappe durch die Gegend trägt, darf dabei ohne Weiteres als Metapher verstanden werden: Gewalt und Brutalität werden zum kindlich-unbekümmerten Ulk, der niemandem mehr wehtut. Somit versprühen DIE BRONX-KATZEN auf angenehme Art und Weise den unbeschwerten Zeitgeist ihrer Entstehung.

Die JEZEBELS laden ein zur großen Ghetto-Gaudi, und alle machen mit! Eine Handvoll schnuckeliger Schnecken schimpft, schlägt und ränkeschmiedet sich leidenschaftlich durch ein himmelschreiend absurdes Bandenkriegsszenario, und der bluesige Soundtrack groovt einem dazu die Hütte voll und schämt sich nicht mal. DIE BRONX-KATZEN sind nicht nur für Tierfreunde eine Empfehlung.

Laufzeit: 87 Min. / Freigabe: ungeprüft

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