Eigene Forschungen

Donnerstag, 15. Mai 2014

GODZILLA


GODZILLA
USA, Japan 2014

Regie:
Gareth Edwards

Darsteller:
Bryan Cranston,
Aaron Taylor-Johnson,
Juliette Binoche,
Ken Watanabe,
David Strathairn,
Elizabeth Olsen,
Sally Hawkins,
Victor Rasuk



"Oh no, there goes Tokyo, go go Godzilla“ [Blue Oyster Cult]
 

Im Jahre 1954 verbreitete 'Godzilla' das erste Mal Angst und Schrecken. Entstanden als Reaktion auf die Erfolge amerikanischer Monsterfilme, inszenierte der japanische Regisseur Ishirō Honda die düstere Utopie einer dem Meer entsteigenden, atomar verseuchten Superbestie, welche, mit tödlichem Feueratem und markerschütterndem Schrei ausgestattet, die pulsierende Großstadt Tokio in ein gigantisches Trümmerfeld verwandelt. Während GODZILLA im Ausland vor allem wegen seiner Schauwerte erfolgreich wurde, war das von melancholischer Stimmung geschwängerte Schauermärchen für das japanische Publikum viel mehr als nur eine simple Jahrmarktsattraktion: Das riesige Untier, das auf seinem Weg nichts als Tod und Trauer hinterlässt, stand sinnbildlich für die Schrecken der amerikanischen Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki – ein urjapanisches Trauma, welches damals noch nicht einmal 10 Jahre alt war.

Die simple (wenngleich auch effektvolle) Tricktechnik mit Kostümen und Modellen wurde im Westen eher belächelt, verlieh Hondas Schwarz-Weiß-Epos jedoch individuellen Charakter. In den zahlreichen Fortsetzungen wandelte sich das finstere Schreckensszenario des Erstlings dann langsam, aber sicher zur schreiend bunten Karnevalsveranstaltung, die mit dem pessimistischen Charakter des Ursprungs so rein gar nichts mehr zu tun hatte. Zwar gab es im Laufe der Zeit durchaus Bestrebungen, die einstige Ernsthaftigkeit wieder zurückzuholen, letztendlich jedoch überwog der infantile Spieltrieb. Dem Unterhaltungswert war das kaum abträglich, blieb die GODZILLA-Serie auf diese Weise doch trotz ihres Wiedererkennungswertes stets abwechslungsreich und bediente von düster bis infantil so ziemlich jeden Publikumsgeschmack.

Obwohl es fraglos riskant war, einer dermaßen stark mit der japanischen Kultur verwurzelten Galionsfigur einen westlichen Stempel aufzudrücken, reichen die ersten amerikanischen Annexionsversuche bis in die 80er Jahre zurück, als es Pläne gab, 'Godzilla' in Stop-Motion-Technik San Francisco angreifen zu lassen – wozu es niemals kommen sollte. Erst dem auf aufwändige Weltuntergangsszenarien geeichten Regisseur Roland Emmerich gelang es im Jahre 1998 nach langen Verhandlungen, die erste US-Version des Kultmonsters ins Kino zu bringen. Doch Emmerichs GODZILLA geriet jämmerlich: Ohne jeden Respekt vor der Vorlage verwandelten Autor und Regie den atomar verseuchten Saurier in einen riesigen Leguan und veränderten Gestalt und Gebaren so radikal, dass vom Original (bis auf den Namen) nichts mehr übrigblieb. Nach diesem sowohl künstlerischen als auch finanziellen Flop dauerte es über 15 Jahre, bis der Brite Gareth Edwards einen zweiten Versuch unternahm, der übergroßen Berühmtheit zu einem ehrenhaften USA-Auftritt zu verhelfen:

Inhalt:

1999: Bei Bohrungen auf den Philippinen stoßen Arbeiter auf die Überreste einer unbekannten gigantischen Lebensform. Kurze Zeit später kommt es in einem japanischen Atomkraftwerk zur nuklearen Katastrophe, bei welcher der dort stationierte amerikanische Ingenieur Joe Brody [Bryan Cranston] seine Frau verliert. 15 Jahre später: Nach wie vor ist Brody der felsenfesten Überzeugung, dass die offizielle Behauptung, ein Erdbeben habe den damaligen Zwischenfall verursacht, eine Lüge ist. Auf dem ehemaligen Gelände des Atommeilers vermutet er ein von der Regierung streng gehütetes Geheimnis. Als er sich eines Tages mit seinem erwachsenen Sohn Ford [Aaron Taylor-Johnson] ins Sperrgebiet schleicht, kommt es erneut zu gewaltigen Erschütterungen. Fassungslos werden die beiden Zeuge, wie ein riesiges Monster aus seinem Schlaf erwacht und eine Schneise der Verwüstung hinterlässt. Das Militär ist verzweifelt und betrachtet Atomwaffen als einzigen Ausweg. Nur der Wissenschaftler Ichiro Serizawa [Ken Watanabe] zieht noch eine andere Möglichkeit in Betracht: den Kampf gegen ein anderes, sagenumwobenes Monster. Godzilla!

Kritik:

Tatsächlich schafft es die Neuauflage der Neuauflage, die gröbsten Fehler zu vermeiden und erzählt ihre Geschichte mit deutlich mehr Wertschätzung für die Ursprünge und Wissen um den Grund des weltweiten Kultes. Der GODZILLA des Jahres 2014 ist dabei nicht etwa eine Fortsetzung des GODZILLAs von 1954, wie im Vorfeld häufiger spekuliert wurde, sondern ein kompletter Neubeginn, wenn auch gespickt mit massig Reminiszenzen an vergangene Zeiten. Bereits der Umstand, dass große Teile der Handlung in Japan stattfinden, sorgt für heimelige Gefühle, und auch den Hauptfauxpas der 98er Version hat man natürlich vermieden: Godzilla ist hier – trotz einiger kleinerer Modifizierungen - ganz eindeutig Godzilla, und kommt einem, obwohl mittels Hochleistungsprozessor statt Latexanzug zum Leben erweckt, in Bewegung und Betragen doch angenehm vertraut vor.

Überraschenderweise verzichtete das Skript darauf, den Neustart einzig und allein seiner Titelfigur zu widmen, wie man es eigentlich erwarten könnte, sondern bediente sich stattdessen auch hier bei einem der prägnantesten Konzepte der Originalserie, in welcher es in der Regel weniger um den Kampf Mensch gegen Monster ging, als vielmehr um den Kampf verschiedener Monster gegeneinander. Aus diesem Grunde entwarf man mit M.U.T.O (nur ausgewiesene Supernerds müssen wissen, wie der vollständige Name lautet, nämlich 'Massiver, Unidentifizierter, Terrestrischer Organismus') ein weiteres gigantisches Untier, das in seiner Mischung aus CLOVERFIELD-Bestie, H.-R.-Giger-ALIEN und GAMERA-Unhold 'Gyaos' eine absolut gelungene Neukreation ganz im Stile der japanischen Schöpfungen darstellt. Bis die riesigen Ungeheuer zum großen Finale aufeinandertreffen dürfen, vergeht allerdings einige Zeit, die überwiegend durch Vorahnungen, Schicksalsschläge und militärische Planarbeit überbrückt wird.

Dem Team um Gareth Edwards gelang es dabei bedauerlicherweise nicht, die korrekte Balance zwischen Gemenschel und Getöse herzustellen. Immer wieder werden die an sich großartig inszenierten Bombastaufnahmen brachialer Massenverwüstung und pompöser Monstergefechte durch schlichtweg uninteressante, nach sattsam bekanntem Schema dargebotene Drama- und Militarismus-Momente unterbrochen, die das Tempo massiv ausbremsen. Jedes Mal, wenn man gerade der Meinung ist, nun ginge es richtig los, wird auch schon wieder weggeschaltet, was einen auf Dauer unbefriedigt zurücklässt (das geht so weit, dass von einem ganzen, für die Handlung nicht unerheblichen Kampf nach vielversprechendem Beginn lediglich noch ein paar Fernsehbilder zu sehen sind). Die gegebenen Möglichkeiten eines entfesselten Effektspektakels werden so lediglich leicht angekratzt.

Nun wäre das alles halb so schlimm, hätte man es mit interessanten Charakteren zu tun, für die sich ein Wegschalten tatsächlich lohnen würde. Doch auf dieser Ebene versagt Edwards' Arbeit fatalerweise auf ganzer Linie, obwohl man sich doch gerade dadurch von der Konkurrenz abheben wollte. Blassnase Aaron Taylor-Johnson in der Hauptrolle bleibt einem trotz diverser Heldentaten stets fremd, und selbst ein so großartiger Schauspieler wie Bryan Cranston kann beim Publikum trotz des tragischen Hintergrundes seiner Figur kaum Emotionen auslösen. Am Ende liegen sich die Überlebenden zwar schluchzend in den Armen, das ratlose Publikum hingegen zuckt eher die Schultern - wer hier überlebt und wer nicht, das war einem dann letztendlich doch reichlich egal. Lediglich der in Hollywood berühmt gewordene Ken Watanabe als Wissenschaftler sowie David Strathairn als Militäroberhaupt stehlen dem Rest bereits durch ihre bloße Präsenz die Show, haben jedoch beide so gut wie nichts zu tun.

Im Nachhinein wirkt der anfängliche Fokus auf das menschliche Drama und die inneren Konflikte ohnehin fast lachhaft, läuft die ganze Sache doch letzten Endes auf eine denkbar banale Monsterschlacht hinaus, für welche die zu Beginn so emsig überbetonten Schicksale dann überhaupt keine Rolle mehr spielen. So stolpert GODZILLA 2014 schließlich über seine selbst auferlegten Ansprüche, und auch der bekräftigte „realistische Ansatz“ stellt sich mehrfach ein Bein: Dass in Zeiten von Twitter & Co. niemand so wirklich das Auftauchen eines haushohen Ungeheuers mitbekommt, ist ebenso schwer zu glauben wie die Behauptung, dass das Militär wirklich keine bessere Ideen hat, als die Monster immer wieder mit simplen Pistolen und Gewehren zu attackieren (was allein aus dem Grunde bedauerlich ist, dass der in den Originalen so genüsslich zelebrierte Raketenbeschuss hier keine Verwendung findet). In einem etwas weniger ambitionierten Monsterkracher wären solche Dinge kaum der Rede wert, wer sich jedoch 'Realismus' auf die Fahnen schreibt, sollte im wahrsten Sinne des Wortes größere Geschütze auffahren.

Wirklich begeistern können hingegen die Spezialeffekte, die nahezu makellos geraten sind. Die Monster wirken in Gestik und Mimik dermaßen glaubhaft, dass man fast meint, sie würden gleich von der Leinwand steigen. Vor allem bei Godzilla gewinnt man den Eindruck, das Gummikostüm der Vergangenheit sei zu realem Leben erwacht und zum waschechten Koloss mutiert. Für manche Fans der ersten Stunde mag das ein hartes Brot sein, war die sympathische Durchschaubarkeit der angewandten Tricks, die willentliche Aussetzung der Ungläubigkeit doch immer auch essentieller Bestandteil der Magie, die von dem Leinwandriesen ausging. Doch die digitale Generalüberholung steht dem etwas in die Jahre gekommenen Monsterkönig ausgezeichnet und sorgt für den dringend benötigten Frischwind im Franchise. Die Kampfhandlungen bestechen dazu durch wirklichkeitsgetreue Bewegungsabläufe und lassen einen komplett vergessen, es lediglich mit einer Animation zu tun zu haben - umso bedauerlicher, dass eben solche Szenen eher Seltenheitswert besitzen.

Trotz dramaturgischer Schwächen und mangelnder Charakterzeichnung bleibt Edwards' engagiertes Werk eine gelungene Wiedergeburt der Leinwandlegende, die über weite Strecken voll und ganz den Geist der Vorlage atmet. Wenn Ken Watanabe Godzilla in geradezu mystischer Verbrämung als Stabilisator der Kräfte bezeichnet oder mit in die Ferne entrücktem Blick moralinsaure Botschaften in die Welt hinausschwadroniert („Die Arroganz des Menschen ist es, zu glauben, er hätte die Natur unter Kontrolle - und nicht andersherum“), dann merkt man, dass die Macher das zu Grunde liegende Konzept verstanden haben, und fühlt sich dem Original in wohliger Nähe. GODZILLA 2014 ist somit vor allem eines: Die erste wirkliche Ehrerbietung des Westens an eine Ikone des Ostens. Nur 60 Jahre hat's gedauert.

Laufzeit: 123 Min. / Freigabe: ab 12

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