Italien 1974
Regie:
Sergio Martino
Darsteller:
Luc Merenda,
Dayle Haddon,
Corrado Pani,
Enrico Maria Salerno,
Lino Troisi,
Giovanni Javarone,
Salvatore Puntillo,
Carlo Alighiero
Inhalt:
Luca
Altieri [Luc Merenda], lächerlich lässig mit Motorroller und Nelke im
Knopfloch unterwegs, betritt eine schummerige, eher schlecht besuchte
Kneipe und bestellt beim Barmann einen ganz besonderen Cocktail: Milch
und Champagner. Dieser ungewöhnliche Wunsch öffnet ihm eine verborgene
Tür hinter den Waschräumen: die Tür zum illegalen Spielcasino des
„Präsidenten“ [Enrico Maria Salerno]. Die dort anwesenden Spieler
belächeln seine alberne Erscheinung ebenso wie seine vermeintliche
Ahnungslosigkeit beim Pokerspiel und müssen erst, nachdem er sie nach
Strich und Faden ausgenommen hat, einsehen, dass er ein besserer
Trickbetrüger ist als sie selbst es jemals waren. Dieser Umstand beeindruckt den
„Präsidenten“, den an den Rollstuhl gefesselten Chef des Etablissements,
so sehr, dass er den jungen Mann vom Fleck weg als neuen Mitarbeiter
engagiert. Nun beginnt Luca die Karriereleiter emporzusteigen, freilich nicht, ohne dabei den Hass von „Präsidenten“-Sohn Corrado [Corrado Pani]
auf sich zu ziehen. Als Luca auch noch mit dessen ‚Freundin‘ Maria [Dayle
Haddon] anbandelt, die von Corrado wie ein Hund an der Leine gehalten
wird, ist das der Beginn einer katastrophalen Ereigniskette.
Kritik:
Kritik:
Sergio
Martino ist ein Name, den Freunde des italienischen Kinos in erster
Linie mit seinen Beiträgen zum Giallo-Genre verbinden. Mit DER SCHWANZ DES SKORPIONS und DER KILLER VON WIEN
inszenierte er zwei der beliebtesten Vertreter dieser italienischen
Thriller-Variante, beides stilistisch ausgefeilte, blutgetränkte
Kriminalgeschichten, in welchen schwarzbehandschuhte Rasiermessermörder
gutaussehenden Frauen brutal den Lebensfaden zerschneiden. Tatsächlich
jedoch beackerte der emsige Regisseur im Laufe seiner Karriere so
ziemlich jede erfolgversprechende Kategorie und erarbeitete sich dabei
den Ruf des grundsoliden Handwerkers, in dessen Arbeiten sich
künstlerischer Anspruch und profane Massenunterhaltung die Klinke in die
Hand geben. Mit HETZJAGD OHNE GNADE
versuchte er sich am Gangsterdrama und zeichnete die zwar wenig
innovative, doch nichtsdestoweniger durchgehend kurzweilige Story des
Falschspielers Luca, der sich nach bewährtem Muster zum Liebling des
Paten hocharbeitet, um sich im Anschluss, durch das Verlieben in die
falsche Frau, wieder um Geld und Glück zu bringen und eine nicht enden
wollende Gewaltspirale in Gang zu setzen.
Die zeitliche Nähe zu DER CLOU mag womöglich kein Zufall sein, doch geht Martinos Werk einen ganz anderen, deutlich radikaleren Weg als George Roy Hills kauziger Klassiker und tauscht dessen lässige Eleganz gegen lasterhaftes Treiben – das Duell am Spieltisch wird zum Kampf auf Leben und Tod. Vor allem zu Beginn geht es dabei mit beachtlichem Tempo voran; allzu zeitraubende Erklärungen betreffend Motivation und Zielsetzung sparte man sich kurzerhand, und auf eine unnötig umständliche Charakterzeichnung wurde bereits allein dadurch verzichtet, dass die auftretenden Figuren nach sattsam bekannten Schablonen auf den Punkt skizziert wurden: Hier Luc Merenda [→ DER MANN OHNE GEDÄCHTNIS] als von jugendlicher Ungestümheit erfüllter Spitzbube, der mit losem Mundwerk und flinkem Finger so ziemlich jede Situation zu meistern versteht und bereits in der Eröffnungsszene lässig mit seinem Motorroller ins Bild fährt, dort Corrado Pani [→ PINOCCHIO] als sein Gegenspieler, Papas Sohn, Frauenschläger, Mörder und schlechter Verlierer obendrein. Und mittendrin Dayle Haddon [→ BIG BOY] als rehäugige Schutzbedürftige, die fast schon sinnbildlich für den Traum von Frieden und Freiheit steht. Und über allem thront Enrico Maria Salerno [→ DAS SYNDIKAT] als mobilitätseingeschränkter Mentor, der, trotz seiner Funktion als oberster Käse der Mafia, noch am meisten Ehre im Leibe hat.
Mögen einem die Figuren in ihrer Reißbrettartigkeit auch merkwürdig vertraut verkommen, so funktioniert deren Konstellation über weite Strecken dennoch, obwohl selbst die Charakterentwicklung in bekannten Bahnen verläuft: Luc Merendas Fassade als jugendlicher Heißsporn bekommt Risse, als ihm – DJANGO lässt grüßen! - seine Hände, die Instrumente, die ihn regelmäßig zum Sieg führten, die quasi seine Existenz bedeuten, unerbittlich zertrümmert werden. Aus dem unbeschwerten Lebemann wird ein Besessener, der wie wahnsinnig für seine große Rückkehr trainiert. Dayle Haddon lernt, sich in der Rolle des Opfers nicht mehr länger zu gefallen und ein Leben in Freiheit vorzuziehen (es liegt an der für die Zeit typischen Machismus’ des Drehbuchs, dass sie dennoch bis zum Schluss das schutzsuchende Duckmäuschen bleibt und ihre Funktion letztendlich nur darin liegt, dem Hauptcharakter ein Kind versprechen zu können). Corrado Pani steigert sich indes mehr und mehr zum Monster, dessen unbedachter Leichtsinn ihn schließlich – wenn auch auf sträflich banale Art und Weise – in seinen Untergang führen soll.
Die Möglichkeiten, die sich daraus sowohl auf darstellerischer als auch narrativer Ebene ergeben, werden allerdings lediglich im Ansatz ausgeschöpft, besonders die Rolle Luc Merendas wirkt fast schon irritierend verschenkt: Sein Weg vom Leichtfuß zum Fanatiker nutzt das vorhandene Potential nicht wirklich aus, zieht sein Spiel doch kaum Trennlinien zwischen den einzelnen Phasen. Auch seine quasi aus heiterem Himmel hereinbrechenden Gefühlswallungen für die Frau seines Feindes wirken nicht nachvollziehbar. Wirklich aufrüttelnde oder gar prägende Momente gelingen HETZJAGD OHNE GNADE nur selten. Einer davon ist die Szene, als Corrado, in ohnmächtiger Verzweiflung darüber, dass seine Geliebte Maria (die er in ständiger Selbsterhöhung als „sein Eigentum“ bezeichnet) sich einem anderen hingegeben hat, seinem Leibwächter befiehlt, sie zu vergewaltigen. Während der Mann über die hilflose Frau herfällt, spiegelt sich in Corrados Gesicht eine ekelhafte Mischung aus Lust und Verzweiflung, wird ihm seine eigene Impotenz, die er regelmäßig durch seinen Reichtum zu kompensieren versucht, doch bewusster als je zuvor.
Der schwelende Konflikt zwischen Enrico Maria Salerno als unantastbare Vaterfigur (die sich selbst „Präsident“ nennt), die viel lieber den gewieften Luca als seinen Nachfolger sähe, und Corrado Pani als dessen machthungriger und unbeherrschter Sohn, der seine Minderwertigkeit durch Gewaltausbrüche auszugleichen versucht, birgt eine Menge Zündstoff, wenn der Ausgang auch vorhersehbar ist. Dass die Wege aller Beteiligten in eine sichere Katastrophe führen, ist ohnehin von Anfang an gewiss, rasen ihre Schicksale doch wie unaufhaltsame Schnellzüge aufeinander zu – es bleibt nur die Frage, wer am Ende am wenigsten Schaden davontragen wird. Diese trostlose Prädestination ist der Grund dafür, dass HETZJAGD OHNE GNADE trotz allem so dicht und mitnehmend geriet, obwohl er seiner Innovationsarmut noch nicht einmal besonders ausgeklügelte Spannungs- oder gar Actionmomente entgegenhält: Die Hetzjagd, die plakativ in den deutschen Titel gehievt wurde, dauert nur wenige Minuten, und wurde genretypisch mit Blechschaden und Explosion garniert. Sonstige Attraktionen beschränken sich auf Dinge wie eine übertrieben unblutig inszenierte Massenerschießung und diverse, wiederum von einer Extraportion knallroten Kunstbluts getränkte Verformungsarbeiten an Lucas Greifwerkzeugen.
Es ist schön, dass an mancher Stelle trotz vorherrschender Konventionalität der Spieltrieb Martinos die Oberhand gewinnen konnte, z. B. wenn er seine Hauptfigur in einem Raum voller Schaufensterpuppen zusammenschlagen lässt und damit ein herrlich surreales Bild erzeugt. Und wenn etwas später in selber Kulisse bereits erwähnte Hinrichtungsorgie stattfindet und man statt zersiebter Gangstervisagen lediglich zerfetzende Puppengesichter zu sehen bekommt, dann ist das schon eine wahrhaft beklatschenswerte Verweigerung an die Erwartungshaltung des Publikums, welche einen die abgeschmackt kitschigen Liebesszenen, inklusive obligatorischem schmalzmusikumhüllten Strandspaziergang, beinahe wieder vergessen lässt. Der träge Soundtrack Luciano Michelinis [→ DIE KILLERMAFIA] erntet ohnehin wenig Applaus, die generelle Großartigkeit italienischer Filmmusik weicht hier langweiligem (zudem häufig unpassend eingesetztem) Standard-Gedudel.
Zwar werden hier nicht nur Karten ausgeteilt, insgesamt jedoch ist HETZJAGD OHNE GNADE weitaus weniger atemlos unterwegs, als einem sein deutscher Titel suggerieren möchte. Im Grundton ruppig, in der Umsetzung mit Ecken und Kanten, sorgt das schroffe Zocker-Drama im Gangstermilieu dennoch und trotz seiner Formelhaftigkeit für anständige Zerstreuung.
Die zeitliche Nähe zu DER CLOU mag womöglich kein Zufall sein, doch geht Martinos Werk einen ganz anderen, deutlich radikaleren Weg als George Roy Hills kauziger Klassiker und tauscht dessen lässige Eleganz gegen lasterhaftes Treiben – das Duell am Spieltisch wird zum Kampf auf Leben und Tod. Vor allem zu Beginn geht es dabei mit beachtlichem Tempo voran; allzu zeitraubende Erklärungen betreffend Motivation und Zielsetzung sparte man sich kurzerhand, und auf eine unnötig umständliche Charakterzeichnung wurde bereits allein dadurch verzichtet, dass die auftretenden Figuren nach sattsam bekannten Schablonen auf den Punkt skizziert wurden: Hier Luc Merenda [→ DER MANN OHNE GEDÄCHTNIS] als von jugendlicher Ungestümheit erfüllter Spitzbube, der mit losem Mundwerk und flinkem Finger so ziemlich jede Situation zu meistern versteht und bereits in der Eröffnungsszene lässig mit seinem Motorroller ins Bild fährt, dort Corrado Pani [→ PINOCCHIO] als sein Gegenspieler, Papas Sohn, Frauenschläger, Mörder und schlechter Verlierer obendrein. Und mittendrin Dayle Haddon [→ BIG BOY] als rehäugige Schutzbedürftige, die fast schon sinnbildlich für den Traum von Frieden und Freiheit steht. Und über allem thront Enrico Maria Salerno [→ DAS SYNDIKAT] als mobilitätseingeschränkter Mentor, der, trotz seiner Funktion als oberster Käse der Mafia, noch am meisten Ehre im Leibe hat.
Mögen einem die Figuren in ihrer Reißbrettartigkeit auch merkwürdig vertraut verkommen, so funktioniert deren Konstellation über weite Strecken dennoch, obwohl selbst die Charakterentwicklung in bekannten Bahnen verläuft: Luc Merendas Fassade als jugendlicher Heißsporn bekommt Risse, als ihm – DJANGO lässt grüßen! - seine Hände, die Instrumente, die ihn regelmäßig zum Sieg führten, die quasi seine Existenz bedeuten, unerbittlich zertrümmert werden. Aus dem unbeschwerten Lebemann wird ein Besessener, der wie wahnsinnig für seine große Rückkehr trainiert. Dayle Haddon lernt, sich in der Rolle des Opfers nicht mehr länger zu gefallen und ein Leben in Freiheit vorzuziehen (es liegt an der für die Zeit typischen Machismus’ des Drehbuchs, dass sie dennoch bis zum Schluss das schutzsuchende Duckmäuschen bleibt und ihre Funktion letztendlich nur darin liegt, dem Hauptcharakter ein Kind versprechen zu können). Corrado Pani steigert sich indes mehr und mehr zum Monster, dessen unbedachter Leichtsinn ihn schließlich – wenn auch auf sträflich banale Art und Weise – in seinen Untergang führen soll.
Die Möglichkeiten, die sich daraus sowohl auf darstellerischer als auch narrativer Ebene ergeben, werden allerdings lediglich im Ansatz ausgeschöpft, besonders die Rolle Luc Merendas wirkt fast schon irritierend verschenkt: Sein Weg vom Leichtfuß zum Fanatiker nutzt das vorhandene Potential nicht wirklich aus, zieht sein Spiel doch kaum Trennlinien zwischen den einzelnen Phasen. Auch seine quasi aus heiterem Himmel hereinbrechenden Gefühlswallungen für die Frau seines Feindes wirken nicht nachvollziehbar. Wirklich aufrüttelnde oder gar prägende Momente gelingen HETZJAGD OHNE GNADE nur selten. Einer davon ist die Szene, als Corrado, in ohnmächtiger Verzweiflung darüber, dass seine Geliebte Maria (die er in ständiger Selbsterhöhung als „sein Eigentum“ bezeichnet) sich einem anderen hingegeben hat, seinem Leibwächter befiehlt, sie zu vergewaltigen. Während der Mann über die hilflose Frau herfällt, spiegelt sich in Corrados Gesicht eine ekelhafte Mischung aus Lust und Verzweiflung, wird ihm seine eigene Impotenz, die er regelmäßig durch seinen Reichtum zu kompensieren versucht, doch bewusster als je zuvor.
Der schwelende Konflikt zwischen Enrico Maria Salerno als unantastbare Vaterfigur (die sich selbst „Präsident“ nennt), die viel lieber den gewieften Luca als seinen Nachfolger sähe, und Corrado Pani als dessen machthungriger und unbeherrschter Sohn, der seine Minderwertigkeit durch Gewaltausbrüche auszugleichen versucht, birgt eine Menge Zündstoff, wenn der Ausgang auch vorhersehbar ist. Dass die Wege aller Beteiligten in eine sichere Katastrophe führen, ist ohnehin von Anfang an gewiss, rasen ihre Schicksale doch wie unaufhaltsame Schnellzüge aufeinander zu – es bleibt nur die Frage, wer am Ende am wenigsten Schaden davontragen wird. Diese trostlose Prädestination ist der Grund dafür, dass HETZJAGD OHNE GNADE trotz allem so dicht und mitnehmend geriet, obwohl er seiner Innovationsarmut noch nicht einmal besonders ausgeklügelte Spannungs- oder gar Actionmomente entgegenhält: Die Hetzjagd, die plakativ in den deutschen Titel gehievt wurde, dauert nur wenige Minuten, und wurde genretypisch mit Blechschaden und Explosion garniert. Sonstige Attraktionen beschränken sich auf Dinge wie eine übertrieben unblutig inszenierte Massenerschießung und diverse, wiederum von einer Extraportion knallroten Kunstbluts getränkte Verformungsarbeiten an Lucas Greifwerkzeugen.
Es ist schön, dass an mancher Stelle trotz vorherrschender Konventionalität der Spieltrieb Martinos die Oberhand gewinnen konnte, z. B. wenn er seine Hauptfigur in einem Raum voller Schaufensterpuppen zusammenschlagen lässt und damit ein herrlich surreales Bild erzeugt. Und wenn etwas später in selber Kulisse bereits erwähnte Hinrichtungsorgie stattfindet und man statt zersiebter Gangstervisagen lediglich zerfetzende Puppengesichter zu sehen bekommt, dann ist das schon eine wahrhaft beklatschenswerte Verweigerung an die Erwartungshaltung des Publikums, welche einen die abgeschmackt kitschigen Liebesszenen, inklusive obligatorischem schmalzmusikumhüllten Strandspaziergang, beinahe wieder vergessen lässt. Der träge Soundtrack Luciano Michelinis [→ DIE KILLERMAFIA] erntet ohnehin wenig Applaus, die generelle Großartigkeit italienischer Filmmusik weicht hier langweiligem (zudem häufig unpassend eingesetztem) Standard-Gedudel.
Zwar werden hier nicht nur Karten ausgeteilt, insgesamt jedoch ist HETZJAGD OHNE GNADE weitaus weniger atemlos unterwegs, als einem sein deutscher Titel suggerieren möchte. Im Grundton ruppig, in der Umsetzung mit Ecken und Kanten, sorgt das schroffe Zocker-Drama im Gangstermilieu dennoch und trotz seiner Formelhaftigkeit für anständige Zerstreuung.
Laufzeit: 95 Min. / Freigabe: ungeprüft
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