Eigene Forschungen

Dienstag, 29. Dezember 2020

CURSE OF EVIL


CHE JAU
Hongkong 1982

Regie:
Kuei Chih-Hung

Darsteller:
Tai Liang-Chun,
Ai Fei,
Lily Li Li-Li,
Lau Ar-Lai,
Yu Tsui-Ling,
Eric Chan Ga-Kei,
Jason Pai Piao,
Wang Lai



Wenn die grandios schrammelige Shaw Brothers-Fanfare ertönt, dann weiß der Kino-Freund in der Regel, was ihn erwartet: irgendwas mit Schwertern, Fäusten und/oder Gelben Tigern (wahlweise auch Drachen oder Panthern, je nachdem, welches Tier dem deutschen Titelschmied gerade so in den Sinn kam). Die teils sehr aufwändigen Kung-Fu-Epen waren das Aushängeschild des Studios und gewannen eine weltweite Fan-Gemeinde. Oft und gern wird dabei vergessen oder übersehen, dass das Studio auch andere Genre-Gelüste bediente. So standen auf dem Shaw-Spielplan auch solche Dinge wie Romantik [→ EINE LIEBE IN HONGKONG], Science-Fiction [→ INVASION AUS DEM INNEREN DER ERDE], Riesenmonster-Rambazamba [→ DER KOLOSS VON KONGA] – und nicht selten auch okkultistisch angehauchter Horror-Schlonz mit viel Gewürm und Gedärm. In letztere Kategory fällt auch CURSE OF EVIL. Die unfassbare Unterhaltungsbombe ist für sensible Seelen zwar nur bedingt geeignet, bietet allen anderen aber ein prächtiges Potpourri aus Schandtaten, Schleim und Schreckgestalten. 

Inhalt:

Die wohlhabende chinesische Großfamilie Shi ist verflucht. Vor über 30 Jahren ermordeten ruchlose Banditen 13 ihrer Mitglieder, deren Leichen danach im Brunnen entsorgt wurden. Seitdem kommt es bei Hinterbliebenen und Nachkommen in regelmäßigem Zyklus immer wieder zu mysteriösen Todesfällen. Als nach einigen Jahren Ruhe die jüngste Shi-Tochter im Garten der Villa ein scheußliches Untier in Gestalt eines blutigen Frosches entdeckt, deutet die weise Großmutter dies als Vorbote neuen Unheils. Und sie behält Recht: In den folgenden Tagen verschwinden immer mehr Angehörige und Bedienstete, während wiederholt ein widerliches Wurm-Wesen gesichtet wird, das durch Gänge und Gemächer des Hauses kriecht.

Kritik:

CURSE OF EVIL beginnt zwar wie klassischer Geisterhaus-Grusel, wenn der Vorspann Bilder einer alten Standuhr präsentiert (die aus irgendeinem Grund in wabernde Rauchschwaden gehüllt wurde), macht jedoch relativ schnell klar, dass ihm an einer subtilen Abarbeitung der Ereignisse kaum gelegen ist. Ein Erzähler erläutert in aller Eile die schicksalhafte Vorgeschichte, dann wird man auch schon Zeuge des ersten gewaltsamen Ablebens – nur echt mit wildem Gezappel und ordentlich Schaum vor der Schnute. Kein ineffektiver Auftakt, aber noch harmlos im Vergleich zu den teils recht derben Momenten, die einen im weiteren Verlauf erwarten. Da werden wehrlose Menschen von fiesen kleinen Frosch-Monstern bei lebendigem Leibe verknuspert oder – als Gipfel der Geschmacklosigkeit – hilflose junge Frauen von einem gelatinösen Super-Wurm erst vergewaltigt, dann zerbissen. Das alles ist zwar billig, aber effektiv getrickst, mit viel ekligen Gummi-Masken und -Kostümen und reichlich buntem Glibber. Und obwohl Freunde und Sympathisanten grobschlächtiger Schauwerte hier also definitiv auf ihre Kosten kommen, verkommt CURSE OF EVIL dabei erfreulicherweise nicht zur bloßen Nummernrevue der Scheußlichkeiten, sondern erzählt nebenbei auch tatsächlich noch eine durchaus brauchbare Geschichte.

Diese erinnert in Sachen Stil und Thematik überraschenderweise weniger an traditionelle Horror-Kost als viel mehr an altmodische Erbschaftsstreit-Kriminologie der Marke Edgar Wallace & Co. Das liegt zum einen am Schauplatz, der dekadenten Villa der Familie Shi, in der es von Gängen, Ecken und Verstecken nur so wimmelt, was sie zur formidablen Spielwiese für Intrigen aller Arten macht. Und zum anderen am illustren Personal, das hier aufgefahren wird und zum Teil so zwielichtig agiert, dass es das Publikums-Interesse zur Not auch im Alleingang, ganz ohne Monstren und Mutationen, hochhalten könnte. Beispiele wären der mehr als nur notgeile Vetter, der sich in der Kunst der Hypnose geübt hat und damit nun nichts Besseres anzufangen weiß, als die weibliche Belegschaft des Hauses zum Beischlaf zu nötigen, das blutjunge Flittchen, das es auf den neuen Hauslehrer abgesehen hat, der undurchsichtige Butler, der bei seiner Herrin ständig um Geld bettelt... Und über allem thront die matriarchalische Großmutter, auf deren Vermögen gleich mehrere Parteien scharf sind und die deswegen schon bald Opfer perfider Mordanschläge wird. Jede Menge Konfliktpotential also, das anständig genutzt wurde. Und immer, wenn die Handlung droht, auf der Stelle zu treten, kommen wieder ein paar blutige Frösche ins Bild, um für den nötigen Biss zu sorgen.

Natürlich bleibt CURSE OF EVIL in erster Linie ein effektheischender Reißer, der an die Schaulust des Publikums appelliert. Dass er dabei aber eine so auffallend überdurchschnittliche Figur abgibt, verdankt er dem geschickten Jonglieren mit Elementen anderer artverwandter Gattungen. Neben dem offensichtlich im Vordergrund stehenden Hardcore-Horror thematisiert das Skript auch den kulturell verfestigten chinesischen Geister-Glauben (sogar auf nicht unprovokante Weise), verwebt ihn mit eher europäisch geprägten Märchen-Motiven (am soundsovielten Geburtstag eines jungen Mädchens wird etwas Schreckliches passieren), um nach Ausflügen über besagte Krimi-Kategorie in einem Finale zu münden, das in puncto Ästhetik und Absurdität Assoziationen zum italienischen Giallo-Genre zulässt. Im Zelluloid-Sumpf Bewanderten drängen sich beizeiten noch weitere Querverbindungen auf; so erinnert die unschöne Vergewaltigung durch den Riesen-Wurm an den im Vorjahr entstandenen Sci-Fi-Horror PLANET DES SCHRECKENS und gemahnt gleichzeitig auch an diverse anrüchige Anime-Auswüchse (Doppeldeutigkeit unintendiert!). 

Obwohl mit Obszönitäten nicht unbedingt haushaltend, kommt CURSE OF EVIL insgesamt doch erstaunlich unbekümmert daher – was verblüffend ist, denn unterm Strich handelt es sich ja schon um eine hochdramatische Geschichte voller Mord, Missgunst und Misanthropie. Dass einem alles irgendwie nur halb so wild vorkommt und der Spaß-Faktor stets die Oberhand behält, liegt daran, dass die Story ungeachtet erzählerischer Kompetenzen doch ausgemacht krude bleibt und überwiegend an eine Karikatur einschlägiger Schundliteratur erinnert. Die hier kredenzten Schauergestalten sehen im gleichen Maße scheußlich wie zum Schießen aus – wenn der fürchterliche Blutige Frosch erstmals ebenso träge wie dickwampig im Bild hockt, wirkt er wie eine verkaterte Zweitbesetzung der Muppet Show, die gerade dabei ist, ihren Rausch loszuwerden. Und dann gibt es da noch die englischen Untertitel, die mangels verfügbarer Synchronfassungen als Verständnis-Werkzeug dienen müssen und sich durchgängig über das Werk lustig zu machen scheinen. Es fällt schwer, die Situation ernstzunehmen, wenn ein Protagonist vor den Überresten eines frisch zerfetzten, von Kopf bis Fuß mit schleimigem Glibber besudelten Körpers steht und lapidar anmerkt, die junge Dame sei soeben „tragisch dahingeschieden“


(Es ist übrigens nicht das einzige Mal, dass angesichts einer Leiche dieser Ausdruck fällt.)


An anderer Stelle fragt der Butler eine Angestellte ganz besorgt: „Qiao, ist dir klar, dass du brennst?“ 



(Unmittelbar danach wird es der Dame übrigens schlagartig bewusst. Gut, dass er gefragt hat:)



Und kurz vor Schluss kommt man noch mal in den Genuss einer ganz besonderen Konversation: 

Großvater: 
„Ich bin dein Großvater.“ 

Enkeltochter: 
„Du bist mein Großvater?“ 

Großvater: 
„Ja, ich bin dein Großvater. Meine Enkeltochter.“ 

Enkeltochter: 
„Bist du wirklich mein Großvater?“ 

Großvater: 
„Gutes Kind, ich bin dein Großvater.“ 

Enkeltochter: 
„Großvater!“ 

Großvater: 
„Gutes Kind.“ 

Enkeltochter: 
„Großvater.“










(An dieser Stelle musste das Gespräch mangels Filmmaterials leider abgebrochen werden. Aber schön, dass das mal besprochen wurde.)
 

Auch dank solch schrulliger Eigenheiten ist CURSE OF EVIL ein ziemliches Brett geworden. Ein paar formale Fehlerchen fallen zwar auf, aber nicht weiter ins Gewicht. Sonderbar bleibt retrospektiv der zweimalige Kurz-Auftritt eines ohnehin reichlich unmotiviert hinzugezogenen Inspektors, der ein paar Fragen zum Fahrstuhl stellt, der geheimnisvollerweise ohne erkennbaren Grund mal rauf-, mal runterfährt, und dann auf Nimmerwiedersehen aus der Handlung verschwindet (also, der Inspektor – nicht der Fahrstuhl. Obwohl … Der eigentlich auch.) Es scheint, als hätte man die (sowieso sehr unpassend wirkende) Inspektor-Episode noch nachträglich entfernt und dabei einfach ein paar Szenen übersehen. Die im Hitchcock-Stil präsentierte Auflösung der Geschichte bietet zwar ein paar überraschende Erkenntnisse, ist aber in Teilen dermaßen haarsträubend, dass man kurz meint, sich verhört (bzw. verlesen) zu haben (was einem nicht zuletzt nochmals den Giallo als Inspirationsquelle ins Gedächtnis ruft, bei dem es nicht selten ähnlich abstruse Aha-Erlebnisse hagelt). Fazit: CURSE OF EVIL ist ein wunderbar schräges Stück Sensationskino-Kunst. Und wer das nicht glaubt, den frisst der Frosch.

Laufzeit: 80 Min. / Freigabe: ungeprüft

Samstag, 26. Dezember 2020

TERROR FORCE COMMANDO


THREE MEN ON FIRE
Italien 1986 

Regie:
Richard Harrison
 
Darsteller:
Richard Harrison,
Alphonse Beni,
Romano Kristoff,
Ninette Assor,
Lorenzo Piani,
Maurizio Murano,
Gordon Mitchell,
Riccardo Petrazzi



Inhalt:

Kamerun: Am helllichten Tag wird ein Mann überfallen und mitsamt seiner Familie getötet. Ziel der Angreifer: ein Koffer mit sensiblem Inhalt. Der in dem Fall ermittelnde Kommissar Baiko [Alphonse Beni] ist sich schnell sicher: Die Mörder planen mit Hilfe der geraubten Informationen ein Attentat auf den Papst. Baikos Besuch in Rom bleibt jedoch ergebnislos, seine Sorgen werden nicht ernstgenommen. Dafür begegnet er dort dem amerikanischen Agenten Mathews [Richard Harrison], der sich ebenfalls auf der Fährte der Terroristen befindet. Nach anfänglichen Schwierigkeiten wagen beide Herren den Schulterschluss und machen sich gemeinsam auf die Jagd. Doch auch ihre Gegner bleiben nicht untätig. 

Kritik:

Richard Harrison ist schon ein ziemliches Unikat. Der amerikanische Schauspieler begann seine Kino-Karriere im kleineren Rahmen in Italien mit auf ihn zugeschnittenen Hauptrollen in Western, Krimis und Kriegsfilmen. Da war noch alles in Ordnung. Als er in den 80ern allerdings nach Hongkong ging und sich dort mit Regisseur Godfrey Ho zusammentat, wurde er damit urplötzlich zur Schundfilm-Ikone. In lächerliche Ninja-Kostüme gehüllt hampelte Harrison durch mehrere grandios gurkige Billigheimer, die sich aufgrund ihrer bemerkenswert miesen Machart eine abfallaffine Fan-Gemeinde erwirtschaften konnten. Da Ho den (im doppelten Wortsinne) abgedrehten Mummenschanz immer und immer wieder neu zusammenschnitt, umsynchronisieren lies und auf teils abenteuerliche Weise mit älterer Action-Ausschussware kombinierte, war Harrison noch jahrelang ungewollter Dauergast in den Schrottregalen der Videotheken der Welt. Vermutlich getreu dem Motto Ist der Ruf erst ruiniert... beschloss der nimmermüde Ninja-Verwemser eines Tages, die Puppen zur Abwechslung einmal unter eigener Regie tanzen zu lassen. (Wobei man dazu sagen muss, dass Harrison bereits Anfang der 70er die Inszenierung einer Cowboy-Komödie übernahm, aber das war nach über einem Jahrzehnt und seinem zwischenzeitlichen Aufstieg zum Ninja-Clown kaum noch erwähnenswert.) Viel zu verlieren gab es ja nicht mehr, und ob da jetzt ein Heuler mehr oder weniger in der Vita steht, war zu diesem Zeitpunkt bereits unerheblich. (Zur Einordnung: Folgende Filme mit Harrisons Namen im Vorspann wurden allein 1986, dem Erscheinungsjahr von TERROR FORCE COMMANDO, veröffentlicht: GOLDEN NINJA WARRIOR, NINJA OPERATION VI, DIAMOND NINJA FORCE, NINJA SHOWDOWN, NINJA DRAGON, NINJA THE PROTECTOR und NINJA SQUAD. So viel dazu!) 

Damit man ihm dieses Mal auch zu 100 Prozent die Schuld an dem Resultat geben konnte, besorgte Harrison auch gleich noch das Drehbuch – gut, zumindest zur Hälfte (was ihn nur noch zu circa 83,333333 Prozent schuldig macht). Die Autorenschaft teilte er sich mit seinem Kompagnon Romano Kristoff, einem Schauspieler-Kollegen, der bis dato ebenfalls noch nie durch seine Shakespeare-Interpretationen auffiel. Gemeinsam brachten sie einen gänzlich ninjafreien, sich fadenscheinig politisch gebenden Action-Reißer zu Papier und erschufen Figuren, für die die Behauptung, sie seien nach Schema F entworfen, direkt noch schmeichelhaft wäre. In den Raum geworfene Attribute wie „CIA-Agent (gut)“ oder „Terrorist (böse)“ müssen hier einfach reichen. In Nachhinein ist das vermutlich auch besser so, denn der kurz vor Schluss noch unternommene Versuch, dem Oberschurken so etwas Ähnliches wie Profil mit auf den Weg zu geben, geht mit Pauken und Trompeten in die Beinkleider. Der bis dahin emotionslos agierende Zero (ja, der Bösewicht heißt hier in einem Anflug von Selbstironie tatsächlich Null) mutiert nämlich urplötzlich zum Jammerlappen und gesteht in einer krachledernen Knallchargen-Performance, warum er konsequenterweise zum kaltblütigen Killer werden musste: Seine Mutter hatte ihn verlassen, als er noch ein Kind war („Warum tat sie das? Warum tat sie mir das an?“ Schreiend: „Es gibt so viel Böses auf der Welt!!!!!!!!!!“). Nach nem besseren Argument, den Papst umbringen zu wollen, müsste man wahrhaft lange suchen. Ja, in dieser Szene empfindet man tatsächlich Mitleid. Kristoffs Versuche, seiner Figur Vielschichtigkeit zu verleihen, sind nämlich vom Dialog wie Schauspiel her herzzerreißend hilflos. 

Denn weil gutes Personal teuer ist, übernahmen Harrison und Kristoff die Rollen von Pro- und Antagonist natürlich gleich selbst. Während Kristoff in seiner Rolle heillos überfordert ist, macht Harrison sein fehlendes Talent durch sein durchaus vorhandenes Charisma wett und inszeniert sich als mundfauler Möchtegern-Humphrey-Bogart mit Hut, Mantel und Popelbremse. Die deutsche Fassung tut ihm dabei zusätzlich noch den Gefallen wie Clint Eastwood zu klingen. Die meisten Lorbeeren erntet allerdings der kamerunische Schauspieler und Regisseur Alphonse Beni, der hier als Harrisons Partner fungiert und in seinem lässigen Habitus eindeutig die beste und auch sympathischste Figur abgibt. Dass die Synchronisation ihm noch ein paar launige Scherze auf die Lippen mogelte („Hey, ich bin kitzelig“, meint er, als Unholde ihm mit der Kettensäge auf die Pelle rücken), ist nur legitim. Beni und Harrison standen im Folgejahr dann nochmals gemeinsam vor der Kamera – für DER SCHWARZE TIGER unter der Regie von – tadaaa! - Godfrey Ho. Die weiblichen Darsteller indes sind kaum der Rede wert. Sie sind zwar da, haben aber weder was Besonderes zu sagen, noch bekommen sie Gelegenheit, sich in irgendeiner Form zu profilieren (Hinweis: Hupen auspacken gilt hier nicht als Profilierung!). 

Um das Fazit vorwegzunehmen: TERROR FORCE COMMANDO mag engagiert sein, ist aber alles andere als gelungen. Die Story wurde mit Müh und Not zurechtgezimmert und ist teils hemmungslos naiv. Wenn Agenten hier recherchieren, heißt das, dass sie sich auf eine Parkbank setzen und so lange Zeitung lesen, bis sie einen passenden Artikel finden. Ob James Bond davon weiß? An die Frage, warum ein kamerun'scher Kommissar und ein amerikanischer Agent Befugnisse in Rom besitzen und dort tun und lassen können, was sie wollen (inklusive Rumballern und Leute frikassieren), verschwendete das Skript ebenfalls nicht einen müden Gedanken. Dazu fehlte es an allen Ecken und Enden auffallend am nötigen Budget. Da findet eine Audienz beim Papst schon mal in einer besseren Rumpelkammer statt. Passend dazu wurde auch bei der Deutsch-Vertonung tüchtig der Sparstift geschwungen: In den Nebenrollen ist eigentlich jede Stimme mindestens zweimal zu hören, oft auch unmittelbar hintereinander. Besonders übel hat es dabei die Frauen erwischt – die nämlich klingen tatsächlich alle exakt gleich und verkommen dadurch zum akustischen Einheitsbrei (Sprecherin Eva Kinsky hingegen dürfte sich gefreut haben). Die (wenigen) Action-Szenen sind ohne jedes Gespür für Gestaltung, Timing und Dynamik aneinandermontiert und machen eigentlich nur durch ihre Ruppigkeit von sich reden. Hier werden nämlich fleißig und ohne viel Federlesens ausgiebig Kopfschüsse verteilt, was mittels reichlich fliegender Hirnmasse auch ganz anständig getrickst wurde. Die Kaltblütigkeit, mit der Menschen hier über den Jordan geschickt werden, verleiht THREE MEN ON FIRE (Originaltitel) dann tatsächlich eine angenehm-rüde Attitüde, die man allerdings ganz gern in einem besseren Beitrag gesehen hätte. 

Nimmt man die Ninja-Flickwerke aus der Ho-Schmiede zum Maßstab, so schlägt sich Harrisons eigene Arbeit zumindest recht wacker. Die Handlung ist zwar ebenfalls unsinnig, aber immerhin passen die Szenen zueinander und Ereignisse bauen aufeinander auf (ja, man freut sich beizeiten schon über die kleinen Dinge). Gut geht trotzdem anders. TERROR FORCE COMMANDO wirkt gänzlich uninspiriert und ohne erkennbare Leidenschaft umgesetzt. Gedreht wurde in Rom und Kamerun, was ja eigentlich schöne Kulissen sind. Doch das Ganze kommt so trist und muffig daher, das hätte man auch in Omas Unterbuchse filmen können. So bleibt am Ende ein ramschiger Reißer, der zwar einerseits schlecht ist, andererseits aber auch nicht schlecht genug, um wieder gut zu sein. Dann doch lieber Ninjas.

Laufzeit: 84 Min. / Freigabe: ab 18

Samstag, 12. Dezember 2020

THE EAGLE SHOOTING HEROES


SAU DIU YING HUNG CHUEN JI DUNG SHING SAI JAU
Hongkong 1993

Regie:
Jeffrey Lau

Darsteller:
Leslie Cheung,
Tony Leung Ka-Fai,
Tony Leung Chiu-Wai,
Jacky Cheung,
Brigitte Lin,
Joey Wong,
Maggie Cheung,
Carina Lau



Achtung! Erbarmungsloser Hongkong-Humor im Anflug! Um die kommenden 100 Minuten gefahrlos überstehen zu können, müssen folgende Punkte unbedingt beachtet werden:

- Hirn auf Bewusstseinsstufe eines Zehnjährigen
  zurückstufen!
- Alberne Grimassen lustig finden!
- Ständiges Kichern lustig finden!
- Menschen in Monsterkostümen lustig finden!

Zusammengefasst: Alles lustig finden, was eigentlich Panne ist, dann fährt man ziemlich gut!

Inhalt:

Ou Yang Feng [Tony Leung Chiu-Wai], ein naher Verwandter des persischen Königs, hat eine Affäre mit seiner Cousine, der Königin [Veronica Yip Yuk-Hing]. Beide hegen den Plan, den Thron an sich zu reißen. Doch dazu benötigen sie das königliche Siegel, das sich im Besitz der Prinzessin [Brigitte Lin] befindet. Bei dem Versuch, ihr dieses zu entreißen, müssen sie sich jedoch ihren mystischen Kung-Fu-Künsten geschlagen geben. Arg verunsichert begibt sich die Prinzessin zu ihrem Meister, um Hilfe zu erbeten. Dieser berichtet ihr vom Buch Yin, einer mächtigen Kung-Fu-Lehre, welches in der Höhle der weißen Gebeine versteckt sein soll. Diese allerdings wird von drei schrecklichen Monstern bewacht. Gemeinsam mit dem Kung-Fu-Schüler Huang Yaoshi [Leslie Cheung] macht sie sich auf den Weg, um das Buch zu besorgen, wird dabei jedoch von der eifersüchtigen Suqiu [Joey Wong] verfolgt, die Huang für sich beansprucht. Unterwegs begegnen sie noch weiteren seltsamen Figuren: Dem lebensmüden Hung Chi [Jackie Cheung], dem es nie gelingt, sich umbringen zu lassen, Chou Po-Tung [Carina Lau], der den Tod seines Meisters Wang Chonyang [Kenny Bee] rächen will, für den er zarte Gefühle hegte, und dem jungen Tuan Wang-Yeh [Tony Leung Ka-Fai], der auf der Suche nach seiner prophezeiten großen Liebe ist, die ihn unsterblich machen soll. Am Ende verbinden sich all ihre Schicksale in einem großem Showdown ...

Kritik:

Kaum zu glauben, aber dieses ebenso sinnentleerte wie unsagbar alberne Klamauk-Spektakel basiert tatsächlich auf derselben Vorlage wie Wong Kar-Wais höchst seriöser Klassiker ASHES OF TIME, nämlich Jin Yongs in Asien sehr bekannte Wuxia-Roman LEGEND OF THE CONDOR HEROES, der die östliche Pop-Kultur wesentlich mitprägte. Dabei hätte es das eine Werk ohne das andere vermutlich nie gegeben: Um die Produktionskosten für ASHES OF TIME zu sichern, so heißt es, habe Wong diese finanziell sehr effizient gestaltete Produktion in Auftrag gegeben, um möglichst schnell neue Einnahmen für sein eigentliches Baby zu generieren. In ihrer zügellosen Infantilität könnte der Gegensatz zu Wongs weltweit geachtetem Schwertkämpfer-Drama größer kaum sein, aber genau deshalb empfiehlt sich die kindische Quatschplatte als willkommene Nivellierung, die man sich idealerweise sogar im Rahmen einer Doppel-Vorstellung mit ASHES OF TIME zu Gemüte führt. Der Witz ist nämlich gleich noch mal so groß, wenn einem gewahr wird, dass sich hier wie dort auch noch dieselben Gesichter vor der Kamera tummeln, zum Teil in denselben Rollen. So macht sich eine bemerkenswerte Anzahl Hongkong-Kino-Stars hier mit inbrünstiger Leidenschaft zum Affen – was man ruhig auch ein wenig wörtlich nehmen darf: So treffen hier Leslie Cheung [→ A BETTER TOMORROW] und Brigitte Lin [→ DAS UNBESIEGBARE SCHWERT] in der Höhle der weißen Gebeine nicht nur auf ein Affen-, sondern auch auf ein Vogel- und ein Echsenmonster - zum Leben erweckt von drei Statisten in lustigen Karnevalskostümen. Zwar haben die Monster prinzipiell Angst vor Menschen, doch als die beiden Eindringlinge im Begriff sind, die antiken Steinbottiche mitzunehmen, deren Inschriften uralte Kampf-Techniken lehren, gehen sie vor Empörung doch zum Angriff über: „Hey, die klauen unsere Klos.“

Auch ansonsten ist der Humor alles andere als subtil: Da gleitet Tony Leung Chiu-Wai [→ THE GRANDMASTER] mit fliegenden Zauberstiefeln elegant durch die Lüfte, bis er bemerkt, dass einer der Treter Feuer gefangen hat. Nach spontaner Entledigung desselben, landet die brennende Wunderschlappe natürlich direkt auf der Rübe des unten große Reden schwingenden Kenny Bee [→ SHANGHAI POLICE], während Leung im Hintergrund eine krachende, von einem gewaltigen Feuerball begleitete Bruchlandung aufs Parkett legt. Dass Kenny Bee zudem die Figur des daoistischen Gelehrten Wang Chonyang darstellt, welcher tatsächlich existierte und in der Romanvorlage zu THE EAGLE SHOOTING HEROES (und damit auch ASHES OF TIME) eine wichtige Rolle spielt, ist einer der vielen humoristischen Seitenhiebe, die sich hauptsächlich dem chinesischen Publikum erschließen. Das westliche Gemüt hingegen ergötzt sich – wenn überhaupt – eher an den gnadenlos überdrehten Slapstick-Nummern im Cartoon-Stil, wie die grandiose Sequenz, in welcher Tony Leung Chiu-Wai geschlagene 10 Minuten lang versucht, Jacky Cheung [→ BODYGUARDS AND ASSASSINS] das Lebenslicht auszupusten, dabei jedoch jede einzelne seiner Attacken (per Messer, Gift oder Killerbiene) selbst abbekommt.

Die Handlung ist sehr episodenhaft ausgelegt. So laufen gut fünf verschiedene Erzählstränge nebenher, um dann im Finale schließlich aufeinanderzutreffen, was nicht nur aufgrund des leicht dadaistischen Inhalts zeitweise zu Orientierungslosigkeit führt. Hin und wieder gibt es auch ein paar fürs Hongkong-Kino typische Kampfeinlagen zu bestaunen, welche sogar von Sammo Hung [→ EASTERN CONDORS] choreographiert wurden. Davon merkt man allerdings nicht allzu viel: Nicht nur, dass die Kamera doch sehr unruhig wirkt, die Kämpfe laufen zudem auch noch im Zeitraffer ab. Dafür gibt es zwar eigentlich gar keinen wirklichen Grund, aber genau deswegen passt es hervorragend ins sinnentleerte Gesamtbild.

Man benötigt freilich ein bisschen Vorlauf, um sich in dieser schrill-bunten Parallelwelt heimisch zu fühlen, doch auf Dauer wirkt der fröhliche Unfug doch reichlich ansteckend. Es wird gekämpft, geblödelt und getanzt, es gibt fliegende Köpfe, Zeitumkehrungs-Kung-Fu und Musical-Einlagen. Irgendwann schaltet der Verstand von ganz allein auf Durchzug, und der anarchistische Mix aus blühendem Unsinn und blödem Dialoggut entwickelt seinen ganz eigenen Reiz. Das Tempo ist enorm, die Action reichlich, das Schauspiel aller Beteiligten herrlich übertrieben (Tony Leung Chiu-Wai als ständig dümmlich kichernder Bösewicht mit schmuddeligem Schnurrbart ist eine Klasse für sich). Da man die ganzen großen, zum Teil preisgekrönten Darsteller des Hongkong-Kinos der 1980er ansonsten nur selten bis gar nicht im Gaga-Modus erleben konnte, muss THE EAGLE SHOOTING HEROES direkt als wichtiges Werk gelten. Und wer unbedingt eine Entschuldigung dafür braucht, sich seine kostbare Zeit mit tiefergelegter Unterhaltung zu vertreiben, kann unter der grellen Radau-Fassade durchaus ein burleskes Spiel über geschlechtliche und identitäre Irrungen und Wirrungen erkennen, einer Peking Oper nicht unähnlich, zumal die Trennung und eindeutige Zuordnung der Geschlechter hier vollends aufgehoben zu sein scheint.

In Deutschland ist der Film nie erschienen. Aus Gründen.

Laufzeit: 113 Min. / Freigabe: ungeprüft

Sonntag, 6. Dezember 2020

UX-BLUTHUND - TAUCHFAHRT DES SCHRECKENS


KAITEI DAISENSO
Japan, USA 1966

Regie:
Hajime Sato

Darsteller:
Sonny Chiba,
Peggy Neal,
Franz Gruber,
Eric Nielsen,
Andrew Hughes,
Mike Danning,
John Kleine,
Eric Neilson



"Ich kann beweisen, was ich gesehen hab."
"Wie beweisen?"
"Mit einer Aufnahme, die ich gemacht habe."
"Und wo ist die Aufnahme?"
"Noch in der Kamera."
"Und wo ist die Kamera?"
"Die hab ich leider verloren."

[So sieht gute Beweisführung aus!]


Inhalt:

Als das US-Militär der Welt ihren neuesten Wundertorpedo präsentieren will, kommt es zu einem erschreckenden Zwischenfall: Nachdem die Superwaffe plangemäß ein Schiffswrack gesprengt hat, ist auf den Monitoren für Sekundenbruchteile ein menschenähnliches Lebewesen zu erkennen. Der leitende Commander Brown [Franz Gruber] wirkt beschwichtigend auf die Menge ein, aber der japanische Reporter Ken Abe [Sonny Chiba] und die amerikanische Fotografin Jenny [Peggy Neal] lassen nicht locker. Jenny beschließt, zu der besagten Stelle hinabzutauchen, um nach Spuren zu suchen. Vor Ort von einem sonderbaren Fischwesen überrascht, lässt sie vor Schreck die Kamera fallen. Da damit nun auch die Beweise futsch sind, wird ihr nach ihrer Rückkehr keinen Glauben geschenkt. Gemeinsam mit Ken beschließt sie daher, die Kamera zu bergen. Dabei werden die beiden Schnüffler jedoch von den sonderbaren Wesen gefangen genommen und in eine geheime Unterwasserstation verschleppt. Dort müssen sie erkennen, dass der Horror von Menschenhand gemacht ist: Der wahnsinnige Dr. Rufus Moore [Eric Nielsen] träumt von einem Weltreich mit ihm als Herrscher und seinen Schöpfungen als Handlanger. Jenny und Ken sollen ihn entweder dabei unterstützen oder selbst als Wasser-Cyborgs enden. 

Kritik:

Stimmungsvoll beginnt er, dieser weitere Beitrag zur japanischen Science-Fiction-Welle, die in den 50er Jahren ihren Anfang nahm und in den 60er Jahren quasi auf ihrem Höhepunkt war. Zwar fragt man sich schon, was an einem Torpedo, der ein ruhendes Schiffswrack treffen kann, so besonders sein soll, dass man dafür extra die Weltpresse zusammentrommeln muss, aber der unheimliche Auftakt samt Sichtung eines geheimnisvollen Unterwasser-Wesens teasert gut an. Auch der weitere Verlauf hält das Interesse hoch, denn die beiden Protagonisten, der Reporter Ken Abe und die Fotografin Jenny, wirken einnehmend und ihre Ermittlungen machen Laune. Der gewonnene Kredit wird freilich größtenteils verspielt, wenn die Fischwesen erstmals leinwandfüllend präsentiert werden, denn diese wirken in ihren auffallend simpel gestalteten Kostümen eher traurig als gruselig. Zwar sind es, wie sich später herausstellt, tatsächlich tragische Figuren, im Sinne des Erfinders dürfte das dennoch nicht gewesen sein. Hier hätte man sich gern etwas mehr Mühe geben dürfen. Ohnehin läuft ab einem gewissen Zeitpunkt alles nur noch äußerst zweckdienlich ab. Die zu Beginn nicht ungeschickt aufgebaute Erwartungshaltung verpufft und es wird klar, dass man es lediglich mit profaner Dutzendware zu tun hat, die sogar für ihr Entstehungsjahr arg altbacken daherkommt. 

Die einzige Notwendigkeit, ein weiteres mit schon damals sattsam bekannten Bausteinen gezimmertes Jules Verne für Arme-Elaborat vom Stapel zu lassen, lag dann auch wohl darin, dass so etwas trotz permanenter Neuaufkochung der immergleichen Zutaten nach wie vor gut lief. So liefert Regisseur Hajime Sato [→ GOKÉ – VAMPIR AUS DEM WELTALL] hier lediglich Dienst nach Vorschrift. Wobei seine grundsätzlich saubere Inszenierung ebenso wenig das eigentliche Problem darstellt wie die miesen Masken oder die hinlänglich vertrauten Versatzstücke aus dem handelsüblichen Fantasy-Fundus. Hauptverantwortlich dafür, dass neben den Protagonisten auch überwiegend die Spannung baden geht, ist tatsächlich das dröge Drehbuch Masami Fukushimas [→ KING KONG GEGEN GODZILLA], dem schlichtweg nicht mehr einfiel, als sämtliche Sackgassen und Konflikte per finalem Dauerbeschuss aufzulösen. Die beiden anfangs noch so emsigen und selbstbewussten Hauptfiguren bleiben dabei fast ausschließlich passiv, tragen nichts Wesentliches mehr zum Fortlauf der Ereignisse bei und überleben das ganze Szenario ohnehin nur durch pures Glück. Und dass sich die Schöpfung am Ende gegen ihren Schöpfer wenden wird, war auch so sicher wie das Amen in der Kirche. 

Insgesamt ein bisschen wenig, um zu begeistern also. Die Zeit vertreibt das etwas ungelenke Unterwasser-Märchen dennoch ganz passabel, wenn man Zugang hat zum naiven Kino der 60er Jahre, als das Publikum noch gewillt war, im Sinne des Eskapismus' offensichtliche Schwächen in Sachen Tricks, Kostüm und Handlung auszublenden beziehungsweise zu akzeptieren. Dabei war UX-BLUTHUND in ersten Planungsstadien gar nicht für die Leinwand vorgesehen, sondern sollte die Welt als dreiteilige Fernseh-Produktion heimsuchen, wofür erheblich amerikanische Gelder flossen. Der westliche Einfluss ist anhand der Besetzung noch deutlich zu erkennen, eine TV-Variante wurde am Ende dennoch nicht daraus. Die Hauptrollen wurden gerecht aufgeteilt, gingen zu 50 % an die USA und zu 50 % an Japan. Die Amerikaner schickten die damals erst 19-jährige Peggy Neal ins Rennen, die eine gute Figur macht, bevor sie am Ende das Schicksal so vieler Frauenrollen der Monsterfilm-Geschichte teilt und nur noch hemmungslos herumkreischen darf. Neal blieb dem Kreaturen-Kino treu und agierte später noch in dem unglaublichen Huhn-Horror GUILA - FRANKENSTEINS TEUFELSEI. Und für Japan steht kein anderer als Sonny Chiba [→ PANIK IM TOKIO-EXPRESS] auf der Matte, der später als erbarmungsloser Knochenbrecher zum Star aufstieg. Hätte er sein Talent bereits früher eingesetzt, wäre UX-BLUTHUND gewiss um einiges unterhaltsamer geworden. Wer wollte nicht schon immer mal erleben, wie Sonny Chiba feindliche Fischfontanellen verbiegt? 

Den Vogel schießt fraglos Eric Nielsen [→ DIE GRÖSSTE SCHAU DER WELT] als satanischer Gegenspieler ab, der wie ein verhinderter James Bond-Bösewicht aus der Mottenkiste daherkommt und so sinister ist, dass er nicht mal unter Wasser seine Sonnenbrille abnimmt. Wie genau sein brillanter Plan eigentlich aussieht, könnte er auf Nachfrage (die hier niemals kommt) wohl selbst nicht so richtig beantworten. Irgendwas mit Weltherrschaft, was natürlich nur durch operativ erzeugte Fisch-Mensch-Hybriden möglich ist. Was klingt, wie ein typischer Alptraum Howard Phillips Lovecrafts, ist hier nicht viel mehr als eine Terrine lauwarmer Fischsuppe. Warum der böse Onkel Doktor seine Wesen dann noch ständig an die Oberfläche schickt, um neue Wissenschaftler zu entführen, obwohl er diese gar nicht bräuchte und dadurch die Gefahr einer Entdeckung (so Fischmenschen an Land müssten ja schon mal dem einen oder anderen ins Auge fallen) exponentiell steigt, gehört ebenfalls zu den wenig bis gar nicht durchdachten, dabei doch so offensichtlich unsinnigen Spinnereien des Skripts. Auf der Habenseite verbuchen kann man noch die Mitwirkung Franz Grubers [→ GAMERA GEGEN JIGGAR], der trotz seines deutschen Namens Amerikaner ist und seinen Commander Brown zwar militärisch streng, dabei aber grundsätzlich sehr sympathisch rüberbringt (behilflich ist ihm dabei in der deutschen Fassung die Stimme Klaus Kindlers, den man für gewöhnlich aus dem Munde Clint Eastwoods kennt). 

Seinen deutschen Titel erhielt das infantile Tiefsee-Theater von dem in der Eingangsszene getesteten Torpedo, der (zumindest im Deutschen) UX-Bluthund heißt, danach aber keine Rolle mehr spielt und auch nie wieder erwähnt wird. Hier bemühte man sich allzu offensichtlich, eine klingende Verwandtschaft zum Konkurrenzprodukt U 2000 – TAUCHFAHRT DES GRAUENS herzustellen, ein ungleich aufwändiger gestaltetes Unterwasser-Abenteuer von 1963, das ebenfalls fleißig bei Jules Verne & Co. räuberte, dabei aber wesentlich versierter ins Ziel kam. Im Gedächtnis bleiben hier im Wesentlichen noch zwei Momente: Der vom Drehbuch zwecks Zeitschindung forcierte Streit zweier U-Boot-Befehlshaber, welcher Torpedo denn nun abzufeuern sei (offensichtlich sind manche Torpedos tödlicher als andere) und die Lösung für das Problem, wenn man selbst von Torpedos beschossen wird: einfach ausweichen.

Laufzeit: 84 Min. / Freigabe: ab 16

Montag, 30. November 2020

DER MAFIA-KILLER


LIKE FATHER, LIKE SON
USA 1974

Regie:
Duke Mitchell,
Jefferson Richard

Darsteller:
Duke Mitchell,
Vic Caesar,
Lorenzo Dodo,
Louis Zito,
Cara Peters,
Fred Otash,
John Strong



„Du bist dabei oder du bist im Weg.“ 


Inhalt:

Mimi Miceli [Duke Mitchell], Sohn des emeritierten Mafiosos Don Miceli [Lorenzo Dodo], kommt nach Sizilien, um im Mafia-Business auch endlich so richtig durchzustarten. Seinen Einstand feiert er gleich mit einem Knaller: Er lässt den amtierenden Unterwelt-Boss Chucky Tripoli [Louis Zito] entführen, ihm einen Finger abhacken und erst gegen ein hohes Lösegeld wieder auf freien Fuß setzen. Die halsbrecherische Kamikaze-Aktion hat Erfolg: Miceli erntet sich Respekt und zählt quasi auf Anhieb zu den großen Tieren. Zusammen mit seinem alten Kumpel Jolly Rizzo [Vic Caesar] beginnt er eine klassische Mobster-Karriere, beherrscht von Mord, Prostitution und Pornograhie. Doch nach jedem Aufstieg folgt der Fall: Micele überschätzt sich von Tag zu Tag mehr und schaufelt sich damit langsam, aber sicher sein eigenes Grab.

Kritik: 

LIKE FATHER, LIKE SON, wie DER MAFIA-KILLER am Tage seiner Erstaufführung noch ganz dezent hieß, beginnt gleich mit einem Paukenschlag: Zwei Männer laufen durch einen Bürokomplex und richten ohne jeden Federlesens ein blutiges Massaker an. Ein Rollstuhlfahrer wird per Kabel und Pissbecken unter Strom gesetzt, der Rest der Belegschaft bekommt ebenso kommentar- wie mitleidlos Kugeln in Kopf, Brust oder Bauch verpasst, bis keiner mehr steht. Untermalt wird die brutale Vernichtungsarie mit beschwingter Gute-Laune-Musik, was ihre Kaltblütigkeit nochmals maximal potenziert. Dann gehen die Killer wieder lässig Richtung Fahrstuhl, als sei nix passiert. Zu diesem Zeitpunkt weiß das Publikum noch nicht, dass diese Szene (die zuvor bereits effektiv den Trailer zum Film schmückte) eine Vorausschau ist und später im Handlungskontext nochmals abgespult wird. Die Schützen, so weiß man dann, sind Mimi Miceli und Jolly Rizzo, zwei eigentlich kleine Fische, die sich mit kaltblütigen Aktionen wie diesen den Respekt der Unterwelt verdient haben und nicht vorhaben, ihn sich wieder abluchsen zu lassen. 

Der Macher dieser siffigen Räuberpistole, der nicht nur Drehbuch, Produktion und Regie übernahm, sondern obendrein auch die Hauptrolle bekleidete, hieß Duke Mitchell. Das heißt, eigentlich hieß er mit Familiennamen Miceli, wie die Filmfigur, und unterhielt ebenfalls Kontakte zum halbseidenen Milieu, was MASSSACRE MAFIA STYLE (international bekanntester Titel) einen gewissen halbbiographischen Anstrich verleiht. Zuvor hauptsächlich als Komiker und Sänger in Nachtklubs unterwegs, begann er schließlich, auf eigene Kosten billige Reißer für die Leinwand zu produzieren. Ausschlaggebend, so heißt es häufig, war seine Sichtung von Francis Ford Coppolas Kino-Meilenstein DER PATE, nach der er der Meinung war, so etwas eigentlich viel besser hinbekommen zu können. Natürlich stimmte das nicht. Von der eleganten Erzählweise des angeblichen Vorbilds ist hier nicht das Geringste zu spüren. Salopp gesagt: Wäre DER PATE eine filigrane 16jährige Ballerina im Russischen Staatsballett, so wäre DER MAFIA-KILLER eine trächtige Seekuh auf dem Tresen einer Hamburger Hafenspelunke um 4 Uhr morgens. Auf gewisse Weise ist Mitchells Interpretation damit vermutlich sogar näher an der Realität als die opulente Portraitierung Coppolas, denn seine grobschlächtige Umsetzung sorgt für ein ausnehmend hässliches, ungastliches Bild des Verbrechertums. Mitmachen möchte man nach dieser Lehrstunde jedenfalls nicht. 

Wirklich etwas zu erzählen hat Mitchell dabei freilich nicht. Sein Werk speist sich aus sattsam bekannten und lieblos aneinander gereihten Versatzstücken, die man alle irgendwo schon mal besser gesehen hat. Nicht selten erweckt das Stück dabei den Eindruck einer Improvisation, in der die Geschichte stets so weitergeht, wie es Mitchell am Drehtag gerade eben in den Sinn kam. Eklatant dafür ist die plötzlich eingeleitete Episode, in der Miceli quasi aus heiterem Himmel beschließt, in die Pornofilm-Branche einzusteigen. Weil er dafür Darsteller benötigt, aber keine findet (was man gut und gern als Quatsch verbuchen kann, willige Akt-Akteure dürften zu der Zeit keine Mangelware gewesen sein), beschließt er, die Mädchen eines bekannten Zuhälters dafür zu rekrutieren. Da dieser sich vehement der Zusammenarbeit verweigert und auch noch ausfallend wird, muss man nicht studiert haben, um dessen Schicksal korrekt erraten zu können. Wer hier die leise Hoffnung hegt, DER MAFIA-KILLER könnte von nun an einem roten Faden folgen und weitererzählen, wie es dem engagierten Mafia-Spross im Filmgeschäft erginge, welche Erfolge und unerwarteten Probleme ihn dort heimsuchen, welche Lehren er daraus zieht und wie diese sein weiteres Tun und Handeln beeinflussen, der irrt sich gewaltig. Nach Tötung des widerspenstigen Zuhälters ist dieses Fragment nämlich auch schon wieder abgeschlossen und das Bumskino-Business wird nie wieder auch nur erwähnt. Immerhin heben die bis dahin zum Thema abgesonderten Dialoge das Stück (vielleicht sogar unfreiwillig) auf eine schelmische Meta-Ebene, wenn Miceli und sein Busenkumpel Rizzo darüber plachandern, dass sie vom Filmemachen ja eigentlich gar keine Ahnung hätten, dann aber beschließen, trotzdem einfach durchzustarten. Das vorliegende Werk dürfte ganz ähnlich entstanden sein. 

Das einzig wirklich stets wiederkehrende Motiv (und deswegen vielleicht sogar eines, das Mitchell tatsächlich wichtig war), schlägt sich direkt im Originaltitel wieder: das der Familienbande. In einer arg ausgewalzten Szene referiert Mitchells Miceli über die Achtung vor der Mutter, immer wieder wird der Wert des Zusammenhalts betont. Gewiss, letztendlich ist das auch nur ein weiteres Mafiafilm-Klischee, aber immerhin ein Konzept, das sich auffallend konsequent durch die ansonsten reichlich zerfaserte Erzählung zieht. Als reizvoller Nebeneffekt steigern diese von Respekt und Liebe geprägten Aussagen abermals erheblich den Zynismus des ganzen Rests, stehen diese doch im krassen Kontrast zu den sonstigen menschenverachtenden Handlungen Micelis. Das Töten passiert lapidar, ruppig und ohne ausgefeilte Pläne. Die Inszenierung passt sich dem in ihrer Billigkeit an. Wenn hier geschossen wird, dann sieht man das Mündungsfeuer und in der nächsten Szene hält sich der Getroffene das perforierte Körperteil, während ihm ein Päckchen Kunstblut zwischen den Fingern hervorquillt. Nur ganz selten gönnte man sich tatsächlich ein paar platzende Blutpäckchen. Die reißerische Darbietung erinnert dabei eher an Slasher der Marke Freitag, der 13. Da hängt das Opfer schon mal recht unschön mit dem Auge am Fleischerhaken. 

In solchen Momenten wird dann auch die eigentliche Intention Mitchells deutlich, der einfach nur einen barschen Beitrag fürs einschlägige Bahnhofskino vom Stapel ließ. Seine Figuren bekamen keine besonderen Beweggründe verpasst. Warum Miceli z. B. unbedingt der große Boss werden will, wird niemals klar. Sympathiefiguren gibt es nicht. Mitchell selbst poltert als bildungsferner, öliger Fatzke durch die Kiste. Das ist alles fern von Geschick und Geisteswissenschaft, aber allzu hart sollte man mit Mitchells launigem Lausbubenstreich trotzdem nicht ins Gericht gehen. Aus der rüpelhaften Do It Yourself-Attitüde ist etwas ganz Eigenes, Urwüchsiges entstanden, ein Gegenpol zum herausgeputzten Hollywood, bei dem alles nach Schmutz und Schweiß und Blut riecht. Als roughiger Zeitverschwender funktioniert das schon. Wem DER PATE immer zu ausladend und intellektuell war, der findet hier seine Alternative.

Laufzeit: 83 Min. / Freigabe: ab 18

Sonntag, 29. November 2020

DIE RACHE DER CAMORRA


I GUAPPI
Italien 1974

Regie:
Pasquale Squitieri

Darsteller:
Franco Nero,
Fabio Testi,
Claudia Cardinale,
Raymond Pellegrin,
Rita Forzano,
Nino Vingelli,
Antonio Orlando,
Sergio Serafini



Inhalt:

Anfang des 20. Jahrhunderts: Nicola Bellizzi [Franco Nero], einst ein gefürchteter Gangster, kehrt nach mehreren Jahren im Gefängnis ins Elendsviertel Neapels zurück. Sein Ruf eilt ihm voraus, noch immer fürchten ihn die Leute. Aber Bellizzi hat sich geändert: Er verachtet mittlerweile das Verbrechen und möchte Rechtsanwalt werden. Mittlerweile regiert der brutale Don Gaetano [Fabio Testi] das Viertel. Schnell gerät Bellizzi mit ihm aneinander, kränkt ihn in seiner Ehre. Beim unausweichlichen Duell jedoch erkennen beide Männer, dass sie zwar auf verschiedenen Seiten stehen, aber dennoch ähnliche Moralvorstellung haben. Die einstigen Todfeinde beginnen zunächst, sich zu respektieren, schließlich werden sie gar Freunde. Bellizzi arrangiert sich mit der verbrecherischen Camorra – bis die Zweckgemeinschaft zu einem Problem wird.

Kritik:

Cineastische Darstellungen der Mafia gibt es viele. DER PATE [1972] ist nicht nur Platzhirsch des Genres, sondern war auch Initialzündung für zahlreiche Filmschaffende, sich ebenfalls mit der berühmt-berüchtigten Institution zu beschäftigen. Nicht wenige Beiträge kamen dabei aus Italien – kaum überraschend, war das Land doch a.) nie darum verlegen, auswärtige Leinwand-Erfolge zu kopieren und b.) stets Hauptleidtragender der organisierten Kriminalität. Oft wurde die Thematik dabei für reißerische Kolportagen genutzt. Aber auch, wenn der deutsche Titel es mit dem Blick auf ein sensationslüsternes Klientel zu suggerieren versucht – DIE RACHE DER CAMORRA gehört nicht dazu. Die Banditen, wie die Nummer eigentlich im Original heißt, ist tatsächlich sogar weniger Gangsterfilm als vielmehr ein mit nüchternem Understatement inszeniertes Zeitbild über die gesellschaftlichen Verhältnisse Italiens an der Schwelle zum 20. Jahrhundert. Regisseur Pasquale Squitieri [→ DIE RACHE BIN ICH] stammt ursprünglich aus dem Journalismus-Bereich, was sich in einer analytischen Herangehensweise und einem dokumentarischen Duktus niederschlägt. Squitieri (der auch für das Drehbuch verantwortlich war) beschreibt in unaufgeregtem, sachlichem Ton, wie in den südlichen Gefilden des Landes langsam, aber sicher die Camorra erstarkt – autonome Familienclans, die nach und nach ihre eigenen Gesetze installieren und immer mehr an Macht und Einfluss gewinnen.

Mit einigem Aufwand an Kostüm und Kolorit entstand so ein durch und durch authentisch wirkender Blick auf die Rituale und Kodizes der neapolitanischen Verbrechervereinigung, die – fast völlig unbehelligt von überforderter und geschmierter Polizei – ihre ganz eigenen Strukturen entwickelt hat, ein perverser Staat im Staat, der sich die Armut und die daraus resultierende Hilflosigkeit der Bevölkerung zunutze macht, um ihre Macht zu erhalten und zu erweitern. Wie Könige herrschen die Anführer des Camorra-Clans in den Vierteln – wer es wagt, ohne ihre Zustimmung Geschäfte zu machen, endet mit dem Messer im Bauch. Ein Ausweg aus den Verhältnissen scheint unmöglich. Von Geburt an lernen bereits die Kinder, dass der einzige Weg zu überleben das Stehlen und das Morden ist. Anstatt Lesen lehrt man ihnen das korrekte Hantieren mit der Klinge. Die Verhältnisse sind trist, die Aussichten trostlos, Werte wie Tugend oder Gerechtigkeit scheinen nicht mehr existent.

Vor diesem historischen Hintergrund entspinnt Squitieri die Studie zweier Männer, Gaetano und Bellizzi, die zwar unterschiedlichen Prinzipien huldigen, sich aber dennoch gegenseitig respektieren, woraus eine eigentlich völlig absurde Freundschaft erwächst. Mit Fabio Testi [→ DIE PERFEKTE ERPRESSUNG] und Franco Nero [→ DIE KLETTE] holte man sich dafür zwei echte Schwergewichte an Bord, die sich (und dem Publikum) ein wahrlich packendes Schauspielduell liefern, das vor allem deswegen glaubhaft wirkt, da beide Mimen ihr Spiel nicht durch eitle Übertreibungen verwässern, sondern sich überwiegend auf ihre grundsätzliche Leinwandpräsenz verlassen. Vor allem Nero gelingt es dabei, den Zwiespalt seiner Figur intensiv herauszuarbeiten: Zwar ist Gerechtigkeit sein Ziel, doch stürzt ihn das Wissen, dass sein Arrangement mit dem Verbrechen Gerechtigkeit eigentlich ad absurdum führt, in einen quälenden Konflikt. Auch Testi nimmt man die Rolle des mächtigen Gangsterbosses spielend ab. Sein ruhiges und scheinbar beherrschtes Auftreten strahlt unantastbare Überlegenheit aus, doch liegt die Gefahr eines plötzlichen Gewaltausbruchs jederzeit spürbar in der Luft. Weibliche Unterstützung bekommt das Duo von Claudia Cardinale [→ PETROLEUM-MIEZEN], die hier ebenfalls beweisen kann, dass sie zu den großen ihrer Zunft gehörte. Denn ihre Rolle ist zum Glück alles andere als reine Staffage, sondern von ebensolcher Relevanz wie die männlichen Figuren. Ein weiterer wichtiger Name auf der Besetzungsliste ist der des Franzosen Raymond Pellegrin [→ PULVERFASS BAHIA]. In blendender Verbissenheit verkörpert er den temperamentvollen Hauptmann Aiossa, der mit Wut und Leidenschaft versucht, den kriminellen Gaetano hinter Schloss und Riegel zu bringen. Bezeichnenderweise muss er irgendwann einsehen, dass ihm dieses auf rechtschaffendem Wege nicht möglich ist, weswegen er zur Erreichung des Zieles schließlich selbst zum Verbrecher werden muss.

Somit hat man es hier auch mit einer Bestandsaufnahme des damaligen italienischen Rechtssystems zu tun. Man sieht Richter, die völlig überfordert sind und oftmals nicht wissen, wie sie sich entscheiden sollen. Die Folge ist eine völlig willkürliche Pseudo-Rechtsprechung vor dem Hintergrund des nett gemeintes Schriftzugs „Vor dem Gesetz sind alle gleich“. Doch bei Squitieri läuft das Versagen von Recht und Gesetz nicht etwa auf einen finalen Befreiungsschlag, einen kathartischen Akt entfesselter Selbstjustiz hinaus. Am Ende bleibt hier nicht mehr als Betroffenheit und Frustration. Freunde von Krawall und Krudelität kommen hier deshalb auch kaum auf ihre Kosten, auch wenn zwischendurch mal Fäuste, Peitschen und frisch gewetzte Rasiermesser fliegen. Trotzdem ist DIE RACHE DER CAMORRA kein Actionspektakel, sondern ein um Authentizität bemühter Historienfilm, der sich zum Teil auch ein wenig zu viel Zeit lässt. Speziell der Beginn geriet etwas sehr spröde und schleppend, ein paar Straffungen hätten gewiss nicht geschadet. Und dafür, dass man anfangs fast ein wenig zu betulich daherkommt, passiert am Ende dann auch alles etwas zu hopplahopp - ohne Erklärung werden da mehrere Monate einfach mal übersprungen. Dennoch entwickelt das mit viel merklicher Leidenschaft in Szene gesetzte Kriminellen- und Gesellschafts-Portrait eine morbide Faszination, die einen in ihren Bann zieht. Nach niederschmetternder Schlusspointe wird man schließlich mit überraschendem Sprung in die (damalige) Gegenwart entlassen, so dass man sich die Frage stellen muss: Wie viel hat sich in Neapel im Laufe der Jahre denn eigentlich geändert?

Laufzeit: 126 Min. / Freigabe: ab 16

Freitag, 27. November 2020

DAS GEHEIMNIS DER DREI DSCHUNKEN


DAS GEHEIMNIS DER DREI DSCHUNKEN
BRD, Italien 1965

Regie:
Ernst Hofbauer

Darsteller:
Stewart Granger,
Rosanna Schiaffino,
Sieghardt Rupp,
Margit Saad,
Harald Juhnke,
Horst Frank,
Helga Sommerfeld,
Paul Klinger



„Das Ding sieht aber gefährlich aus. Ist die geladen?“
„Ich kann ja mal abdrücken.“


Inhalt:

CIA-Agent Michael Scott [Stewart Granger] reagiert zunächst ein wenig unwirsch, als sein Chef ihn während seines wohlverdienten Urlaubs anruft. Doch das ändert sich, als er den Grund dafür erfährt: Sein Freund und Kollege ist bei einem Einsatz in Hongkong ermordet worden. Sofort lässt er die Freizeit Freizeit sein, trennt sich von seiner Modelleisenbahn und schaltet sich in den Fall ein. Sein Kollege ermittelte vor Ort gegen den unnahbaren Verbrecher Pierre Mirot [Sieghardt Rupp], welcher seine drei Dschunken als Tarnung nutzt, um Einzelteile für den Bau von Atomwaffen (!) zu schmuggeln. FBI-Agentin Carol Eden [Rosanna Schiaffino] soll sich nun als Tippse bei Mirot einschleusen und Scott so mit nötigen Informationen versorgen. Während sie sich das Vertrauen Mirots (wenn auch nicht das seiner Liebsten) erschleicht, sind Scott und sein neuer Partner, der Dolmetscher Smoky [Harald Juhnke], damit beschäftigt, diverse Mordanschlägen zu überleben, denn Mirot hat längst seinen brutalen Killer Pereira [Horst Frank] losgeschickt. 

Kritik:

DAS GEHEIMNIS DER DREI DSCHUNKEN erzählt, deutlich beeinflusst von den Erfolgen der James Bond-Reihe, eine im realitätsfernen Szenario angesiedelte, reichlich abstruse Agentengeschichte und fährt dabei so ziemlich jedes einzelne Klischee auf, das in späteren Jahren nur allzu dankbar als willkommene Steilvorlage für entsprechende Genre-Parodien genutzt wurde. Im Erscheinungsjahr vermutlich noch ernstgemeint und auch so empfunden, taugt die hemdsärmelige Mischung aus banalem Groschenkrimi und bunt bebildertem Reisebericht Jahrzehnte später lediglich noch als amüsantes Dokument damaliger deutscher Befindlichkeiten. Das beginnt schon beim völlig fehlbesetzten Stewart Granger in der Hauptrolle, dessen Figur Michael Scott laut kühner Drehbuchbehauptung eigentlich ein erfahrener CIA-Mann sein soll, der in seinem biederen Auftreten und Gebaren aber so urteutonisch wirkt, dass man ihm direkt die Puschen reichen möchte. Reichlich tapsig stolpert der stets leicht überfordert wirkende Aushilfsagent durch allerhand exotische Kulissen, ohne rechten Plan, wie er seinen Auftrag denn eigentlich ausführen soll. Seine Gegner fürchten ihn aus irgendwelchen Gründen allerdings trotzdem und stellen ihm deswegen alle naslang tödlich gemeinte Fallen (in die er auch immer brav hineintappt) oder setzen ein paar kaum minder tollpatschige Killer auf ihn an. Diesen vehementen Tötungsbemühungen entgeht Scott dabei nicht etwa durch altehrwürdige Geheimdienst-Tugenden wie List, Tücke oder gar Geschick, sondern einzig und allein durch Zufall oder unverschämtes Glück. Als er sich beispielsweise in einem Auto befindet, das gerade im Begriff ist, einen Steilhang hinunterzustürzen, springt er kurzerhand einfach zur Tür hinaus, landet ohne eine zusätzliche Schramme auf dem Schotter und macht weiter, als sei nichts geschehen. 

Und in diesem Duktus geht es weiter. Michael Scotts Überleben basiert entweder auf einer Extraportion Dusel, unerklärter Unverwundbarkeit oder darauf, dass seine Gegner noch ungeschickter agieren als er selbst. Derart einfallsloses Drehbuchschreiben geht natürlich tüchtig auf Kosten der Spannung. Gewiss rechnet auch beim großen Kollegen Bond niemand damit, er könne jemals ernsthaft zu Schaden kommen, aber durch die Frage, wann und wie er der andauernden Leib- und Lebensgefahr entkommt, entsteht ein gewisser Nervenkitzel. Wenn der Held jedoch, wie hier, aus jedem Steinschlag, jeder Explosion und jedem Schusswechsel ohne erkennbare Mühe lebendig hervorgeht, stellt sich doch recht rasch Verdruss ein. Dass Michael Scott zudem auch nicht die hellste Kerze auf der Torte ist, macht die Sache nicht unbedingt besser. Als er sich gegenüber dem Bösewicht als Versicherungsvertreter ausgibt, nennt er dabei doch tatsächlich seinen richtigen Namen. 

Viele Gedanken an Zusammenhang und Kausalität hat das Autorenduo (bestehend aus Werner P. Zibaso [→ KOMMISSAR X JAGT DIE ROTEN TIGER] und Hanns-Karl Kubiak [→ HOTEL DER TOTEN GÄSTE]) also wahrlich nicht verschwendet. Stattdessen kopierte es eifrig Situationen und Stereotype aus größeren Vorbildern in der Hoffnung, das sei schon irgendwie ausreichend. Auch Motivationen und Hintergründe der Charaktere blieben nur vage umrissen. Der Schurke ist einfach nur der Schurke, und er ist das, weil er schurkische Dinge tut. Mehr braucht man gar nicht zu wissen. Auch Regisseur Ernst Hofbauer [→ TIM FRAZER JAGT DEN GEHEIMNISVOLLEN MR. X] ging maximal uninspiriert zu Werke und lieferte kaum mehr als drögen Dienst nach Vorschrift. Die „Action“ (wenn man sie denn so nennen möchte) besteht aus ein paar undynamisch abgefilmten Autojagden, hüftsteif ausgeführten Schlägereien und ein bisschen „Peng, Peng“ mit dem Revolver wie beim präpubertären Cowboy- und Indianer-Spiel. Und wenn doch mal kurzzeitig Gefahr besteht, es könnte etwas turbulenter werden, ist es meistens auch schon wieder vorbei, bevor es richtig angefangen hat. Man merkt an allen Ecken und Enden: DAS GEHEIMNIS DER DREI DSCHUNKEN wollte niemals einen Innovationspreis gewinnen und entstand auch nicht aus einer großen Vision heraus. Er wurde gedreht, um mit möglichst geringem Aufwand möglichst viel Geld einzuspielen. Mit dem allernötigsten Aufwand an Finanz- und Schaffenskraft wurde hier ein Produkt zurechtgezimmert, das den Ansprüchen des Publikums gerade so sehr entspricht, dass sich trotz eisernem Sparstift am Ende der finanzielle Erfolg einstellt. 

Der Schauplatz Hongkong war dabei bereits die halbe Miete. Der damals noch als geheimnisvoll und exotisch empfundene Ort kitzelte den Eskapismus des deutschen Durchschnittsbürgers, sorgte für attraktive Aufnahmen und günstige Arbeitsbedingungen. Durch eine Kooperation mit Produzenten aus Italien konnte man die Kosten zusätzlich gering halten. Und bei der Besetzung orientierte sich man sich an dem, was man damals in der BRD gern auf Leinwand und Mattscheibe sah. Stewart Granger stand dank der Karl-May-Verfilmung OLD SUREHAND auf der Beliebtheitsskala ganz oben, sein Gegenspieler Sieghardt Rupp [→ FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR] war noch aus diversen Heimatfilmen wohlbekannt, der stets gern gesehene Horst Frank [→ VIER FÄUSTE SCHLAGEN WIEDER ZU] bekleidet als brutaler Bezahl-Killer eine auf ihn zugeschnittene Nebenrolle, während als ebenso obligatorische wie redundante Witzfigur Harald Juhnke [→ DER MÖRDER MIT DEM SEIDENSCHAL] ein paar seichte Lacher vom Stapel lassen darf. Für den weiblichen Part engagierte man die bildhübsche Rosanna Schiaffino [→ THE KILLER RESERVED NINE SEATS], die – auch nur wenig überraschend – eine für die Produktionszeit typische Frauenfigur aufgedrückt bekam: Keck und adrett, aber im gleichen Maße auch naiv und im Ernstfall auf die Rettung ihres großen Beschützers angewiesen (in welchen sie nach lausigen fünf Minuten unsterblich verliebt ist). Gut, der Augenblick, in welchem sie ihrem Folterknecht einen saftigen Tritt verpasst, worauf dieser wie von der Kanonenkugel getroffen auf der Glatze durchs Zimmer kegelt, ist zugegebenermaßen nicht von schlechten Eltern. 

Dazu gesellen sich die unvermeidliche Portion Sexismus („Es müsste beim CIA verboten sein, Frauen zu beschäftigen“, stellt Michael Scott einmal fest) sowie wie der damals übliche arrogante westliche Blick auf den Fernen Osten. Granger und Juhnke poltern durch die Stadt wie die Elefanten im Porzellanladen, zeigen Respekt weder vor der Kultur, noch vor der Bevölkerung, klopfen Sprüche übers Essen mit Stäbchen („Kein Wunder, dass die Chinesen alle so dünn sind!“) und reden mit den Einheimischen (die im Übrigen fast alle Deutsch verstehen und sprechen) wie mit zurückgebliebenen Kleinkindern. Dass die blauäugige Abenteuer-/Agenten-/Kriminalfilm-Melange trotz all ihrer Defizite gut bei Laune hält, liegt an ihrer eigentümlichen Schrulligkeit, die tief im Zeitgeist verwurzelt ist und sich daher auch nicht reproduzieren lässt, an ihrem radikalen Widerspruch aus behaupteter Weltoffenheit und tatsächlichem bundesdeutschen Spießbürgertum. Sich selbst fett CIA auf die Fahnen zu schreiben und dann einen feixenden Harald Juhnke auf Mission zu schicken, dazu gehört schon eine ganze Menge Verstiegenheit. Wie viele ähnlich gelagerte Werke dieser Zeit und Gattung entspringt der Reiz somit in erster Linie aus der schönen Atmosphäre längst vergangener Kinotage. Das exotische Flair Hongkongs geschickt nutzend, werden alle möglichen attraktiven Schauplätze abgegrast und jede Szene atmet den Geist verklärter Kinoromantik. Angereichert mit der für die Zeit üblichen locker-flockigen Dialogen, erlebt man hier flauschig abgelichteten Kintopp mit all den zu erwartenden Ingredienzien. Eine gewisse Affinität sollte man allerdings mitbringen.

Laufzeit: 85 Min. / Freigabe: ab 12