Eigene Forschungen

Montag, 22. September 2025

SIEBEN GOLDENE MÄNNER


SETTE UOMINI D'ORO
Italien 1965

Regie:
Marco Vicario

Darsteller:
Philippe Leroy,
Rossana Podestà,
Gastone Moschin,
Gabriele Tinti,
Giampiero Albertini,
Dario De Grassi,
Manuel Zarzo,
Maurice Poli



„Eine winzige Kleinigkeit lässt den besten Plan zum Teufel gehen.“
„Und wenn man selbst der Teufel ist?“

Inhalt:

Albert [Philippe Leroy], ein britischer Gentleman, und dessen Geliebte, die divenartige Giorgia [Rossana Podestà], beziehen gut gelaunt eine luxuriöse Suite in einem Hotel in der Genfer Innenstadt. Kaum unter sich, öffnen sie ihre Koffer und füllen ihr Zimmer mit allerlei Schnickschnack: Radaranlage, Funkgerät – und ein Teleskop. Denn der Ausblick interessiert die beiden brennend. Direkt gegenüber erhebt sich nämlich das Hauptgebäude der „Credit Suisse Bank“. In diesem lagern die größten Goldreserven des Landes. Und dazwischen, gut verborgen zwischen all dem Hochkarätigen, liegt ein Peilsender – deponiert von Giorgia, nachdem der arglose Bankdirektor der attraktiven Frau nur wenige Stunden zuvor Einblick in die Schatzkammern gewährt hatte. Nun wird unten auf dem Vorplatz eine Baustelle errichtet. Sechs Straßenarbeiter nehmen ihre Arbeit auf. Jeder von ihnen stammt aus einem anderen Teil der Welt. Noch bis vor kurzem hat keiner den anderen gekannt. Ihre Vornamen beginnen alle mit demselben Buchstaben: A. A wie „Albert“. Das ist kein Zufall. Denn Albert ist der Kopf des Ganzen. Er rekrutierte die Männer. Er konstruierte den Plan. Und er hält die Fäden in der Hand. Auf sein Zeichen geht es los: Die sechs Komplizen begeben sich in die Tiefe und bahnen sich, per Funk gesteuert von den Anweisungen Alberts, ihren Weg durch die Kanalisation – schnurstracks in Richtung Reichtum.

Kritik:

Der französische RIFIFI (oder, im Original ausführlicher: DU RIFIFI CHEZ DES HOMMES) von 1955 verhalf aufgrund seines Erfolges einem Subgenre des Kriminal- und Gangsterfilms zu plötzlicher Popularität: dem Heist-Movie. Seither versammelten sich immer wieder mal mehr, mal weniger illustre Schauspieler-Ensembles auf der Leinwand, um gemeinsam den perfekten Raub zu begehen. SIEBEN GOLDENE MÄNNER reiht sich da recht nahtlos ein und variert die bekannten Story-Stationen nur rudimentär. Die düstere Noir-Attitüde der Vorlage allerdings weicht hier der beschwingten Lebensfreude der 1960er-Jahre, während die Erzählung selbst mit Elementen und Stilmitteln des damals ungemein angesagten Agentenfilms verknüpft wird. Das läuft wunderbar rund, zum einen, weil Regisseur Marco Vicario [→ DIE NACKTEN STUNDEN] sein Werk voll und ganz im Griff hat, zum anderen, weil das Publikum hier schlichtweg genau das bekommt, was es auch erwartet: die Faszination der Verbrechensplanung, den Nervenkitzel bei deren Umsetzung – und nicht zuletzt, dem Zeitgeist entsprechend, eine gehörige, wenngleich das Szenario nicht erdrückende Portion Humor.

Dramaturgisch geschickt wird der Zuschauer zu Beginn erst einmal ins kalte Wasser geworfen. Die Aktion startet nämlich ziemlich unverzüglich und verzichtet auf deskriptives Vorgeplänkel. Mit Erklärungen wird ökonomisch umgegangen, Personen werden nicht vorgestellt und Zusammenhänge müssen in Eigenverantwortung eruiert werden. Das funktioniert auch deswegen, weil die Autoren (zu denen auch der Regisseur selbst gehört) eine gewisse Vorerfahrung seitens des Publikums voraussetzen können – die Konventionen sind schließlich geläufig und für welches Genre die Eintrittskarte gelöst wurde, sollte ebenfalls bekannt sein. Worum es geht und wie genau der Plan aussieht, erschließt sich einem somit erst Stück für Stück, auch mittels mehrerer Zeitsprünge in vergangene Ereignisse. Wahnsinnig originell oder gar kompliziert ist das Vorhaben nun allerdings nicht und auch in puncto Glaubwürdigkeit müssen einige Abstriche gemacht werden. Aber darauf kommt es eigentlich gar nicht an: Im Mittelpunkt steht nicht der schnöde Realismus, sondern elegante Kino-Unterhaltung mit einer gesunden Dosis mondänen Flairs, das mit nahezu diebischer Freude zelebriert wird. Schon der Auftakt stellt die Weichen: Noch während die beschwingte Titelmelodie läuft, schäkern Philippe Leroy [→ MILANO KALIBER 9] als „Albert“ und Rossana Podestà [→ DAS SCHLOSS DES GRAUENS] als Giorgia in der schicken Limousine und scheinen dabei Steed und Peel aus MIT SCHIRM, CHARME UND MELONE Konkurrenz machen zu wollen.

Dieser feinen Herausgeputztheit steht das harte Handwerk gegenüber, für das die sechs weiteren Goldenen Männer zuständig sind, die natürlich gar nicht golden sind, sondern die orangefarbenen Overalls der städtischen Straßenarbeiter tragen. Während Albert und Giorgia im Hotelzimmer die Nobelhobel geben und den Einsatz akribisch durchorchestrieren, simuliert der Rest der Belegschaft in besagter Tarnung die Umsetzung akuter Baumaßnahmen, während er sich eigentlich – stets per Funk mit der „Kommandozentrale Luxussuite“ verbunden – durch das unterirdische Tunnelsystem den Weg zum Tresorraum der nahgelegenen Bankfiliale bahnt. Die technischen Spielereien, die dabei aufgefahren werden, manövrieren das charmante Gaunerstück entschieden in Richtung Spionage-Krimi; neben recht profanen Dingen wie Sprengstoff, Betonbohrern und Förderbändern kommen auch Peilsender sowie Radaranlagen oder versteckte Kameras zum Einsatz. Geht es dabei anfangs noch recht gemächlich zu, steigen Tempo und Dramatik spürbar, je mehr sich der zugrundeliegende Plan herauskristallisiert und je vertrauter einem die Figuren werden. Denn dass der Coup nicht ohne Komplikationen abläuft, liegt in der Natur der Sache – und des Skripts, das natürlich redlich bemüht ist, möglichst viele spannungsfördernde Stolpersteine unterzubringen. Und so treiben neugierige Polizisten, versiegende Luftzufuhr oder außerplanmäßige Wachmannanwesenheiten die Pulsschläge der Protagonisten zwischenzeitig tüchtig nach oben.

Dass der Bruch dennoch gelingt, ist ebenfalls keine Überraschung – SIEBEN GOLDENE MÄNNER folgt dann doch zu sehr den Regeln des Reißbretts, um das Rad neu zu erfinden. Und natürlich geht nach erfolgreichem Abschluss der Aktion das große Behumsen los: Jeder will plötzlich die Beute für sich und auf die einstige Kameradschaft wird ein goldener Haufen gesetzt. Das geschieht allerdings erst nach gut einer Stunde – so lange dauert es nämlich, bis die Barren ins Trockene gebracht sind. Leider bricht damit die Nervenkitzelkurve auch ein wenig ein. Vor allem das Finale zieht sich doch ziemlich und geriet auch generell eher unbefriedigend. Dem positiven Gesamteindruck freilich kann das nichts anhaben – zumal im letzten Drittel, nachdem sie zuvor in erster Linie als Blickfang eingesetzt wurde, auch endlich die Frau an der Seite der sieben Goldjungs charakterlich an Profil gewinnen darf. Rossana Podestà war die Gattin des Regisseurs, der ihre Ausstrahlung gekonnt in Szene zu setzen wusste. So steckt sie bei nahezu jedem ihrer Auftritte in einem neuen extravaganten Kostüm, trägt die imposanteste Perückenpracht spazieren und die verruchteste Brillenmode zur Schau, bevor sie sich im halbtransparenten Catsuit grazil auf der Couch lümmelt. Dass sie weitaus mehr auf dem Kasten hat, als durch Liebreiz zu glänzen, und ihre Rolle über die des attraktiven Anhängsels hinausgeht, beweist sie vergleichsweise spät, aber dafür umso eindrücklicher.

SIEBEN GOLDENE MÄNNER mag RIFIFI als Blaupause nutzen, besitzt jedoch genügend eigene Qualitäten, um aus dem Schatten des Vorbilds herauszutreten. Der spitzbübische Humor ist wohldosiert und schwebt eher als ironischer Unterton über dem Geschehen. Zugleich setzt die Inszenierung gezielt auf Kontraste: hier das Schwelgen in der luxuriösen Umgebung von Schalterhalle und Hotelzimmer, dort die Ungemütlichkeit des Untergrunds mit all seinen Rohren, Gängen und Ungastlichkeiten. Nicht jeder Einfall zündet gleichermaßen: Dass alle Männer namentlich mit „A“ beginnen und aus unterschiedlichen Ländern stammen, ist ein Gimmick, das eher redundant wirkt. Zumindest in der deutschen Fassung mutet Philippe Leroy als Anführer mit seiner verschliffenen Artikulation und den englischsprachigen Einschüben auch weniger wie ein Brite an, denn eher wie jemand, der sich gleich nen Tex-Mex-Burger mit doppelt Zwiebeln bestellen wird. Im Gegenzug dazu wurde in der Synchronfassung unterschlagen, dass eigentlich auch ein Deutscher zu den Goldenen Männern gehört – wahrscheinlich, weil dieser im Original den originellen Namen „Adolf“ trägt, der ja dezent vorbelastet ist. In der deutschen Fassung heißt er nun „Arturo“ und soll vermutlich einen Italiener darstellen. Für gute Laune sorgt zusätzlich die musikalische Untermalung, ein flauschiger Klangteppich, der ganz im Sinne des Zeitgeists gewoben wurde: locker-leichter Jazz, Bossa-Nova-Einflüsse und fröhlich gepfiffene Melodien, dazu lässige Orgel- und Trompetenklänge. All das in einem Kessel miteinander verschmolzen, macht aus den Goldenen Männern am Ende glänzende Unterhaltung. Das Publikum sah das wohl ähnlich  weswegen sie im Folgejahr gleich für einen neuen Coup zurückkehren durften.

Laufzeit: 91 Min. / Freigabe: ab 12

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