USA 1980
Regie:
James Glickenhaus
Darsteller:
Robert Ginty,
Steve James,
Christopher George,
Samantha Eggar,
Tony DiBenedetto,
Dick Boccelli,
Patrick Farrelly,
Michele Harrell
„Ich suche ein paar deiner Freunde. Einer davon ist so’n Kleiner mit Baskenmütze und Bart. Der andere ist ein großer, klotziger Kerl – hässlich, sieht aus wie’n Affe.“
(In Sachen Personenbeschreibung macht dem Exterminator keiner was vor.)
Inhalt:
In den Wirren des Vietnamkriegs geraten John Eastland [Robert Ginty] und sein Kamerad Michael Jefferson [Steve James] in feindliche Gefangenschaft und entrinnen nur knapp einem grausamen Tod. Jahre später arbeiten beide in einem New Yorker Lagerhaus, stets bemüht, das erlebte Grauen zu vergessen. Doch die Gewalt holt sie unvermittelt ein: Jefferson wird von einer Straßengang überfallen und dabei so schwer verletzt, dass den Rest seines Lebens auf den Rollstuhl angewiesen ist. Bei Eastland brennen daraufhin alle Sicherungen durch: Mit Flinte und Flammenwerfer im Gepäck verübt er eiskalte brennende Rache. Derart auf den Geschmack gekommen, nimmt sich der Vietnam-Veteran in den folgenden Wochen weitere Kriminelle vor, um sie ihrer tödlichen Strafe zuzuführen: Mafiosi, Dealer, Zuhälter, korrupte Politiker – niemand ist plötzlich mehr sicher. Fieberhaft versucht der idealistische Detective James Dalton [Christopher George], die Identität des Rächers zu enthüllen. Und sogar die CIA nimmt Eastland ins Visir, da sie in seinen Aktionen eine Gefahr für die öffentliche Ordnung sieht. Schließlich kommt es zur explosiven Konfrontation aller Parteien.
Kritik:
Nein, DER EXTERMINATOR ist nicht die Geschichte eines Killerroboters aus der Zukunft, der sich aufs Altenteil zurückgezogen hat. Exterminator, Bildungsbürger wissen das, ist die englische Bezeichnung für einen Kammerjäger. Dieser Berufsstand befreit bekanntermaßen die werte Behausung von lästigem Ungeziefer – womit Tonfall und Intention dieser groben Schlachtplatte auch schon treffend umschrieben wären. Gleich das erste Bild zeigt einen gigantischen Feuerball sowie die Silhouette eines Mannes, der unfreiwillig, dafür aber im hohen Bogen, vor ihm davon segelt. Es ist Krieg, so stellt sich heraus, und der Ort des Geschehens heißt Vietnam. Nur wenige Minuten später ist das Publikum bereits Zeuge zweier enorm brutal inszenierter Enthauptungen geworden und es ist klar: Das hier ist kein Ponyhof. Der gerade aufgrund seiner Grausamkeit sehr wirkungsvolle Auftakt führt zugleich die beiden Helden ein, John Eastland und Michael Jefferson (Robert Ginty aus ZWEI MINUTEN WARNUNG und Steve James aus AMERICAN NINJA), und das wider Erwarten nicht etwa als sprücheklopfende Kampfmaschinen, sondern als verängstigte Soldaten, die dem Feind nur mit Müh und Not entkommen können. Die Überleitung vom rückblickenden Prolog in die Präsens der 1980er ist auffallend gelungen: Der Helikopter, der die zwei Freunde aus der Kriegshölle hinaus fliegt, scheint plötzlich durch die Zeit zu reisen. Nahezu nahtlos geht der vogelperspektivische Blick auf den Dschungel über in den auf die nächtliche Großstadt der Gegenwart. Die Kamera schwebt über die in zartes Licht gehüllten Dächer New Yorks, der Vorspann beginnt, eine sanfte Ballade setzt ein – ein Moment, der Ruhe und Frieden ausstrahlt, und damit im krassen Gegensatz zu den eben noch erlebten Gräueltaten steht, die freilich immer noch nachhallen. Es wird deutlich: Die Männer mögen dem Tod entronnen sein, den Ort gewechselt und die Jahre überdauert haben. Aber das Trauma des Tötens, das haben sie mitgenommen.
Nach dem Sprung ins Jetzt (in das des Produktionsjahres 1980, versteht sich) sieht man Eastland und Jefferson als kistenschleppende Lagerarbeiter, die ein zwar bescheidenes, aber zumindest augenscheinlich recht unbeschwertes Leben führen. Ihre Vergangenheit, so scheint es, hat sie zusammengeschweißt, ihre Freundschaft unerschütterlich zementiert. Hin und wieder schalten sie allerdings noch in den Verteidigungsmodus – so geschehend, als sie ein paar Langfingern, die gerade im Begriff sind, ein Depot zu plündern, gehörig und mit schwingender Faust die Tour vermasseln. Leider gehören die verhinderten Gerstensafteintreiber zu einer skrupellosen Straßengang, die dezent überreagiert und einem der Männer, Jefferson nämlich, in einer stillen Gasse auflauert, wo sie dessen Wirbelsäule per Gartenkralle malträtiert. Den Überfallenen befördert das umgehens in den Krankenkassen-Chopper – Rollstuhlpflicht bis ans Ende seiner Tage (die deutsche Synchronfassung behauptet an dieser Stelle übrigens, man habe ihm das Genick gebrochen, was offenkundig Unsinn ist). Grund genug für Eastland, den verborgenen Vigilanten zu aktivieren und Vergeltung für seinen Freund zu üben. Es ist wahrlich erstaunlich, wie schnell und beinahe selbstverständlich das hier vonstattengeht: Von einer Szene auf die nächste hat Eastland bereits eines der Bandenmitglieder in seiner Gewalt, ohne jedwede Vorbereitung oder Herleitung. Es scheint, als habe er bereits vor langer Zeit alles organisiert und nur auf einen Anlass gewartet, den inneren Kammerjäger endlich von der Kette lassen zu dürfen. Von seinem Gefangenen (es wird übrigens niemals erklärt, wie er ihn überhaupt in die Finger bekam) erpresst er nun den Aufenthaltsort des Rests der Gang, woraufhin der kampferprobte Wutbürger dort konsequent klar Schiff macht. „Er war doch nur ein Nigger“, versucht einer der Delinquenten die grausame Tat zu rechtfertigen. Eastland hebelt diesen rassistischen Ausfall mit bestechendem Pragmatismus aus: „Dieser Nigger war mein bester Freund.“ So simpel!
Das Publikum ist dabei prinzipiell auf seiner Seite. Auch dann noch, als er sich im Folgenden weiteren menschlichen Unrat vorknöpft, um diesen für seine Vergehen zur verdienten Rechenschaft zu ziehen. Als Held oder gar Identifikationsfigur taugt er dennoch zu keiner Sekunde. Denn nur vordergründig geht es ihm darum, Gerechtigkeit zu üben. Die kurzen Erinnerungsfetzen an den Vietnamkrieg, die hin und wieder mal aufploppen, wirken in dem Zusammenhang fast ein wenig zu plump. Auch ohne dieses ausgelutschte Stilmittel wäre klar gewesen, dass Eastland aufgrund seiner Vergangenheit mentale Blessuren mit sich herumträgt. Der Anschlag auf seinen (vermutlich einzigen wirklichen) Freund hat einen Schalter umgelegt. Seine Racheaktionen treffen zwar nie die Falschen – Autor und Regisseur James Glickenhaus [→ DER PROTECTOR] hat da wirklich ein paar abstoßende (wenngleich nicht unglaubwürdige) Zeitgenossen zu Papier gebracht. Doch die Taten des selbsternannten Kammerjägers sind letztlich nichts anderes als Ausdruck seines zerrütteten Seelenlebens. Weder empfindet er Freude an seinem Feldzug noch verschafft er ihm Genugtuung. Und dem Zuschauer ergeht es ebenso. Denn die Inszenierung der Ereignisse spiegelt die Psyche ihres Protagonisten: Alles ist trist, trostlos und über alle Maßen traurig.
Tatsächlich werden gängige Sensationslüste trotz explizit ausgespielter Brutalitäten kaum befriedigt. Nach dem knalligen Kriegsauftakt regiert überwiegend die Entschleunigung, und das bei einem Spannungsaufbau, der sich einer Klimax konsequent verweigert. Eastlands Rache an der Straßengang ist bereits nach gut 20 Minuten abgeschlossen. Seine anschließenden Selbstjustizaktionen scheinen dann gar keinem Plan mehr zu folgen, wirken improvisiert und impulsiv. Entsprechend episodenhaft sind sie auch gegliedert – wofür Glickenhaus sogar auf das völlig altbackene und eher aus der TV-Landschaft bekannte Stilmittel der Auf- und Abblenden zurückgreift. Auf der Bildebene herrscht überwiegend eine funktionale, dokumentarisch angehauchte Nüchternheit, die jedwede Ausprägung von Attraktivität vermissen lässt. Die Gewaltakte sind zahlreich und definitiv nicht ohne, aber ebenfalls ohne jede Ästhetisierung und damit ähnlich schmucklos wie das restliche Erscheinungsbild DER EXTERMINATORs. Insbesondere die Szene, in der ein anzugtragender Halunke an einem Haken von der Decke hängend in einer riesigen mechanischen Fleischfräse endet, brennt sich als Sinnbild des filmischen Nihilismus ein.
Als Gegenentwurf zu Eastland agiert der vom ehemaligen Western-Akteur Christopher George [→ DRECKIGES GOLD] verkörperte Kriminalbeamte James Dalton, der den Rächer am Ende auch stellt. Wider gängiger Schablonen wird er allerdings nicht zu dessen Widersacher aufgebaut. Mehr noch: Die meiste Zeit agiert er völlig losgelöst von der Haupthandlung. Anstatt mitzuerleben, wie er Ermittlungen anstellt, Erkenntnisse gewinnt, sich auf Eastlands Spur setzt und seinem Zielobjekt dabei immer näher kommt, sieht man ihm bei seinem wenig spektakulären Alltagstrott zu. Dazu gehört auch eine kleine Liebelei mit der Ärztin Megan Stewart (Samantha Eggar aus KEIN KOKS FÜR SHERLOCK HOLMES) und natürlich liegt die Vermutung nahe, das werde später noch einmal von inhaltlichem Belang sein. Aber so ist es nicht. Obwohl ihren gemeinsamen Telefonaten, Strandspaziergängen und Abendessen recht viel Zeit gewidmet wird, kommt es niemals zu einer Verbindung mit dem Fall Eastland. Natürlich könnte man es sich hier einfach machen und behaupten, Glickenhaus habe beim Schreiben lediglich versucht, Zeit zu schinden. Aber tatsächlich funktioniert das Konzept, weil es zeigt, welche alternativen Wege sich beschreiten lassen, um im Großstadtdschungel zu bestehen. Es ist kaum anzunehmen, dass Dalton als Polizist und Stewart als Ärztin mit weniger Gewalt und Elend konfrontiert werden als Eastland es wird. Aber während der eine zum desillusionierten Selbstjustizler wird, suchen sich zwei andere mitten im Moloch ihr kleines privates Glück.
Jeder Vigilantenfilm muss sich am Urvater des Genres messen lassen: Michael Winners DEATH WISH von 1974 mit Charles Bronson in der Hauptrolle. Zwar liegt ein Vergleich zunächst nahe, da hier wie dort ein einsamer Racheritter durch das Dunkel der Großstadt streift. Längere Zeit darüber nachgedacht, ergeben sich jedoch fast mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten. Denn der Exterminator ist kein Durchschnittstyp, der nach und nach zur Mordmaschine wird. Er ist bereits eine. Er braucht keinen Progress, um zum Richter und Henker zu werden. Nur einen Auslöser. Denn Tod und Gewalt, das kennt er schon längst. Auch die Folgen seiner Taten unterscheiden sich auffallend vom (vermeintlichen) Vorbild: Während die Behörden dort zum heimlichen Verbündeten des Abweichlers werden, wird er hier zum Staatsfeind erklärt und zum Abschuss freigegeben. So ist DER EXTERMINATOR am Ende auch eine Abhandlung über das Los der Kriegsheimkehrer, die von den Mächtigen erst ausgenutzt, dann aber im Stich gelassen wurden. Das verleiht dem vordergründig natürlich sehr plakativen Werk eine unerwartete Tiefe, die es aus dem Gros seiner Mitbewerber hervorstechen lässt. Zwischen all den von Schmutz und Tristesse geprägten Bildern gelingen Kameramann Robert M. Baldwin [→ GRAUEN UM JESSICA] zudem ein paar wunderbare surreale Momente. Etwa jener, in dem Eastland einen Anruf tätigt – aus einer einzelnen völlig intakten Telefonzelle inmitten eines riesigen Trümmerhaufens. Ein paar Klischees und Albernheiten muss man freilich dennoch in Kauf nehmen. Genannt seien das Auto, das mal wieder grundlos explodiert, die beiden Geldeintreiber, die aussehen, als kämen sie gerade vom Jahrestreffen der Blues-Brothers-Fangemeinde, oder der Unterschlupf der brutalen Straßengang, die dort dermaßen entspannt zu launiger Disco-Mucke herumschwoft, dass man einen Moment lang meint, Eastland habe sich in der Tür geirrt und mische gerade versehentlich einen chilligen Studentenclub auf.
Laufzeit: 102 Min. / Freigabe: ab 18

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