GB, USA 2012
Regie:
Sam Mendes
Darsteller:
Daniel Craig,
Judi Dench,
Javier Bardem,
Ralph Fiennes,
Ben Whishaw,
Naomie Harris,
Albert Finney,
Ola Rapace
„So I wish I was
James Bond, just for the day. Kissing all the girls, blow the bad
guys away.“ [Scouting for
Girls]
Inhalt:
James Bond [Daniel Craig] ist tot! Zumindest
M [Judi Dench] glaubt das und verfasst auch schon mal nen Nachruf.
Bei einem Einsatz in der Türkei wurde der beste Agent des MI6
angeschossen (von den eigenen Leuten – willkommen in unserem
kompetenten Fachteam!) und im Fluss versenkt. Aber Bond hat überlebt
(kein Wunder, sonst wäre der Vorspann der Abspann). Dennoch
verschwindet er zunächst im Untergrund und liefert sich
lebensgefährliche Trinkspiele mit den Einwohnern eines kleinen
Dörfchens irgendwo im Nirgendwo. Doch als eine Explosion das
Hauptquartier des MI6 erschüttert, meldet er sich zurück zum
Dienst. Zwar besteht er nicht mal mehr den Tauglichkeitstest, doch M
boxt Bond zurück in den Einsatz. In Shanghai soll er Jagd auf den
Killer Patrice [Ola Rapace] machen. Dieser handelt im Auftrag eines
Verbrechers, der dem Geheimdienst eine Liste mit Agentennamen
entwendet hat (der MI6 ist auch nicht mehr das, was er mal war). Zwar
überlebt Patrice die Konfrontation mit Bond nicht, doch ein
Spielchip in seinem Gepäck führt auf die Fährte Raoul Silvas
[Javier Bardem], eines ehemaligen MI6-Agenten, der ganz persönliche
Gründe für eine Rache hegt. Die Festnahme des Bösewichts gelingt
relativ reibungslos. Doch schon bald müssen MI6 und Bond
feststellen, dass sie nur Marionetten in einem teuflischen Spiel
Silvas sind.
Kritik:
Nein, das ist definitiv nicht mehr der James Bond
der 1960er und 70er Jahre. Das ist nicht mehr der Bond, der sich mit Wrestlern mit
tödlicher Kopfbedeckung prügelte. Das ist nicht mehr der Bond, der mit klobiger
Laserkanone ins All flog. Und das ist auch nicht mehr der Bond, der sich mit Tarzan-Schrei
durch den Dschungel hangelte. Mit den ebenso abstrusen wie
unbeschwerten Nonsens-Abenteuern früherer Zeiten hat SKYFALL,
der (zumindest nach offizieller Zählung) 23. James-Bond-Film und der
dritte mit dem gewöhnungsbedürftigen Daniel Craig in der Rolle des
Superagenten, inzwischen dermaßen wenig am Hut, dass es wohl ein
Ding der Unmöglichkeit wäre, einen Uninformierten davon zu
überzeugen, es mit ein und derselben Reihe zu tun zu haben.
Natürlich braucht Bond nun ernsthaft niemandem mehr vorgestellt zu
werden. Den britischen Geheimagenten, der jeder noch so ausweglosen Situation entfleucht, jeden noch so geisteskranken
Superschurken zur Strecke bringt, dabei aber immer noch genug Zeit
findet, um Cocktails zu schlürfen und die schärfsten Tanten des
Planeten zu beglücken, kennt wahrlich jedes Kind. Das hinderte die
Autoren Neal Purvis, Robert Wade und John Logan jedoch nicht daran,
es dennoch zu versuchen und bürdeten sich mit ihrem Skript die
monumentale Aufgabe auf, den Menschen hinter dem Agenten sichtbar zu
machen, seine Schwächen und Selbstzweifel. „Ich habe
den Tod genossen“, antwortet Bond dann auch auf Ms Frage, warum
er sein Überleben so lang geheim hielt. Und tatsächlich liegt eine
unterschwellige Todessehnsucht in der Luft, eine unverarbeitete,
tiefgründige Trauer lastet auf Ihrer Majestäts Superagenten. Freud
wäre begeistert, führt ihn seine Selbstfindungsreise doch
schließlich zurück an den Ort seiner Kindheit, wo er sich seinen
verborgenen Dämonen stellen muss.
Aber nicht nur Bond hat Seelenkummer: Auch seine Vorgesetzte M (wie in den Vorgängern verkörpert von Judi Dench) befindet sich in einer Sinnkrise. Involviert wie noch nie zuvor, nimmt der Charakter hier aktiv am Geschehen teil und darf sich die Frage stellen, inwiefern getroffene Entscheidungen das Schicksal des Menschen beeinflussen. Brisanterweise ist die Entstehung des Schurken, gegen den Bond hier antreten muss, nämlich untrennbar mit einer von Ms Entscheidungen verbunden: Jarvier Bardem, der bereits in NO COUNTRY FOR OLD MEN als Killer mit Dachschaden und Bolzenschussgerät brillierte, liefert als entwurzelter Ex-MI6-Agent eine nachhaltig beeindruckende Leistung ab. Unter seinem tuckigen, rätselhaft unscheinbaren Auftreten mitsamt brüchiger Fistelstimme spürt man eine gefährliche Urgewalt brodeln, ein grenzenloser Wahnsinn, der jeden Augenblick herausbrechen könnte – sein schaurig-dämonischer Offenbarungseid im Ms Gegenwart hätte vermutlich selbst Hannibal Lecter zum Schlottern gebracht. Und dennoch spielt Bardem keinen realitätsfernen Comic-Bösewicht, der aus reiner Bosheit agiert. Raoul Silva ist eine tragische Figur, ein von Menschenhand erschaffenes Monster, aufgrund von Folter und Entbehrungen in den Irrsinn getrieben, was seinen Wahn sogar nachvollziehbar macht:
„Mutter! Sieh, was du erschaffen hast!“
Tod, Sterben, Schuld und Katharsis – Themen, die in SKYFALL nicht nur thematisiert werden, sondern zeitweise das Szenario sogar komplett beherrschen – und das in solch einem Ausmaß, dass man fast vergisst, es mit einem Agententhriller zu tun zu haben. Nun bestand nach 50 Jahren James Bond gewiss keine zwingende Notwendigkeit, das gewohnte (zudem bis zum Exzess auch von zahlreichen Plagiaten kopierte) Muster noch ein weiteres Mal treuherzig durchzuexerzieren; ob penetrante Ausflüge in die Welt der Tiefenpsychologie jedoch der Weisheit letzter Schluss war, um ein Flaggschiff wie 007 aufzupolieren, darüber könnte man vorzüglich bei einem Wodka Martini streiten. Fast paradox erscheint es da bei all dem Gemenschel, dass Bond mehr denn je zugleich als nahezu übermenschliches Wesen abgefeiert wird: Oft erst im Halbdunkel versteckt, tritt er schließlich wie der leibhaftige Messias ins Licht. Auf die Frage nach seinem Hobby antwortet er demzufolge auch: „Auferstehung!“
Nicht nur inhaltlich, auch visuell beschreitet man neue Wege: SKYFALL sieht schlichtweg umwerfend schön aus. Kameramann Roger Deakins kreierte berauschende Bilder von solch optischer Wucht, dass man sich jede zweite Szene als Poster an die Wand hängen könnte. Das nächtliche Shanghai erscheint so als märchenhafte Fantasiewelt, Bonds Kampf mit einem Kontrahenten als wirklichkeitsentrücktes Schattenspiel vor dem irrealen Hintergrund rotierender Lichter. So eindrucksvoll das auch geriet, muss hier dennoch die Frage gestattet sein, ob man damit nicht ein wenig übers Ziel hinausgeschossen ist. Immerhin wurde James Bond nicht aufgrund ausgefeilter Bildästhetik zum Welterfolg (die ersten 007-Abenteuer, die den Erfolg begründeten, profitierten zwar von ihren exotischen Schauplätzen, waren in Sachen Inszenierung aber doch eher konservativ), sondern weil die Hauptfigur die quasi fleischgewordene männliche Allmachtsfantasie war, die in exotischer Umgebung ihre Maskulinität zelebrierte, die Gegner tötend, die Frauen betörend, aus sämtlichen Duellen actionreich als Sieger hervorgehend.
Action bietet SKYFALL freilich auch – richtig schnieke anzusehende sogar: Nicht zu rasant geschnitten, nicht zu übertrieben (vom anfänglichen geisteskranken Motorrad-Stunt mal abgesehen) und im archaischen Finale sogar richtig klassisch, wenn man sich in der kargen Landschaft Schottlands gegenseitig die blauen Bohnen um die Ohren pustet. Dennoch liegt der Fokus hier eindeutig auf Handlung und Charakterzeichnung, die kinetischen Exzesse ordnen sich brav unter, verkommen nicht zum Selbstzweck.
Aber nicht nur Bond hat Seelenkummer: Auch seine Vorgesetzte M (wie in den Vorgängern verkörpert von Judi Dench) befindet sich in einer Sinnkrise. Involviert wie noch nie zuvor, nimmt der Charakter hier aktiv am Geschehen teil und darf sich die Frage stellen, inwiefern getroffene Entscheidungen das Schicksal des Menschen beeinflussen. Brisanterweise ist die Entstehung des Schurken, gegen den Bond hier antreten muss, nämlich untrennbar mit einer von Ms Entscheidungen verbunden: Jarvier Bardem, der bereits in NO COUNTRY FOR OLD MEN als Killer mit Dachschaden und Bolzenschussgerät brillierte, liefert als entwurzelter Ex-MI6-Agent eine nachhaltig beeindruckende Leistung ab. Unter seinem tuckigen, rätselhaft unscheinbaren Auftreten mitsamt brüchiger Fistelstimme spürt man eine gefährliche Urgewalt brodeln, ein grenzenloser Wahnsinn, der jeden Augenblick herausbrechen könnte – sein schaurig-dämonischer Offenbarungseid im Ms Gegenwart hätte vermutlich selbst Hannibal Lecter zum Schlottern gebracht. Und dennoch spielt Bardem keinen realitätsfernen Comic-Bösewicht, der aus reiner Bosheit agiert. Raoul Silva ist eine tragische Figur, ein von Menschenhand erschaffenes Monster, aufgrund von Folter und Entbehrungen in den Irrsinn getrieben, was seinen Wahn sogar nachvollziehbar macht:
„Mutter! Sieh, was du erschaffen hast!“
Tod, Sterben, Schuld und Katharsis – Themen, die in SKYFALL nicht nur thematisiert werden, sondern zeitweise das Szenario sogar komplett beherrschen – und das in solch einem Ausmaß, dass man fast vergisst, es mit einem Agententhriller zu tun zu haben. Nun bestand nach 50 Jahren James Bond gewiss keine zwingende Notwendigkeit, das gewohnte (zudem bis zum Exzess auch von zahlreichen Plagiaten kopierte) Muster noch ein weiteres Mal treuherzig durchzuexerzieren; ob penetrante Ausflüge in die Welt der Tiefenpsychologie jedoch der Weisheit letzter Schluss war, um ein Flaggschiff wie 007 aufzupolieren, darüber könnte man vorzüglich bei einem Wodka Martini streiten. Fast paradox erscheint es da bei all dem Gemenschel, dass Bond mehr denn je zugleich als nahezu übermenschliches Wesen abgefeiert wird: Oft erst im Halbdunkel versteckt, tritt er schließlich wie der leibhaftige Messias ins Licht. Auf die Frage nach seinem Hobby antwortet er demzufolge auch: „Auferstehung!“
Nicht nur inhaltlich, auch visuell beschreitet man neue Wege: SKYFALL sieht schlichtweg umwerfend schön aus. Kameramann Roger Deakins kreierte berauschende Bilder von solch optischer Wucht, dass man sich jede zweite Szene als Poster an die Wand hängen könnte. Das nächtliche Shanghai erscheint so als märchenhafte Fantasiewelt, Bonds Kampf mit einem Kontrahenten als wirklichkeitsentrücktes Schattenspiel vor dem irrealen Hintergrund rotierender Lichter. So eindrucksvoll das auch geriet, muss hier dennoch die Frage gestattet sein, ob man damit nicht ein wenig übers Ziel hinausgeschossen ist. Immerhin wurde James Bond nicht aufgrund ausgefeilter Bildästhetik zum Welterfolg (die ersten 007-Abenteuer, die den Erfolg begründeten, profitierten zwar von ihren exotischen Schauplätzen, waren in Sachen Inszenierung aber doch eher konservativ), sondern weil die Hauptfigur die quasi fleischgewordene männliche Allmachtsfantasie war, die in exotischer Umgebung ihre Maskulinität zelebrierte, die Gegner tötend, die Frauen betörend, aus sämtlichen Duellen actionreich als Sieger hervorgehend.
Action bietet SKYFALL freilich auch – richtig schnieke anzusehende sogar: Nicht zu rasant geschnitten, nicht zu übertrieben (vom anfänglichen geisteskranken Motorrad-Stunt mal abgesehen) und im archaischen Finale sogar richtig klassisch, wenn man sich in der kargen Landschaft Schottlands gegenseitig die blauen Bohnen um die Ohren pustet. Dennoch liegt der Fokus hier eindeutig auf Handlung und Charakterzeichnung, die kinetischen Exzesse ordnen sich brav unter, verkommen nicht zum Selbstzweck.
SKYFALL ist zwar kein ‚Reinfall‘, bürdet sich
aber etwas zu viel auf: Obwohl sich in keiner Sekunde wie ein
gewohntes 007-Abenteuer anfühlend, will er dennoch zugleich Hommage
sein, als auch Vorgeschichte. Gespickt mit haufenweise Anspielungen
auf die 'gute alte Zeit', muss man sich fragen, warum diese dann so krampfhaft zu verändern versucht wird. Die nahezu epische
Herangehensweise, die ausladenden Bilder, die übertriebene
Psychologisierung der Figuren und der apokalyptische Überzug von
Todessehnsucht, Wiedergeburt und innerer Einkehr, das alles steht im
Widerspruch zu den simplen Formeln, die die Reihe einst groß gemacht
haben.
Oder, wie Raoul Silva so treffend fragt:
„Ist noch irgendwas vom alten 007 übrig?“
Oder, wie Raoul Silva so treffend fragt:
„Ist noch irgendwas vom alten 007 übrig?“
Laufzeit: 143 Min. / Freigabe: ab 12
PS: Beachtet zu diesem Film auch die Kritik von Stuart Redman.
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