Eigene Forschungen

Montag, 14. Juli 2025

DIE CITY COBRA


COBRA
USA 1986

Regie:
George Pan Cosmatos

Darsteller:
Sylvester Stallone,
Brigitte Nielsen,
Reni Santoni,
Andrew Robinson,
Brian Thompson,
John Herzfeld,
Art LaFleur,
David Rasche



„Du bist die Krankheit und ich die Medizin.“
(Grammatikalisch grenzwertig, aber man ahnt, was „Cobra“ meint.)

Inhalt:

Cobretti [Sylvester Stallone], genannt „Cobra“, arbeitet beim LAPD und ist dort der Mann fürs Grobe. Vorschriften und Gesetzestexte interessieren ihn nicht – seine Lösungen sind endgültig. Das entlastet die Richter und sichert den Totengräbern die Miete. Doch jetzt steht Los Angeles vor einer harten Prüfung: Ein Serienmörder, „Nachtschlitzer“ genannt, zieht eine blutige Spur durch die Stadt. 16 Menschen hat er bereits auf dem Gewissen. Die Polizei tappt im Dunkeln – bis das Fotomodell Ingrid Knudsen [Brigitte Nielsen] zufällig Zeuge einer Tat wird und den Killer beschreiben kann. Nun ist sie sein nächstes Ziel. Aber der Schlitzer hat Pech. Denn Knudsen hat einen neuen Beschützer: Cobra!

Kritik:

COBRA – das ist das Ding, das man ins Videogerät schiebt, wenn die Frage kommt: „Papa, was ist eigentlich ‚Reaktionäre Selbstjustizfantasie‘?“ Denn wem DIRTY HARRY, TAXI DRIVER oder DEATH WISH stets ein wenig zu subtil waren, der findet in Sylvester Stallones apokalyptischem Großstadt-Western seinen Meister. Hier muss die zugrundeliegende Gesinnung gar nicht erst mühsam kognitiv erarbeitet werden, hier schmiert einem der „Held“ seine Philosopie höchstpersönlich verbal aufs Butterbrot.

„Im Amerika wird alle 11 Sekunden ein Einbruch begangen – und alle 65 Sekunden ein bewaffneter Raubüberfall. Alle 25 Sekunden wird ein Gewaltverbrechen verübt. Alle 24 Minuten geschieht ein Mord. Und Tag für Tag kommt es zu 250 Vergewaltigungen.“ So berichtet Titelfigur Cobretti, genannt „Cobra“, direkt zum Einstieg mit Grabesstimme aus dem Off, während dessen liebstes Kommunikationsmittel, die Knarre nämlich, dazu fast schon fetischisiert und leinwandfüllend ins Bild gerückt wird. Dieser Auftakt stellt die Weichen und dient als Rechtfertigung für die archaische Hängt-ihn-höher!-Ideologie, die der Anarcho-Polizist im weiteren Verlauf inbrünstig vertreten wird. Denn was Cobra vergessen hat zu erwähnen, ist die Tatsache, dass er sich in diese Kriminalitätsstatistik direkt mit eintragen kann. So macht er keinen Hehl daraus, von den Prinzipien des Rechtsstaates nichts zu halten und übernimmt daher bei der Gangsterjagd Legis- und Judikative gleich mit. „Bei Leuten wie dir hört das Gesetz auf“, nennt er das Kind in einer Szene beim Namen, und als er sein Gegenüber in eine wandelnde Fackel verwandelt, höhnt er zynisch: „Sie haben das Recht zu schweigen.“ Doch nicht nur Cobras Opfer bekommen dessen Verbalattacken um die Ohren gehauen. Vor unerschütterlichem Selbstvertrauen nur so strotzend posaunt er seinen Standpunkt unmissverständlich auch in jedes hingehaltene Pressemikrofon. Er hadert niemals mit seiner Haltung, gerät in keinerlei inneren Konflikt – und behält mit dieser Einstellung auch vollends recht, wenn selbst seine Kritiker gar nicht anders können, als ihm kurz vor Einsetzen des Abspanns zu seinem Erfolg zu gratulieren.

Das kratzt verdächtig gewaltig an der Selbstparodie, ist aber offenbar bierernst gemeint. Die treibende Kraft hinter dieser feuchten Faustrechtfantasie ist zugleich auch ihr Hauptdarsteller: Sylvester Stallone. Durch ROCKY, RAMBO & Co. zum Erfolgsgaranten avanciert, durfte er sich für das produzierende Studio das nächste Projekt quasi aussuchen. Seine Wahl fiel auf die Verfilmung des Romans FAIR GAME von Paula Gosling, den er eigenhändig in ein Drehbuch umwandelte – und sich dabei offenbar durch knallige Schlagzeilen über Gewaltkriminalität aufputschen ließ. Von der Vorlage blieb dabei am Ende so wenig übrig, dass man die Referenz auch gleich wieder hätte streichen können. Stallones eigentliche Inspiration lag offenbar ganz woanders: auf der Mär des unerbittlichen Vigilanten, der die Straßen vom Abschaum befreit. Diese hatte zu dem Zeitpunkt allerdings schon einen Bart, der kaum mehr waschbar war. Dirty Harry, eine der Ikonen des Genres, war in den 15 Jahren zuvor schon ganze vier Mal auf Streife und kämpfte mittlerweile nicht nur gegen Großstadtgesocks, sondern auch mit deutlichen Abnutzungserscheinungen. Charles Bronson sprach im Vorjahr bereits seinen dritten Death Wish aus, der gut und gern als Kulmination des Themas gelten darf. Und selbst ein eher kleines Licht wie der Exterminator war schon zwei Male unterwegs und hatte sein Vergeltungsfeuer dabei vollständig verschossen. Dazu kommen die Legionen von (zum Großteil italienischen) Nachahmern, deren Schießeisen auch so langsam wieder abkühlten – gab ja auch nach all den Jahren kaum noch was zum Killen da draußen.

Soll heißen: Als Stallone seine COBRA von der Leine ließ, war der knallharte Cop auf Rachefeldzug schon längst ein richtig alter Hut. Etwas Originelles beizusteuern hatte seine Arbeit ebenfalls nicht, im Gegenteil: Die Handlung ist eine Ausgeburt an Einfallslosigkeit und erfüllt so ziemlich jedes Klischee, das bessere Werke in den Jahren zuvor etabliert hatten. Der Plot um den „Nachtschlitzer“, der die Ordnungshüter von Los Angeles anständig auf Trab hält, steht dabei auf sehr wackeligen Beinen und ist in der Ausführung alles andere als plausibel. Das erste Stirnrunzeln setzt bereits ein bei der Information, dass der Serienkiller seine Opfer scheinbar wahllos auswählt und jedes Mal auf andere Weise und mit anderer Waffe tötet. Da nie von einem Bekennerschreiber oder Ähnlichem die Rede ist, fragt man sich bald, warum denn überhaupt von einem einzelnen Täter ausgegangen wird. Wird nachts ein Hund überfahren, war es für die Polizei vermutlich auch der Nachtschlitzer. Nur Cobra hat natürlich den richtigen Riecher und ahnt, dass man es mit mehreren Killern zu tun hat. Allerdings glaubt ihm keiner. Bis auf das Publikum, aber das ist zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon schlauer. Denn noch während des Vorspanns wird es Zeuge, wie ein paar Heiopeis in einer schwadengetränkten Lagerhalle herumlungern und mit eiserner Verstopfungsmiene beidhändig Streitäxte über ihren Köpfen zusammenschlagen. Ein schönes Hobby!

Die Axt-Atzen, so stellt sich schnell heraus, sind tatsächlich Urheber der Mordserie und gehören zu einer sektenartigen Vereinigung, die von einer neuen Weltordnung träumt. Alle Menschen, die in ihren Augen „zu schwach“ sind, müssen daher eliminiert werden. Das ist dann auch schon die ganze Motivation. Inwiefern es der Erschaffung einer neuen Welt dienlich ist, wahllos Autofahrer und Spaziergänger zu entleiben, bleibt zwar ein Rätsel, aber Verrückte fragt man ja bekanntlich nicht nach ihrem Ausweis. Entscheidend ist nur, dass es mit dem Fotomodell Ingrid Knudsen (ein dänischerer Name ist Herrn Stallone beim Schreiben nicht eingefallen) plötzlich eine außerplanmäßige Zeugin gibt, weswegen die Haupthandlung endlich ins Rollen kommen darf. Verkörpert wird Knudsen von Brigitte Nielsen [→ RED SONJA], die damals tatsächlich noch wie ein Mensch aussah und nicht wie ein zum Leben erwachtes Botox-Lager. Dass sie zu dem Zeitpunkt außerdem die Ehefrau von Stallone war, unterstreicht abermals, wie viel Einfluss dieser bei COBRA geltend machen konnte. Nahgebracht wird ihre Figur mittels eines bizarren Mode-Shootings, in das auch eine Schar obskurer Roboter involviert ist. Mit den piepsenden Blechkameraden hatte man es zu der Zeit irgendwie – in ROCKY IV (1985) kam so ein Ding ja auch in ähnlich sinnloser Weise vor. Nach Frau Knudsens unfreiwilliger Beobachtung begeht die Mörderbande natürlich den Fehler, sie umgehend ausschalten zu wollen, was in diesem Moment vermutlich die schlechteste aller Ideen ist, da sie dadurch in Sachen Tat und Ort berechenbar wird (dass das denkbar alberne Phantombild, das nach Knudsens Beschreibung entstand, nun garantiert niemanden an den Galgen bringen wird, kann sie freilich nicht wissen). Immerhin sorgt die daraus resultierende Hatz durch beengte Krankenhausgänge für ein paar stimmungsvolle Spannungsszenen mit deutlichem Hang zum Slasher der Marke HALLOWEEN, der zum Produktionszeitraum ja ebenfalls noch hoch im Kurs stand.

Regelrecht absurd wird es hingegen, wenn die Gruppierung ihre Deckung schließlich vollends verlässt, um in aller Öffentlichkeit und am hellichten Tage eine Autojagd auf ihre bis dahin einzige Zeugin vom Zaun zu brechen, die – gesäumt von Blechschrott-Ballett und Detonationsgetöse – natürlich Dutzende von neuen Zeugen auf den Plan ruft. Klug ist das nicht. Aber immerhin gut inszeniert, mit vielen schönen Perspektiven und voll von flirrender Energie. Später folgt die Killermeute der Frau zwecks unverdrossener Lichtauspustungspläne dann sogar aufs ferne Land hinaus, wohin Cobra (der von ihrem Beschützer natürlich hurtig zu ihrem Bestäuber aufsteigt) sie in Sicherheit bringen wollte. Stallone erklärt diese ausgeprägte Besessenheit (sowohl in seiner Rolle als Cobra als auch als Autor der ganzen Chose) allein damit, dass man es eben mit Fanatikern zu tun hat, und Fanatiker tun halt fanatische Dinge. So einfach ist das! Ohne narrative Raffinessen wird dann auch schon ziemlich zügig die Endabrechnung eingeleitet, die – weil man eigentlich gar nicht viel zu erzählen hat – tüchtig ausgewalzt wird, erst abermals mit gewagter Konfrontation auf schroffem Asphalt, dann sich ins örtliche Stahlwerk verlagernd, das da erstaunlich unbeaufsichtigt in der Gegend herumsteht und -dampft und -zischt (ohne Witz: Da ist im gesamten Komplex tatsächlich nur ein einziger Kerl anwesend, und der ist ziemlich schnell weggepustet). Das ist, zwischen all dem Schwalk und Feuer, den verwinkelten, mit blinkenden Apparaturen vollgestopften Gängen und von der Decke hängenden Haken, Schläuchen und Rohren, natürlich eine verdammt geile Kulisse für einen kernigen Showdown, bei deren purem Anblick das Publikum schon mit ins Schwitzen gerät. Und wenn dann alles vorbei ist, scheinen sich, zusammen mit dem Oberschurken, auch alle anderen Probleme der großen, weiten Welt gleich mit in Rauch aufgelöst zu haben. Friede, Freude, Eierkuchen!

Ja, COBRA ist inhaltlich bescheuert, vor Klischees strotzend, in seinen Manipulationsversuchen naiv und seiner Botschaft untragbar. Aber ist er auch schlecht? Definitiv nein! Denn dafür ist er viel zu geil gemacht. Schon der Vorspann ist ein visueller Volltreffer, wenn die motorradfahrende Hauptfigur sich als Silhouette vor blutrotem Hintergrund abhebt und dazu die Titel in feinster 80er-Jahre-Schrift erscheinen. Jahrzehnte später, als die große Retro-Welle begann, versuchte man diesen Stil verzweifelt zu imitieren, hier wird er noch ganz authentisch gelebt – Zeitgeist statt Zitat! Die versierte Regie von Georgios Pan Cosmatos [→ RAMBO II] ist frei von Makeln und die ästhetischen, in Nebel und Neonlicht getauchten Kamerabilder Ric Waites [→ NUR 48 STUNDEN] heben das Ganze auf ein enorm hohes Niveau. Optisch erinnert dieses Spiel mit starken Schatten und Kontrasten an typische cineastische Endzeitvisionen dieses Jahrgangs wie TERMINATOR, an das Porträt einer von wortkargem Nihilismus beherrschten Welt am Rande des Abgrunds. Allein Cobrettis mit allerhand Tand vollgestopfte Bude (in der er natürlich – den Straßenlärm im Ohr und begleitet von neuen Horror-Nachrichten aus der Glotze – mit seiner besten Freundin, der Waffe, herumhantiert) ist ein herrlicher Anblick irgendwo zwischen Chic und Schmuddel. Cobretti selbst kommt indes nicht sonderlich sympathisch rüber in seiner maßlos übertriebenen Macho-Attitüde. Wird ein Typ frech (wie der Latino, der nicht richtig einparken kann), reißt Cobra ihm einfach das Hemd runter und schlendert desinteressiert von dannen, wofür er nicht etwa aufs Maul bekommt, sondern postwendend respektiert wird. Bevor er dem Geiselnehmer im Supermarkt den Garaus macht, greift er hingegen erst einmal lässig zur herumstehenden Coladose – Dienst ist Dienst und Durst ist Durst!

Awesome steht auf seinem Nummernschild, eine der wenigen offenkundig ironischen Brechungen seiner Figur. Ansonsten wirkt Cobra wie eine Karikatur des typischen 80er-Jahre-Cops, die damals gar nicht wusste, dass sie eine ist: Die Sonnenbrille scheint festgewachsen, das Streichholz verlässt nur selten seinen angestammten Platz im Mundwinkel und das Goldkettchen ist stets blankpoliert. Seine Dienstkleidung besteht aus Blue-Jeans, langem Mantel und Lederhandschuhen. Und auf seinem Pistolengriff ist eine Kobra eingraviert, damit er nicht vergisst, wie er heißt. Natürlich sind auch seine Gegner Stereotype durch und durch, völlig realitätsfern zum Leinwandleben erweckt und ohne jedes nachvollziehbares Motiv – böse sein des Böseseins wegen. Zum Glück kann Cobra bei deren Bekämpfung auch zuverlässig auf die weiteren Klischees seiner Zeit zählen: Die Schurken schießen aus allen Rohren – nichts passiert. Cobra schießt zurück – das Schurkenauto explodiert. Das liegt vermutlich an der Awesomeness. Abgesehen davon, dass die Gesetze der Physik bei ihrem Anblick in Tränen ausbrechen, sind die Action-Szenen allerdings vortrefflich gut arrangiert, mit tadelloser Stunt-Arbeit und dynamisch eingefangener Fahrzeug-Artistik. Eine längere Sequenz gegen Ende erinnert aufgrund zahlreicher Angreifer hoch zu Motorrad stilistisch sogar an den Meilenstein MAD MAX. Energiegeladenes Hantieren mit Großkalibrigem und eine gesunde Portion Feuerzauber sorgen für weitere wohlige Schau- und Unterhaltungswerte.

COBRA (der in Deutschland zur CITY COBRA wurde, mutmaßlich in Anlehnung an Arnold Schwarzeneggers Konkurrenzprodukt DER CITY-HAI aus demselben Jahr, mit dem er aber natürlich nichts zu tun hat) ist somit für Fans klassischer 1980er-Ästhetik und -Mentalität nahezu ein Muss, wenngleich auf inhaltlicher Ebene deutliche Abstriche gemacht werden müssen. Je nach Fasson mag genau das die Empfehlung freilich noch unterstreichen. Eine stussige Story trifft auf reaktionäres Gedankengut und eine ganze Kirmes an Klischees – die teils allerdings erst rückblickend zu welchen wurden. Das macht in seiner Mischung aus Hohlheit und hoher Handwerkskunst schon ziemlich Laune. COBRA verlustiert man daher am Besten auf Großbild-Leinwand im hauseigenen Heizungskeller, während man dazu Streitäxte über dem Kopf zusammenkloppt. Kochlöffel tun’s zur Not auch.

Laufzeit: 90 Min. / Freigabe: ab 18

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen