Eigene Forschungen

Montag, 30. Dezember 2013

SHAOLIN


XIN SHAO LIN SI
China 2011

Regie:
Benny Chan

Darsteller:
Andy Lau,
Nicholas Tse,
Fan Bingbing,
Jackie Chan,
Jacky Wu,
Bai Bing,
Xing Yu,
Yu Shaoqun



Inhalt: 

China in den 20er Jahren: Kriegsherren liefern sich brutale Kämpfe um die Machtansprüche im Land. Einer von ihnen ist General Hao [Andy Lau]. Gemeinsam mit seinem Schüler Tsao [Nicholas Tse], den er aufgrund seiner jugendlichen Temperaments häufig zurechtweisen muss, geht er rücksichtslos gegen seine Feinde vor. Als einer seiner Kontrahenten in einem Shaolin-Kloster Zuflucht sucht, können selbst die dort lebenden Mönche ihn nicht daran hindern, den Mann zu töten. Aufgrund seines Erfolgs übermütig plant er als nächstes, General Song [Shi Xiao-Hong], dem er eigentlich Blutsbrüderschaft schwor, bei einer familiären Zeremonie zu ermorden. Doch Hao wiederum wird von Tsao verraten, der die Gelegenheit am Schopfe packt, sich gleich mehrerer Konkurrenten zu entledigen. Nur mit Müh und Not entkommt Hao der angeheuerten Killerbande und schleppt sich – seine schwer verletzte Tochter im Arm – ausgerechnet in das Shaolin-Kloster, welches er einst entweihte. Zwar bemühen sich die Mönche um das Leben des Kindes, doch können sie dessen Tod nicht mehr verhindern. Fassungslos vor Trauer zerbricht der einst so stolze Mann und mit ihm sein Lebenswille. Tsao errichtet in der folgenden Zeit eine wahre Schreckensherrschaft im gesamten Land. Während Hao aus den Lehren Buddhas nach und nach neuen Mut schöpft, erfährt Tsao, mittlerweile mit ausländischen Invasoren im Bunde, von seinem Aufenthaltsort. Mit einer riesigen Armee im Schlepptau und mit den modernsten Feuerwaffen ausgerüstet stattet er dem Kloster einen Besuch ab.

Kritik:

SHAOLIN – der aufs Wesentliche heruntergebrochene Titel macht es mehr als deutlich – versteht sich als Rückkehr zum klassischen chinesischen Shaolin-Kino, welches in den 70er und 80er Jahren auf einer niemals zu enden scheinenden Erfolgswelle durch die Lichtspielhäuser rollte und die Kassen im Takte stahlharter Fäuste und unbezwingbarer Todeskrallen tüchtig klingeln ließ. Quasi in Dauerschleife traf das Publikum die volle Wucht aus Kung Fu und Konfuzius, und auch in Deutschland verging während dieser Zeit kaum eine Woche, ohne dass sich ein Titel mit dem zugkräftigen „Shaolin“-Wort in das Kinoprogramm verirrte. Dass dieser Wahnsinns-Output neben einigen Glanzlichtern auch jede Menge Graupen hervorbrachte, versteht sich dabei fast von selbst, konnte dem anhaltenden Interesse jedoch kaum etwas anhaben.

Der actionerprobte Regisseur Benny Chan [→
INVISIBLE TARGET] sorgte 2011 für diese gediegene und von reichlich Produktionsmitteln gestützte Neuauflage des Stoffes, welche zwar, von großen Dingen wie Loyalität, Verrat und Rache erzählend, die bewährten Themen abhandelt, sich in vielen Punkten allerdings von der klassischen Phase unterscheidet: Mit reichlich Emotionswallung und dem apokalyptischen Überzug einer großen griechischen Tragödie ausgestattet schickt die
im Grunde recht konventionelle Geschichte ihre Figuren auf eine moralgetränkte Sinnsuche durch Tod und Verderben, Shakespeare stets näher als Shaw und Zhang Yimous schwelgerischem FLUCH DER GOLDENEN BLUME am Ende weitaus ähnlicher als Chang Ches eher geerdetem TEMPEL DER SHAOLIN. Ausufernden Actionmomenten stehen somit auch immer wieder zahlreiche Augenblicke der Ruhe gegenüber, in welchen Handkante und Streitaxt pausieren und die Protagonisten zu sich selbst finden dürfen. 
Dabei gab man sich auffallende Mühe, die Charaktere nicht zum stupiden Reißbrettprodukt verkommen zu lassen, sondern sie so ambivalent wie möglich zu zeichnen. Das gilt in besonderem Maße für den Hauptprotagonisten Hao: Lernt man ihn zunächst als machtbesessenen Tyrannen kennen, entpuppt er sich im weiteren Verlauf als dennoch aufrichtig liebender Ehemann und Vater, was im beinharten Kontrast steht zu seinem von gefühlskalten Gewaltaktionen dominierten Vernichtungsfeldzug. Seine spätere Wandlung von der brutalen Dreckschleuder zum friedvollen Pazifisten geht zwar insgesamt ein wenig zu schnell, eine ausführlichere Beschreibung allerdings hätte die Laufzeit von zwei Stunden gewiss gesprengt.

Trotz der grundsätzlich erkennbaren Bestrebung, sich von der klassischen Ära abzugrenzen, von deren erstarrten Mustern und Motiven, in einer seiner Hauptkomponenten, der Darstellung der Shaolin-Mönche nämlich, geriet SHAOLIN jedoch abermals reichlich klischeeversetzt und hat der stereotypischen Inszenierung vergangener Zeiten kaum etwas entgegenzusetzen: Natürlich gibt es auch hier den alten Zausel, der selbst in Gegenwart allergrößter Gefahr immer noch ein paar Glückskeksweisheiten im Gepäck hat, und das Können der Schüler grenzt einmal mehr eher an Zauberei, denn an tatsächliche Kampfkunst. Das beißt sich zwar ein wenig mit der selbstauferlegten intellektuellen Attitüde, geriet jedoch nicht wirklich störend, zumal Übertreibung in dem Genre beileibe nichts Neues ist.

Angenehm übertrieben und von achtbarer Kinetik gerieten auch die Actionszenen, die, anfangs noch recht rar gesät, wenn sie denn stattfinden, richtig Freude machen: So liefert sich Hao auf der Flucht vor seinen Häschern eine halsbrecherische Verfolgungsjagd per Kutsche, während er von allen Seiten mit riesigen Streitäxten malträtiert wird. Das ist freilich arg realitätsfern, aber in seiner Rasanz verdammt schick anzusehen. Ähnliches gilt auch für die obligatorischen Kampfsequenzen, die, trotz kaum zu übersehendem Drahtseil-Einsatz, sehr gefallen können. Je weiter die Handlung voranschreitet, desto stärker liegt die Betonung schließlich auf dem religiösen Aspekt der Geschichte – gegen Ende gar dermaßen penetrant, dass man fast den Eindruck gewinnen könnte, es mit einem Werbefilm für den Buddhismus zu tun zu haben. Mutige Zuschauer können SHAOLIN daher zu einem kleinen Trinkspiel nutzen: Wem es gelingt, jedes Mal, wenn der Satz „Gelobt sei Buddha!“ fällt, einen zu heben, dem dürfte der Schlussakt verborgen bleiben.

In der Hauptrolle des sich auf dem Wege der Läuterung befindlichen General Hao erlebt man den gewohnt souverän agierenden Andy Lau [→ DETECTIVE DEE UND DAS GEHEIMNIS DER PHANTOMFLAMMEN]. Nun mag Lau nicht unbedingt der beste Darsteller Asiens sein, und vor allem in den emotionalen Momenten SHAOLINs wirkt er bisweilen auch ein wenig überfordert, doch trotz kaum zu leugnendem Autopilotschauspiel gelingt es ihm, die schwierige Rolle ausreichend auszufüllen (wobei ihm nicht zuletzt auch sein unverändertes Charisma zugutekommt). Als die Frau an seiner Seite sieht man die attraktive Fan Bingbing, welche bereits beim Schlachtenepos BATTLE OF KINGDOMS gemeinsam mit Lau vor der Kamera stand. Trotz relativ kurzer Präsenz verkörpert sie ebenfalls eine sehr interessante Figur, die die grausamen Taten ihres Mannes zwar verabscheut, ihm aber trotz allem bis zum Schluss loyal bleibt. 
Der Part des Antagonisten in Form des despotischen Widerlings Tsao ist mit Nicholas Tse [→ NEW POLICE STORY] nahezu perfekt besetzt: Sein noch jugendliches Äußeres und seine zunächst so unscheinbare Aura täuschen auch den Zuschauer lange Zeit über die Gefahr, die er darstellt, hinweg, bevor er spätestens im Finale als ultimativ hassenswertes Scheusal den Wutz von der Kette lassen darf. Scheußlich unpassend ist in dem Zusammenhang allerdings auch seine viel zu alt klingende Synchronstimme, welche seinem Charakter in der (ansonsten gut gelungenen) deutschen Fassung einiges an Wirkung raubt.

Als zusätzliches Zugpferd darf auch Leinwandlegende Jackie Chan [→ CITY HUNTER] als kauziger Shaolin-Koch durch das Szenario turnen und dabei – eigentlich keine große Überraschung – für die humoristische Komponente zuständig sein. Auch wenn seine Rolle im Prinzip ziemlich unnötig scheint und allzu auffällig nur ins Skript geschrieben wurde, um die Besetzungsliste mit seinem prominenten Namen schmücken zu können, geriet sein Auftritt doch keinesfalls störend und ausreichend amüsant. Wenn er behauptet, früher mal ein ganz guter Kämpfer gewesen zu sein, aber Kung Fu bereits seit Jahren verlernt zu haben, kann man sich ein Schmunzeln kaum verkneifen. Gerade seine Kampf-Einlage jedoch passt nicht so wirklich ins Konzept, bedient sie doch hauptsächlich eher seine Slapstick-Freunde, was sich mit der eigentlich eher düsteren und brutalen Grundstimmung nicht so recht vertragen will.

Letztendlich ist SHAOLIN gewiss kein Meilenstein – dafür ist er schlichtweg nicht originell, nicht besonders, nicht innovativ genug. Doch trotz kleinerer Schwächen bleibt er nicht nur für eingefleischte Kung-Fu-Jünger absolut lohnenswerte Unterhaltung. Mag die ersponnene Erzählung auch nicht neu und weitestgehend überraschungsfrei sein, so ist hier doch eindeutig der Weg das Ziel: Wenn Hao sich publikumswirksam von Saulus zum Paulus wandelt, um in eiseskalter Nacht unter glasklarem Sternenhimmel mit einem Shaolin-Jungen an seiner Seite seine Übungen zu zelebrieren, erfüllt von Einkehr und innerem Frieden, dann sind das – allem prätentiösem Protz zum Trotze – doch wunderschöne Momente, die sich ins Gedächtnis brennen. Und wem der Anfang noch zu verlabert ist, der kommt spätestens beim explosiven (wenn auch viel zu offensichtlich mit CGI aufgemotzten) Finale auf seine Kosten. Zudem ist SHAOLIN einer der wenigen großen Hongkong-Blockbuster des neuen Jahrtausends, der nicht als Propaganda für die chinesische Regierung herhalten muss. Gelobt sei Buddha!

Laufzeit: 126 Min. / Freigabe: ab 12

Freitag, 27. Dezember 2013

DAS RASTHAUS DER TEUFLISCHEN SCHWESTERN


THE NAME OF THE GAME IS KILL
USA 1968

Regie:
Gunnar Hellström

Darsteller:
Jack Lord,
Susan Strasberg,
Tisha Sterling,
Collin Wilcox Paxton,
T. C. Jones,
Marc Desmond,
Mort Mills
Lou Lombardo



Inhalt:

Der ungarische Tramper Symcha Lipa [Jack Lord] wird in der Wüste Arizonas von der attraktiven Mickey [Susan Strasberg] aufgegabelt. Diese nimmt ihn mit zu einer nahegelegenen Tankstelle, welche sie, gemeinsam mit ihrer Mutter und ihren beiden Schwestern, auch bewohnt. Nachdem er seinen Durst stillen konnte, bietet Mickey ihm an, auch bei ihr übernachten zu können – ein Angebot, das er, in freudiger Aussicht darauf, nach seinem Durst auch eine ganz bestimmte Art von Hunger stillen zu können, gern annimmt. Mickeys ältere Schwester Diz [Collin Wilcox Paxton] begegnet dem unerwarteten Gast allerdings mit offener Feindseligkeit, und auch die jüngere Nan [Tisha Sterling] und die Mutter [ T. C. Jones] benehmen sich bei aller Freundlichkeit auch etwas merkwürdig. Nachdem Mickey seine Avancen zurückgewiesen hat, wird auf Symcha, als er den Ort am kommenden Morgen verlassen möchte, ein Mordanschlag verübt. Vom Auto angefahren bleibt er bewusstlos liegen und wird in ein Krankenhaus eingeliefert. Nach seiner Genesung kehrt er zur Tankstelle zurück und versucht in den folgenden Tagen, das Vertrauen der geheimnisvollen Familie zu gewinnen. Als jede der vier Frauen ihm schließlich eine andere Version vom tragischen Tode des Vaters erzählt, wird ihm allmählich bewusst, dass ein schreckliches Trauma auf den Geschwistern liegen muss.

Kritik:

Im Jahre 1968 drehte der Schwede Gunnar Hellström in den USA diesen weitestgehend vergessenen Thriller mit dem phänomenalen Originaltitel THE NAME OF THE GAME IS KILL. Der deutsche Titel trifft den Sinn der Sache hingegen nicht so ganz, handelt es sich beim titelgebenden Schauplatz doch eigentlich nicht um ein Rasthaus, sondern um eine Tankstelle, aber da DIE DREI VON DER TANKSTELLE als Titel bereits vergeben war … Was soll’s … !? Vom deutschen Verleih seinerzeit grandios überschäumend als „höllisch heißes Gebräu aus Hollywoods Horror-Schocker-Giftküche“ an den Mann gebracht, dürfte dieses vollmundige Versprechen damals für so einige enttäuschte Gesichter gesorgt haben. Tatsächlich kommt DAS RASTHAUS DER TEUFLISCHEN SCHWESTERN nämlich überraschend handzahm daher und verspricht letztendlich deutlich mehr, als er dann wirklich zu halten vermag. Dabei gelingt es Hellström durchaus, ein gesundes Maß an unheilvoller Atmosphäre aufzubauen: ein karges Haus in ungastlicher Gegend, drei seltsame Schwestern nebst zwar freundlicher, doch merkwürdig-distanzierter Mutter, widersprüchliche Schauergeschichten aus der Vergangenheit, dazu pelziges Krabbel- und klapperndes Kriechgetier und strangulierte Puppenköpfe – das RASTHAUS sorgt zeitweilig in der Tat für ein wohliges Gänsehaut-Gefühl.

Um dieses durchgehend halten zu können, fehlt es dem morbiden Gruselstück letztendlich jedoch ein wenig an der notwendigen Konsequenz. Immer wieder, wenn es THE NAME OF THE GAME IS KILL gerade wieder gelingt, Interesse zu wecken an seiner Geschichte, seinen Figuren, den mysteriösen Hintergründen des Geschehens, wird der begonnene Faden auch schon wieder halbherzig fallengelassen und die aufkommende Spannung verpufft brutal im luftleeren Raum. Wenn man dann noch ins Bewusstsein ruft, dass das RASTHAUS eine schmalbudgetierte Independent-Produktion war, die den Auflagen des manierlichen Massengeschmacks trotzen durfte und ihr Geld vor allem reißerisch beworben in den Grindhouse-Kinos wieder hereinholen sollte, darf man sich angesichts der letztendlichen Harmlosigkeit des Gebotenen auch gut und gern etwas betrübt zeigen. Zwar liegt ständig eine unterschwellige sexuelle Spannung in der Luft und irgendwie hat man das Gefühl, dass sich alle am Rande einer heftigen Gewalteruption befinden und sich jeden Moment unfassbare Abgründe auftun, so richtig getraut, die Sau rauszulassen, hat man sich allerdings doch nicht. So verpulvert das RASTHAUS eine enorme Menge an explosivem Potential und nutzt seine Ressourcen lediglich im Ansatz. 

Womöglich verließ man sich auch allzu sehr auf die Schockwirkung der finalen Wende, mit welcher damals sogar explizit beworben wurde („Sie dürfen diesen Film nur sehen, wenn Sie das Versprechen abgeben, das schockierende Ende niemandem zu verraten“, bedrohte einen das Plakat). Tatsächlich geriet diese auch nicht ineffektiv und kann sich nachhaltig ins Gedächtnis graben. Auch auf handwerklicher Ebene hat man sich rein gar nichts vorzuwerfen – die Inszenierung leistet sich keinen Patzer und gefällt mit leicht experimentellem Anstrich. Kameramann Vilmos Zsigmond [→ ASSASSINS] gelingen zudem einige starke Bilder (wenn sich z. B. die Silhouetten Symchas und Mickeys, beide in einem Torbogen stehend, gegen den strahlend blauen Himmel abheben) und stimmungsvolle Kompositionen, die das Werk sogar oftmals hochwertiger aussehen lassen, als es eigentlich ist. 

Jack Lord [→ 007 JAGT DR. NO] übernahm die männliche Hauptrolle, wirkt in dieser allerdings manchmal ein wenig zu trantütig und zudem fatalerweise auch nicht immer unbedingt sympathisch. Zudem versäumt es das Drehbuch sträflich, die Motive für sein Handeln erklärend herauszustellen, so dass sein Verhalten nicht selten nebulös bleibt. Warum genau kehrt er zur unheimlichen Tankstelle zurück, nachdem er nur knapp einem Mordanschlag entkommen war? Neugierde? Liebe? Geilheit? Man weiß es nicht … Deutlich hochwertiger agieren hingegen die weiblichen Darsteller. Susan Strasberg [→ ACHTERBAHN] wirkt im gleichen Maße selbstbewusst, wie verletzlich und geheimnisvoll und ist außerdem auch attraktiv genug, um Jack Lords Rückkehr zumindest im Ansatz plausibel erscheinen zu lassen. Collin Wilcox Paxton [→ DER WEISSE HAI 2] kann als ihre ältere Schwester ebenfalls punkten und verkörpert sehr glaubwürdig die Rolle der vom Leben gezeichneten Frau mit dunkler Vergangenheit. Der Hauptgewinn allerdings geht an die damals 24-jährige Tisha Sterling [→ COOGANS GROSSER BLUFF], die als jüngste der drei Schwestern eine großartige Schauspielnummer aufs Parkett legt, wenn sie in einem Moment tränenüberströmt vom tragischen Schicksal ihres Vaters berichtet, um sich ein paar Minuten später in eine wild fluchende Furie zu verwandeln. 

Lohnt sich ein Besuch im RASTHAUS DER TEUFLISCHEN SCHWESTERN nun? Zumindest schadet er nicht, vor allem, wenn man ein Faible besitzt für das urige Kino der 60er Jahre, in dem man so langsam, aber sicher begann, moralische Bedenken zur Seite zu schieben und thematisch auch mal heißere Eisen anzupacken. Dass THE NAME OF THE GAME IS KILL die meiste Zeit dennoch mit angezogener Handbremse fährt und bei weitem nicht der Knaller geworden ist, der er hätte werden können, ist zwar etwas bedauerlich, einen zaghaften Blick ist das makabre Geschehen allerdings trotzdem wert. Wer sich wohlfühlt im schaurigen Netz aus Ahnungen, Andeutungen und Intrigen, der darf sich hier ohne Reue seine mit sympathischem Billigcharme gestreckte Dosis abholen. Aber Vorsicht: Wer hier zu lang rastet, wird geröstet! 

Laufzeit: 80 Min. / Freigabe: ab 16

Samstag, 14. Dezember 2013

DER HOBBIT - SMAUGS EINÖDE


THE HOBBIT – THE DESOLATION OF SMAUG
USA/Neuseeland 2013

Regie:
Peter Jackson

Darsteller:
Martin Freeman,
Ian McKellen,
Evangeline Lilly,
Orlando Bloom,
Cate Blanchett,
Hugo Weaving,
Richard Armitage,
Luke Evans



„Ich bin Feuer. Ich bin Tod.“ 


Inhalt:

Der Hobbit Bilbo Beutlin, die Zwerge unter der Führung Thorin Eichenschilds und der Zauberer Gandalf befinden sich immer noch auf dem Weg zum Einsamen Berg, um das einstige Zwergenreich Erebor vom Drachen Smaug zurückzuerobern. Bilbo erfährt bald, worin dabei seine Aufgabe besteht: Er soll dem gefährlichen Untier den Arkenstein stehlen, einen Edelstein, dessen Besitz Thorin dazu legitimieren würde, die Zwergenvölker zu vereinen. Der Weg der Gemeinschaft wird nicht nur durch immer wieder angreifende Orkherden erschwert, sondern führt auch durch unwirtschaftliche Gegenden wie den Düsterwald, welcher von blutdürstenden Riesenspinnen bewohnt wird. Während Bilbo und die Zwerge sich ihrer Haut erwehren müssen, trennt sich Gandalf aufgrund eines Versprechens von der Gruppe und bahnt sich seinen Weg zur Festung Dol Guldur, um dort eine immer stärker werdende dunkle Macht zu bannen. Dort begegnet er dem bösen Sauron, welcher ihn zu seinem Gefangenen macht. Bilbo und seine Gefährten können inzwischen zwar, nicht zuletzt durch die magische Kraft des von Gollum entwendeten Rings, ihre Haut vor den Spinnen retten, geraten aber in die Hand der Elben, die den Zwergen nicht wohlgesonnen sind. Nach erfolgter Flucht aus den elbischen Verliesen und einigen weiteren mal mehr, mal wenigen gefährlicheren Begegnungen und Ereignissen, ist es schließlich der Hobbit Bilbo, welcher allein und Aug in Aug dem Drachen Smaug gegenüber steht.

Kritik:

SMAUGS EINÖDE setzt EINE UNERWARTETE REISE fort und bildet somit das Mittelstück der Fantasy-Trilogie um die Abenteuer des Hobbits Bilbo Beutlin, der sich mit einer Schar von Zwergen und dem Zauberer Gandalf auf eine gefährliche Reise ungewissen Ausgangs begibt. Die berühmte Buchvorlage, von John Ronald Reuel Tolkien in den 30er Jahren verfasst, musste sich für eine solch monumentale Abhandlung freilich erneut auf die Streckbank legen lassen, galt es doch auch hier, das inhaltlich eher überschaubare Werk auf eine ausreichend epochale Länge zu zerren. Der Grund dafür war natürlich, den HOBBIT als Korrelat zum vorhergehenden Dreiteiler DER HERR DER RINGE ins Rennen schicken zu können, welcher als kraftstrotzendes Fantasy-Geschoss für ein überwiegend begeistertes Publikum sorgen und sich seinen Platz im Kinoolymp sichern konnte. Doch während man dort, gemäß Vorlage, tatsächlich eine Fülle an Handlungssträngen und Figuren zur Verfügung hatte, rackerten sich Regisseur Peter Jackson und sein Autorenteam hier hingegen tüchtig ab, um aus dem Vorhandenen das Maximum an erzählerischer Essenz herauszuquetschen.

So entfacht SMAUGS EINÖDE an so ziemlich jeder im Buch erwähnten Station ein größtmögliches Actiongewitter oder verfällt alternativ in ausladende visuelle Schwelgereien. Das besitzt zugegebenermaßen nicht immer wirklich inhaltliches Gewicht, geriet letztendlich aber dennoch zu einer runden Sache. Die ausgewogene Mischung aus brachialer Kinetik und besinnlichem, zur Not auch ausgewalztem Dialog inmitten einer perfekt zum Leben erweckten Fantasiewelt, die so glaubwürdig wirkt, als existierten all diese magischen Orte, der bedrohliche Düsterwald, die marode Seestadt, die finstere Ruinenfestung, tatsächlich, funktioniert hervorragend und sorgt für notwendige dramaturgische Dichte. Lediglich die sich anbahnenden Gefühle zwischen dem Zwerg Kili [Aidan Turner] und der (hinzuerfundenen) Elbin Tauriel [Evangeline Lilly] wirken wenig überzeugend eingebracht und mehr wie ein Mittel zum Zweck, aber daran soll es nicht scheitern (zumal derlei Anspielungen auch eher unaufdringlich eingeflochten wurden).

Die eigentlich simple Idee, SMAUGS EINÖDE mit einer Szene beginnen zu lassen, welche ein Jahr vor den Ereignissen von EINE UNERWARTETE REISE ansetzt, erweist sich als geschickter Schachzug, wird doch auf diese Weise eine bestmögliche Verknüpfung der Ereignisse hergestellt und eine gelungene Brücke zum Vorgänger geschlagen. So erlebt man eingangs, wie Zwergenkönig Thorin Eichenschild [Richard Armitage], auf der Suche nach seinem verschollenen Vater, in einem Gasthaus die Bekanntschaft des Zauberers Gandalf [Ian McKellen] macht und beide erste Pläne schmieden, das Zwergenreich Erebor wieder zurückzuerobern – wobei der Zauberer auch ein nicht ganz uneigennütziges Interesse am Tode des Drachens Smaug hegt. Nach dieser achronistischen Einleitung, welche nicht nur den Rahmen für eine zeitliche Orientierung innerhalb der Ereignisse schafft, sondern zudem auch der Vertiefung der Beweggründe für Handlungen und Motive der Figuren dient, setzt die Fortsetzung nahtlos an den Vorläufer an und liefert ein prall geschnürtes Paket aus Action und Abenteuer mit deutlich angezogenem Erzähltempo: Lies man sich bei der UNERWARTETEn REISE noch ausreichend Zeit, bis das eigentliche Abenteuer überhaupt erst begann, so ist man hier innerhalb weniger Minuten mittendrin im Ereignisstrudel. Der Humorpegel wurde dabei ebenso zurückgefahren, wie der Härtegrad gesteigert wurde (vor der Idee, pro abgeschlagenem Orkkopf einen Kurzen zu sich zu nehmen, wird ausdrücklich gewarnt).

Als erstes Glanzlicht kristallisieren sich schnell die Erlebnisse Bilbos und der Zwerge im Düsterwald heraus: Dank angenehm-morbider Waldatmosphäre, schaurig-schöner Bilder (welche besonders in der dreidimensionalen Variante zur Geltung kommen) und tadellosem Gespür für funktionierende Grusel- und Spannungsmomente wird der trickreiche Kampf gegen eine Brut garstiger Riesenspinnen zu einem inszenatorischen Bravourstück, das noch nachhaltig beeindrucken kann. Als erwarteter Höhepunkt und mit fiesem Cliffhanger versehener Rausschmeißer fungiert hingegen Bilbos finale Begegnung mit dem hinterlistigen Drachen Smaug, der mit seinem kleinen Kontrahenten zu spielen versteht wie die Katze mit der Maus. Ebenso wie Gollum in den Vorgängern wurde auch Smaug mithilfe des Motion Capture-Verfahrens zum Leben erweckt, was bedeutet, dass sich hinter den animierten Gesichtszügen Mimik und Gestik eines echten Schauspielers (in diesem Fall Benedict Cumberbatch) verbergen. Auf diese Weise wird die am Rechner erschaffene Figur zu einer waschechten Persönlichkeit, die erstaunlich realistisch agiert.

Das geistige Kräftemessen zwischen dem mächtigen Drachen und dem kleinen Hobbit geriet auch deswegen zum Highlight, weil Martin Freeman hier endlich seine Schauspielkunst wieder angemessen ausspielen darf. Stand sein Bilbo im ersten Teil noch eindeutig im Fokus, verkommt er bei der Fortsetzung nämlich eher zur Randfigur. SMAUGS EINÖDE konzentriert sich insgesamt mehr auf den schwelenden Konflikt zwischen Zwergen und Elben. Diesbezüglich ist es auch wenig überraschend, dass man die Möglichkeit, die Figur des Elben Legolas zurückzuholen, nicht ungenutzt ließ. Bei der Verwendung des beliebten, von Orlando Bloom verkörperten, DER HERR DER RINGE-Charakters schoss man bisweilen allerdings ein wenig über das Ziel hinaus: Der ursprünglich würdevoll gezeichnete Charakter mutiert hier zur nimmermüden Kampfsau, die, gemeinsam mit Kumpanin Tauriel, komplette Ork-Armeen quasi im Alleingang ausradiert. Fast gerät es dabei zum 'Running Gag', dass, kaum, dass Unschuldige von den bösen Orks bedroht werden, urplötzlich Legolas nebst Begleitung hinter der Tür steht, um die Angreifer pflichtschuldigst und mit bluttriefendem Ergebnis niederzumähen. Bei dem realitätsfernen Herumgespringe und Abgeschlachte fehlt eigentlich nur noch die Einblendung der mit Bimmelgeräusch unterlegten Punktevergabe, um sich vollends wie in einem Computerspiel zu fühlen.

Solche eigentlich unnötige Übertreibungen trüben ein wenig das Gesamtbild, zudem kann die volle Breitseite ausufernder Actionsequenzen und großer Panoramen auch nicht vollkommen übertünchen, dass hier mit vollen Bombast-Kanonen auf inhaltliche Spatzen geschossen wird: Die Substanz der Handlung bleibt, vorlagenbedingt, mager. Die Ereignisse reihen sich ohne große Raffinesse aneinander wie die Perlen auf der Kette, die inhaltliche Tiefe DER HERR DER RINGEs wird zu keinem Moment erreicht. Doch geht es beim HOBBIT auch weniger um das Was, sondern vielmehr um das Wie. Wer gewillt ist, sich für ein paar Stunden in eine ferne, fantastisch umgesetzte Welt entführen zu lassen, für den ist und bleibt Mittelerde die erste Adresse. Diese Einöde ist gar nicht öde.

Laufzeit: ca. 161 Min. / Freigabe: ab 12

Montag, 28. Oktober 2013

ROBO VAMPIRE


ROBO VAMPIRE
HK 1988

Regie:
Godfrey Ho

Darsteller:
Robin Mackay,
Nian Watts,
Harry Miles,
Joe Browne,
Nick Norman,
George Tripos,
David Borg,
Diana Byrne



Liest der Trashfreund irgendwo den Namen Godfrey Ho, dann fängt die Pumpe an zu rasen. Der 1948 in Hongkong als Chi Kueng Ho geborene Regisseur lässt sich allerhöchstens mit einem Augenzwinkern als ein solcher bezeichnen und setzte seine Berufsbezeichnung auf offiziellen Papieren hoffentlich regelmäßig in Anführungszeichen. Denn Ho führte nicht nur Regie, sondern das Publikum auch wiederkehrend an der Nase herum: Anstatt tatsächlich Geld für aufwändige Action auszugeben, erwarb der findige Geschäftsmann für nen Appel und'n Ei lieber billige Ausschussware vorzugsweise niemals fertiggestellter Billigfilmchen und schnitt das Material mehrerer dieser Knallschoten mehr schlecht als recht ineinander (vollkommen egal, ob das nun passte oder nicht). Um zumindest im Ansatz den Anschein zu erwecken, diese Handlungsmomentaufnahmen hätten tatsächlich auch etwas miteinander zu tun, drehte er dann meist auf Amateurfilmniveau, ohne jeden finanziellen Aufwand und mit grauenhaften Laiendarstellern ein paar Zwischensequenzen, die als vermeintliche Bindeglieder agieren und einen Zusammenhang suggerieren sollten. Sollte es danach immer noch nicht so recht harmonisieren, wird per neu arrangierter Nachsynchronisation dem originalen Wortlaut der Sequenzen einfach ein neuer Sinn gegeben – was nicht passt, wird passend gemacht!

Sinnlos zu erwähnen, dass das, was dabei am Ende herauskam, trotzdem in keinerlei Einklang steht und sich das Niveau bei all der Herumdoktorei schon längst in Richtung Grasnarbe verabschiedet hat. Andererseits war es Ho natürlich auch niemals daran gelegen, die Oscar-Verleihung zu entern, sondern lediglich daran, leicht verkäufliches Videofutter abzuliefern. Und auf dieser Schiene fuhr er jahrelang so gut, dass seine zusammengestümperten Produkte schon bald ganze Lagerhallen füllten. Für Ottonormalvergucker ist das natürlich nichts – für Trashfans hingegen ein kleines Paradies. ROBO VAMPIRE reiht sich nahtlos ein in diesen Ausschuss und besitzt höchstens entfernt Ähnlichkeit mit einem Film. Die Handlung zu beschreiben, das fällt schwer - hier ein Versuch:

Inhalt:

Eine skrupellose Gangsterbande gerät eines Tages in eine Schießerei mit ein paar Drogenfahndern, wobei mehrere der bösen Buben ins Gras beißen. Ihr Anführer (wie es sich für einen Big Boss ziemt natürlich ganz stilecht mit dicker Pornobrille) ist aufgrund solch unbeglückender Ereignisse doch arg erzürnt, hat aber eine sehr naheliegende Idee:

Boss:
„Wir müssen einen Weg finden, wie wir uns diesen Anti-Drogen-Agenten vom Hals schaffen.“

Handlanger
(mit totaler Idiotenstimme):
„Boss, wie sollen wir das machen?“

Boss:
„Ich habe Kontakt zu einem Taoisten. Der richtet Vampire ab, die dann für ihn arbeiten.“

So etwas lässt natürlich aufhorchen. Des Bosses narrensicherer Plan: Die abgerichteten Vampire des Dr. Fu Man Chu (oder wie immer der heißt) sollen ihm beim Drogenschmuggel helfen. So befiehlt er seinen Untergebenen, den Vampirflüsterer aufzusuchen. Unverzüglich stolpern die beiden los, ohne auch nur ein einziges Mal nach dem Weg fragen zu müssen. Kaum am Ziel angekommen, hat der alte Blutsaugerbändiger auch sogleich eine sehr frohe Botschaft im Gepäck und verkündet mit stolzgeschwellter Brust: „Mein Vampir-Experiment ist gelungen. Kommt her, und überzeugt euch selbst von diesem gelungenen Experiment!“ (Ja, die Dialoge sind hier wahrlich ausgefeilt.)

Nun werden die beiden Ganoven mit staunend aufgerissenen Glubschaugen Zeuge, wie der alte Meister tatsächlich einen Aushilfs-Dracula heraufbeschwört, welcher allerdings eine Gorillamaske trägt (warum auch immer, vielleicht ist in Siebenbürgen ja gerade Karneval). Doch damit nicht genug der Merkwürdigkeiten: Aus heiterem Himmel, und ohne dass man sie dafür extra heraufbeschwören musste, taucht auch noch eine geheimnisvolle Geisterfrau auf, welche sich schnell als Schwester des King-Kong-Vampirs zu erkennen gibt. Als eben diese zögert sie nicht lang und stellt unverblümt die Gretchenfrage: „Wie kannst du es wagen, den Leichnam meines Bruders zu einem Vampir umzufunktionieren und aus ihm einen lebenden Toten zu machen? Wer gibt dir das Recht, über Leben und Tod zu entscheiden?“ Meister Tao kontert sogleich sehr geschickt: „Aber er kam aus dem Osten. Du nicht.“ Das ist natürlich eine tolle Antwort, die allerdings so rein gar nichts mit der Frage zu tun hat. Dementsprechend gibt sich die geisterhafte Dame auch ziemlich unüberzeugt und deutet an, mit der Gesamtsituation sehr unzufrieden zu sein. Nach dem Tode ihres Bruders wollte sie mit ihm vereint sein, was jetzt halt nicht mehr geht, da er ja nun ein Vampir mit Gorillamaske ist. Nach kurzem Handgemenge willigt der Tao-Mann schließlich ein, beide Parteien eines Tages zu vereinen, allerdings erst, nachdem beide für ihn gearbeitet haben. Verwirrend? Merkwürdig? Unverständlich? Gewiss! Ist aber auch völlig egal, spielt später sowieso keine Rolle mehr.

Vampir-Kong darf schon bald zeigen, was alles in ihm steckt, und tötet einen Mitarbeiter des Anti-Drogen-Kommandos. Aber Glück im Unglück für die gute Seite: Ein Wissenschaftler hat kürzlich ROBOCOP im Fernsehen gesehen und weiß nun, wie man aus toten Polizisten astreine Kampfroboter zusammenpfriemelt (als er sich während der Arbeit an selbigem plötzlich eine Wunderkerze ansteckt, wähnt man sich zwar zunächst in feucht-fröhlicher Jahreswechselfeierlichkeit, tatsächlich jedoch soll die Kerze lediglich ein Schweißgerät darstellen [Wunderkerzen als Schweißgeräte gab es übrigens auch schon bei der AUGSBURGER PUPPENKISTE, die Idee ist also schamlos geklaut]).

Wunderkerze hin, Puppenkiste her, das Ergebnis ist überaus beeindruckend: Im schmucken Alufolien-Ganzkörperkondom, mit Pisspott auf'm Kopp und hinten drangeklebter Antenne von Opas altem Kofferradio, sorgt Blechbulle nun dafür, dass sich jeder Verbrecher, der das große Pech hat, ihm über den Weg zu laufen, totlachen muss. Folgend stakst Robi nun völlig plan- und ziellos durch Feld, Wald und Wiese oder veranstaltet lange und ausgiebige Strandspaziergänge, da sich die meisten Gewaltverbrechen bekanntlich in schaumbenetzten Dünen abspielen. Und als wäre das alles nicht bereits genug Tumult, wird nebenbei auch noch die Mitarbeiterin einer Anti-Drogen-Einheit (soll zwar die bereits erwähnte sein, hat aber eindeutig nichts mit ihr zu tun) vom Drogenboss Mr. Young entführt und auf solch grausame Weise gefoltert, dass selbst Jigsaw blass werden würde: Auf einen Stuhl gefesselt muss sie herunterfallende Wassertropfen ertragen. Zwar kommt höchstens alle zwei Minuten mal einer, dennoch schreit die arme Frau so verzweifelt, als zwänge man sie, die Handlung zu erklären.

Ray, ein offenbar stahlharter Einzelkämpfer (auch, wenn er nun gar nicht danach aussieht), wird von höchster Stelle (also vermutlich von irgendjemandem, der in einem Baumhaus sitzt) damit beauftragt, die Dame wieder rauszuhauen:

„Du bist der Einzige, Ray, der es mit diesem verfluchten Young aufnehmen kann. Young ist ein verdammt harter Kotzbrocken!“

Interessanterweise ist es der Regierung zwar möglich, für diese Aktion mal eben 30 000 Dollar aus dem Ärmel zu schütteln, als Büro jedoch kann sie sich lediglich eine lausige Rumpelkammer leisten (könnte natürlich auch ne geschickte Tarnung sein). Nach einer Extra-Dosis endlosen Herumlatschens, sowie diverser Vampir- und Gangster-Attacken, landet man plötzlich wieder bei Robobulle, der sich allerdings aus heiterem Himmel nicht mehr an der Küste, sondern mitten in der (wenn auch menschenleeren) Großstadt befindet. Es kommt zum grausamen Kampf Blechbüchse gegen Vampir-Gorilla.

Kritik:

Das war zwar ein Versuch, die sich auf geradezu schwindelerregende Weise jeder Struktur verweigernden Ereignisse zusammenzufassen, doch worum es hier eigentlich geht, bleibt weiterhin unklar. Jedenfalls konträr zum Titel nicht um Robo-Vampire, davon gibt es hier nämlich keine. Dafür allerdings Robo-Polizisten und Vampir-Gorillas, die sich allerdings eher wie Zombies benehmen. Doch ob Robo, Vampir, Gorilla, Zombie oder Geist - für die Handlung, falls man sie so nennen möchte, spielt das ohnehin keine Rolle.

ROBO VAMPIRE ist ein Krüppel von einem Film. Keine Szene passt irgendwie zur anderen. Sollte hingegen doch mal die Gefahr bestehen, die Story könnte zu stringent oder gar verständlich werden, kommt wieder ein brutaler Schnitt und man befindet sich erneut an einen anderen Ort mit völlig neuen Protagonisten, die ganz neue unverständliche Dinge tun und sagen. Leute stellen sich mit Namen vor und verschwinden danach auf Nimmerwiedersehen, weder gibt es Bezugspersonen, noch einen auch nur minimalen Spannungsbogen. Die Synchronisationsfritzen der deutschen Fassung verstanden offenbar auch nicht mehr, worum es überhaupt ging (kann man ihnen nicht verübeln), und quatschten einfach irgendetwas drauflos (und zwar ungefähr mit der Leidenschaft einer Trauerrede). Die Darsteller sind offenbar direkt aus der nächstbesten Kneipe gecastet, stehen stellenweise in der Gegend rum, als hätte sie das Delirium ereilt. Alle hirnverbrannten Dialoge aufzuzählen, würde ganze Bände füllen. Als Beispiel sei daher lediglich das Zitat gebracht, welches fällt, nachdem der Aluboter in die Luft gejagt wurde. Sein Erbauer folgert scharfsinnig den Grund für dessen anschließende Funktionsuntüchtigkeit: Ich befürchte, er hat einen Kurzschluss.“ Sehr guter Gedanke! Könnte aber natürlich auch damit zusammenhängen, dass er gerade eben explodiert ist.

Dazu gibt es als Sahnehäubchen noch ein paar Szenen zu bestaunen, die man eigentlich gar nicht für möglich gehalten hätte und hauptsächlich die hochlachhafte ROBOCOP-Kopie betreffen: So muss sich Schrott-Bot am Strand mit ein paar Vampiren herumplagen, die, wie es sich für chinesische Vampire gehört, wild um ihn herumhüpfen, was im Endeffekt aussieht, als versuche er verzweifelt, einen Sack Flöhe zu hüten. Doch auch die atemberaubende Verfolgungsjagd gegen Ende sollte unbedingt Erwähnung finden: Da hopst der Vampiraffe ohne jedes Tempo eine menschenleere Straße entlang, während Hartz-IV-Robo gemütlich hinterherschlendert – fehlen nur noch die Radfahrer im Hintergrund, welche die beiden klingelnd überholen. Kurzum: Godfrey Ho macht seinem Ruf hier mal wieder alle Ehre. Das Müllometer schlägt Purzelbäume und Trashfans fliegt der Draht aus dem Hut. Alle anderen werden nicht mal den Vorspann überstehen. Immerhin besser als TWILIGHT.

Laufzeit: 90 Min. / Freigabe: ungeprüft

Mittwoch, 16. Oktober 2013

00 SCHNEIDER - IM WENDEKREIS DER EIDECHSE


00 SCHNEIDER – IM WENDEKREIS DER EIDECHSE
BRD 2013

Regie:
Helge Schneider

Darsteller:
Helge Schneider,
Rocko Schamoni,
Pete York,
Peter Thoms,
Sergej Gleithmann,
Norbert Losch,
Tyree Glenn,
Carlos Boes


 
„Er wurde nicht als Kommissar geboren. Er musste diesen Beruf erst erlernen.“ 


Inhalt:

Der Kommissar Schneider [Helge Schneider] ist gut. Darum braucht man ihn auch, als eines der schlimmsten Verbrechen überhaupt begangen wird: Ein skrupelloser Verbrecher hat eine Schachtel Zigaretten aus einem Kiosk geklaut. Die Täterbeschreibung der Besitzerin [Peter Thoms] gerät sehr ungewöhnlich: Er hielt sich die Hände wie eine Krause vor den Hals, gab reptilienähnliche Laute von sich und bespuckte die arme Frau mit einer übelriechenden Flüssigkeit. Natürlich will der Kommissar auch diesen Fall schnell lösen und den Verbrecher ins Gefängnis tun. Doch das erweist sich als ungewöhnlich schwierig. Als der Täter ein zweites Mal zuschlägt und ein Huhn vom Bauernhof klaut, ist er am Ende seiner Weisheit. Ein Täter, der raucht und spuckt? Wie kann das sein? 00 hat nur eine vernünftige Erklärung: Alle 400 Jahre kommt ein Eidechsenmann auf die Erde, um Unheil zu stiften. Da der Kommissar nebenbei auch noch einen Sittenstrolch zur Strecke bringen muss, von einem rachsüchtigen Staubsaugervertreter verfolgt wird, Besuch von seiner angeblichen Tante Tyree [Tyree Glenn] aus Amerika bekommt und zudem auch noch aufgrund seiner Memoiren jede Menge Interviews geben muss, hat er wieder alle Hände voll zu tun … 

Kritik:

Das Phänomen Helge Schneider zu erklären ist ein Unterfangen, an dem schon größere Männer gescheitert sind. Tatsache ist, dass der extravagante Unterhaltungskünstler von vielen Kritikern jahrelang als Dilettant verschrien wurde und seine Auftritte erst Konzerthallen füllen mussten, bis der Feuilleton sich schließlich bereit erklärte, ihn und seine ungewöhnliche Art der Komik zu akzeptieren. Als besonderer Härtefall erwiesen sich dabei vor allem Schneiders Leinwandausflüge, in welchen er sein Stilmittel der vermeintlichen Laienhaftigkeit, das bereits seine Musik, Hörspiele und Bühnenprogramme durchzog, bis ins maximal Mögliche potenzierte. Als er 1994 als Kommissar 00 SCHNEIDER – JAGD AUF NIHIL BAXTER machte und der Humor Schneiders noch längst nicht, wie in späteren Jahren, zur deutschen Popkultur gehörte, sorgte der sich jeder Stringenz und Professionalität verweigernde 16mm-Witz für so manch fragendes Kritiker- und Konsumentengesicht. 

00 SCHNEIDER – IM WENDEKREIS DER EIDECHSE ist, schlanke 19 Jahre später, der zweite Kinoeinsatz der von Schneider erdachten und verkörperten Kunstfigur (wenn man seine Nebenrolle in TEXAS außer Acht lässt), und somit die erste reelle Fortsetzung innerhalb des Helge-Schneider-Universums. Tatsächlich jedoch ist das kaum von Belang, denn Schneider hat sich weiterentwickelt in all der Zeit, und so auch seine Arbeit. Der erste 00 SCHNEIDER ließ sich in alter Form kaum wiederholen, viel zu abgeklärt wirkt der mittlerweile lässige Altersmilde ausstrahlende Helge Schneider, der, anstatt wie zu früheren Zeiten mit seinem unangepassten Brachialhumor gegen starre Schablonen in Kunst und Gesellschaft zu rebellieren, lediglich noch entspannte Selbstreflexion bietet. 00 SCHNEIDER Eidechse ist nicht 00 SCHNEIDER Nihil Baxter, welcher mit komplett improvisierten Szenen, viel zu langen Kameraeinstellungen und dadaistisch-depperten Dialogen jeden Realitätsbezug unter brutalem Wahnwitz begrub. 

IM WENDEKREIS DER EIDECHSE fühlt sich grundlegend anders an und präsentiert sich als ironische Kriminalfilmparodie, welche zwar mit den gewohnt-grotesken Schneiderismen aufwartet, inhaltlich jedoch deutlich geschlossener daherkommt und in seiner Ausführung mehr den Regeln des Films als denen des absurden Theaters gehorcht. Bezeichnend für diesen Wandel sind bereits die ersten Minuten, in welchen 00 Schneider in seinem schäbigen Citroën durch das in bewährt-tristen Bildern eingefangene Ruhrgebiet eiert, um sich, nach einer Fahrt ums Eck, plötzlich und mit völliger Selbstverständlichkeit an den majestätischen Felsenstränden Andalusiens zu befinden. Die bekannte Ranzigkeit vermischt sich hier quasi im Handumdrehen mit wuchtiger Pracht, die renommierte Unsinnigkeit mit professionellem Handwerk. 

Auch die Hauptfigur agiert widersprüchlich zum originalen 00, legt neben ihrem bewährten Kleidungsstil auch ihre verkniffene Mimik nebst gepresster Sprechweise ab und gleicht nunmehr dem in den Romanen beschriebenen Kommissar, welcher ebenfalls mit dem Kino-00 nur wenig zu tun hatte. Für Fans sind derlei Charakteränderungen nichts Ungewöhnliches: Auch Dr. Hasenbein, ein weiteres Alter Ego Helge Schneiders, war, nach einer Nebenrolle im ersten 00 SCHNEIDER, in seinem eigenen Kinofilm plötzlich eine völlig andere Person. Schneider hielt nie viel von Struktur und Zusammenhang und entwickelte seine Figuren stets auf dieselbe Art und Weise, wie er seine gesamte Komik entstehen lässt: spontan und aus dem Bauch heraus. Vorbilder für den ‚neuen‘ 00 waren ziemlich eindeutig die knallharten Cops der reaktionären 70er-Jahre-Polizeifilme, welche die Verbrecher mit unorthodoxen Methoden zur Strecke bringen, um sie im Anschluss windelweich zu prügeln.

Nicht nur, aber auch in diesen liebevoll eingestreuten Genrezu- und -zitaten zeigt sich erneut, worin der Erfolg Helge Schneiders mitbegründet liegt: Ebenso, wie er die Regeln der Musik beherrscht, beherrscht er auch die Regeln des Filmemachens – freilich lediglich, um sie genussvoll unterlaufen zu können. Man erkennt, dass Helge weiß, wie Filme funktionieren, dass er die Vorlagen kennt und sich darüber bewusst ist, dass sein Publikum das ebenfalls tut. Die daraus resultierende Erwartungshaltung macht er sich zu Nutze, um die sattsam bekannten Muster immer wieder aufzugreifen und sie dann, durch fallengelassene Ideen, verpasste Pointen und normkonträre Verhaltensweisen, gekonnt auszuhöhlen. Das passt wunderbar in diesen absonderlichen Parallelkosmos, in welchem sich die Ereignisse zutragen, eine merkwürdig anachronistische Mischung aus 70er-Jahre-Mief und globalisierter Weltoffenheit, in welchem es keine Computer gibt, sondern nur Schreibmaschinen, in welchem auf dem als Polizeirevier dienenden, äußerst hässlichen Betonklotz nicht ‚Polizei‘ steht, sondern ‚Police‘, und in welchem die Sprache auf der Station ein heilloses Durcheinander aus Deutsch, Englisch, Italienisch und Französisch ist.

Wie befreiend ist es da, dass an diesem absurden Ort Menschen hausen, die vor allem durch ihre unverkrampfte Natürlichkeit bestechen. Niemand hier ist ein professioneller Schauspieler, und das ist auch gut so. Abermals besetzte Helge überwiegend aus seinem Freundes- und Bekanntenkreis und bewies dabei erneut ein unfehlbares Gespür für schräge Typen, die allein durch ihre Kauzigkeit amüsieren. Die junge, rappende Taxifahrerin z. B. hat zwar keine Funktion, passt aber irgendwie einfach hinein in dieses verrückte Helge-Universum, zu dem sich natürlich auch wieder alte Bekannte gesellen: So hat Peter Thoms als JAZZCLUBs Pflasterverkäufer zwar mittlerweile die Preise geändert, ist aber immer noch nicht beim Euro angekommen. Auch ließ es sich Helge nicht nehmen, zusätzlich zur Hauptfigur noch weitere Nebenrollen zu übernehmen: Vor allem der extrem nuschelnde Psychiater Dr. Henry oder der dauergeile Zahnarzt Dr. Fracklefuss belasten dabei gehörig das Zwerchfell.

Das Wiedersehen mit etablierten Charakteren und die gleichzeitige Einführung neuer Kultfiguren geriet für geübte Fans zu einer freudenspendenden Veranstaltung, die mit schneidertypischen Momenten (so legt der Meister in einem Parkhaus ebenso spontan wie sinnlos eine flotte Sohle aufs Parkett) ebenso aufwartet, wie mit gezielten Parodien auf gängige Klischees amerikanischer Copthriller (wie der massenhaft praktizierte Tabakkonsum, der selbst den seligen Helmut Körschgen blass gemacht hätte). Anhänger wissen, was sie erwartet, und 00 SCHNEIDER – IM WENDEKREIS DER EIDECHSE nach bekannten Maßstäben zu beurteilen, ist erwartungsgemäß nicht möglich. Denn obwohl man den Regeln des klassischen Filmemachens hier mehr Tribut zollte, bleibt es letztendlich ein nach wie vor formfernes Experiment. Sympathisanten hält das nicht ab: Klar schludert die Kamera. Klar schludert das Licht. Klar schludert der Schnitt. Doch ist es Schludern um des Schluderns Willen. Helge bleibt Helge bleibt Helge bleibt Helge. Wer’s mag, der mag’s. Wer’s nicht mag, hat einfach Pech.

Laufzeit: 94 Min. / Freigabe: ab 6

Donnerstag, 3. Oktober 2013

DIE BRONX-KATZEN


SWITCHBLADE SISTERS
USA 1975

Regie:
Jack Hill

Darsteller:
Joanne Nail,
Robbie Lee,
Monica Gayle,
Asher Brauner,
Chase Newhart,
Marlene Clark,
Kitty Bruce,
Janice Karman



„Mütter, versteckt eure Söhne – die Bronx-Katzen sind los!“


Inhalt:

Die 'Dagger Debs' sind eine brutale New Yorker Mädchengang, vor welcher das ganze Viertel zittern muss. Doch eines Tages kommt Maggie [Joanne Nail] in die Stadt, welche sich nicht so ohne Weiteres einschüchtern lässt und den 'Debs' ordentlich Paroli bietet. Nach einer zünftigen Rauferei landet die Gang gemeinsam mit Maggie im Kittchen. Bandenchefin Lace [Robbie Lee] ist von den Nehmerqualitäten des Neuankömmlings überaus beeindruckt, und als sie ihr auch noch dabei behilflich ist, die Übergriffe der lesbischen Wärterin Mom Smackley [Kate Murtaugh] abzuwehren, entsteht eine Freundschaft zwischen den beiden Mädchen. Maggie wird in die Bande aufgenommen. Dieses missfällt wiederum der einäugigen Patch [Monica Gayle], welche nach Haftentlassung der 'Dagger Debs' unverzüglich anfängt, gegen die neue Konkurrentin zu intrigieren. Dass sich Laces Freund Dom [Asher Brauner] in Maggie zu verlieben scheint, kommt ihr dabei gerade recht. Doch damit nicht genug der Anfeindungen: Als die konkurrierende Gang des schrägen Drogendealers Crabs [Chase Newhart] auf ihre Schule versetzt wird, bricht auch noch ein blutiger Bandenkrieg los.

Kritik:

Nachdem Jack Hill mit COFFY und FOXY BROWN Pam Grier zur ungekrönten Königin des Blaxploitation-Kinos erhoben hatte, widmete sich der Meister des kostengünstigen Leinwandspektakels den Schicksalen deutlich bleichgesichtigerer Slumbewohner und lies die BRONX-KATZEN los. Gewohnt realitätsfern und spekulativ ausschlachtend kredenzte er eine von obszönen Dialogen beherrschte, angenehm räudige Räuberpistole über eine frevelhafte Mädchenbande, die, zwischen internen Intrigen und kriegerischen Anfeindungen, im verruchtesten Viertel der Stadt ihren Mann stehen muss. Und obwohl der gefeierte B-Film-Regisseur zur Vorbereitung seiner Sause mehrere tatsächliche Bandenmitglieder interviewte und lange Zeit einen ernsthaften Themenbeitrag plante, entschied er sich letztendlich doch wieder für das, was er am besten konnte und servierte einmal mehr zwar anspruchsloses, aber überaus charmantes Bahnhofskino voll feinsten Rambazambas. Und während die seriöse Kritik erneut inbrünstig abwinkte, über Dilettantismus und Gewaltverharmlosung klagte, bot sich dem etwas weniger wählerischen Publikum abermals eine willkommene Abwechslung zu Schlöndorff und Shakespeare.

Alles Echauffieren über Mangel an Intellekt und Anstand wäre tatsächlich auch reinste Zeitverschwendung, denn SWITCHBLADE SISTERS (so der wohl bekannteste Titel) ist eigentlich purer Unfug und in keiner Weise ernstzunehmen. Das beginnt bereits bei Joanne Nail als Quasi-Hauptfigur Maggie, die, selbst im Frauenknast noch in Overknees und Hot Pants unterwegs, zwar einen optischen Leckerbissen erster Kajüte darstellt, doch niemals auch nur im Ansatz wie eine Person wirkt, die es mit einer ganzen Straßengang aufnehmen könnte. Andererseits wirkt auch Lace, die von Robbie Lee verkörperte Anführerin der rabiaten Truppe, alles andere als ehrfurchtsgebietend, sondern eher wie jemand, dem bereits die Tränen in die Augen steigen, wenn ihm die Plätzchen im Ofen anbrennen. So erwecken die angeblich so beinharten 'Dagger Debs' eher den Eindruck einer ungezogenen Sandkastenkombo, der man nur mal ein bisschen Wangenapplaus spendieren müsste, um sie wieder zur Besinnung zu bringen. Dass diese pseudocoole Püppchenparade eine der gefürchtetsten Gangs im ganzen Ghetto darstellen soll, glaubt man nicht eine einzige Sekunde.

Natürlich könnte man, sofern man gewillt ist, den Umstand, dass die taffen Mädels und Jungs, die tagtäglich fett einen auf dicke Hose machen, innerlich eigentlich verletzlich und voller Zweifel sind, auch als beabsichtigte Sozialkritik auffassen, und tatsächlich klingt etwas Ähnliches zumindest zeitweise durchaus an, wenn Dom, Freund von Lace und natürlich ebenfalls Anführer eines mehr oder minder knallharten Straßenmobs, ihr in einem haltlosen Emotionsausbruch entgegenschleudert: „Diese ganze verfluchte Gang kotzt mich an!“. Allzu weit aus dem Fenster lehnen sollte man sich aufgrund dessen allerdings trotzdem nicht: THE JEZEBELS (und noch ein Alternativtitel) ist und bleibt ein oberflächliches Bandendrama, das in Inhalt und Dialog über das Niveau einer gewöhnlichen Seifenoper zu keiner Zeit herauskommt und auch niemals einen reellen Versuch unternimmt, eine Erklärung für gesellschaftliche Probleme zu liefern. Als Dokumentation taugt das wahrlich nichts - als schicke Schmierenkomödie hingegen umso mehr.

Einmal mehr erhob Jack Hill Trivialität zur Tugend, indem er sie geradezu mustergültig zelebrierte: Ungelenke Schlägereien wechseln sich ab mit kitschigen Beziehungskisten, pubertäre Sex- und Gewaltphantasien mischen sich mit arglosem Geblödel. Ernste Themen verkommen dabei zu belanglosen Banalitäten, während Tötungen und Misshandlungen nahestehender Menschen lapidar, nach kurzem pflichterfüllendem Trauermoment fast schon schulterzuckend zur Kenntnis genommen werden. Auch Prostitution (denn natürlich schicken die Mitglieder der männlichen Gang ihre Freundinnen auf den Strich) wird hier zum feucht-fröhlichen Vergnügen, wenn die Dame (die zwar genervt ist vom langen 'Arbeitstag', aber ansonsten eigentlich keine nennenswerten Probleme hat) auf der Schultoilette dem nächstbesten Kunden zum Sonderpreis von nur fünf Dollar angeboten wird – selbst, wenn dieser eigentlich gar kein Interesse hegt: So kommt der Klassenstreber um die Ecke und wird vom zuständigen Zuhälter mit inbrünstig werbenden Worten in die Toilettenräume gestoßen, während der arme Junge lauthals protestiert, da er eigentlich dringend in den Chemieunterricht müsse. Die Geldbörse des unfreiwilligen Freiers behält der Kuppler dabei selbstverständlich gleich ein, um sich seine fünf Dollar höchstpersönlich einzuverleiben.

Momente wie dieser, die heiße Eisen zu harmlosem Entertainment degradieren, sind keine Seltenheit und machen DIE BRONX-KATZEN zu einem politisch höchst unkorrekten Vergnügen, das unverbesserlichen Moralaposteln zwar tüchtig die Pumpe hochtreiben dürfte, tatsächlich jedoch in seiner unverblümt naiven Weltsicht und kuscheligen Wohlfühlattitüde vorzügliche 70er-Jahre-Unterhaltung bietet, zumal auch die Gewaltdarstellung, bei Hill ohnehin immer eher gemäßigt, hier noch mal zusätzlich gezügelt wurde und explizite Brutalitäten nahezu völlig ausbleiben. Und um den ruchlosen Ereignissen auch noch den Rest an Schrecken zu nehmen, bevölkerte Hill sein Drehbuch zusätzlich mit einer erquickenden Vielzahl schreiend schriller Figuren, die das grausame Ghetto endgültig in ein quietschbuntes Kabarett verwandeln. Das gilt vor allem für den von Chase Newhart verkörperten Drogendealer Crabs, der mit kariertem Beinkleid, sternverzierten Hosenträgern und glitzerndem Herrenhemd aussieht wie ein lauwarmer Kanarienvogel und optisch vielleicht auf den Christopher Street Day passen würde, aber ganz bestimmt nicht als Gangsterboss in die Bronx.

Doch auch abseits von Modemerkwürdigkeiten und Charakterkuriositäten sind DIE BRONX-KATZEN ein Sammelbecken herrlich abstruser Albernheiten: Im Frauengefängnis herrscht natürlich eine dicke Matrone, die auch gern mal Hand an ihre Schäfchen legt („Besser, du kommst ihr nicht in die Quere - die ist scharf wie Affenscheiße!“), Drogenhändler jubeln ihren Stoff armen Kindern bei der Essensausgabe unter („Er macht sogar Kinder süchtig - mit präparierten Vitaminpillen!“), und der einzige Ort, an dem die harten Ghettogangster ihre Waffen ablegen, ist die örtliche Rollschuhbahn („Die Bahn ist neutrales Territorium“), an welcher sich die harten Jungs selbstverständlich einmal in der Woche treffen, um unbeschwert Rollschuh zu laufen. Und da es Hill auch nicht so ganz gelang, seine Blaxploitation-Affinität zu zügeln, mischt aus heiterem Himmel auch noch eine Horde afro-amerikanischer, militanter Frauenrechtlerinnen mit („Politische Power erwächst aus dem Lauf einer Knarre!“), weswegen am Ende dann auch wieder eine Black Mama die letzten Kohlen aus dem Feuer holen darf (wofür sie natürlich mit einem privaten Panzerfahrzeug anrollt – Erklärungen sind überflüssig!).

Kurzum: SWITCHBLADE SISTERS ist eine wirklichkeitsfremde, doch äußerst burleske Angelegenheit, deren Grundtenor, trotz einiger Entgleisungen (wie der Umstand, dass aus einer Vergewaltigung heraus romantische Gefühle resultieren) zudem unerwartet feministisch geriet. Natürlich wäre es maßlos übertrieben, zu behaupten, Hills Werk sei ein ernstzunehmendes emanzipatorisches Manifest, doch erweisen sich die weiblichen Figuren ihren männlichen Pendants gegenüber sowohl charakterlich als auch emotional als deutlich überlegen. So gibt es hier tatsächlich nicht eine einzige männliche Identifikationsfigur, so dass die Sympathien sich klar auf die Mitglieder der Mädchengang verteilen, welche dann auch schließlich erkennen, dass sie auf die Unterstützung des vermeintlich starken Geschlechts gar nicht angewiesen sind. „Hol dir einen Mann, wenn du was brauchst fürs Bett - dann wirf ihn weg!“, lautet die finale Quintessenz, ausgesprochen von der schwarzen Revoluzzerin Muff [Marlene Clark].

Das humorlose 'Lexikon des internationalen Films' gab sich mal wieder stocksteif und unterstellte den BRONX-KATZEN „ein Zeugnis menschenverachtender Gesinnung". Das ist nun freilich heillos übertrieben. Selbstverständlich ist und bleibt SWITCHBLADE SISTERS eine Billigproduktion (das Budget betrug lachhafte 320.000 Dollar und die Drehzeit gerade mal zwölf Tage), die mit spekulativen Elementen versucht, möglichst viel Umsatz zu machen und an der es auch formal Einiges zu bekritteln gäbe: So ist der Schnitt in den Actionszenen eine Katastrophe und auch die Choreographie kommt reichlich hüftsteif daher (man beachte vor allem die Gefängnisschlägerei, bei welcher sich die Personen bereitwillig in Positur stellen, um sich treffen zu lassen). Zudem schlagen manche Darsteller zeitweilen vollkommen über die Stränge und betreiben ein Overacting, dass die Bronx bebt (das gilt vor allem für die männlichen Darsteller, doch auch Joanne Nail übertreibt es in der Schlussszene maßlos).

Doch obwohl eine charismatische Hauptdarstellerin vom Schlage einer Pam Grier fehlt (Joanne Nail bleibt insgesamt deutlich zu brav), und manch ein Scherz in seiner Harmlosigkeit eher an bieder-deutschen Lustspielklamauk erinnert (so versteckt ein Bandenmitglied ein Unterhöschen in der Jacke ihres Lehrers – hach, wie rebellisch!), geriet Hills Ganovenstück zu einer runden Sache, die durchaus auch einige gelungene Regieeinfälle zu bieten hat (so erscheint der Schlusskampf zweier Mädchen lediglich als Schattenspiel an der Wand). Allen Defiziten zum Trotze geriet THE JEZEBELS somit geradezu unverschämt liebenswert und bietet trotz seiner ernsthaften Thematik jede Menge an Putzigkeiten. Dass die rabiate Schlägerbraut Patch einen Schmetterling auf ihrer Augenklappe durch die Gegend trägt, darf dabei ohne Weiteres als Metapher verstanden werden: Gewalt und Brutalität werden zum kindlich-unbekümmerten Ulk, der niemandem mehr wehtut. Somit versprühen DIE BRONX-KATZEN auf angenehme Art und Weise den unbeschwerten Zeitgeist ihrer Entstehung.

Die JEZEBELS laden ein zur großen Ghetto-Gaudi, und alle machen mit! Eine Handvoll schnuckeliger Schnecken schimpft, schlägt und ränkeschmiedet sich leidenschaftlich durch ein himmelschreiend absurdes Bandenkriegsszenario, und der bluesige Soundtrack groovt einem dazu die Hütte voll und schämt sich nicht mal. DIE BRONX-KATZEN sind nicht nur für Tierfreunde eine Empfehlung.

Laufzeit: 87 Min. / Freigabe: ungeprüft

Mittwoch, 18. September 2013

WAR OF THE ARROWS


CHOIJONGBYEONGGI – HWAL
KOR 2011

Regie:
Kim Han-Min

Darsteller:
Park Hae-Il,
Ryoo Seung-Yong,
Kim Moo-Yeol,
Moon Chae-Won,
Lee Han-Wi,
Kim Goo-Taek,
Park Ki-Woong,
Lee Kyeong-Yeong




„Mein Bogen hat nicht die Aufgabe, zu töten.“


Inhalt:

Korea, 1623: König Injo hat durch einen Staatsstreich die Macht im Lande an sich gerissen. Der begabte Bogenschütze Choi Pyeong-Ryung kritisiert öffentlich den neuen Regenten und gilt seitdem als Landesverräter. Rücksichtslos wird der einst treue Staatsdiener von den Schergen des Königs gehetzt. Während sein jugendlicher Sohn Nam-Yi und dessen jüngere Schwester Ja-In entkommen können, wird Pyeong-Ryung vor ihren Augen getötet. Die beiden Überlebenden flüchten zu einem Freund ihres Vaters, der sich ihrer annimmt. 13 Jahre später: Ausgerechnet am Tag von Ja-Ins Hochzeit wird das Land von den Mandschuren überfallen. Die Eindringlinge verwüsten das friedliche Dorf und nehmen die Überlebenden, darunter auch Ja-In, als Geiseln. Lediglich Nam-Yi, mittlerweile wie einst sein Vater ein Meister im Bogenschießen, haben die Invasoren übersehen. Während für die Gefangenen ein verlustreicher Gewaltmarsch in Richtung der Mandschurei beginnt, erinnert sich Nam-Yi an die letzten Worte seines Vaters, er solle seine Schwester vor allen Gefahren beschützen. Ausgestattet mit Pfeil und Bogen folgt er den Entführern und beginnt einen scheinbar aussichtslosen Kampf gegen eine übermächtige Armee.

Kritik:

Mit Beginn des neuen Jahrtausends erlebte der asiatische Historienfilm einen gewaltigen Aufschwung und brachte die Leinwände in regelmäßigen Abständen durch epochales Kampfgetümmel zum Erzittern. Als eine der Initialzündungen darf dabei der südkoreanische Kassenschlager MUSA gelten, dem im Jahre 2001 auch international einige Aufmerksamkeit zuteilwurde. Was folgte, war eine Welle ähnlich gearteter Kriegsepen, die mit aufwändiger Ausstattung und großzügigem Statistenaufgebot um die Gunst des Publikums buhlten. Vor allem China mauserte sich dabei zum ernsthaften Konkurrenten und ließ seine Nationalhelden eine kolossale Schlacht nach der nächsten schlagen. Die Kämpfer Koreas gerieten dabei fast in wenig ins Hintertreppchen, bis mit WAR OF THE ARROWS, 10 Jahre nach MUSA, abermals ein Überraschungserfolg beträchtliche Menschenmassen in die Lichtspielhäuser ziehen konnte.

Dabei verzichtet Kim Han-Mins pralles Actionabenteuer trotz des geschichtlichen Hintergrundes der Zweiten Mandschuren-Invasion sogar überwiegend auf die mittlerweile zum Standard gewordenen Genre-Zutaten und bietet stattdessen eine sehr geerdete Variante kriegerischer Auseinandersetzungen, die sich nicht auf tosende Massenschlachten und dröhnenden Gefechtslärm konzentriert, sondern die Schicksale einer überschaubaren Anzahl von Einzelpersonen in den Mittelpunkt rückt. Anstatt dass hier zwecks gegenseitiger Massakrierung gewaltige Heere von Statisten aufeinander zustürmen, entwickelt sich aus der feindlichen Belagerung schon bald die private Fehde zweier Männer, die sich in einer emotionalen Mischung aus Rachegelüst und Selbstbehauptungsdrang eine erbarmungslose Hetzjagd liefern, bei welcher mal die eine, mal die andere Partei die Oberhand gewinnt.

Diese Entwicklung vom Allgemeinen ins Spezielle ist es dann auch, woraus WAR OF THE ARROWS seinen hauptsächlichen Reiz bezieht: Nach eher gemächlichem Beginn inklusive obligatorischer Charaktervorstellung, kommt es mit der Invasion der Mandschuren und der Entführung einiger wichtiger Hauptfiguren zu einem ersten dramatischen Höhepunkt. Es folgen diverse Sadismen der Entführer gegenüber ihren Gefangenen, denen mehrere Menschen zum Opfer fallen. Als die selbstbewusste Ja-In von einem der Anführer zum Objekt der Begierde auserkoren wird, wird sie überraschenderweise nicht etwa zum hilflosen Opfer, sondern verdient sich aufgrund ihrer starken Persönlichkeit schnell den Respekt ihres Peinigers, welcher sie daher zunächst verschont, um ihre Willensstärke auszutesten. Obwohl es bis zu diesem Zeitpunkt noch vergleichsweise wenig Action zu bewundern gab, sorgen spannungsgeladene Interaktionen wie diese bereits für genügend Nervenkitzel, um auch ungeduldige Erlebnisjünger in Schach zu halten.

Nachdem Hauptcharakter Nam-Yi in einer halsbrecherischen Kamikaze-Aktion das Lager gestürmt und quasi im Alleingang ein verlustreiches Befreiungsinferno vom Zaun gebrochen hat, scheint die Action hingegen gar nicht mehr pausieren zu wollen und wird ständiger Begleiter einer martialischen Verfolgungsjagd, die in ihren besten Momenten Assoziationen zu Mel Gibsons beinharter Menschenhatz APOCALYPTO zulässt. Da sich sowohl die Reihen der Verfolger als auch die der Verfolgten immer weiter lichten, die Fronten sich dadurch immer weiter verhärten, wird die Sache schließlich nach und nach zu einer persönlichen Angelegenheit, die höchstens einen Überlebenden hervorbringen kann. Und je länger die Jagd dauert, je verbitterter beide Parteien gegeneinander kämpfen, desto mehr verdichtet sich die Spannung, bis sie sich schließlich in einem fiebrigen Finale entladen darf.

So bietet WAR OF THE ARROWS, nach einigem erklärenden Vorgeplänkel und psychologischen Machtspielchen, schließlich geradezu mustergültig stringentes Abenteuerkino, das seine Suspense-Schraube mit fortschreitender Laufzeit immer weiter anzuziehen vermag. Die zuvor thematisierte Gemütslage der Hauptfigur, die nicht nur an dem Verlust ihres Vaters leidet, sondern auch mit Identitätsproblemen aufgrund dessen Brandmarkung als Verräter zu kämpfen hat, spielt dabei im Übrigen plötzlich gar keine Rolle mehr, so dass der Versuch, dem Charakter Tiefe zu verleihen, zwar gut gemeint war, letztendlich jedoch zwischen Bogenkampf und Fersengeld sinnlos verpufft.

Ungewöhnlich für einen historischen Kriegsfilm diesen Kalibers geriet die durchaus differenzierte Darstellung des Feindbildes. Selbstverständlich erscheinen die Mandschuren eindeutig als Aggressoren und fallen durch diverse Grausamkeiten auf, doch verzichtete man dennoch darauf, sie bis zur Unmenschlichkeit zu dämonisieren. So sind sich Jäger und Gejagte in manchen Momenten sogar verblüffend ähnlich: Als einer der feindlichen Soldaten verzweifelt nach seinem schwer verwundeten und sich hilflos auf dem Waldboden windenden Bruder schreit und schließlich seine Deckung aufgibt, um ihn in Sicherheit zu bringen, erinnert das frappierend an eine ähnliche, frühere Szene, in welcher ein koreanischer Gefangener sein Leben riskiert, um seine Tochter retten zu können.

Während Ausstattung und Kostüme ebenfalls einen positiven Eindruck hinterlassen und weitestgehend authentisch wirken, steht WAR OF THE ARROWS mit der Glaubwürdigkeit des eigentlichen Geschehens arg auf Kriegsfuß: Brav den Regeln des typischen Eventkinos gehorchend, geschieht die Rettung des Helden immer wieder in allerletzter Sekunde durch äußeren Einfluss, bloßen Zufall oder glückliche Fügung – ein nicht gerade hochoriginelles Konzept, das man dann auch relativ schnell durchschaut hat. Die enorme Rasanz der Vorkommnisse, die kaum Zeit zum Luftholen lässt, macht dieses Manko jedoch ohne besondere Mühen wieder wett. Allein diesem Aspekt schien Regisseur Kim Han-Min allerdings nicht so recht zu trauen, weswegen er sich dazu entschied, sein Werk mit ein paar inszenatorischen Mätzchen aufzupeppen: Eine zappelige Kamera soll Authentizität vortäuschen, ein hektischer Schnitt für Tempo sorgen, und extreme Naheinstellungen in den Action-Szenen sollen die Einbindung des Publikums gewährleisten. Da die Ereignisse jedoch bereits von Haus aus sehr aufrüttelnd gerieten, wirken diese Sperenzchen nicht nur unnötig, sondern führen im schlimmsten Falle sogar zur Orientierungslosigkeit. Bereits die Eröffnungssequenz, der Kampf Choi Pyeong-Ryungs mit der Garde des Königs, die Flucht seiner beiden Kinder und der Angriff einer wilden Hundemeute, geriet auf diese Weise zur restlosen Reizüberflutung und übertreibt es maßlos mit Bewegung und Betriebsamkeit. Ein wenig mehr Ruhe bei der Inszenierung und etwas mehr Vertrauen auf die Handlung als solche wäre wünschenswert gewesen.

Dazu gesellen sich leichte Drehbuchschwächen. So wird z. B. niemals wirklich erklärt, woher Nam-Yi seine phänomenalen Schießkünste eigentlich hat. In gewisser Weise erinnert er so an einen klassischen Western-Helden, dessen Kugeln quasi von selbst zielgenau ins Schwarze treffen. Auch, dass es einer Handvoll Leuten immer wieder gelingt, eine ganze Armee zu besiegen, kratzt gehörig an der Plausibilität. Aber das muss natürlich grundsätzlich nichts Schlechtes sein. Tatsächlich geriet WAR OF THE ARROWS auf diese Weise zu einem durchaus reizvollen Hybriden aus um Authentizität bemühter historischer Darstellung und simplifiziertem Actionspektakel. Zwar ist Nam-Yi kein cooler, sprücheklopfender Superheld, sondern trotz überragender Trefferquote und Nehmerqualität ein verletzlicher und verzweifelter Mann, doch wenn er fast im Alleingang gegen einen zahlenmäßig weit überlegenen Gegner zu Felde zieht und, lediglich mit Pfeil und Bogen bewaffnet, aus der Deckung des Waldes heraus nach und nach seine Feinde dezimiert, sind Assoziationen zu einer frühgeschichtlichen RAMBO-Variante so abwegig gar nicht mal.

Mag WAR OF THE ARROWS auch inhaltliche wie gestalterische Defizite haben, ist der Erfolg seinen Machern durchaus zu gönnen: Ohne nennenswerte Umwege erlebt man hier einen, trotz zweistündiger Laufzeit aufs Nötigste reduzierten Überlebenskampf vor ansprechendem historischen Hintergrund, der es glänzend versteht, seine zunächst ausladende Präsentation zu einem fast schon intimen Rachefeldzug zu verdichten, bei dem neben jeder Menge Soldaten auch die Langeweile auf der Strecke bleibt. Interessenten sollten hier weder Pfeil noch Bogen drum machen.


Laufzeit: 118 Min. / Freigabe: ab 16