Eigene Forschungen

Mittwoch, 6. Dezember 2017

DER TODESSCHREI DES GELBEN TIGERS


GAAI SHUT YING HUNG
Hongkong 1979

Regie:
Chang Cheh

Darsteller:
Jason Pai Piao,
Lu Feng,
Lo Meng,
Philip Kwok,
Chiang Sheng,
Sun Chien,
Chiang Nan,
Walter Tso Tat-Wah



Inhalt:

China, Ming-Dynastie: Die Freunde Yang Dabao [Philip Kwok] und Chen A Jin [Lo Meng] träumen zwar vom großen Abenteuer, ihre Arbeit als Kellner in einem kleinen Restaurant ist jedoch alles andere als aufregend. Der Alltagstrott ist passé, als aus heiterem Himmel der schwer verwundete Shaolin-Schüler Hong Xiguan [Jason Pei Piao] ins Dorf geeilt kommt. Die feindlichen Mandschuren, so berichtet er, haben den heiligen Tempel überfallen und unter den friedlichen Mönchen ein blutiges Massaker angerichtet. Er selbst konnte als einziger entkommen. Da sich die Angreifer bereits auf der Suche nach Hong befinden, nehmen Yang und Chen ihn bei sich auf und pflegen ihn gesund. Zum Dank weiht dieser sie in die Geheimnisse der Shaolin-Kampfkunst ein. Zu dem Trio stoßen später noch Zhu Cai [Sun Chien], ein örtlicher Kung-Fu-Schüler, der von seinem Meister nur herumgestoßen wird, sowie Han Qi [Chiang Sheng], ein weiterer junger Shaolin-Mönch, dessen Kameraden ebenfalls von den Invasoren getötet wurden. Gemeinsam ziehen die fünf Freunde nun gegen den Feind ins Feld. Verschanzt in einem alten Tempel stellen sie sich einer gewaltigen Übermacht und führen einen erbitterten Kampf auf Leben und Tod.

Kritik:

Die Five Deadly Venoms, in Deutschland vermutlich besser bekannt als Die unbesiegbaren Fünf oder auch Fünf tödliche Schlangen, gehörten ab Ende der 70er Jahre zu den größten Zugpferden des Shaw Brothers-Studios. Nachdem Wang Yu die erfolgsverwöhnte Kung-Fu-Produktion im Streit verlassen hatte und die Beziehung des einstigen Leinwand-Traumpaares David Chiang und Ti Lung auch nicht mehr ganz so traumhaft lief, brauchte es neue Helden, um das Publikumsinteresse weiterhin wachzuhalten. Diese fand man schließlich in Philip Kwok, Lo Meng, Lu Feng, Sun Chien und Chiang Sheng, allesamt Absolventen der Peking Opera School, die zwar zuvor schon für die Shaws vor der Kamera standen, aber erst 1978 mit DIE UNBESIEGBAREN FÜNF ihren Einstand als das titelgebende Kämpfer-Kollektiv gaben. Das recht düstere Konglomerat aus Kung Fu, Krimi und klassischem Gotik-Grusel sorgte auf Anhieb für klingelnde Kassen, sodass es nicht lang dauerte, bis weitere Abenteuer der neuen Erfolgstruppe die Lichtspielhäuser heimsuchten. Inhaltlicher Bezug zum Vorgänger bestand dabei zwar nicht, aber das war in dem Bereich ohnehin nur selten der Fall. DER TODESSCHREI DES GELBEN TIGERS ging dann auch schon deutlich weniger Experimente ein und verzichtete auf eine wilde Genre-Mixtur zugunsten altbekannter Schablonen und Schemata.

Die sehr simpel gestrickte Story über intrigante Invasoren, zerstörte Tempel und tollkühne Kämpfer haut dann auch niemanden so wirklich vom Schlitten und wirkt auch optisch nicht besonders aufregend, da sich die Ereignisse gefühlt nur an zwei immer wiederkehrenden Schauplätzen abspielen. Das überrascht ein wenig, da Regisseur Chang Cheh [→ DUELL OHNE GNADE] in der Regel für die großen Epen des Studios verantwortlich zeichnete und dafür schon mal Heerscharen an Statisten durch ausladende Kulissen toben ließ. Hier hingegen wirkt alles eine ganze Ecke spartanischer und deutlich weniger ambitioniert. Der synthetische Eindruck der eröffnenden Schlacht der Shaolin gegen die brutalen Unterdrücker, die in einer eindeutig künstlichen Umgebung stattfindet und eher als Tanz denn als Duell choreographiert wurde, ist freilich gewollt und als Referenz an das Theater und die Oper zu verstehen. Die fehlende visuelle Abwechslung im weiteren Verlaufe jedoch lässt das Stück dann auf Dauer doch vergleichsweise eintönig wirken, zumal auch die Handlung lange Zeit auf der Stelle tritt und in erster Linie lediglich darum bemüht scheint, die (zugegebenermaßen respektablen) akrobatischen Fähigkeiten ihrer Hauptdarsteller ins rechte Licht zu rücken. So sieht man Philip Kwok und Lo Meng eine geraume Weile erst einmal beim Faxen und Fingerstand machen zu – eher sinnlose, deutlich von den Jackie-Chan-Triumphen der Konkurrenz inspirierte Kaspereien, welche die Geschichte unangenehm ausbremsen, wenn nicht teilweise sogar zum Stillstand bringen.

Folglich dauert es ein wenig, bis die 'Unbesiegbaren Fünf' hier schließlich bereit sind, um sich topfit und todesmutig ins grausame Gefecht zu stürzen. Das fette Finale holt dann allerdings tüchtig Kastanien aus dem Feuer und geriert sich wie eine kostümierte Version von John Carpenters Großstadt-Western ASSAULT. Die ‚Guten‘ verschanzen sich in einer Tempelanlage und müssen sich gegen die ‚Bösen‘ zur Wehr setzen, die ihre Angriffe gezielt von außen führen – und dazu schon mal mit bloßem Körper durch die Wand brechen. Mit Blut und Pathos wird nicht gegeizt und einige saftige Brutalitäten dürfen ebenfalls bestaunt werden (welche überraschenderweise sogar die deutsche Kinofassung überlebten). So endet DER TODESSCHREI DES GELBEN TIGERS dann doch noch als typische Chang-Cheh-Chose mit der Extra-Portion an Brüderlichkeit, Tapferkeit und Heldentod. Dass diese aus sattsam bekannten Versatzstücken zusammengeschraubte Story gleich drei Autoren verschliss, ist allerdings schon ein wenig seltsam.

Auch von Darstellerseite aus sollte man hier keine Wunder erwarten. Die Kompetenz der Hauptprotagonisten liegt ganz klar in den Bereichen Fitness, Kondition und Körperbeherrschung. Das geht deswegen in Ordnung, weil ihre Figuren vom Drehbuch nicht wirklich als Charaktere angelegt wurden, sondern als Stereotype. Große darstellerische Fähigkeiten sind daher von Grund auf gar nicht nötig, es reicht vollkommen aus, dem gängigen Klischee zu genügen. Zu den Deadly Venoms gesellt sich hier noch Jason Pai Piao [→ IM GEHEIMDIENST DES GELBEN DRACHEN], der ebenfalls keine mimischen Meisterleistungen vollbringt, seine Rolle als gehetzter Shaolin-Schüler aber brauchbar ausfüllt.

Der deutsche Titel hat einmal mehr kaum etwas mit dem Inhalt zu tun (es gibt zwar ein paar Todesschreie, aber weit und breit keinen einzigen Tiger) und wurde einfallslos nach dem Baukastenprinzip zusammengesetzt. Da das in gewisser Weise aber auch für das Gesamtwerk gilt, ist das schon fast wieder konsequent. SHAOLIN RESCUERS (so nennt und kennt man die Nummer im englischsprachigen Raum) ist beileibe keine vollkommen misslungene Veranstaltung, steht aber im Schatten ihrer eigenen Schöpfer und wirkt irgendwie, als wäre sie nebenbei in der Mittagspause größerer Produktionen entstanden. Selbst die damalige deutsche Leinwand-Fassung, die – wie zu diesen Zeiten üblich – um eine nicht unerhebliche Menge an Dialog erleichtert wurde (hier waren es ungefähr 15 Minuten), zieht sich insgesamt doch ein bisschen, da man eigentlich nicht wirklich viel zu erzählen hatte. Für Freunde des Genres ist das Ganze dennoch eine Pflichtveranstaltung. DER TODESSCHREI DES GELBEN TIGERS gehört gewiss nicht zur Speerspitze der Knochenbrecher-Kategorie, ist aber dennoch kompetent in Szene gesetzte Kung-Funterhaltung, deren schonungsloser Showdown angenehm im Gedächtnis bleibt. Der allerletzte Schrei ist das nicht. Gut genug, um nicht ungehört zu verhallen, ist es dennoch.

Laufzeit: 83 Min. / Freigabe: ab 16

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