Philippinen, Hongkong 1984
Regie:
Teddy Page
Darsteller:
Richard Harrison,
Jim Gaines,
Anne Jackson,
Ann Milhench,
Mike Monty,
Pat Andrew,
Willy Williams,
Tom Romano
Die Karriere des amerikanischen Schauspielers Richard Harrison ging endgültig den Bach runter, als er Mitte der 1980er Jahre eine verhängnisvolle Kollaboration mit dem chinesischen Regisseur Godfrey Ho einging. Dieser begann zu dem Zeitpunkt mit der Massenproduktion ultrabilliger Ninjafilme, wofür er Harrison als westliches Gesicht engagierte. Die Crux daran: Ho verwendete das gedrehte Material einfach mehrmals, lies es nach Lust und Laune umsynchronisieren und schnitt es auf zum Teil abenteuerlichste Weise in völlig andere Filme völlig anderer Leute. Die Resultate spotteten oft jeder Beschreibung; Harrisons Konterfei auf dem Cover wurde zum Kennzeichen für den Bodensatz an Videoschrott.
Dass er sein Ninja-Image danach nur schwerlich wieder loswurde, bewies unter anderem der deutsche Anbieter seines Rache-Reißers BLOOD
DEBTS, der
urplötzlich als NINJA-JÄGER
in den hiesigen Verleihregalen stand – völlig ungeachtet der
Tatsache, dass sich die gesamte Laufzeit über kein einziger Ninja in
die Handlung verirrt und dementsprechend auch keiner gejagt werden
kann. Aber offenbar waren ein paar findige Marketingstrategen der Ansicht, ein
Richard-Harrison-Artefakt könne man unmöglich ninjalos unters
Video-Volk jubeln, weswegen sie kurzerhand den wohl kühnsten
Titelstunt des Jahres aufs Parkett legten. Da man dem geprellten
Kunden aber nun noch irgendwie plausibel machen musste, warum die
flinken Kämpfer hier durch allgemeine Abwesenheit glänzen, bat man
das zuständige Synchronstudio um tatkräftige verbale Unterstützung.
Und so kam es dann dazu, dass Harrisons Charakter jeden seiner Gegner
völlig gegenstandslos als Ninja bezeichnet – obwohl kein einziger der Hampelmänner optisch wie verhaltenstechnisch auch nur in die Nähe
eines solchen kommt. Das ist freilich ein Lacher vor dem Herren und
lässt Harrisons Figur wie einen Vollidioten wirken.
Viel kaputtgemacht hat
man damit allerdings nicht. BLOOD
DEBTS war schon vor
der Synchronisation lächerlich. Der hilflose Versuch, auf der damals
grassierenden Selbstjustiz-Welle mitzuschwimmen, ist in Sachen Plot und Dialog von oft kindlicher Naivität, reiht
talentfrei abgeschmackte Handlungs- und Figurenklischees aneinander
und befindet sich insgesamt nur knapp über Amateurniveau. Je nach
Fasson und Tagesform bietet die fröhliche Vergeltungskirmes für ein
bestimmtes Klientel mit ausreichend Schmerzerfahrung natürlich
gerade deswegen beste Unterhaltung. Vorhang auf also für NINJA-JÄGER
– den ersten Ninjafilm ohne Ninjas!
Inhalt:
Ein
Pärchen sitzt beim Picknick im Park. Motto des Tages: Romantik bei
Butterbrot und Büchsenbier. Plötzlich knallt's, und der Korb
explodiert. Der Grund offenbart sich umgehend: Fünf Strolche
kriechen aus den Sträuchern, bewaffnet mit Gewehr und geilem Blick.
Letzterer gilt selbstverständlich der weiblichen Ficknick... Picknickerin
(Sarah), und damit keine Missverständnisse aufkommen, erklärt einer
der Unholde dann auch gleich, worum es geht: „Das
wird ne kleine Vergewaltigung." (Logisch! Vergewaltigungen am hellichten Tag pflegt man ja generell
durch Salutschüsse anzukündigen.) Drei der Kerle machen sich über
die Frau her, die beiden anderen verfolgen ihren Begleiter, der
bereits die Beine in die Hand genommen hat. Ein paar Schüsse später
ist der junge Mann tot – was seltsamerweise einen der Verfolger
(Donny), dem eben noch die Mordlust aus dem geifernden Gesicht
sprang, aus heiterem Himmel in helle Verzweiflung stürzt. „Du
Idiot hast ihn erschossen, er sollte doch nur Angst kriegen“,
schimpft er seinen Kumpanen aus, geht dann zur Leiche, stubst sie
kurz an und meint dann fachmännisch: „Da
haben wir's! Tot!“
(Nihil Baxter hätte im selben Tonfall noch hinzugefügt: „Das
hab ich nicht gewollt. Das hab ich auch wieder nicht gewollt!!!!“)
Während die Jungs noch beratschlagen, wie man mit dem Verblichenen
umgehen solle (liegenlassen oder eingraben), rennt die nun ebenfalls
flüchtende Sarah vorbei und bekommt gleichermaßen eine Ladung
Schrot in den Rücken. Dessen gewahr wird ihr Vater Mark [Richard
Harrison], der gerade aus dem Haus kam und nun verzweifelt versucht,
fassungslos zu gucken. Wütend rennt er auf den Schützen zu, der nun
wiederum auf ihn
anlegt und abermals abdrückt. Mark fasst sich ans Auge, als hätte
er ne Fliege reinbekommen, und geht stöhnend zu Boden. Dem
plötzlichen Sensibelchen Donny platzt nun endgültig der Kragen: „Du
Scheißkerl, warum musste das sein? Das sinnlose Töten... Das ist
doch Mord!“
(Offenbar der Denker der Truppe.) Das Quintett kratzt die Kurve,
obwohl Mark noch lebt (was kaum angehen kann, da er die Kugel ja
offenbar ins Auge bekam – allerdings hat er nach Erwachen an der
Stelle nicht mal nen Kratzer).
Ein
paar Monate später kommt Mark auf die Idee, dass es das Klügste
wäre, die Killer seiner Tochter kaltzumachen. Als erstes sucht er
Donny auf (von dem er seltsamerweise die Adresse weiß) und zwingt
ihn zu verraten, wo sich die restlichen Bandenmitglieder aufhalten.
Anschließend arbeitet Mark die Liste wahrlich im Rekordtempo ab. Dem
ersten verpasst er im Fitnesstudio ne Kugel („Mich
hat noch kein Ninja geschafft.“),
dem zweiten in dessen Wohnung („Dich
habe ich schon erwartet, du Möchtegern-Ninja!“),
den dritten an dessen Arbeitsplatz (ohne Ninja-Kommentar). Bevor er
sich Nummer 4 vorknöpfen kann, werden zwei neue Charaktere
eingeführt: der schurkische Bill [Mike Monty] und der korrupte Polizist Peter [Jim Gaines], die sich in einem Restaurant über den Fall
unterhalten. „Ich
will nur wissen, unter welchen Umständen die Jäger umgekommen
sind“, meint Bill
gerade und fügt in ausbaufähiger Grammatik hinzu: „Also,
wer und warum hat er sie gekillt?“
Aha, die ermordeten Triebtäter hatten also offenbar für den halbseidenen Anzugträger gearbeitet. Peter verspricht, der Sache auf den Grund zu gehen und sucht die nächste Toilette auf. Nicht, weil
das Essen so schlecht war, sondern weil jedes Kind weiß, dass die
besten Informanten nur auf Männerklos zu finden sind. Tatsächlich
steht da auch einer und weiß einfach alles – auch, dass der Rächer
auf den Namen Mark Collins hört. Woher er dieses Wissen hat, wird
nicht erklärt. Peter beschattet nun also Mark, der mitten in der
Nacht spazierengeht. Plötzlich hört man weibliche Schreie. Im Park
wird mal wieder vergewaltigt. Ein Mann fällt gerade über eine Frau
her. Mark zieht den Revolver, knallt den Typen ab und schlendert
wieder davon. Pete hockt hinter'm Baum, feixt sich eins und macht fleißig
Fotos.
Die
Diashow, die Pete in der nächsten Szene dem hochinteressiert
dreinblickendem Bill präsentiert, kann allerdings unmöglich aus dieser einen Nacht stammen - und auch kaum ohne
Wissen und Zustimmung Marks entstanden sein, denn dieser posiert mit seiner Knarre
regelrecht auf den Bildern, zum Teil offenbar auch noch in seiner
Wohnung. Mark hat indes Stress mit seiner Ehefrau,
die auf die abstruse Idee kommt, der Fall sei bei der Polizei
eventuell besser aufgehoben. Mark sieht das anders: „Die
Polizei unternimmt nichts gegen die Mörder unseres Kindes. Diese
Ninjas...!“
Nachdem Mark nebenbei noch ein paar Räuber gekillt hat als wär es
nix, knöpft er sich endlich den letzten Mann der
Tochtertöter-Truppe vor und bringt ihn vergleichsweise pfiffig ums
Eck: durch einen explodierenden Golfball. „Mit
dem Totschießen ist jetzt Schluss“,
verspricht er im Anschluss seiner hocherfreuten Gattin. Aber so
schnell geht man als Racheengel nicht in den Ruhestand, denn ab hier
übernehmen Bill und Pete. Letzterer hat nämlich herausgefunden,
dass Mark Vietnam-Veteran ist und eigentlich vorhatte, nie wieder
eine Waffe in die Hand zu nehmen. „Aber
nun wurde seine Tochter umgebracht, zusammen mit ihrem Freund. Darin
sehe ich den Grund für sein Verhalten.“
(Ein richtiger Schlauberger!) Was folgt, ist die sicherlich schönste
Dialogszene des Films:
Bill:
„Angenommen,
er fühlt sich im Recht ... Dann wäre er verrückt.“
Peter:
„Nein,
Bill! Mark hat keinen Dachschaden. Er ist überzeugt, die Leute waren
Ninjas. Diese Verbrecher hasste er. Er fühlt sich als Racheengel. Er
hat die fixe Idee, alle Ninjas müssen weg.“
Bill
(bierernst):
„Damit
hätten wir eine Begründung der Morde.“
Nun
sollte man ja eigentlich annehmen, dass jemand, der überall nur
Ninjas sieht, erst recht nen Dachschaden hat, aber das ist natürlich
nur eine Theorie. Und woher Peter plötzlich weiß, dass Mark die
bösen Buben für Ninjas hielt, ist ebenfalls ein Mysterium, das nie
aufgeklärt wird. Jedenfalls werben die Männer Mark nachfolgend für
ihre Killerorganisation an – ein Angebot, dass er erst annimmt, als
sie seine Frau entführen. Tötete Mark bisher im Alleingang, spickt er von nun an fremde Körper im Auftrag seiner neuen Bosse mit Blei. Bis er von ihnen verraten wird und den Spieß
umdreht.
Kritik:
Bis
das endlich passiert, prasselt allerdings noch sehr viel schlecht
arrangierter Schuss- und Sprachaustausch auf den Betrachter ein, der
zu dem Zeitpunkt natürlich ohnehin schon längst aufgegeben hat,
etwas halbwegs Anständiges zu erwarten. BLOOD DEBTS wirkt von
der ersten Sekunde an einfach wahnsinnig schäbig, sowohl die Optik
betreffend als auch die tölpelhafte Regie, die völlig überfordert
ist damit, die grobschlächtig hingerotzten Szenen in eine auch nur
leidlich ansprechende Form zu bringen. Bereits der Beginn baut durch
die unbeholfene Inszenierung mehr Komik als Spannung auf: So fliehen
die ersten beiden Opfer vor der ruchlosen Vergewaltigungsbande in
ausschweifend zelebrierter Zeitlupe, was als stilistisches Mittel
natürlich völlig legitim ist. Nachdem der männliche Flüchtige
jedoch erschossen wurde und seine Mörder bereits ewig palavernd um
ihn herumstehen, meint einer von ihnen plötzlich: „Hey, das ist
doch sein Mädchen!“ Und tatsächlich rennt besagte Dame just
in diesem Moment aus dem Gehölz – witzigerweise aber immer noch in
Zeitlupe. Da der Rest der Ereignisse natürlich in normalem Tempo
abläuft, sieht es nun so aus, als sei das gar kein Stilmittel mehr,
sondern einfach ihre ganz natürliche Laufgeschwindigkeit.
Ähnliche
Patzer passieren auch später immer mal wieder (so erinnert sich
Richard Harrison beispielsweise an Ereignisse, bei denen er gar nicht
zugegen war), was einen immer wieder holzhammerartig daran erinnert, sich anstatt in einer möglichen Realität gerade lediglich in einem mies
modellierten Möchtegernthriller zu befinden. Blaupause des blühenden Blödsinns war natürlich die erfolgreiche DEATH WISH-Reihe,
deren Thema im Prinzip sogar recht originell variiert wurde. Die
Idee, dass der Rachefeldzug der Hauptfigur schon nach kurzer Zeit
abgeschlossen ist und sie ihre Morde nachfolgend im Auftrage einer
ominösen Killerorganisation begeht, ist durchaus nicht dumm und böte
eine Menge guter Möglichkeiten mysteriösen Nervenkitzels. Da man
als Zuschauer aber schon von Anfang an weiß, wie der Hase hoppelt, und die Umsetzung der Geschehnisse zudem jeder Glaubhaftigkeit und
Logik entbehrt, ballert man das eigene Potential gnadenlos in den
Wind. Die Action ist wenig überraschend ähnlich unbeholfen
umgesetzt wie der Rest und besteht fast ausschließlich aus
dynamikfreien Schläger- und Schießereien, wobei man sich hin und
wieder auch mal ne kleine Explosion gönnte (sprich: Geld in einen
Feuerwerkskörper investierte). Der Gewaltgrad der Ereignisse ist
dabei prinzipiell ziemlich hoch, und vielleicht könnte die hier
vorherrschende Kaltblütigkeit sogar schockieren – sofern es denn
irgendwie möglich wäre, das Gezeigte auch ernstzunehmen. BLOOD
DEBTS spielt in
einer Welt, in der am hellichten Tag und laufenden Band Leute
vergewaltigt, erschlagen und erschossen werden, ohne dass es
irgendjemanden interessieren würde. Dabei spielt das Ganze nicht mal
in New York oder einer vergleichbaren Metropole, sondern in
irgendeinem muffigen Kleinstadt-Kaff, von dem man auch fortwährend
immer nur die selben drei Locations sieht.
BLOOD
DEBTS beweist, dass
der Niedergang der Karriere Richard Harrisons nicht nur Godfrey Ho
geschuldet war. Ein begnadeter Mime war er freilich nie, aber derart
lustlos wie hier sah man ihn zuvor selten. Allerdings hätte selbst
ein Robert De Niro nur schwerlich gegen die Stupidität dieses
ultrabilligen Raudaustücks anstinken können, so dass sich Harrisons
hilflose Schauspielversuche hier doch ganz passend einfügen. Auch
modisch begeht sein Mark Collins dabei so einige Schwerverbrechen. Den
versifften Trainingspullover, den er hier fast permanent spazierenträgt, wird er doch wohl hoffentlich zwischen den Morden auch mal gewaschen haben.
Aber vermutlich kann man sich noch glücklich schätzen, dass er
nicht in fleckiger Jogginghose auf Schurkenjagd ging. Etwas Stimmung
kommt dann gegen Ende auf, wenn Mark eine extradicke Wunderwumme in
die Hände fällt und er beginnt, auf dem Anwesen der Verbrecher klar
Schiff zu machen (wie wunderbar diese Waffe funktioniert, erkennt
man daran, dass man damit einfach nur auf den Boden ballern muss,
woraufhin alle jene, die zufällig gerade in der Nähe des
Einschlagloches stehen, schlagartig tot umfallen, ohne überhaupt
getroffen worden zu sein). Aber auch dieses große Finale wird nicht
vollends ausgespielt und bricht quasi mitten im Gefecht per dreistem Standbild ab. Somit endet BLOOD
DEBTS genauso
unbefriedigend wie er begann. Ein paar Ninjas hätten vielleicht noch was retten können.
Laufzeit: 87 Min. / Freigabe: ab 18
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