Eigene Forschungen

Montag, 1. April 2024

CREATION OF THE GODS - KINGDOM OF STORMS


FENG SHEN DI BU - ZHAO GE FENG YUN
China 2023

Regie:
Wuershan

Darsteller:
Yu Shi,
Kris Phillips,
Huang Bo,
Chen Muchi,
Li Xuejian,
Narana Erdyneeva,
Yang Le,
Xia Yu



Inhalt:

China, Shang-Dynastie, zur Zeit der Zauberer und Dämonen: Der König entsendet Yin Shou [Kris Phillips], um ein Heer Aufständischer niederzuschlagen. Siegreich kehrt Shou zurück. Aber die anschließenden Feierlichkeiten werden zum Desaster: In einem unerklärlichen Fall geistiger Umnachtung tötet Kronprinz Qi [Gao Shuguang] seinen eigenen Vater, woraufhin das Land aus heiterem Himmel ohne König dasteht. Im Rahmen des Thronfolge-Gesetzes wird daraufhin Yin Shou zum Herrscher ernannt. Doch dessen Sohn Jiao [Chen Muchi] entdeckt Schreckliches: Die sirenenhafte Su Daji [Narana Erdyneeva], eine Art „Mitbringsel“ aus Feindeshand und nun Gespielin seines Vaters, ist von einem Fuchsdämon besessen und scheint des Königs Verstand sukzessive zu vergiften. Der Versuch Jiaos, auf die Gefahr aufmerksam zu machen, wird als Verrat interpretiert, woraufhin er alsbald die Flucht antreten muss.

Währenddessen beschließen die Unsterblichen von Kunlun, den Menschen die magische „Schriftrolle der Investitur“ anzuvertrauen, welche die Macht besitzt, die weltliche Ordnung wiederherzustellen. Der kauzige Jiang Ziya [Huang Bo] opfert 40 Jahre seiner Unsterblichkeit, um das Artefakt Yin Shou zu überreichen. Doch als er dessen wahren Charakter erkennt, flieht er mitsamt der Schriftrolle wieder aus dem Palast. Nun hat Ziya nicht nur die Häscher des Königs an den Fersen, sondern auch den bösartigen Alchemisten Shen Gongbao [Xia Yu], der ebenfalls auf das Utensil aufmerksam wurde und nun alles daransetzt, dieses mächtige Werkzeug an sich zu reißen.

Kritik:

Eine Inhaltsangabe zu KINGDOM OF STORMS muss, möchte man nicht den Rahmen sprengen, unvollständig bleiben. Denn was hier an Gestalten und Geschichten aufgefahren wird, ist regelrecht maßlos und geht in Richtung der staffelreichen TV-Saga GAME OF THRONES. Allerdings war INVESTITURE OF THE GODS, die Buch-Vorlage der überbordenden Leinwand-Phantasmagorie, deutlich früher da: Bereits im 16. Jahrhundert erdachte Schriftsteller Xu Zhonglin diese alternative Historie Chinas, eine von Fantasy und Folklore geprägte Version der politischen Ereignisse nach dem Aufstieg des letzten Königs der Shang-Dynastie, eine Welt, in der Menschen, Götter und Dämonen aufeinandertreffen in einem großen Ränkespiel um Macht, Intrige und Verrat. Um das Werk angemessen adaptieren zu können, hielt man sich gar nicht erst mit halben Sachen auf: Umgerechnet 400 Millionen US-Dollar nahm man (zumindest offiziellen Angaben nach) in die Hand, um selbstbewusst und siegessicher gleich drei überlange Großereignisse am Stück zu produzieren und unter dem Haupttitel CREATION OF THE GODS zu firmieren. Rund 15.000 Vorsprechen hielt man angeblich ab, um die Besetzung zusammenzustellen, woraufhin sich die Sieger erst einmal sechs Monate in ein Trainingslager begeben durften, um eine Ausbildung in Sachen Schauspiel, Kämpfen, Reiten und Schießen zu erhalten, damit Körper und Muskeln im Anschluss denen damaliger Krieger entsprachen. Ganz schön viel Aufwand, um eine Epoche zu rekonstruieren, die es in dieser Form ja niemals gab!

Ob diese Maßnahmen übertrieben waren oder nicht, ist gewiss diskussionswürdig, geschadet haben sie dem Werk jedenfalls nicht: Dem Team um Regisseur Wuershan [→ MOJIN] gelang es, eine Welt zu entwerfen, die sich, trotz durchschnittlicher digitaler Effekte, auf Anhieb echt und glaubwürdig anfühlt, obwohl hier wirklich am laufenden Meter lauter fürs Publikum wundersame Dinge passieren. Die bedingungslose Akzeptanz der Anwesenheit von Magie und Übernatürlichem muss freilich Prämisse sein, um kein Stirnrunzel-Trauma zu erleiden. Bereits zu Beginn, der noch am ehesten einem klassischen historischen Schlachtengemälde gleicht, kündigt sich schon der erste Hokuspokus an. Allerdings ist man an dieser Stelle noch viel zu beschäftigt damit, sich zurechtzufinden, wird man doch unversehens hineingeworfen ins gewalttätige Gewühl und eh man überhaupt begriffen hat, wer gegen wen und warum, haben auch schon mehrere Leute dekorativ ins Gras gebissen. Die Vielzahl an Figuren, die einem auch im weiteren Verlaufe um die Ohren fliegt, mag vielleicht zunächst abschrecken, irritiert aber nur kurzzeitig. Denn obwohl KINGDOM OF STORMS jede Menge an Personal auffährt, das einem stets per viel zu kurzer Texteinblendung vorgestellt wird, gelang es der vierköpfigen Autorenschaft, die Ereignisse schlussendlich doch in erstaunlich übersichtlichen Bahnen ablaufen zu lassen. Und das will schon was heißen bei dem amtlichen Aufgebot an Akteuren, die alle ihren eigenen Hintergrund und seelischen Zwiespalt mitbringen. Gut eine Stunde dauert es, bis allein die Exposition geschafft und die konstitutive Konfliktsituation installiert ist. Aber auch dann bleiben ja noch 90 Minuten, die bestmöglich genutzt werden.

Inhaltlich ist das kaum neu (wie denn auch, bei einer Vorlage, die aus der Zeit der Ming-Dynastie stammt?) und auch nur leidlich originell, aber doch erstaunlich frisch und schwungvoll erzählt. Die Figuren gehorchen zwar gängigen Rollen-Klischees, aber man interessiert sich für sie und ihre Schicksale, da die moralischen Dilemmata, denen sie ausgesetzt werden, ebenso nachvollziehbar wie fortwährend aktuell sind - wobei eine kleine, aber durchaus bedeutsame Fußnote nicht unter den Tisch fallen sollte: Während in China produzierte Kampfgelage in ihrer Botschaft oft einer menschenverachtenden Ideologie folgen, die den Wert des Individuums geringer schätzt als das Erreichen eines (vorgeblich) hehren Ziels, dreht KINGDOM OF STORMS diese Perspektive nämlich auf links und plädiert für die Würde des Einzelnen unter dem Joch misanthropischer Regeln und Regentschaft. So erkennt z. B. der „Teilzeit-Unsterbliche“ Jiang Ziya die Verworfenheit des Königs, als dieser ohne zu zögern einen Bediensteten opfert, um seine Interessen durchzusetzen. Ohnehin sterben hier ganze Wagenladungen unschuldiger Menschen teils aus reiner Willkür und verbohrter Weltanschauung, was der bonbonbunten Optik eine nihilistische Note hinzufügt.

Trotz diverser dramatischer und düsterer Elemente ist der Auftakt zur CREATION OF THE GODS-Reihe jedoch in erster Linie ein spaßiges Spektakel, das durchaus humorvoll ist, ohne dabei der Albernheit anheimzufallen. Das liegt auch an besagtem Jiang Ziya, einem von Huang Bo herrlich kauzig verkörperten „Gott-Opi“, der stets zwei „Arbeitskollegen“ im Gefolge hat, darunter auch ein temperamentvoller Halbwüchsiger, der bei Bedarf zwecks raketenartiger Fortbewegung Feuerringe unter den Füßen aktivieren kann und lange rote Bänder als Lasso einsetzt. Da das Trio nicht auf Anhieb als „allmächtig“ erkannt werden will, fragt der Junge in jeder brenzligen Situation immer erst artig, ob er jetzt seine Kräfte einsetzen darf, was an den Comic-Helden Obelix erinnert, der auch immer erst brav um Erlaubnis bittet, seinen Gegner aus den Schuhen hauen zu dürfen.

Dass CREATION OF THE GODS so oft mit DER HERR DER RINGE in Verbindung gebracht wird, hat nicht nur den Grund, dass manche Kritiker offensichtlich den Zwang haben, ständig Vergleiche ziehen zu müssen, sondern liegt auch daran, dass die Macher das in diesem Falle gewissermaßen selbst forcieren: So gab Wuershan zu Protokoll, die legendären Verfilmungen Peter Jacksons haben ihn ermutigt, selbst ein Projekt dieser Größenordnung anzugehen. Zudem engagierte man Barrie M. Osbourne, den Produzenten der bahnbrechenden Trilogie, als Berater. Aufs Glatteis führen lassen sollte man sich dadurch allerdings nicht; beide Werke sind inhaltlich wie stilistisch sehr verschieden. Eine viel naheliegendere Assoziation wäre die mit diversen Klassikern der Shaw Brothers, an deren Optik sich die Macher unter anderem in Sachen Kostüm und Kulisse offenbar orientiert haben. Fantasy-Freunde kommen bei dieser Eröffnungsveranstaltung dennoch voll und ganz auf ihre Kosten und bekommen aus wilde Mixtur aus Machtgerangel, Magiegewusel und Monsterquatsch, bei der die Zeit trotz Überlänge wie im Flug vergeht. Beziehungsweise im Sturm.

Laufzeit: 148 Min. / Freigabe: ab 16

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