Eigene Forschungen

Samstag, 27. April 2024

AIR STRIKE


DA HONG ZHA
China 2018

Regie:
Xiao Feng

Darsteller:
Liu Ye,
Bruce Willis,
Song Seung-heon,
William Chan Wai-Ting,
Fan Wei,
Nicholas Tse,
Fan Bingbing,
Adrien Brody



Inhalt:

1937: Japan greift China an. Eine Flugzeug-Armada legt die Hauptstadt Nanjing in Schutt und Asche. Um weiteren Angriffen etwas entgegensetzen zu können, wird unter der Schirmherrschaft des amerikanischen Colonels Jack Johnson [Bruce Willis] eiligst eine Fliegerstaffel formiert. Dabei bereitet ihm vor allem der Heißsporn An Minxun [Song Seung-heon] Sorgen, da dieser persönliche Befindlichkeiten über den Dienst stellt. Gleichzeitig erhält der ehemalige Pilot Xue Gangtou [Liu Ye] den Auftrag, eine Dekodiermaschine per Lastwagen quer durch das Land nach Chongqing zu bringen. Auf seiner Reise begleiten ihn der junge Soldat Jim Xiang [Geng Le], der Wissenschaftler Zhao Chun [Wu Gang] sowie die Krankenschwester Dianna [Ma Su]. Der Trip wird zum Himmelfahrtskommando, denn die Japaner überwachen die Straßen aus der Luft und werfen Bomben auf alles, was sich bewegt.

Kritik:

Der meuchelwütige Japaner wird von der chinesischen Filmindustrie in zuverlässiger Regelmäßigkeit als altbewährtes Feindbild aus der Mottenkiste geholt. Einerseits ist das nicht vollends unverständlich, war die japanische Besatzung während des Zweiten Weltkrieges für Land und Leute fraglos eine schwere Bürde, gesäumt von Leid, Leichenbergen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Andererseits dürfte die Mehrzahl der Beiträge aufgrund ihrer plumpen Parteilichkeit und einseitigen Präsentation weniger Interesse an einer ernsthaften Vergangenheitsaufarbeitung haben als vielmehr daran, dem Publikum patriotische Gefühle zu entlocken. Das Schüren von Nationalstolz ist immerhin etwas, was die Landesführung sich in Großbuchstaben auf die Fahnen gestickt hat, da trommeln die Produktionsfirmen zwecks Renditensicherung auch gern mal mit. Der Originaltitel AIR STRIKEs schreit einem dann auch bereits bar jeder Subtitilität ins Gesicht, womit man es hier eigentlich zu tun hat: UNBREAKABLE SPIRIT! Nein, das ist nicht einfach nur ein simpler historischer Kriegsfilm. Das ist ein Hohelied auf den unbeugsamen Willen des chinesischen Volkes, ein Manifest des Mutes, der Standfestigkeit und prinzipiell der allgemeinen eigenen grandiosen Superkeit.

Gut, so war es zumindest geplant. Denn die verschwenderisch budgetierte Mammutproduktion, die eigentlich weltweit für Begeisterung und Beifallsbekundungen sorgen sollte, wurde zur genierlichen Lachnummer, an der kaum ein gutes Haar gelassen wurde. Wie konnte das passieren? An Ambitionen mangelte es jedenfalls nicht. Um UNBREAKABLE SPIRIT auch international interessant zu machen, sicherte man sich die Mitwirkung von Action-Ikone Bruce Willis [→ LAST BOY SCOUT]. Der hatte den Zenit seines Ruhmes zu dem Zeitpunkt zwar schon längst überschritten und spielte pro Jahr in gut einem Dutzend Billigheimern mit, aber sein Name auf der Besetzungsliste sorgte durchaus noch für Aufmerksamkeit. Als Sargnagel der Schöpfung erwies sich hingegen die Beteiligung einer ganz anderen Person: Fan Bing-Bing [→ BODYGUARDS AND ASSASSINS]. Im Westen nahezu unbekannt, war die Dame in China ein Star auf dem Gipfel seiner Popularität. Doch nach Drehschluss wurde enthüllt, dass Frau Fan mutmaßlich Steuern hinterzogen hatte, woraufhin die Regierung kurzerhand den heimischen Kino-Start untersagte. (Was das eine mit dem anderen zu tun hat... Weiß der Geier!) Daraufhin verschwand die Schauspielerin quasi spurlos von der Bildfläche und tauchte erst nach mehreren Monaten wieder auf. Angeblich soll sie in einem Urlaubsresort festgehalten worden sein, um den Behörden dabei zu „helfen“, den Steuer-Skandal „aufzuklären“. Zudem gab sie zu Prokoll, dass die Kommunistische Partei so richtig knorke sei. Schau an, schau an...

Nachdem das einstige Prestige-Projekt in dessen Heimat im Prinzip wie eine heiße Kartoffel fallengelassen wurde, ging das Werk in die USA, wo es im Schnitt ein wenig umstaltet (sprich: gestrafft) wurde, um als THE BOMBING vergeblich um die Gunst des Publikums zu buhlen, bevor diese Fassung, abermals unter neuem Titel, AIR STRIKE nämlich, dann auch über Deutschland herfallen durfte. Es ist vermutlich ein wenig ungerecht, das Produkt lediglich anhand dessen zu beurteilen, was schließlich beim Rezipienten ankam. Ursprünglich hatte das Ding nämlich wohl tatsächlich mal epochale Ausmaße; eine Lauflänge von mehreren Stunden wurde kolportiert. Am Ende blieben in der asiatischen Originalfassung immerhin noch 2 Stunden übrig, die nach der amerikanischen Sonderbehandlung dann allerdings nur noch relativ mickrige 97 Minuten betrugen. Das Resultat ist nicht viel mehr als eine Fragment-Show, in der mehrere halbherzig ausformulierte Handlungsstränge parallel laufen, die sich weder gegenseitig tangieren, noch einzeln mitreißen können und teilweise sogar sinnlos im Sande versickern. Dabei existieren zwar ein paar zentrale Charaktere, aber am laufenden Meter tauchen weitere vermeintlich wichtige Figuren auf, um sich nach einem stattlichen Stelldichein wieder in Luft aufzulösen und nie mehr gesehen zu werden. Ein wenig wirkt das wie der komprimierte Zusammenschnitt einer Fernseh-Serie, der angrund der originalen Materialfülle in Sachen Rhythmus und Dramaturgie auf keinen grünen Zweig kommt.

Doch den Schnittmeistern die alleinige Schuld an der Misere zuzuschatzen, wird der Sache nicht gerecht. Denn die einzelnen Episoden passen auch tonal nicht die Bohne zueinander und wirken, wie von verschiedenen Regisseuren mit verschiedenen Vorstellungen inszeniert. Am besten funktioniert dabei noch die Erzählung des gefahrvollen Quer-durchs-Land-Transports mit Liu Ye [→ POLICE STORY 2014] als ehemaligem, nun hinterm Lastwagensteuer sitzendem Piloten, die in ihrer schlichten, wenngleich effektiven Dramaturgie an pulpige Abenteuer-Romane und -Comics erinnert, abgeschmeckt mit ein bisschen klassischer Spionage-Soße. Die Geschichte um Bruce Willis und seine jungen Flugschüler huldigt indes bereits mehrfach erprobten TOP GUN-Tugenden inklusive deren peinlicher Pathos-Anwandlungen und ist formal und inhaltlich insgesamt am wenigsten ernstzunehmen. Wenn es schließlich zur Luftschlacht kommt und Willis wie ein fliegender John Wayne jauchzend und zigarreschmauchend am Steuer seiner Propellermaschine sitzt, wirkt das wie eine überspitzte Persiflage historischer Militär-Werbe-Propaganda. Eine weitere, in Sachen Sinn und Zweck maximal mysteriöse Storyline erörtert, wie ein Haufen kauziger alter Leute sich im Teehaus zum Mahjongg-Spiel trifft, sich zankt, sich verträgt und sich schlussendlich mit einer verirrten Bombe ein sagenhaft skurriles Slapstick-Duell liefert, das mit Charlie Chaplin für Arme wohl am besten beschrieben wäre.

Und als würde es nicht schon reichen, dass diese voneinander unabhängigen Ereignisse völlig unterschiedliche atmosphärische Sprachen sprechen, kommt es zusätzlich zwischendurch immer mal wieder zu Szenen grausiger Gewalttaten, die mit dem dann doch eher trivialen Rest abermals kaum in Einklang zu bringen sind. Wenn einem als Bunker dienendem Bergwerk per Bombenbeschuss die Luftzufuhr abgeschnitten wird, was im Inneren erst zu Panik, dann zum Massensterben führt, hat das mit der ansonsten vorherrschenden, an Groschenromane gemahnende Stimmung so rein gar nichts am Hut. So fügt sich hier schlichtweg nichts zusammen, wenn grausige Geschehnisse von Momenten munterer Possenreißerei abgelöst werden, während der artifizielle Look der Flug-Action an die Optik einschlägiger Computerspiele erinnert – oder an als Stilmittel bewusst erzeugte Künstlichkeit in comicartigen Extravaganzen wie SKY CAPTAIN AND THE WORLD OF TOMORROW. Das besitzt zwar schon eine gewisse schicke Ästhetik, ist aber nichts, was sich mit einer authentischen Abhandlung über die Schrecken des Krieges in Einklang bringen ließe.

Die bittere Pointe des Ganzen ist, dass Fan Bing-Bing, der Stein des Anstoßes, die Wurzel allen Übels, zumindest in dieser Version tatsächlich nur noch ein paar wenige Takte an Text hat und zwar von einer Kürze, dass man sie bei einem spontanen Anfall von Sekundenschlaf direkt verpasst. Sprich: Bei ernsthaftem Interesse hätte man besagtes Bing-Bing-Problem ganz einfach per Schere aus der Welt schaffen können, ist sie am Ende doch auch nur einer der vielen Stars, die hier hurtig durchs Bild huschen, ohne inhaltlich auf irgendetwas Einfluss zu haben, oder abseits einst überschwänglicher Vorankündigungen final gar nicht mehr auftauchen. Davon betroffen ist im Übrigen auch Rumer Willis [→ ONCE UPON A TIME IN HOLLYWOOD], die Tochter vom Bruce, die flink ihr Näschen ins Szenario steckt und dann sang- und klanglos wieder abtaucht, wofür sie in der US-Version - obgleich kein großer Name - prominent im Vorspann platziert wurde, als hätte ihr Auftritt irgendeine Relevanz oder gar Werbequalität. Es ist symptomatisch für das Werk, in dem alles chaotisch ist, sich nichts im Gleichklang befindet. Das fängt schon bei den drei verschiedenen englischen Titeln an, die offenbar gleichberechtigt nebeneinander stehen, sodass man sich am Ende nicht einmal sicher sein kann, ob man es jetzt gerade mit einem UNBREAKABLE SPIRIT, einem THE BOMBING oder einem AIR STRIKE zu tun hatte.

Eine gewisse Schadenfreude darüber, dass die als Referenz geplante Patriotismus-Parade so pompös baden ging und von der Kritik ungewohnt einhellig in der Luft (höhö!) zerrissen wurde, lässt sich freilich nicht leugnen. Derartig nationalistisch geprägte Propagandaschleudern haben ja prinzipiell immer etwas grundlegend Unsympathisches und zu viel Pathos kann schnell lachhaft wirken. Wer aber nun meinte, der Misserfolg leite diesbezüglich den Anfang vom Ende ein, war entschieden auf dem Holzweg. Denn mit 800 [2020], SACRIFICE [2020] sowie BATTLE OF LAKE CHANGJIN [2021] standen schon die nächsten Schlacht-Epen Spalier, um alte Feindbilder neu zu erwecken und die Überlegenheit des eigenen Volkes zu demonstrieren. Und diese Male klingelte auch die Kasse. AIR STRIKE bleibt somit nicht mehr als eine kuriose Fußnote, die ohne die Mitwirkung von Bruce Willis schon längst vergessen wäre.

Laufzeit: 97 Min. / FSK: ab 16

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