Eigene Forschungen

Freitag, 10. August 2012

DIE LEGENDE DER WEISSEN SCHLANGE


BAI SHE ZHUAN SHUI
China 2011

Regie:
Ching Siu-Tung

Darsteller:
Jet Li,
Eva Huang,
Charlene Choi,
Raymond Lam,
Wen Zhang,
Vivian Hsu,
Alfred Hsing,
Han Dong



„Wo ist meine Frau? Wurde sie von der Schlange gefressen?“ - „Nein! Deine Frau ist die Schlange! Du hast einen jahrhundertealten Schlangendämon geheiratet!“
(Ja, welcher Ehemann kennt das Problem nicht …?)


Inhalt:

Der buddhistische Mönch Fahai [Jet Li] streift mit seinem Schüler Nengren [Wen Zhang] durch das Land, um Jagd auf Dämonen zu machen, die sich als Menschen tarnen. Dabei macht er die Bekanntschaft des Kräutersammlers Xu Xian [Raymond Lam], der den Traum hegt, eines Tages ein großer Mediziner zu sein. Als Xu sich eines Tages in die Berge begibt, um Kräuter zu sammeln, stürzt er in den Fluss und wird von einer wunderschönen Frau [Eva Huang] gerettet, in die er sich auf Anhieb verliebt – ein Gefühl, das auf Gegenseitigkeit beruht. Doch Fahai erkennt die Wahrheit: Die fremde Schönheit ist in Wirklichkeit die ‚Weiße Schlange‘, ein Dämon in Menschengestalt. Obwohl sie eigentlich keine Gefahr darstellt, sondern sogar einen Teil ihrer magischen Kräfte opfert, um Xu bei der Herstellung einer wirksamen Arznei zu helfen, ist Fahai der Ansicht, dass die Welt der Menschen sich nicht mit den der Dämonen vermischen darf. Er stellt ihr ein Ultimatum, um wieder in die Berge zu verschwinden. Doch sie weigert sich – ihre Liebe zu Xu ist stärker. Zur Strafe wird sie von Fahai im Kampf besiegt – schwer verletzt wartet sie in den Bergen auf ihren Tod. Als Xu ihre wahre Identität erfährt, ist er zunächst verzweifelt, versucht aber dennoch, sie zu retten. Er begibt sich auf eine gefährliche Reise, um die 'Wurzel der Unsterblichkeit' zu finden, welche seine große Liebe retten könnte. Doch als er sie findet, befreit er versehentlich eine Horde böser Dämonen aus ihrem Verlies und die Hölle bricht los.

Kritik:

Mit wuchtigem Fantasy-Gedöns kennt Ching Siu-Tung sich aus: Der renommierte Regisseur brachte bereits international geachtete Erfolge wie A CHINESE GHOST STORY [1987] oder SWORDSMAN [1990] auf die Leinwand, die durch ihren visuellen Einfallsreichtum das Bild des asiatischen Kinos im Westen nachhaltig mitprägten. DIE LEGENDE DER WEISSEN SCHLANGE steht durchaus in der Tradition jener Großtaten, auch wenn, dem Zeitgeist entsprechend, die putzigen handgemachten Tricks von damals eher weniger putzigen computergenerierten Pixel-Schlachten gewichen sind. Abgesehen von diesem Zugeständnis an die weiterentwickelten Möglichkeiten des Sehnervkitzels hat sich allerdings erstaunlich wenig geändert. Auf inhaltlicher Ebene bediente man abermals bereits bekannte Narrative und gestatte sich eine erneute Aufarbeitung einer alten chinesischen Sage, die sich schon allein deswegen im kollektiven Gedächtnis verankern konnte, weil sie in regelmäßigen Abständen immer wieder für den Kinosaal aufbereitet wird. So erzählte beispielsweise 1993 Tsui Hark die Geschichte trickreich und farbenfroh in GREEN SNAKE, wenngleich der Fokus dort – der Titel lässt es erahnen – auf der grünen Schlange lag, während Ching sich nun hauptsächlich ihrer Schwester, der weißen Schlange, widmet. Das Ergebnis ist eine kreischend bunte Kitsch-Kanone, bis unter das Dach zugekleistert mit Spezialeffekten und – trotz grassierender Inhaltsleere – von erfreulich flottem Tempo.

Die Künstlichkeit ausstrahlenden Rechner-Kreationen sind dabei – so viel Ehrlichkeit muss gestattet sein – von eher bescheidener Natur, liegen qualitativ irgendwo zwischen ‚mäßig‘ und ‚ganz ordentlich‘. Interessanterweise schadet das dem schon aufgrund der Thematik ohnehin fremdartigen Szenario gar nicht großartig, sondern unterstreicht sogar noch die realitätsferne Comic-Ästhetik der erdachten Fantasiewelten. Deren visueller Reiz ist trotz unterdurchschnittlicher CGI-Kunst enorm. Wenn Horden von Dämonen freigelassen werden oder Landstriche unter Wassermassen begraben werden, dann gelingen dem Team um Ching Siu-Tung massenhaft imposante Bilder. Ständig wirbelt irgendetwas herum, Blitze zucken, Donner grollt – das volle Programm! Während der gebotene Bombast das Auge erfreut, bleibt die zwischenmenschliche Komponente freilich auf der Strecke. So wird zwar ständig von ewiger Liebe gefaselt, doch bei der Plausibelmachung, warum man sich denn jetzt eigentlich so wahnsinnig doll liebhat, versagt das Drehbuch. Das ist umso drolliger, wenn man bedenkt, dass ein im englischen Sprachraum kursierender Alternativtitel doch tatsächlich IT'S LOVE lautet – als wolle man dem Betrachter die Herzschmerz-Intention nochmal extra ins Gesicht schreien aus Angst, sie könne ansonsten übersehen werden.

Jet Li [→ HERO] wird zwar als Hauptdarsteller beworben, hat aber tatsächlich nicht wirklich viel zu tun. Die wenigen ‚Kämpfe‘ des machetikerprobten Stars erschöpfen sich in eher unspektakulärem Gefuchtel vor grüner Leinwand. Seine Mentoren-Rolle als mittelalterlicher Geisterjäger meistert er zwar locker aus der Hüfte, aber dass die Rolle hauptsächlich wegen besserer Vermarktungsmöglichkeiten an Li ging, ist augenscheinlich. Eva Huang Sheng-Yi [→ KUNG FU HUSTLE] spielt die Weiße Schlange und darf dabei in erster Linie schnuckelig aus der Wäsche gucken, was ihr auch gut gelingt. Dass für Charlene Choi [→ NEW POLICE STORY] als Grüne Schlange das Gleiche gilt, überrascht eigentlich kaum, denn dass Niedlichkeit ein Job ist, von dem sie was versteht, durfte sie zuvor schon mehrfach unter Beweis stellen. Die männlichen Mitstreiter können indes nicht wirklich Akzente setzen. Während Raymond Lam [→ PERFECT WEDDING] als herzensguter Kräutersammler mit großem Traum und schlichtem Gemüt nicht unsympathisch wirkt, muss sich sein Partner Wen Zhang [→ THE GUILLOTINES] bereits nach recht kurzer Spieldauer hinter einer Dämonenmaske verstecken, was nicht gerade die große Wunschvorstellung eines Schauspielers darstellen dürfte.

Freunde der Kampfkunst, die aufgrund des wohlklingenden Namens Jet Li ihre Eintrittskarte lösen, dürften sich ein wenig vernachlässigt fühlen: DIE LEGENDE DER WEISSEN SCHLANGE ist in erster Linie eine Liebesgeschichte im Fantasy-Gewand und insgesamt eher kindgerecht oder zumindest in Hinsicht auf ein jüngeres Publikum produziert – inklusive sprechender Tiere und oberflächlicher Gefühlswallungen. Für ausufernde Prügelorgien blieb da kein Platz. Und wenn man sich doch mal ins Gehege kommt und Konflikte per Körpereinsatz austragen muss, dann findet das im fortgeschrittenen Flugmodus über Dächern und Wäldern statt und hat mit echter Knochen- und Konfrontationsarbeit nichts am Hut. Dennoch bietet die bonbonbunte Romeo und Julia-Variante fast pausenlose Action und erlaubt sich als zwar substanzloses, doch äußerst farbenprächtiges Spektakel überraschend wenig Peinlichkeiten – was selbst für die auf extreme Niedlichkeit getrimmten animierten Nager gilt. Klar, Filmgeschichte wurde hier nicht geschrieben und die Zeit großer Innovationen war schon lange vorbei. Aber als Mini-Epos für den kleinen Hunger zwischendurch ist diese Legende durchaus zu gebrauchen.


Laufzeit: 90 Min. / Freigabe: ab 12

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