Eigene Forschungen

Samstag, 20. April 2024

CITY UNDER SIEGE


CHUN SING GAI BEI
Hongkong 2010

Regie:
Benny Chan

Darsteller:
Aaron Kwok,
Shu Qi,
Collin Chou,
Wu Jing,
Zhang Jingchu,
Yuen Wah,
Ben Wong,
Tie Nan



Inhalt:

Sunny Li [Aaron Kwok] ist Zirkusakrobat. Nicht gerade ein Traumjob, zumal er auch nur die zweite Geige spielt und vom Rest der Truppe überwiegend Verachtung und Spott kassiert. Sein Leben wird allerdings spektakulär auf den Kopf gestellt, als er eines Tages seine Kollegen dabei überrascht, wie sie in einer Höhle einen Schatz aus Zeiten des Zweiten Weltkrieges bergen. Wider Erwarten befindet sich in dem gefundenen Behältnis aber kein Gold oder Ähnliches, sondern ein geheimnisvolles Gas, von welchem Sunny eine volle Ladung abbekommt. Seitdem ist nichts mehr, wie es war, denn Sunny entdeckt an sich neue metaphysische Fähigkeiten. Doch auch seine Kompagnons verändern sich, wenn auch auf andere Art und Weise: Ihre Körper mutieren, sie entwickeln übermenschliche Kräfte und eine enorme Aggressionswut. Schon bald werden sie für ihre Mitmenschen zur kolossalen Bedrohung. Um die Welt zu retten, muss Sunny nun beweisen, was wirklich in ihm steckt.

Kritik:

Die finanziellen Höhenflüge von Hollywoods Heldenkollektiven konnte auch Hongkongs Filmindustrie irgendwann nicht mehr ignorieren. Um auf den gewinnträchtigen Zug aufzuspringen, engagierte man darum schließlich Regisseur Benny Chan, der seine Erfahrungen mit actionaffinen Stoffen hatte und mit lärmenden Spektakeln wie NEW POLICE STORY (2004) oder INVISIBLE TARGET (2007) auch internationale Aufmerksamkeit erregen konnte. Das Vertrauen in seine Expertise war dabei so groß, dass man ihm mit den Funktionen Produzent, Co-Autor und Co-Editor auch gleich noch weitere Zügel in die Hand gab. Die X-MEN waren es, die offensichtlich Pate standen für die abstruse Erzählung mutierter Schausteller, die eine großangelegte Schlacht um das Schicksal der Menschheit schlagen. Dabei bewies man keinerlei Scheu, die Pulp-Parameter bis aufs Maximum auszupegeln, scheint die Herleitung der Prämisse (ein Zirkus-Clown muss die Welt vor den Eroberungs- und Zerstörungsplänen seiner größenwahnsinnigen Kollegen retten) einem naiven Comic-Strip der 1950er Jahre entsprungen: Ein biochemisches Experiment verbrecherischer Japaner während des Zweiten Weltkrieges ist verantwortlich für die Misere, hegten die skrupellosen Nazi-Kollaborateure doch den Plan, mittels Eingriff in die menschliche Genetik unbezwingbare Super-Soldaten zu kreieren. In Folge des eigens dafür zusammengerührten Gas-Gemisches entstanden grauenerregende, kaum zu zügelnde Monster-Mensch-Hybriden, die gewiss Land und Leute ausradiert hätten, wäre nicht just in diesem Augenblick ein Bombenhagel niedergegangen, welcher die Kreaturen samt der unheilvollen Substanz direkt am Ort des Geschehens, einer unterirdischen Höhle nämlich, verschüttet hätte.

Dass eben jenes alptraumhafte Wundermittel im Hongkong der Gegenwart durch die Neugierde und Unachtsamkeit einer Zirkus-Truppe wieder freigesetzt wird, wollte allein das schwach erdachte Drehbuch, denn eine nachvollziehbare Motivation haben die unfreiwilligen Unheilstifter überhaupt nicht. Aber da die Handlung ja irgendwie in Gang kommen muss, kriechen nun ein paar erwachsene Männer und Frauen, die garantiert Besseres zu tun hätten, wie abenteuerlustige Kleinkinder durch Erdreich und Gestein, um einen vermeintlichen Kriegsschatz zu finden. Warum die unfreiwillige Chemie-Keule den Großteil der Gruppe zu Schurken werden lässt, den Haupt-Protagonisten aber nicht, wird auch nicht recht erklärt, aber das könnte man sich gedanklich immerhin noch selbst hinbiegen, indem man annimmt, dass die Droge einfach den eigentlichen inneren Charakter entfesselt und potenziert. Warum sich der Held aber vor der finalen Entfaltung seiner Superkräfte kurzzeitig zum fetten Schwamm umformt, hinterlässt dann wieder reichlich Fragezeichen.

Besagter Held wird von Aaron Kwok [→ MONK COMES DOWN THE MOUNTAIN] verkörpert, der keine Hemmungen hat, sich dafür auch mal anständig zum Affen zu machen. Zu Beginn noch der Clownerie verschrieben (was natürlich auch der Rolle geschuldet ist), entwickelt er sich im Laufe der Ereignisse mehr und mehr zum integren Weltenretter - wobei es aufgrund der anfänglichen Kaspereien durchaus schwerfällt, ihn später als große Nummer ernstzunehmen. Als Chef-Kontrahent schält sich alsbald sein früherer Mobber Zhang Dachu heraus, gespielt von Collin Shou [→ SPECIAL ID], der in seinem klobigen Ganzkörperkostüm beim Drehen gewiss keine einfache Zeit hatte. Dazu gesellt sich Shu Qi [→ EXTREME CRISIS], die als Nachrichtensprecherin den Helden unter ihre Fittiche nimmt – nicht ganz uneigennützig, versucht sie doch mit dessen medialer Ausschlachtung, ihre stagnierende Karriere wieder in Schwung zu bringen. Und zu guter Letzt agieren noch Zhang Jungchu [→ BEAST STALKER] und Wu Jing [→ WOLF WARRIOR] als von der Polizei eingesetzte Mutantenjäger, die dem Helden erst argwöhnisch gegenüberstehen, sich schließlich aber mit ihm verbünden und anständig mitprügeln.

Denn natürlich läuft alles auf eine deftige, mit viel Drahtseilgezurre und Computereffekten unterfütterte Zerstörungsorgie hinaus, bei der meterweit durch die Luft geflogen und allerhand Mobiliar zerstört wird. Diese Augenblicke gehören dann auch zum Besten, was CITY UNDER SIEGE zu bieten hat, denn hier war Benny Chan ganz in seinem explosiven Element. Stagnieren tut die Sache indes immer dann, wenn man mehr sein wollte als simpler Krawall und emotionale Zwischentöne anklingen ließ. So liegen die beiden miteinander verbandelten Polizei-Protagonisten im Clinch betreffend der geplanten gemeinsamen Zukunft, der Bösewicht hegt urplötzlich Gefühle für die Fernsehfrau, welche sich wiederum aus völlig unerfindlichen Gründen in den Helden verguckt, der seinerseits - wie eingeschobene Erinnerungsbruchstücke verdeutlichen – an einer komplizierten Beziehung zu seinem Vater zu knabbern hat. All das funktioniert nicht die Bohne, da man es nicht mit echten Charakteren zu tun hat, sondern mit Abziehbildern, und führt zu zahlreichen Momenten der Lähmung und Lächerlichkeit. Seinen Höhepunkt findet das im Finale, als Shu Qis Figur zwischen Destruktion und Feuerfunken dem Schurken klarzumachen versucht, was das Wesen wahrer Liebe ist.

Abseits seiner Action ist CITY UNDER SIEGE somit eine reichlich misslungene Veranstaltung, da sie ihre Defizite im Bereich der Narration nicht aufwiegen kann. Dazu kommt, dass die eingesetzten Monstermasken und -kostüme für das Produktionsjahr recht altbacken daherkommen und sich mit dem deutlich moderneren Pixel-Popanz visuell nicht vertragen. Collin Shous schwerfällig anmutendes Eidechsen-Outfit (oder was immer das für ein Vieh sein soll) scheint wie direkt aus dem Fundus des 90er-Jahre-TURTLES-Artefakts gezogen. Vor allem aber wirkt das Werk seltsam unsympathisch, da allzu offensichtlich ist, dass man im Sinne der Finanzmaximierung lediglich ein paar in Übersee funktionierende Formeln kopieren wollte. Statt Eigenständigkeit regiert simples Nachgeäffe; eine Verknüpfung der Vorbilder mit eigenen Tugenden bleibt ebenfalls aus (Grimassenschneiden zählt nicht). Benny Chans nachfolgende Arbeit SHAOLIN (2011) begab sich dann glücklicherweise wieder auf vertrautes Terrain.

Laufzeit: 110 Min. / Freigabe: ab 16

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