Eigene Forschungen

Samstag, 1. Juni 2024

PANIK IN NEW YORK


THE BEAST FROM 20,000 FATHOMS
USA 1953

Regie:
Eugène Lourié

Darsteller:
Paul Hubschmid,
Paula Raymond,
Cecil Kellaway,
Kenneth Tobey,
Donald Woods,
Ross Elliott,
Lee van Cleef



Inhalt:

Da will man nur mal ganz friedlich mit den Arbeitskollegen ein paar Atombömbchen in der Arktis testen, und schon kommt alles ganz anders als geplant. Nur ein Mann, Tom Nesbitt [Paul Hubschmid], überlebt diesen schicksalhaften Tag und berichtet Ungeheuerliches: Ein waschechter Dinosaurier hat die Truppe aufgerieben, er selbst lebt nur noch aus purem Glück. Seltsamerweise glaubt man dem hemdsärmeligen Professoren nicht so recht, vielleicht mit Ausnahme der wissenschaftlichen Assistentin Lee Hunter [Paula Raymond]. Gemeinsam beginnen sie, Nachforschungen anzustellen und entdecken, dass es auf offener See immer häufiger zu unerklärlichen Unglücksfällen kommt. Eventuelle Zeugen jedoch schweigen beharrlich. Der allgemeine Unglaube findet ein jähes Ende, als eine riesige Kreatur dem Meer entsteigt und durch die Straßenzüge Manhattans mäandert.

Kritik:

Die 1950er Jahre waren das Jahrzehnt der Riesenmonster. Der Klassiker KING KONG und dessen Fortsetzung waren zu dem Zeitpunkt zwar schon gute 20 Jahre alt, wurden durch diverse Wiederaufführungen aber so populär, dass die Mehrzahl der Nachahmer sich erst jetzt zu einem Leinwand-Auftritt überreden ließ. Der in Deutschland so seltsam unkonkret betitelte PANIK IN NEW YORK darf als eine der Speerspitzen und Initialzündungen dieser Welle gelten und ebnete auch dramaturgisch den Weg für zahlreiche mal mehr, mal minder geglückte Epigonen. Dass sein pompöser Protagonist, der sogenannte „Rhedosaurus“, in Wahrheit niemals existierte, schadet dabei ganz und gar nicht. So konnte die Kreatur in Sachen Darstellung und Verhalten immerhin nicht in Konflikt mit der Realität geraten.

Besagtes Fabelwesen ist dann fraglos auch der Hauptgrund für den bahnbrechenden Publikumserfolg der inhaltlich doch sehr mauen Erzählung: Das fiktive Urzeitvieh ist fantasievoll gestaltet, blendend animiert und interagiert trotz kleinem Budget sehr überzeugend mit der hineinkopierten Umgebung. Verantwortlich dafür war Ray Harryhausen [→ DAS GRAUEN AUS DER TIEFE], einer der Pioniere der Stop-Motion-Technik, bei der mittels der Aneinanderreihung einzelner, nur minimal veränderter Bilder, einem Daumenkino gleich, die Illusion von Bewegung erzeugt wird. Da dieser Trick mit enormem Aufwand verbunden ist, beeindruckt es umso mehr, wie flüssig und natürlich sich der Fantasie-Dino durch die Landschaft bewegt. Ungeduldige Monsterfreunde freuen sich zudem über das schnelle Erscheinen der Bestie, die dem ungebetenen Forscherteam mit der ruhestörenden Bombe im Gepäck schon nach wenigen Minuten Spielzeit den Ausgang aus der Arktis zeigt.

Zugegeben: Danach wird’s dann schon erst einmal etwas bummelig, wenn Tom Nesbitt, einziger Überlebender der Eröffnungssequenz, mit seinem Erlebnisbericht auf taube Ohren stößt und mit Schützenhilfe der wissenschaftlichen Assistentin Lee Hunter auf Zeugen- und Hinweissuche geht. Das zieht sich dann doch recht lang hin und gestaltet sich zudem wenig aufregend, da es überwiegend im stillen Kämmerlein unter Zuhilfenahme von Literatur und Fernsprechgerät erfolgt. Und da das Publikum ja ohnehin schon weiß, dass Nesbitt die Wahrheit sagt, stellt sich angesichts diverser Erkenntnisse auch kein echtes Erstaunen ein. Zwischendurch darf der Rhedo immerhin noch auf eindrucksvolle Weise einen Leuchtturm zerstören, woraufhin zwei bedauernswerte Wärter Fersengeld geben müssen. Dieser (vom Rest narrativ völlig autarke) Moment wurde nicht nur zum ikonischen Erkennungsbild PANIK IN NEW YORKs, sondern ist im Prinzip auch das einzige, was von der angeblichen Vorlage übrig blieb, von Ray Bradburys 1951 erstmals erschienenen Kurzgeschichte DAS NEBELHORN nämlich, in der eben ein Leuchtturm von einem Seeungeheuer zerstört wird.

Etwas Schwung in die lange Zeit auf der Stelle tretende Handlung bringt der von Cecil Kellaway [→ WIEGENLIED FÜR EINE LEICHE] verkörperte Paläontologe Elson, der Nesbitts Worten zwar ebenfalls keinen Glauben schenkt, sich aber nur allzu gern vom Gegenteil überzeugen lassen würde. Der letzte große Wunsch im Leben des kauzigen Professors ist es nämlich, einem Urzeitwesen Aug in Aug gegenüberstehen zu dürfen, weswegen er die Forschungsarbeiten mit aller Macht unterstützt – wozu auch gehört, sich per Taucherglocke in die Tiefen der See zu begeben. Wo sein Wunsch in Erfüllung geht, versteht sich. Das sorgt zwar für ein paar schöne Gänsehautminuten, allerdings können die nur schwerlich die dramaturgischen Defizite des Drehbuches vertuschen, erweisen sich all diese ausgiebigen Recherchearbeiten doch im Nachhinein als null und nichtig.

Denn natürlich passiert schließlich genau das, worauf alle schon ganz gespannt warten: Das Monster entsteigt dem Meer und nimmt umfassende Umgestaltungsarbeiten am Stadtbild vor. Das hätte es so oder so getan, weswegen sich die vorhergehende Spurensuche als narrativer Taschenspielertrick entpuppt, der nur dazu diente, das Geschehen auf kinotaugliche Länge zu strecken. Die Zerstörungsorgie, obwohl im Vergleich eher knapp gehalten, entschädigt jedoch voll und ganz für so manches Zugeständnis und ist tricktechnisch mehr als nur versiert. Harryhausen hatte hier erstmals die komplette Kontrolle über die Effekte und setzte dabei gleich einen Meilenstein. Aufgrund des schmalen Budgets erdachte er das Split-Screen-Verfahren, mit dem er nach Abschluss der Dreharbeiten das Saurier-Modell mit Hinter- und Vordergrund kombinieren konnte, und erweckte so ein pseudo-prähistorisches Biest zum Leben, welches sich „ganz natürlich“ bewegt und verhält, wenn es Straßenzüge einreißt und Autos zermalmt. Wie viel Mühe man sich gab, um das Untier „real“ wirken zu lassen, wird an etlichen Kleinigkeiten deutlich, wenn es z. B. eine soeben zerstörte Karosserie noch mal prüfend „anstupst“, um sicherzugehen, dass das Teil auch wirklich hinüber ist.

Dass man den Dino zusätzlich auch noch zur Seuchenschleuder machte, wirkt hingegen arg übers Knie gebrochen. So infizieren sich, als man das Biest verwundet, zahlreiche Menschen an dessen Blut, was weitere Todesoper zur Folge hat. Das erscheint inhaltlich schon recht abkömmlich, zumal es nach dem Finale auch urplötzlich kein Thema mehr ist. Dieses ist zwar – gerade im sich aufzwingenden Vergleich zum 20 Jahre zuvor entstandenen KING KONG – eher bescheiden, da der Widersacher ernüchternd schnell und unkompliziert besiegt ist. Dennoch staunt man auch hier noch einmal über die verblüffende Effekt-Qualität, wenn dem Rhedo zwischen brennenden Achterbahnstreben der Garaus gemacht wird.

Mit einem Produktions-Budget von gut 250.000 US-Dollar, dem ein Einspielergebnis von fast 5 Millionen US-Dollar gegenübersteht, kann der Riesenmonster-Reißer gut und gern als einer der ersten richtigen Blockbuster gelten und als sehr frühes Beispiel für das, was viele Jahrzehnte später als Event-Kino bekannt werden sollte: Die Story wird vernachlässigt, um dafür die Vorzüge der Tricktechnik in den Fokus zu rücken. Einen tieferen Sinn hat das Monsterspektakel nicht. Meint man zu Beginn noch, Kritik am sorglosen Umgang mit Atomwaffen ausmachen zu können, da diese das Monster überhaupt erst zum Leben erwecken, so geht dieser vermeintliche Anspruch spätestens dann über Bord, wenn man das Untier mittels „positiver Ionen“ wieder zu Fall bringt. Kernkraft! Ursache und Lösung aller Probleme! Nur ein Jahr später erschien mit GODZILLA eine ziemlich unverhohlene japanische Replik, die die Thematik mit der nötigen Ehrfurcht behandelt und schon allein deswegen um Ionen Äonen besser ist. Dafür ist das hier der deutlich unbeschwertere Beitrag zum Sujet „Nuklear aufgeheizter Pseudosaurus marodiert durch Großstadt“, der mit sympathischen Figuren und pfiffigem Dialoggut aufwarten kann. „Der Mensch geht erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit aufrecht, geistig kriechen wir noch“, ist da im Vergleich fast schon tiefgründig, während Sätze wie „Ich hätte Ihnen gerne etwas angeboten, aber in meinem Büro ist leider alles radioaktiv“ die Sache angenehm in komödiantische Gefilde bugsiert. Das kann man rückblickend zwar als unnötig verharmlosend verurteilen, bedenkt man, dass das Werk nur kurz nach dem Abwurf atomarer Bomben auf japanischen Boden entstand und zudem generell zu einer Zeit, die von gefährlichem Wettrüsten und bedenklicher Pro-Atom-Propaganda geprägt war. Nach angemessener Verjährung bleibt THE BEAST FROM 20.000 FATHOMS (so der direktere Originaltitel) allerdings vor allem eines: Wegweiser und Prototyp eines ganzen Genres.

Laufzeit: 80 Min. / Freigabe: ab 12

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