Eigene Forschungen

Donnerstag, 22. September 2016

TI LUNG - DIE TÖDLICHE KOBRA


SIU LAM YING HUNG
Hongkong 1980

Regie:
Wu Ma,
Pao Hsueh-Li

Darsteller:
Ti Lung,
Shih Szu,
Danny Lee,
Michael Chan,
Tan Tao-Liang,
Wong Ching,
Wu Ma



„In der zweiten Hälfte der Ming-Dynastie wurde das ganze Land von Unruhen und Revolten erschüttert. Ein skrupelloser und machtgieriger Fürst hatte es sich zum Ziel gesetzt, das ganze Land für sich zu erobern. Und er hatte den Shaolin-Mönchen verboten, zu kämpfen. Taten sie es trotzdem, lies er sie umbringen und ihre Tempel niederbrennen.“

(Gäbe es diese gesprochenen Einleitungen nicht, man stünde in Asiens Kung-Fu-Kino vermutlich oftmals ziemlich auf dem Schlauch.)


Inhalt:

Einer der gnadenlosesten Vollstrecker dieses grausamen Fürsten ist Zen Chong [Ti Lung]. Früher einmal selbst ein Mönch der Shaolin, spielt er nun auf der Gegenseite und liefert seine ehemaligen Kameraden eiskalt ans Messer. Immerhin ein wenig Restskrupel scheint er dennoch zu besitzen und überredet den mandschurischen Herrscher, die Überlebenden des Tempels nicht hinrichten, sondern lediglich gefangennehmen zu lassen. Dafür legt er auch eine gute Begründung vor: Im Geheimen existiere noch eine letzte Widerstandsgruppe der Shaolin. Unter Folter, so Zens Versprechen, werde er den Gefangenen den Ort des Versteckes abringen können. Es beginnt eine qualvolle Zeit für seine ehemaligen Mitschüler. Abseits der Folter tritt Zen zudem regelmäßig in Kung-Fu-Kämpfen gegen sie an, um sie durch seine Siege endgültig zu demütigen. Doch nach geraumer Zeit schwant den Gefangenen, dass Zen mit seinem Vorhaben womöglich ganz andere Ziele haben könnte …

Kritik:

Ti Lung war einer der wenigen Darsteller des Hongkong-Kinos, denen in den 60er und 70er Jahren auch in Deutschland so etwas Ähnliches wie Star-Ruhm zuteilwurde – nicht zuletzt auch aufgrund des Zutuns der hiesigen Verleiher, die seinen Namen das eine ums andere Mal dem offiziellen Titel voranstellten. TI LUNG – DUELL OHNE GNADE nannte sich das dann, oder TI LUNG – DER TÖDLICHE SCHATTEN DES MR. SHATTER. Oder eben auch TI LUNG – DIE TÖDLICHE KOBRA. Zwar ist das von der Aussage her eigentlich unzutreffend, da sein Charakter (zumindest in der Synchronfassung) immer nur Panther gerufen wird, aber es ist nicht davon auszugehen, dass jemand deswegen ernsthaft sein Geld an der Kasse zurückverlangt hat. Fans des charismatischen Schauspielers kommen hier nämlich voll und ganz auf ihre Kosten und dürfen bereits in der Eingangssequenz Zeuge davon werden, wie ihr Held ordentlich Handkanten verteilt und seine Gegner gekonnt auf die Bretter schickt. Alles, wie es sein sollte, könnte man meinen. Und dennoch ist hier alles ein bisschen anders. Denn während Ti beim Großteil seiner Rollen als tadelloser Musterknabe agierte, steht seine tödliche Pantherkobra auf Seite des gewalttätigen Mandschuren-Fürsten und lässt in besagter Eröffnung einen Orden friedlebender Shaolin-Mönche brutal zur Strecke bringen.

Aus dem Umstand, dass er dabei durchaus Skrupel hegt, wird allerdings von Anfang an kein großes Geheimnis gemacht, und dass Zen Chong kein durch und durch verworfener Charakter ist, wird zumindest dem Publikum auch schnell klar. Dennoch bleiben seine wahren Intentionen für längere Zeit im Verborgenen und erst nach und nach kristallisiert sich heraus, worin sein eigentlicher Plan besteht. Allzu kompliziert zu erraten sind die Zusammenhänge freilich nicht, sodass dem Publikum auch wesentlich früher ein Licht aufgeht als den doch recht begriffsstutzigen Filmfiguren, die quasi bis zum Ende komplett im Dunkeln tappen (die meiste Zeit sogar im wahrsten Sinne des Wortes, denn in so einen Kerker scheint bekanntlich nicht allzu viel Sonne rein). Wirklich überraschende Wendungen bleiben somit – das recht unerwartete Ende mal ausgenommen – fast vollkommen aus und die Ereignisse verlaufen insgesamt in eher absehbaren Bahnen. Dazu passend wurde auch auf eine epische Breite verzichtet; die Anzahl der Schauplätze lässt sich mühelos an einer Hand abzählen. Nach blutigem Beginn im Tempel der Shaolin verlagert sich das Geschehen überwiegend in die freie Natur oder das feuchte Verlies der fürstlichen Festung. Durch die Beschränkung auf diese Notwendigkeiten gleicht DIE TÖDLICHE KOBRA über weite Strecken sogar eher einem vor historischem Hintergrund erzählten Gefängnisdrama als einem klassischen Vertreter des gemeinen Knochenbrecher-Spektakels.

Einer der Hauptgründe für die spärliche Präsentation ist sicherlich der Umstand, dass sich hier ausnahmsweise einmal nicht das renommierte Studio der Shaw Brothers für die Produktion verantwortlich zeigte, sondern die nahezu unbekannte Gesellschaft Yen Sing Cinema. Diese dürfte in Sachen Finanzmittel gerade mal einen Bruchteil der damals dominierenden Kung-Fu-Schmiede zur Verfügung gehabt haben und musste somit auf die oft sehr aufwändig gestalteten Kulissen der Konkurrenz verzichten. Trotz des Verzichts auf bombastische Sets und ausladende Panoramen wirkt DIE TÖDLICHE KOBRA allerdings in keinem Augenblick billig oder gar aus zweiter Reihe. Ganz im Gegenteil unterstreicht die nüchterne Kargheit nochmals den vorherrschenden Pessimismus und geht mit der trostlosen Grundstimmung quasi Hand in Hand. Damit unterscheidet man sich deutlich von den vielen oft reichlich albernen Fließbandprodukten jener Zeit, zumal man hier auch ohne unnötig übertriebene Sprung- und Flug-Manöver auskommt. Doch nicht nur, dass die Kämpfe stets bodenständig bleiben, sie wurden auch sinnvoll in die Handlung integriert und nicht etwa mit heißer Nadel ins Skript gestrickt, wie so häufig der Fall. Auch der konsequente Abstand von humoristischen Einschüben und infantiler Typenkomik macht sich äußerst positiv bemerkbar.

Stattdessen schrieb man sich Realismus auf die Fahnen – was DIE TÖDLICHE KOBRA auch für jenes Klientel goutierbar macht, das sich ansonsten weniger für asiatische Kämpfer in historischen Gewändern erwärmen kann. Der triste Tenor und die realistisch anmutende Rohheit der Präsentation gehen dabei natürlich unweigerlich zu Lasten des oft märchenhaften Klimas etlicher Shaw Brothers-Produktionen (allenfalls wenige Werke wie DER RÄCHER AUS DER TODESZELLE böten sich zum Vergleich an). An Shaw erinnert somit fast ausschließlich nur noch der Stab, der einiges an kompetentem Personal des damaligen Platzhirschen sowohl vor als auch hinter der Kamera versammelte. So begegnet man neben Aushängeschild Ti Lung unter anderem auch Danny Lee [→ DER KOLOSS VON KONGA] und Wu Ma [→ DIE SIEBEN SCHLÄGE DES GELBEN DRACHEN] in den düsteren Verliesen – wobei letzterer gemeinsamen mit Pao Hsueh-Li [→ DER PIRAT VON SHANTUNG] sogar den Regiestuhl drückte. Die Inszenierung der beiden alten Hasen geriet dann auch überaus kompetent, während das Drehbuch mit einigen großartigen Szenen aufwarten kann. Höhepunkt ist dabei sicherlich die Sequenz, in welcher der Titelheld während einer Tanzdarbietung versucht, einen Anschlag auf den Fürsten zu verhindern.

„An diesem Mann wäre sogar Bruce Lee gescheitert“, verkündete einst das deutsche Plakat leicht vermessen. Das dürfte nun schwerlich zu beweisen sein. Aber davon mal abgesehen, wäre ein derartiger Vergleich ohnehin nicht wirklich angebracht, da die Prämissen völlig unterschiedlich sind. DIE TÖDLICHE KOBRA erzählt keine Kriminal- und Gangstergeschichte mit einem integren Superfighter auf privatem Rachefeldzug. Dafür bietet das auf Minimalismus setzende Kostüm-Drama nicht nur verschworenen Genre-Freunden einen lohnenden Ausflug in die kalten Kerker der Ming-Dynastie. Der Ton ist ruppig, die Attitüde ist rau und die Kämpfe sind von knochentrockener Härte. Besonders das abschließende Duell zwischen dem Titelhelden und Michael Chan holt noch mal so richtig Kastanien aus dem Feuer. „Ein Held zu sein heißt, durch die Hölle gehen“, heißt es an einer Stelle. Ti Lung tritt den Beweis an.

Laufzeit: 102 Min. / Freigabe: ab 18

Donnerstag, 15. September 2016

DIE TÖDLICHEN SCHWINGEN DES ADLERS


BAAI CO SI FU KAU CO TAU
Hongkong 1981

Regie:
William Cheung Kei

Darsteller:
John Cheung Ng-Long,
Hwang Jang-Lee,
Cheng Kang-Yeh,
Fan Mei-Sheng,
Chin Pei-Ling,
Chiang Kam,
Kao Yuen,
Pan Yung-Sheng



„Meister Lo! Ihr habt keinen Grund, mich zu töten.“
„Ich wurde beauftragt, dich zu töten.“
„Von wem?“
„Von deiner eigenen Familie.“

(Was so anfängt, kann eigentlich gar nicht wirklich schlecht sein)


Inhalt:

China, irgendwann um die Quing-Dynastie herum: Der junge Tai [John Cheung Ng-Long] besucht zwar eine Kung-Fu-Schule, darf aber kaum etwas dazulernen. Dieses Privileg gönnt sein Meister in der Regel lediglich Schülern aus besser betuchtem Hause. Stattdessen wird Tai tagtäglich dazu gezwungen, als Küchenhilfe zu schuften. Als ihn der arrogante Schüler Fatty [Chiang Kam] provoziert, kommt es eines Tages zum Eklat und Tai verlässt die Schule. Auf der Suche nach einem neuen Meister begegnet er zunächst dem Strauchdieb Hsiao Lung [Cheng Kang Yeh], mit dem er sich einen Kampf um ein paar Fische liefert. Tai geht als Sieger hervor und Hsiao schwört ihm blutige Rache. Mit dem freundlichen Bettler Chin Pai To [Fan Mei-Sheng] hingegen teilt Tai im Anschluss gern seine Mahlzeit. Bald begegnet Tai dem Kung-Fu-Kämpfer Lo Hsin [Hwang Jang Lee] und wird staunender Zeuge von dessen tödlicher Adlerkrallen-Technik. Begeistert fleht er Lo an, ihn zu unterrichten – was dieser ihm nach einiger Zeit auch gewährt. Was Tai nicht ahnt: Lo ist ein gewissenloser Killer, der sich bald mit Hsiao gegen ihn verbündet. Nur gut, dass der so harmlos wirkende Bettler Chin in Wahrheit ein begnadeter Kämpfer ist. Als Los wahrer Charakter zum Vorschein kommt, nimmt Chin Tai unter seine Fittiche.

Kritik:

Am Anfang war Jackie Chan. Nachdem der chinesische Action-Athlet jahrelang versucht hatte, an den bahnbrechenden Erfolg von Kampfsport-Ikone Bruce Lee anzuknüpfen (indem er ihn schlicht imitierte), gelang ihm der tatsächliche Durchbruch schließlich im Jahre 1978 mit den beiden von Yuen Woo-Ping inszenierten Kung-Fu-Komödien SIE NANNTEN IHN KNOCHENBRECHER und DIE SCHLANGE IM SCHATTEN DES ADLERS. Die Kombination von klassischer Kampfkunst mit Klamauk und Situationskomik verhalf dem mittlerweile festgefahrenen Genre zu neuer Popularität, machte Chan (erst in seiner Heimat, später auch weltweit) populär und ebnete den Weg für eine Flut an Nachahmern und Epigonen. DIE TÖDLICHEN SCHWINGEN DES ADLERS ist einer davon. Der deutsche Titel deutet dabei schon nicht gerade undezent an, dass hier vor allem DIE SCHLANGE IM SCHATTEN DES ADLERS Pate stand, und tatsächlich verschwendete man nicht allzu viele Ressourcen, um sich etwas großartig Neues auszudenken: Die Kernelemente wurden nur rudimentär variiert und das ganze Szenario kommt einem doch arg vertraut vor.

Statt Jackie Chan erlebt man hier nun also John Cheung als etwas tollpatschigen, doch liebenswerten Haus- und Laufburschen einer Kung-Fu-Schule, der sich erst wild herumschubsen lassen muss, bevor er endlich die Bekanntschaft seines Mentors macht (hier wie dort in Gestalt eines scheinbar klapperigen Bettlers), der den guten Charakter des Helden erkennt und ihn dadurch belohnt, dass er ihn final zum unbesiegbaren Superkämpfer ausbildet. Teeschaalen-Tänze, Adlerkrallen-Technik, finaler Triumph auf freiem Feld – die Bilder gleichen sich, die Inhalte auch, jede Innovation siecht dahin im Schatten des Adlers. Doch so dreist die Kopie im Grunde auch ist, so goutierbar ist sie am Ende dann insgesamt doch geworden (vor allem im Hinblick auf die zahlreichen, oftmals nur schwer erträglichen Klone, die in den Folgejahren noch entstanden). Dabei macht sich das Minimum an Story sogar bezahlt, bleibt die Handlung bei aller Banalität doch stets übersichtlich und verwirrt nicht mit Nebensträngen und -figuren, wie es in diesem Genre häufiger mal der Fall war. So ist die fröhliche Balgerei auch nach gut 70 Minuten schon wieder vorbei, noch bevor sie ernsthaft jemandem auf die Nerven fallen kann.

Natürlich muss man trotzdem eine gesunde Portion Grundaffinität für diese doch sehr spezielle Art von Unterhaltung mitbringen; der berüchtigte pubertäre Hongkong-Humor schlägt sich hier zeitweise gnadenlos Bahn. Wer affige Grimassen, alberne Geräusche und angeklebte Geschwüre nicht verkraften kann, wird hier vermutlich nicht besonders alt werden. Wer dennoch durchhält, wird dafür mit jeder Menge vernünftig choreographierten Hand- und Fußgemengen belohnt, scheint hier doch wahrlich kein Anlass nichtig genug, sich nicht wieder gegenseitig ’nen Scheitel zu ziehen. Bereits nach zwei Minuten gibt es die ersten beiden Toten, gefolgt von einem Vorspann, in dem Oberschurke Hwang Jang-Lee vor roter Tapete ein Skelett, wie es normalerweise im Biologie-Raum einer jeder vernünftig ausgestatteten Grundschule herumsteht, fachgerecht zerlegt (was strenggenommen eigentlich keine große Leistung ist, denn so ein Skelett wehrt sich ja bekanntermaßen nicht). Hwang ist dann auch der eigentliche Star der fidelen Fäustekirmes. Seit seinem Auftritt als Silberfuchs in dem 1976er Gassenhauer DIE ZWILLINGSBRÜDER VON BRUCE LEE war der in Japan geborene Koreaner quasi Zeit seines Leinwand-Lebens auf den brutalen Fiesling geeicht (und in dieser Funktion passenderweise auch schon in den beiden Blaupausen SIE NANNTEN IHN KNOCHENBRECHER und DIE SCHLANGE IM SCHATTEN DES ADLERS dabei). Vor allem durch seine schnelle Beinarbeit erwarb sich der Kampfkünstler bei den Fans rasch eine beachtliche Reputation.

Chang Wu-Lang [→ BORN HERO 3] in der Hauptrolle geht als Jackie Chan-Verschnitt Charisma und Körperbeherrschung seines Vorbilds zwar ab, liefert davon unabhängig aber dennoch eine brauchbare Vorstellung. Weitere Rollen gingen an Fan Mei-Sheng [→ DIE SIEBEN SCHLÄGE DES GELBEN DRACHEN], welcher Chang etwas unmotiviert Kung Fu beibringen darf, Chiang Kam [→ ZWEI FÄUSTE STÄRKER ALS BRUCE LEE] als obligatorischer peinlicher Fettwanst vom Dienst sowie Cheng Kang Yeh [→ TI LUNG – DUELL OHNE GNADE] als wild stotternde Witzfigur, welche den Helden aufgrund einer harmlosen Herumkasperei gleich unter die Erde bringen möchte. Selbstredend war hier keine große Schauspielkunst gefragt; alle Darsteller bedienen lediglich bekannte (und oftmals beschämende) Stereotypen, was enthemmtes Geblödel nicht nur nicht ausschließt, sondern teilweise explizit verlangt. Auch bleiben die Beweggründe für die Aktionen der Figuren fast ausnahmslos nebulös. Warum Killer Lo dem Helden Tai eigentlich genau das Lebenslicht auspusten möchte, ist nicht wirklich ersichtlich. Der Schurke ist eben einfach böse und mordet, weil jeder Kung-Fu-Film einen bösen und mordenden Schurken braucht. Das muss als Erklärung reichen.

Neue Genre-Freunde wird DIE TÖDLICHEN SCHWINGEN DES ADLERS gewiss nicht generieren können. Dazu plätschert alles viel zu unspektakulär vor sich hin. Das reichlich spät eingeführte Rachemotiv (welches natürlich auch alles andere als originell ist) kann das Ruder dann auch nicht mehr herumreißen. Wessen Herz jedoch bereits für kaspernde Kämpfer im Jackie Chan-Fahrwasser schlägt, der wird hier zufriedenstellend abgeholt und erlebt einen der besseren Vertreter: Der Infantil-Humor übertreibt es nicht, die entschlackte Story bleibt nachvollziehbar und die Kämpfe gehen absolut in Ordnung. Zur simplen Kung-Funterhaltung nebenbei durchaus geeignet!

Laufzeit: 71 Min. / Freigabe: ungeprüft