Eigene Forschungen

Samstag, 11. November 2023

SEVEN ASSASSINS - IRON CLOUD'S REVENGE


KWONG FAI SHUI YUE
China 2013

Regie:
Xiong Xin-Xin

Darsteller:
Eric Tsang,
Felix Wong,
Gigi Leung,
Ray Lui,
Ni Hongjie,
Michael Wong,
Xiong Xin-Xin,
Simon Yam



Nach Ende des Ersten Japanisch-Chinesischen Krieges (August 1894 bis April 1895) fürchteten sich die Dorfbewohner Nordchinas vor einem zu starken Einfluss ausländischer Interessen. Als mehrere Naturkatastrophen das Land zusätzlich beutelten, machten viele (natürlich wider jeder Logik) westliche Mächte für das Unglück verantwortlich. Infolgedessen begannen sogenannte „Boxer“ (sprich: Kampfkunstkundige) aufzubegehren, indem sie ausländisches Eigentum zerstörten und (leider) auch Menschen töteten. Sogar die Kaiserin begann schließlich, die Rebellion zu unterstützen, die später als „Boxer-Aufstand“ in die Geschichtsbücher eingetragen wurde. Nach ersten Teilerfolgen unterlagen die Aufständischen schließlich der ausländischen Allianz, was die ohnehin bereits angeschlagene Qing-Dynastie weiter schwächte. In der Aufarbeitung wurden die Boxer von Gelehrten zunächst eher negativ rezipiert, beklagt wurden vor allem Rückständigkeit, Naivität und Aberglaube. So waren z. B. viele Kämpfer davon überzeugt, chinesische Körper seien unempfindlich gegen ausländische Gewehrkugeln. Dummerweise konnten die meisten dann hinterher nicht mehr von ihrem Irrtum berichten. Im Laufe der Zeit jedoch wurden die Umstürzler vor allem in der künstlerischen Darstellung mehr und mehr glorifiziert und als erstes großes Bollwerk gegen den Imperialismus gefeiert.

In dieser turbulenten Zeit spielt auch SEVEN ASSASSINS, ein Hybrid aus Historienschinken und Comic-Strip mit einem beachtlichen Aufgebot an Altstars des Hongkong-Kinos.

Inhalt:

China zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Das einstmals stolze Kaiserreich ist zerrissen zwischen Tradition und Revolution; gewaltsame Unruhen beherrschen das Land. Einer der Rebellenführer ist Tie Yun [Felix Wong], der mit einer großen Menge Gold durch das Reich zieht, das der Rekrutierung neuer Streitkräfte dienen soll. Klar, dass das nicht gut geht: Kaiserliche Soldaten überfallen den Transport. Tie kann lediglich sein Leben retten und flüchtet in eine „Das goldene Tal“ genannte Kommune, die es bisher geschafft hat, friedlich und abseits aller Konflikte weiterleben zu können. In ihrem Anführer Boss Mao [Eric Tsang] findet Tie schnell einen neuen Freund und Seelenverwandten. Als die Armee das Dorf überfällt und einen Teil der Gemeinschaft kaltblütig massakriert, erwacht der Kampfgeist und die Überlebenden verbünden sich mit dem Revolutionär.

Kritik:

Das verspricht fraglos jede Menge Spannung, Action und Abenteuer. Doch SEVEN ASSASSINS kann die an das Sujet geknüpften Erwartungen am Ende kaum einlösen. Dabei sind die Voraussetzungen hervorragend: ein packender historischer Hintergrund, eine ansprechende Ausstattung, viele gern gesehene Gesichter und an den Hebeln Verantwortliche, die ihr Handwerk durchaus verstehen. Doch viel zu behäbig kommt die Erzählung daher, der es vor allem an der nötigen Dramatik fehlt. Die Fallhöhe der zahlreichen Figuren wird nie so recht deutlich, zumal sie einem bis zum Schluss überwiegend unnahbar bleiben und keine rechte Verbundenheit hervorrufen können. Sogar Eric Tsang [→ SHAOLIN BASKETBALL HERO], der eigentlich ein großartiger Schauspieler ist und hier als schwerpunktmäßiger Sympathieträger fungieren soll, kommt ungewohnt langweilig und leidenschaftslos daher – was vor allem deswegen überrascht, weil er zusätzlich als Produzent hinter dem Projekt stand. Mancherorts wird ihm sogar anteilig die Regie zugeschanzt, aber das scheint schlichtweg ein Fehler zu sein. Die Inszenierung übernahm der überwiegend als Darsteller, Kampfkünstler und Choreograph bekannte Xiong Xin-Xin [→ KILL FIGHTER], der hier ebenfalls als Dorfbewohner zu sehen ist und in einer pseudotiefsinnigen Dialog-Szene versuchen darf, seiner Rolle Profil zu verleihen.

Womöglich lag es an seiner Unerfahrenheit in Sachen ganzheitlicher Spielleitung, dass das Werk über weite Strecken so dröge geriet. Selbstverständlich reißt auch das Drehbuch keine Bäume aus und bietet inhaltlich kaum etwas Neues. Aber der Freiheitskampf einer friedlebenden Dorfgemeinschaft verspricht prinzipiell Aufregung, selbst, wenn die zu Grunde liegenden Mechanismen im Kino bereits mehrfach durchexerziert wurden. SEVEN ASSASSINS (ein Titel, der gewiss nicht zufällig Assoziationen zu DIE SIEBEN SAMURAI oder dessen Neuausrichtung DIE GLORREICHEN SIEBEN erweckt) wirkt allerdings gar nicht wie für die Leinwand konzipiert und erweckt vielmehr den Eindruck einer zwar engagierten, aber nichtsdestotrotz in Sachen Mitteln und Möglichkeiten zurückgeschraubten Fernseh-Produktion. Epische Breite will sich partout nicht einstellen und oftmals entsteht ein eher theaterhafter Eindruck - zumal es auch an variantenreichen Schauplätzen mangelt und wiederholt die altbekannte Dorfkulisse bemüht wird. Dafür sind die Action-Szenen prinzipiell gut gelungen, wobei vor allem das Finale tüchtig Versäumnisse nachholt. Zu dieser Epoche neuartige Waffen wie Pistolen oder Maschinengewehre sorgen für triftig Trommelfeuer, während das gute, alte Schießpulver für zusätzliche Lärmbelästigung inklusive Rauch und Feuer sorgen darf. Und natürlich fliegen neben Kugeln und Funken auch fleißig Faust und Fuß, um dem Gegner additional auf klassische Weise einzuheizen.

Realistisch ist das freilich kein Stück. SEVEN ASSASSINS wirkt in solchen Momenten wie ein überzogener Action-Comic - wozu auch der Look der von Ni Hongjie [→ SILENT WITNESS] verkörperten Schurkin beiträgt, die als attraktive Assassine im Aussehen zwischen Django und Domina direkt einem Manga entlaufen scheint. Stilistisch beißt sich das schon arg mit dem Rest der Darbietung, der einen eher geerdeten und nüchternen Ansatz verfolgt. Dabei ist es gerade dieses kleine Quäntchen Verrücktheit, das man sich gern häufiger gewünscht hätte, etwas mehr Mut, auch mal über die Stränge zu schlagen und den Wutz von der Kette zu lassen. So bleibt dem Genre-Fan als Primärantrieb zum Fahrscheinkauf das illustre Star-Ensemble, gelang es den Produzenten doch, eine ansehnliche Runde altgedienter Recken zusammenzutrommeln. Während Felix Wong [→ VENGEANCE], der als Rebellenführer die eigentliche Hauptrolle bekleidet, eher zur unbekannteren Garde gehört, kann man in einer kleinen, aber feinen Nebenrolle als Gouverneur Ti Lung erspähen, einst mit Epen wie DIE BLUTSBRÜDER DES GELBEN DRACHEN (1973) einer der größten Action-Helden Asiens. Michael Wong, der dank kerniger Cop-Reißer wie FINAL OPTION (1993) wohl ewig mit der Figur des harten, doch herzlichen Ausbilders verbunden bleiben wird, sieht man hier ungewohnterweise als das Gespräch suchenden Geistlichen. Weitere Gastauftritte absolvieren unter anderem Waise Lee [→ BULLET IN THE HEAD], Dick Wei [→ EASTERN CONDORS] sowie der vor allem aus Polizei- und Gangsterfilmen bekannte Simon Yam [→ DRAGON KILLER].

Summa summarum bleibt SEVEN ASSASSINS hinter seinen Möglichkeiten zurück. Leider passt sich auch die deutsche Nachvertonung der allgemein vorherrschenden Trägheit an und bietet neben einer miesen Abmischung meist unterdurchschnittliche Sprecherleistungen, vor allem bei den kleineren Rollen (Talsohle bildet dabei der Sprecher Simon Yams, der so heiser klingt, dass man ihm direkt nen Kamillentee aufbrühen möchte). Dabei ist GLORY DAYS (wie er manchmal auch deutlich weniger martialisch, dafür romantisch verklärt genannt wird) auch kein Totalausfall, bietet gediegenen, solide dahinplätschernden Zeitvertreib, der seine Stärken gegen Ende richtig ausspielt und damit einigen zwischenzeitlichen Leerlauf wieder wettmachen kann. Wer nur die Höhepunkte historischer Action-Unterhaltung mitnehmen möchte, darf diesen Beitrag dennoch gern überspringen, ohne sich dafür ein schlechtes Gewissen aufbürden zu müssen.

Laufzeit: 99 Min. / Freigabe: ab 16

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