USA 2015
Regie:
Colin Treverrow
Darsteller:
Chris Pratt,
Bryce Dallas Howard,
Ty Simpkins,
Vincent D'Onofrio,
Judy Greer,
BD Wong,
Omar Sy,
Irrfan Khan
Inhalt:
Vor vielen Jahren träumte Multimillionär Joe Hammond von einem einzigartigen Themen-Park – dem 'Jurassic Park' -, der das Publikum mit genetisch nachgezüchteten Dinosauriern begeistern sollte. Doch das Projekt schlug fehl: Bei Überprüfung der Anlage gelang es den Riesenechsen, sich aus ihren Gefängnissen zu befreien und ein Massaker anzurichten. 22 Jahre später ist Hammonds Vision dennoch längst Wirklichkeit geworden: 'Jurassic World' ist ein monumentales Luxus-Resort für die ganze Familie. Da dem Publikum jedoch simple Dinosaurier mittlerweile nicht mehr ausreichen, erschafft man inzwischen auch gefährliche Gen-Manipulationen. Einer von ihnen gelingt eines Tages die Flucht. Parkleiterin Claire [Bryce Dallas Howard] ist alles daran gelegen, eine Panik zu vermeiden und holt den Militärexperten Owen [Chris Pratt] ins Rettungsteam. Doch da gibt es auch noch den skrupellosen Vic Hoskins [Vincent D'Onofrio], der in den Züchtungen in erster Linie effektive Kriegswaffen sieht und seine eigenen Pläne hat.
Kritik:
„Gibt
es in Ihrem Dinosaurier-Park auch irgendwann mal einen Dinosaurier zu
sehen?“, fragte Jeff Goldblum einst sarkastisch in Richtung Kamera,
um akute Reptilien-Knappheit zu bekunden. Dieses Problem hat Chris
Pratt in JURASSIC WORLD nun freilich nicht mehr.
JURASSIC
PARK war 1993 eine Sensation. Nie zuvor sah man solch realistisch
wirkende CGI-Kreationen auf der Leinwand. In Verbindung mit dem wohl
niemals aussterbenden Dinosaurier-Hype, cleverem Marketing-Kalkül
und Steven Spielbergs gekonnter Spannungs-Dramaturgie entstand so ein
überwältigender Kassenerfolg, der sich völlig zurecht als Meilenstein
in der Geschichte der visuellen Effekte rühmen darf. Dabei lag die
eigentliche Attraktion des Monster-Märchens sogar in dem Umstand
begründet, dass es de facto nur verhältnismäßig wenig
Riesenechsen-Auftritte zu sehen gab und das Puls-Barometer daher in
erster Linie durch freudige Erwartungshaltung nach oben getrieben
wurde. Die Tatsache, dass die Computer-Trickserei trotz allem immer
noch in den Kinderschuhen steckte und man somit gar nicht in der Lage
war, ausufernde Pixel-Gewitter auf das Publikum loszulassen,
gereichte JURASSIC PARK in dramaturgischer Hinsicht somit also nur
zum Vorteil. Das verdeutlichte bereits die vier Jahre später
ebenfalls von Regisseur Spielberg auf den Weg gebrachte Fortsetzung,
die nun in tricktechnischer Versiertheit ganze Horden mörderischer
Bestien aus dem Rechner zauberte, dabei jedoch hauptsächlich Trübsal fabrizierte.
JURASSIC
WORLD, nach der 2001 entstandenen Restideen-Verwertung JURASSIC PARK
3 der vierte Teil der Saga, macht aus der Not eine Tugend und
verarbeitet das Dilemma des Fortschritts bereits im Dialog: In den
90ern war der Anblick eines lebenden Dinosauriers noch eine
Sensation, so erklärt Bryce Dallas Howard als Parkleiterin Claire zu
Beginn, mittlerweile allerdings sei es schlichtweg nichts Besonderes
mehr. Amüsante Selbstreferenzen wie diese sind es, die das Drehbuch
teilweise überraschend vielschichtig machen, hagelt es doch zudem
auch augenzwinkernde Kritik am gemeinen Höher-, Weiter-,
Schneller-Publikum, das immer spektakulärere Attraktionen braucht,
um befriedigt nach Hause gehen zu können – ein ebenso schöner wie
gelungener Seitenhieb auf Hollywood, seine Anhänger und die eigene
Zwangslage, unbedingt etwas Neues und Größeres erschaffen zu
müssen. Dem Anliegen wird dann auch fleißig Rechnung getragen. So dient der ‚Weiße Hai‘, einst in einer weiteren legendären
Spielberg-Produktion noch als ultimative Bedrohung Angst und
Schrecken verbreitend, hier gerade mal noch als leckeres
Appetithäppchen für den noch viel gewaltigeren Mosasaurus.
Fans
des Originals dürfen sich an mehreren Anspielungen und
Verweisen erfreuen, tauchen doch etliche Utensilien und Motive wieder
auf, sei es in Form von Fahrzeugen, Sichtgeräten oder T-Shirt-Logos.
Wo sich JURASSIC PARK allerdings noch einen wissenschaftlichen
Anstrich verpasste und auf den gruseligen Schauder der möglichen
Machbarkeit setzte, versuchte man hier nicht mal im Ansatz, so etwas Ähnliches wie Plausibilität zu erzeugen: Das Zauberwort
‚Gen-Manipulation‘ dient hier als profane Dauer-Erklärung für jede
noch so abstruse Eigenschaft der selbstgezüchteten Wunder-Dinos, die
sich zur Not auch in einen chamäleonartigen Tarnmodus versetzen
können (es aber seltsamerweise nicht tun, wenn es wirklich mal
sinnvoll wäre). So clever das Skript auf der Meta-Ebene konstruiert
wurde, so einfallslos ist es dann auch im Abarbeiten seiner einzelnen
Stationen: Die Helden geraten in Bedrängnis, entkommen in letzter
Sekunde, verschnaufen kurz und sondern Weisheiten ab, bevor das Spiel
von Neuem beginnt. Das war zwar im Original kaum anders, doch bot
dieses auch Figuren, denen man dabei folgen wollte. Obwohl Chris
Pratt durchaus als Sympathieträger taugt und Bryce Dallas Howard in
manchen Momenten ganz entzückend ist, solch schillernden Charakteren
wie Ian „Jeff Goldblum“ Malcolm oder Alan „Sam Neill“ Grant
werden sie in keinem Augenblick gerecht.
Dass
die obligatorischen Kinder im diesem Falle mal keine
besserwisserischen Nervensägen sind, darf hingegen schon fast als
ein Novum innerhalb der Reihe bezeichnet werden. Abgesehen davon,
dass sie sich aus eigenem Antrieb sinnlos in Gefahr begeben und somit
selbst Schuld daran sind, dass sie die meiste Zeit mutterseelenallein
als potentieller Dino-Happen die Beine in die Hand nehmen müssen,
sind die beiden Jungs doch sehr angenehme Zeitgenossen, denen man das
Gelingen ihrer Flucht auch tatsächlich wünscht. Dass man ihren Handlungsstrang dazu nutze, einmal mehr
in typisch amerikanischer Haudrauf-Manier die Bedeutung von Familie und Zusammenhalt zu idealisieren, ist hingegen weitaus weniger erbaulich und treibt zudem arg seltsame Blüten. So bricht einer der Brüder aus heiterem Himmel
in Tränen aus, da die Eltern mit Scheidungsplänen kokettieren.
Dieser Moment wirkt schon allein deshalb so absurd, weil man als
Zuschauer davon zu diesem Zeitpunkt das allererste Mal hört und es
einem zudem auch völlig gleichgültig ist, hatte besagtes Elternpaar bis dahin doch gerade mal ein paar Minuten
Leinwand-Präsenz. Da der derselbe Bengel sich nur kurz zuvor
noch quietschvergnügt gab (und es auch im Anschluss wieder tut) und
sich das Thema am Ende quasi sang- und klanglos wieder in Rauch
auflöst, wirkt es fast, als habe man eilig noch ein paar Szenen
nachgedreht, um zusätzlich eine pädagogische Botschaft mit auf den
Weg geben zu können.
Dem
Kinde nicht unähnlich unterliegt allerdings auch ganz JURASSIC WORLD
so einigen Stimmungsschwankungen; das vorherrschende Klima wechselt
oftmals etwas planlos zwischen heiter, heftig und bedrohlich. Im
einen Augenblick befindet man sich noch in panischer Sorge um die
vermissten Schützlinge, im nächsten trauert man bar jeder
Konsequenz um ein paar dahinsiechende Brachiosaurier. Zudem bereitete es
merklich Schwierigkeiten, die gegenständliche Katastrophe, die
immerhin vielen Menschen das Leben kostet, so darzustellen, dass sie
immer noch als Familien-Unterhaltung zu gebrauchen ist. Die Attacken
der riesigen Reptilien treffen daher überwiegend negativ gezeichnete
Figuren oder bleiben ohne sichtbare Folgen, entweder, weil verschämt
weggeblendet oder die Situation der Komik geopfert wird. Auch
inhaltlich vermisst man ein wenig eine klare Linie; viele Ideen
werden angerissen, aber ungenügend zu Ende geführt. Wenn man den
Kreaturen mit schwerem Geschütz und Artillerie zu Leibe rückt, dann
verspricht das eine großartige Action-Sequenz, ein paar Minuten
später jedoch ist bereits alles schon wieder ohne bleibende
Eindrücke vorbei. Zu allem Überfluss wirkt auch der Plan des
Oberschurken Hoskins [Vincent D'Onofrio] nicht wirklich
zufriedenstellend ausgearbeitet und will nicht mal im Rahmen dieser
realitätsfernen Fantasiewelt einen rechten Sinn ergeben.
Der
im Titel etwas prahlerisch behaupteten Expansion von ‚Park‘ auf
‚Welt‘ wird JURASSIC WORLD letztendlich weder in lokaler, noch in
qualitativer Hinsicht gerecht. Dass an der banalen Story sage und
schreibe gleich vier Autoren herumdoktorten, ist im Prinzip ein
schlagender Beweis dafür, dass sich seit 1993 zwar die Technik
weiterentwickelt hat, die Fantasie der Drehbuch-Schreiber hingegen
weniger. Gleichwohl handelt es sich dennoch um eine passable
Weiterführung des Themas, was vor allem daran liegt, dass es dem
Team um Regisseur Colin Treverrow trotz ihres hanebüchenen Inhalts
gelungen ist, Geist und Gestalt des Originals bestmöglich zu
imitieren. Wenn John Williams Ohrwurm-Fanfare erklingt und die Kamera
über das ausschweifende Gelände fliegt, hat man das Gefühl,
zwischen Teil 1 und 4 sei quasi gar keine Zeit vergangen – obwohl
man an vertrauten Gesichtern lediglich BD Wong als Dr. Wu
hinüberretten konnte. Überraschungen
erlebt man dabei freilich eher selten – wenn auch nicht jede
Sympathiefigur das Spektakel tatsächlich überlebt. Dafür serviert
das Finale dann noch mal eine versöhnliche Portion Dino-Action, um
Defizite aus der Mitte vergessen zu machen. JURASSIC WORLD ist gewiss
kein Meilenstein mehr, aber blitzsauber produziertes
Unterhaltungs-Kino, das seine beiden misslungenen Vorgänger mit
Leichtigkeit in die Tasche steckt.
Laufzeit: 124 Min. / Freigabe: ab 12
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen